DIE UNION ZUSAMMENHALTEN – EUROPA SOZIAL GESTALTEN

EINLADUNG
7.–8. Februar 2017, Berlin
DIE UNION
ZUSAMMENHALTEN –
EUROPA SOZIAL GESTALTEN
FACHTAGUNG
Die Europäische Union steht vor den vielleicht größten Herausforderungen ihrer Geschichte. Jahrzehntelang schien der Weg einer immer tieferen Integration für die größer werdende EU klar vorgezeichnet. Das friedliche
Zusammenleben, die Bereicherung durch Kulturen und Produkte aus anderen
Ländern wurden eine Selbstverständlichkeit. Passkontrollen und Geldwechsel
an nationalen Grenzen schienen der Vergangenheit anzugehören.
Heute drohen diese Errungenschaften angesichts der schweren Vertrauenskrise in Vergessenheit zu geraten. Rechtspopulistische Parteien erfahren mit ihren nationalistischen Parolen wachsenden Zulauf. Das Misstrauen gegenüber
den EU-Institutionen nimmt zu. Mit dem möglichen Ausstieg Großbritanniens
(Brexit) wird die Union zum ersten Mal ein Mitglied verlieren. Ein Auseinanderbrechen der EU und damit das Scheitern des europäischen Projektes rücken in den Bereich des Möglichen.
Die Verantwortung für diese Entwicklung liegt bei einer Europapolitik, die von
nationalen Interessen dominiert wird. Im Zuge der Osterweiterung haben die
sozio-ökonomischen Divergenzen ebenso wie die Unterschiede im Integrationswillen und der Integrationsfähigkeit der Mitgliedstaaten stark zugenommen. Die Machtverteilung im Institutionengefüge der EU hat sich zugunsten
von Europäischem Rat und Ministerrat verschoben. Im Ergebnis dominiert
heute eine Politik nationaler Egoismen.
Hinzu kommt, dass falsche Rezepte zur Bewältigung der Finanzkrise weite
Teile Europas in eine Wirtschafts- und Sozialkrise gestürzt haben. Arbeitslosenquoten – vor allem unter Jugendlichen – haben Rekordhöhen erreicht,
Löhne und Staatsausgaben wurden gedrückt, Einkommensungleichheit und
Armut nehmen zu. Das soziale Fortschrittsversprechen des europäischen Einigungsprojekts ist mehr und mehr ins Hintertreffen geraten. Die Komplexität
und Intransparenz europäischer Entscheidungsprozesse ebenso wie das Gefühl mangelnder demokratischer Beteiligungsmöglichkeiten lassen Europa als
rein technokratisches Projekt von Eliten für Eliten erscheinen.
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Die EU befindet sich an der Wegscheide. Wird der bisherige Kurs fortgesetzt,
könnte die Union daran zerbrechen. Soll Europa gestaltungsfähig bleiben, so
brauchen wir eine handlungsfähige Union, die sich auf das Vertrauen ihrer
Bürgerinnen und Bürger stützen kann. Dafür ist eine Rückbesinnung auf das
europäische Gründungsversprechen nötig, gemeinsam gegen Armut und Arbeitslosigkeit und für sozialen Fortschritt und ein gutes Leben in Wohlstand
einzutreten.
Wie kann ein solcher Politikwechsel in Richtung einer Stärkung der sozialen
Dimension Europas aussehen? Welche Institutionenreformen sind nötig, um
auf EU-Ebene soziale Demokratie zu verwirklichen? Was können aktuelle Initiativen zur Schaffung einer „europäischen Säule sozialer Rechte“, zur Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion oder zur Vollendung des
Binnenmarkts auf dem Weg dorthin leisten? Diese und weitere Fragen sollen
auf der Konferenz zusammen mit Vertreterinnen und Vertretern aus Politik,
Gewerkschaften und Zivilgesellschaft erörtert werden.
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PROGRAMM
Di, 7. Februar 2017
15:00Registrierung
16:00Begrüßung
Thomas Fischer, Mitglied des Vorstandes der Hans-Böckler-Stiftung; Leiter Abteilung
Grundsatzangelegenheiten und Gesellschaftspolitik, DGB-Bundesvorstand
16:15Keynote
Robert Menasse, Schriftsteller und Essayist, Wien (angefragt)
17:00Panel:
Was hält Europa zusammen? Anforderungen an ein soziales Europa
Stefaan Hermans, Kabinettschef von EU-Kommissarin Marianne Thyssen, Brüssel
Reiner Hoffmann, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Berlin,
Vorsitzender des Vorstandes der Hans-Böckler-Stiftung
Maria Loheide, Vorstand Sozialpolitik der Diakonie Deutschland, Berlin,
Stellvertretende Vorsitzende von Eurodiaconia
Maria João Rodrigues, Mitglied des Europäischen Parlaments, Brüssel (angefragt)
Professor Dr. Rolf Rosenbrock, Vorsitzender des Paritätischer Gesamtverbandes,
Berlin
Moderation: Harald Schumann, Redakteur, Der Tagesspiegel
18:30Empfang
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PROGRAMM
Mi, 8. Februar 2017
09:00Registrierung
10:00Eröffnung
Harald Schumann
10:30 Fachforum I und II parallel
Fachforum I:
Eine neue Wirtschaftspolitik in Europa – für Stabilität und Wohlstand
Die EU-Wirtschaftspolitik wird dominiert von angebotsorientierten Programmen. Der Fokus auf „Strukturreformen“ zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit hat zu sinkenden Löhnen geführt. Zusätzlich wurde die
Binnennachfrage durch Kürzung öffentlicher Ausgaben gedrückt. Die
Folgen sind Wachstumsschwäche und ein europaweiter Investitionsstau
bei Bildung und Infrastruktur, den auch der neu geschaffene Europäische
Fonds für Strategische Investitionen (EFSI) bislang nicht auflösen konnte.
Die Ausrichtung der europäischen Economic Governance steht weiter im
Zeichen dieser verfehlten Politik. Das Panel diskutiert, welche Wirtschaftspolitik und welche Economic Governance für EU und Euroraum notwendig
wären, um Arbeitsplätze, Investitionen und Wachstum zu schaffen und
auch langfristig die Stabilität und Zukunftsfähigkeit des europäischen Wirtschafts- und Währungsraums zu erhalten.
Panel:
Professor Dr. Peter Bofinger, Mitglied des Sachverständigenrates zur
Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Universität Würzburg
Sian Jones, Politikkoordinatorin, European Anti Poverty Network, Brüssel
Stefan Körzell, Mitglied des Geschäftsführenden Bundesvorstands des Deutschen
Gewerkschaftsbundes, Berlin
Karl Pichelmann, Berater, Generaldirektion für Wirtschaft und Finanzen, Europäische
Kommission, Brüssel
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Axel Troost, Mitglied des Deutschen Bundestags, Berlin
Moderation: Markus Schreyer, Referent, Abteilung Wirtschafts- und Sozialpolitik,
Friedrich-Ebert-Stiftung, Berlin
Fachforum II:
Eine Binnenmarktpolitik für Beschäftigte, Verbraucher und Unternehmer – (Re-)Regulierung, Industrie- und Strukturpolitik
Die EU ist mehr als eine Freihandelszone und mehr als ein Binnenmarkt.
Der Markt braucht einen regulatorischen Rahmen – zum Schutz der
Umwelt, von KonsumentInnen und Beschäftigten. Trotzdem werden notwendige Regulierungen immer öfter als Hindernis für die Vollendung des
Binnenmarkts und die Verwirklichung seiner Grundfreiheiten betrachtet.
Gleichzeitig ist eine aktive europäische Industriepolitik bestenfalls rudimentär erkennbar und die derzeitige EU-Strukturpolitik verfehlt das Ziel
wirtschaftlicher Aufwärtskonvergenz. Das Panel diskutiert, welche Kurskorrekturen in der Binnenmarktpolitik notwendig sind, um eine nachhaltige
und ausgewogene Wirtschaftsentwicklung in ganz Europa zu erreichen,
die neue Technologien fördert, sichere und gute Arbeitsplätze garantiert
und dabei dem Markt klare Grenzen zugunsten von Beschäftigten, Verbrau­
cherInnen und Umwelt setzt.
Panel:
Eva Belabed, Ökonomin, Universität Linz
Claudia Dörr-Voß, Leiterin Abteilung Europapolitik, Bundesministerium für Wirtschaft
und Energie, Berlin
Dr. Manja Schreiner, Leiterin Abteilung Organisation und Recht, Zentralverband des
Deutschen Handwerks, Berlin
Professor Dr. Hubert Weiger, Vorsitzender des Bundes Umwelt und Naturschutz
Deutschland, Berlin
Moderation: Professor Dr. Anke Hassel, Direktorin des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institutes der Hans-Böckler-Stiftung, Düsseldorf
12:00Mittagessen
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13:30 Fachforum III und IV parallel
Fachforum III:
Stärkung der sozialen Dimension – für ein Europa des sozialen Ausgleichs und der sozialen Sicherheit
Europa steckt in einer sozialen Krise: Mehr als 21 Millionen Menschen
sind arbeitslos, die Jugendarbeitslosigkeit beträgt mancherorts mehr als
50 Prozent. Die Einkommensungleichheit nimmt zu, Lohndumping und
Armut sind in der reichen EU allgegenwärtig: 122 Millionen Menschen
sind in Europa von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht. Generell gilt,
dass das Ziel des sozialen Ausgleichs heute in der Europäischen Union ein
Schattendasein fristet. Soziale Ziele – wie sie etwa die EU 2020 Strategie
vorgibt – werden der Haushalts- und Wirtschaftspolitik untergeordnet.
Die bestehenden nationalen Tarifsysteme wie die Mitbestimmungs- und
Beteiligungsrechte der Beschäftigten werden durch die europäische Austeritäts- und Liberalisierungsagenda immer mehr beeinträchtigt. Das Panel
diskutiert, wie Europa durch funktionierende Mechanismen eines fairen
Interessenausgleichs und eine Stärkung des sozialen Acquis zu mehr sozialer Gerechtigkeit, sozialer Sicherheit und Mitbestimmung beitragen kann.
Besonders in den Blick genommen werden dabei aktuelle Initiativen der
EU-Kommission, insbesondere ihre Vorschläge für eine europäische Säule
sozialer Rechte.
Panel:
Gabriele Bischoff, Präsidentin der Arbeitnehmergruppe im Europäischen Wirtschaftsund Sozialausschuss, Brüssel
Hannelore Buls, Mitglied des Vorstandes des Deutschen Frauenrats, Berlin
Lutz Mühl, Geschäftsführer Wirtschaft, Sozialpolitik, Europa beim Bundesarbeitgeberverband Chemie, Wiesbaden
Stefan Weinhofer, Vorsitzender TUI Europa Forum, Wien
Gabriele Zimmer, Mitglied des Europäischen Parlaments, Brüssel
Moderation: Bernd Hüttemann, Generalsekretär der Europäischen Bewegung
Deutschland, Berlin
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Fachforum IV:
Reform der institutionellen Architektur: Soziale Demokratie
für Europa
Europa braucht die Perspektive auf eine wirkliche Demokratisierung. Ohne
grundlegende institutionelle Reformen des Machtgefüges zwischen Europäischem Parlament, (Europäischem) Rat und Kommission wird dies nicht
möglich sein – dies gilt gleichermaßen für die EU insgesamt wie für den
Euroraum. In der gegenwärtigen Verfassung dominieren die Interessen der
mitgliedstaatlichen Regierungen. Aber die Summe nationaler Interessen
erzeugt kein europäisches Gemeinwohl. Zuhause entziehen sich nationale
RegierungsvertreterInnen regelmäßig der Verantwortung, indem sie Europa die Sündenbockrolle für Entscheidungen zuweisen, an denen sie selbst
im Rat mitgewirkt haben. Das Panel diskutiert, welche demokratischen
Reformen wir brauchen, um zu gewährleisten, dass die Führung und das
Personal der EU-Institutionen künftig allen europäischen Wählern verpflichtet sind, und nicht primär ihren jeweiligen Heimatländern und -parteien.
Panel:
Elmar Brok, Mitglied des Europäischen Parlaments, Brüssel
Katja Lehto-Komulainen, Stv. Generalsekretärin des Europäischen Gewerkschaftsbundes, Brüssel
Roger Liddle (Lord Liddle), Mitglied des House of Lords, London
Professor Dr. Ingolf Pernice, Direktor des Walter-Hallstein-Instituts für
Europäisches Verfassungsrecht an der Humboldt-Universität zu Berlin
Dr. Daniela Schwarzer, Otto-Wolff-Direktorin des Forschungsinstituts der Deutschen
Gesellschaft für Auswärtige Politik, Berlin
Moderation: Henning Meyer, Chefredakteur, Social Europe Journal, London
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15:00Abschlussdiskurs
Die Arbeitswelt der Zukunft: Welches soziale Europa brauchen wir?
Panel:
Reiner Hoffmann, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Berlin,
Vorsitzender des Vorstandes der Hans-Böckler-Stiftung
Robert Misik, Journalist und Sachbuchautor, Wien
Professorin Dr. Gesine Schwan, Präsidentin der HUMBOLDT-VIADRINA
Governance Platform, Berlin
Moderation: Ulrike Herrmann, Wirtschaftskorrespondentin, taz
16:00 Ende der Veranstaltung
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INFORMATION
Veranstalter
Hans-Böckler-Stiftung in Kooperation mit dem Deutschen
Gewerkschaftsbund
Veranstaltungsort Steigenberger Hotel Berlin – City West
Los-Angeles-Platz 1
10789 Berlin
Anmeldeschluss 30. Januar 2017
Die Anmeldung ist verbindlich und wird nach Ablauf der
Anmeldefrist mit einem Anreisehinweis bestätigt.
Organisation/
Hans-Böckler-Stiftung
AnmeldungPersonal/Verwaltung/Justiziariat
Sarah Roeger
Hans-Böckler-Straße 39
40476 Düsseldorf
Telefon:+49 211 7778-105
Telefax: +49 211 7778-4105
[email protected]
HinweiseTagungsgebühren werden nicht erhoben. Die Kosten für die
Verpflegung während der Veranstaltung trägt der Veranstalter. Reise- und Übernachtungskosten werden nicht übernommen.
Konferenzsprache: Deutsch und Englisch
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www.boeckler.de