SWR2

SWR2 MANUSKRIPT
ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE
SWR2 Musikstunde
Genies in der Wiege
Über Eltern großer Musiker (1-5)
Von Werner Klüppelholz
Sendung:
Redaktion:
Freitag, 27. Januar 2017 - 9.05 – 10.00 Uhr
(Wiederholung von April 2013)
Bettina Winkler
Bitte beachten Sie:
Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere
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SWR2 Musikstunde mit Werner Klüppelholz
Genies in der Wiege
Über Eltern großer Musiker (5)
SWR 2, 23.01. -27.01.2017 , 9h05 – 10h00 Uhr
V
Indikativ
„Vergesst Mozart!“ heißt ein etwas wirrer Kinofilm zum Thema Wer hat ihn
umgebracht? Nein, wir haben Mozart nicht vergessen, sondern nur dieses reale
Vater-Sohn-Schwester-Enkel-Drama für den Schluss aufgespart. Es zeigt: Ist
Genialität an sich schon ein Rätsel, so wird sie zum doppelten Rätsel angesichts
der familiären Bedingungen, unter denen Genialität zum Vorschein kam.
„Wolfgang Amadeus Mozart“, schreibt ein Biograph, „war das biologische und
pädagogische Meisterwerk seines Vaters Leopold.“ Entstanden freilich unter
grauslichen Umständen. Leopold Mozart ist der älteste Sohn eines Augsburger
Buchbindermeisters, der wie so oft früh stirbt. Auf dem dortigen JesuitenGymnasium erhält Leopold eine umfassende Bildung, die er später an Wolfgang
weitergeben wird, dessen einziger Lehrer er ist. Obwohl die verwitwete Mutter
Leopold bei der Aufzucht weiterer fünf Kinder dringend braucht, zieht er gegen
ihren Willen nach Salzburg, um Jura und Philosophie zu studieren, wird wegen
Faulheit der Universität verwiesen, macht auch nicht die erwünschte KirchenKarriere, sondern wird Musiker und heiratet – wiederum gegen den Willen der
Mutter – eine Frau ohne Besitz. Viel schlechter könnte das Verhältnis zwischen
Leopold und seiner Mutter nicht sein, die ihn bald enterbt und aus deren Familie
niemand das Konzert besuchen wird, das Leopold mit seinen beiden
Wunderkindern in Augsburg gibt; ihren Enkel Wolfgang Amadeus hat die
Großmutter niemals gesehen. Alles, was Leopold an vermeintlichem Unrecht
durch seine Mutter erlitten hat, wird er später seinem Sohn zufügen. Leopold
Mozart ist ein misstrauischer, schwieriger Mensch, der seines Charakters wegen
mehrfach bei der Beförderung in Salzburg übergangen wird, dabei möchte er
berühmt werden. Seine Violinschule ist zu Lebzeiten ein Bestseller, mit dem
Komponieren ist es allerdings nicht so weit her, er gibt es ganz auf, als er mit
Wolfgang seinen Lebensinhalt gefunden hat. Von Leopolds Werken kam eine
Kindersinfonie auf die Nachwelt, eine Schlittenfahrt und eine Bauernhochzeit;
geschrieben für eine Faschingsveranstaltung und aufgeführt 14 Tage vor
Wolfgangs Geburt.
L. Mozart: Die Bauernhochzeit, Marcia
Ensemble Eduard Melkus
DG 427122-2
LC 0173
2’34“
3
Das Ensemble Eduard Melkus spielte den ersten Satz der Sinfonia D-Dur “Die
Bauernhochzeit” von Leopold Mozart.
Von den sieben Kindern aus der Ehe von Leopold und Anna Maria überleben
zwei, Wolfgang und seine vier Jahre ältere Schwester Maria Anna, genannt
Nannerl. Ganz früh zeigt sich Wolfgangs Begabung, der seiner Schwester am
Klavier nacheifert, brav ist und allen gefallen möchte. „Nach Gott kommt gleich
der Papa“, spricht der Knabe und wird sich von dessen Autorität lebenslang nicht
befreien können. Solch ein Sohn dient Leopold dazu, es der Welt einmal zu
zeigen. „Er wird gewiss alles tun“, notiert er, „Ruhm, Ehre und Geld zu machen,
um uns zu retten und seinen Vater nicht dem höhnischen Gespött und Gelächter
gewisser Leute auszusetzen. Sein Glück, sein Ruhm wird die süßeste Rache für uns
sein.“ Nannerl spielt von Anfang an bloß eine Nebenrolle. Ihre Noten sind es, in
denen Leopold Wolfgangs Fortschritte vermerkt, obwohl der Bruder seine
Schwester stets für die noch bessere Pianistin hält. Doch vorerst machen zwei
Wunderkinder mehr Eindruck als nur eines. Wolfgang ist noch keine sechs Jahre
alt, da bricht der Vater zur ersten Reise auf, die dreieinhalb Jahre dauert. Die
Einnahmen sind beträchtlich, fünfzig Mal höher als Leopolds Salzburger Gehalt.
Selbstverständlich behält der Vater das ganze Geld für sich. Dass Mozart bis zum
Schluss nicht damit umgehen konnte, hat hier seinen Ursprung. „Wo hätte ich
denn das Geld schätzen lernen können“, schreibt er als Erwachsener an seinen
Vater, „ich habe noch zu wenig unter den Händen gehabt. Ich weiß, dass ich
einmal zwanzig Dukaten gehabt habe, so glaubte ich mich schon reich.“ Und
das sind keine tausend Euro. Wenn die Kinder auf den Reisen krank sind oder
Wolfgang neue Zähne bekommt und daher nicht konzertieren kann, beklagt
Leopold bitter den Verdienstausfall. In London tritt die Truppe im Buckingham
Palace und in den Salons diverser Lords auf und wird überall fürstlich entlohnt,
doch Leopold kann den Hals nicht voll kriegen. Zusätzlich setzt er noch ein
Konzert in einem Wirtshaus an, gegen geringen Eintritt, was eine Entwertung der
aristokratischen Elite bedeutet. Das Volk mag entzückt sein, der Londoner Adel ist
not amused. Und damit der europäische Adel, der in engem gegenseitigen
Kontakt steht. Noch Jahre später warnt Maria Theresia ihren Sohn vor einer
Anstellung Mozarts, denn das seien Leute, die „wie Bettler durch die Welt ziehen“.
Wolfgang wird lange eine für ihn adäquate Stelle bei Hofe ersehnen und – dank
der Geldgier seines Vaters – nie eine bekommen. Außer dem bescheidenen
Posten in Salzburg, vermittelt natürlich von Leopold, der dafür gleichsam als
Provision einen Teil von Wolfgangs Lohn ohne dessen Wissen einstreicht.
Mozart: Haffner-Serenade KV 250, 1. Satz
Sinfonieorchester des Bayrischen Rundfunks, Ltg. C. Davis
Brillant 92869
LC 09421
7’02“
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Das Sinfonieorchester des Bayrischen Rundfunks spielte den ersten Satz aus
Mozarts Haffner-Serenade KV 250. Die Leitung hatte Sir Colin Davis.
Wolfgang Amadé möchte sich in München um eine Stellung bemühen, nein, das
ist nichts für dich, meint der Vater, der dem erwachsenen Sohn in alles
hineinredet, geh’ nach Mannheim, da spielt die Musik. Unglückseliger Weise
verliebt sich Wolfgang dort in eine Sängerin, Leopold ist alarmiert, schließlich
könnte dadurch sein Anspruch auf Alleinherrschaft gefährdet werden. Mannheim
ist doch bloß ein unbedeutendes Kaff, „aut Caesar aut nihil“, befiehlt er seinem
Sohn, der Größte oder nichts, „fort mit dir nach Paris“. Dorthin wird Wolfgang nur
von seiner Mutter als Aufpasserin begleitet, eine einfache Frau, die auf den
Reisen mit viel Mühen versucht, ein halbwegs geordnetes Familienleben aufrecht
zu erhalten. In Paris fühlt sie sich wie im Gefängnis, sitzt tagelang allein in einem
winzigen dunklen Hotelzimmer und strickt. Anna Maria erkrankt, sie will nicht von
einem französischen Arzt behandelt werden, Leopold gibt aus der Ferne
medizinische Ratschläge,
die auch nicht mehr helfen, sie stirbt; an Typhus, gegen den damals ohnehin kein
Kraut gewachsen war. In einem Brief an den Vater berichtet Wolfgang
anderntags vom Tod Voltaires, aber nicht von dem der Mutter. Als Leopold
davon erfährt, macht er seinem Sohn schlimme Vorwürfe. Das sei nur geschehen,
weil der sich zu wenig um die Mutter gekümmert habe, er hätte statt nach Paris
zu reisen gleich von Mannheim nach Salzburg zurückkehren sollen und dass
Wolfgang die Schuld an ihrem Tod habe sei bereits dadurch ersichtlich, dass die
Mutter schon bei seiner Geburt fast gestorben ist. Jetzt bitte nicht noch einen
Vatermord: „Ich hoffe, dass du, nachdem deine Mutter in Paris hat sterben
müssen, dir nicht auch die Beförderung des Todes deines Vaters über dein
Gewissen ziehen willst.“ Indem – so wäre zu ergänzen – du dich immer stärker den
Befehlen deines Vaters widersetzt, denn weil du meine einzige Existenz bist, darfst
du dir keine eigene aufbauen. Zu den Werken der Paris-Reise zählt die
Klaviersonate a-Moll, geschrieben Anfang Juli 1778, als entweder der Tod schon
vor der Tür stand oder Mozarts Mutter bereits gerade gestorben war.
Mozart: Klaviersonate KV 310, 2. Satz
M. J. Pires
Brillant 92733 LC 09421
6’38“
Maria Joao Pires spielte das Andante cantabile con espressione aus Mozarts
Klaviersonate a-moll KV 310.
Mozarts Übersiedelung nach Wien bedarf einer formellen Kündigung in Salzburg,
die wiederum der Zustimmung des Vaters bedarf. Leopold verweigert sie, denn
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das wäre die Befreiung Wolfgangs aus seiner Herrschaft. Der Sohn setzt sich
dennoch durch, mit schlechtem Gewissen, das Leopold in seinen Briefen weiter
schürt. „Ich bitte sie“, antwortet Wolfgang, „schreiben sie mir keinen so traurigen
Brief mehr, denn ich brauche dermalen ein heiteres Gemüt, leichten Kopf und
Lust zum Arbeiten, und das hat man nicht, wenn man traurig ist.“ Auch
kompositorisch versucht Leopold, seinem Sohn hineinzureden, der nun auf dem
freien Markt sein Brot verdienen muss. „Vergiss das sogenannte populare nicht,
das auch die langen Ohren kitzelt.“ Mozarts Antwort – am Beispiel einer neuen
Sinfonie - könnte fast von Schönberg stammen: „Ich bin sehr damit zufrieden, ob
es aber gefällt, das weiß ich nicht. Um die Wahrheit zu sagen, liegt mir sehr wenig
daran.“ Mozart will heiraten, auch dazu ist eigentlich die Einwilligung des Vaters
nötig, die Leopold ebenfalls verweigert. Selbstredend ist er weder mit der Heirat
noch mit dieser Frau einverstanden. Im Stephansdom findet dennoch die
Hochzeit statt, der Sohn wird daraufhin enterbt, so wie Leopold von seiner Mutter
bei der Heirat enterbt wurde. Um dem Vater zu zeigen, dass er nicht in der Gosse
gelandet ist, berichtet ihm Wolfgang stolz von seinen guten Einnahmen in Wien.
Leopold quittiert solche Nachrichten mit der Forderung, endlich die Schulden bei
ihm abzuzahlen, die bei den Wunderkind-Reisen für ihn entstanden seien. In der
Kindheit waren Wolfgang und Nannerl ein Herz und eine Seele, doch längst hat
die Schwester die Haltung des Vaters übernommen, dem sie sich bedingungslos
unterwirft. Als sie einen Mann heiraten will, den sie liebt, beugt sie sich Leopolds
Widerspruch. Mozarts Vater stirbt in derselben Woche wie sein Kanarienvogel. Er
vollendet den „Musikalischen Spaß“, eine Parodie auf schlechte Komponisten,
und schreibt ein lustig gemeintes Lied auf den Tod des Vogels. Zur Beerdigung
seines Vaters zu reisen, fehlt ihm die Zeit. Das gesamte Geld, das Leopold mit
Wolfgang verdient und Zins bringend angelegt hat, geht an die Schwester, die
ganzen wertvollen Fürsten-Geschenke und viele Manuskripte Mozarts ebenso. Bei
einem Besuch in Salzburg, als Leopold noch lebt, bittet Ehefrau Constanze, eine
der vielen goldenen Schnupftabak-Dosen als Erinnerungsstück mitnehmen zu
dürfen. Leopold in seiner ganzen Feindseligkeit erfüllt die Bitte nicht. Bei diesem
atmosphärisch grauenhaften Aufenthalt wurde freilich einmal gemeinsam
gesungen, das Quartett aus der Oper „Idomeneo“, beginnend mit den Worten
„Andro ramingo e solo“, einsam werde ich umherirren. Hier treffen
widerstreitende Meinungen von Vater, Sohn und zwei Frauen aufeinander.
Mozart soll beim Singen in Tränen ausgebrochen sein, das Zimmer verlassen und
sich erst nach längerer Zeit wieder beruhigt haben.
Mozart: Idomeneo, 3. Akt, Nr. 21
5’29“
Richard Croft, Bernarda Finke, Suhae Im, Alexandrina Pendatchanska, Freiburger
Barockorchester, Ltg. R. Jacobs
HM 902036.38
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Wir hörten Richard Croft, Bernarda Fink, Suhae Im, Alexandrina Pendatchanska
und das Freiburger Barockorchester mit dem Quartett aus Mozarts Oper
„Idomeneo“. Die Leitung hatte René Jacobs.
In der Ehe von Wolfgang und Constanze kommen auf vier gestorbene Kinder
zwei überlebende, die Söhne Carl Thomas und Franz Xaver. Mozart soll kein
ausgesprochenes Musterbeispiel ehelicher Treue geboten haben, da gab es
etwa einige Affären mit Sängerinnen aus Schikaneders Zauberflöten-Kompanie,
vielleicht wurde von daher auf Constanze geschlossen. Und dann der Vorname,
Franz Xaver, der gleiche wie bei Mozarts Schüler Süßmayr, mit dem Constanze
einige Kuraufenthalte verbracht hatte, als Ehemann Wolfgang auf Reisen war.
Zum regulären Zeitpunkt der Empfängnis von Franz Xaver weilt er gerade in
Frankfurt und Schwetzingen, aber es ist ja auch nicht ausgeschlossen, dass dieser
Sohn ein Achtmonatskind war, geboren ein halbes Jahr vor dem Tod des Vaters.
Wowi, so sein Kosename, soll ebenfalls Wunderkind werden, beschließt die
Mutter, die nach dem Tod ihres Mannes wieder als Sängerin auftritt und dabei
auch ihren kleinen Sohn den Vogelfänger aus der „Zauberflöte“ singen lässt.
Überdies ersetzt sie die Vornamen Franz Xaver durch Wolfgang Amadeus.
Constanze gibt Wowi in die Hände der stadtbekannten Lehrer Hummel, Salieri
und Albrechtsberger. Mit Erfolg, Franz Xaver beginnt sehr frühzeitig zu
komponieren und sein erster Klavierabend, den er mit 14 Jahren gibt, erbringt
eine Einnahme, für die auch heutige Tastenlöwen den Flügeldeckel öffnen
würden, nämlich umgerechnet 45 Tausend Euro. So üppig bleibt es allerdings
nicht. Bereits der ältere Bruder war nach Italien ausgewandert, wo er als
kaiserlicher Verwaltungsangestellter lebt. Franz Xaver verlässt als Siebzehnjähriger
ebenfalls Wien und geht in die tiefste Provinz, ins galizische Lemberg, vierzehn
Tagesreisen von Wien entfernt. Unklar ist, warum. Weil es in Lemberg weniger
Polizeistaat gab, die Steuern dort wesentlich niedriger waren oder weil er nicht
länger auf Leute stoßen wollte, die ihn ständig auf seinen Vater ansprachen?
Diesem Schicksal wird er freilich nirgendwo entgehen. Passend zur Nähe Polens
schreibt Franz Xaver Polonaisen und macht dabei einiges falsch. Er fügt im Titel
der Tänze „melancholisch“ hinzu, nennt sie dem Verlag gegenüber bescheiden
„Kleinigkeiten“ und verlangt kein Honorar. Dafür erhält er auch keine Antwort.
Kolja Lessing mit der Polonaise c-moll.
F. X. Mozart: Polonaise mélancholique c-moll
K. Lessing
SWR 0290253
3’35”
Franz Xaver Mozart war sich der Größe seines Vaters ebenso bewusst wie der
Beschränkung seines eigenen Talents. Zudem muss er erleben, wie der Cousin
seiner Mutter, er heißt Carl Maria von Weber, mit dem „Freischütz“ einen
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Welterfolg erzielt. Dabei wird Franz Xaver auf seiner zweijährigen Europa-Tournee
mit väterlichen und eigenen Werken zunächst überall freundlich aufgenommen:
„Kinder berühmter Männer sind gewöhnlich einer harten Beurteilung unterworfen,
indem man sie mit ihren Vätern vergleicht. Sie müssten deren Ruhm noch
überstrahlen, um den Ansprüchen zu genügen, die die Welt an sie macht. Zu
dieser Betrachtung führt mich das Hiersein W. A. Mozarts des Sohnes, der auf
einer Reise von Lemberg, wo er als Klavierlehrer lebt, zu seiner in Kopenhagen
lebenden Mutter hier ein Konzert gab. Als Jüngling trat dieser zweite Sohn des
Unvergesslichen mit eigenen Kompositionen auf, die nicht genügten. Es freut
mich, nun über dieses jungen Mannes Fortschritte in der Kunst lobend sprechen
zu können, und Deutschland auf ihn aufmerksam machen zu dürfen.“ Allerdings
häufen sich später kritische Stimmen. Franz Xavers Klavierspiel sei kalt, seine
Erscheinung blass, seine Stücke so lala. Bei einem Konzert in Wien erscheinen
ganze einhundert Interessenten. Nach rund fünfzig Werken gibt er das
Komponieren auf.
F. X. Mozart: Sonate für Violoncello und Klavier op. 19, 3. Satz
Duo Jaffé / Fröhlich
FCD 97205 LC 3199
4’53“
Das Duo Jaffé / Fröhlich spielte das Finale der Sonate für Violoncello und Klavier
op. 19 von Franz Xaver Mozart.
Der hat lebenslang eine ferne Geliebte namens J., doch wenn sich die
Gelegenheit zur Annäherung bietet, nutzt er sie nicht. In Salzburg besucht er
noch seine Tante Nannerl, die mittlerweile siebzig Jahre alt ist und ihn freundlich
empfängt, und als seine Mutter im damals biblischen Alter von 80 Jahren stirbt,
gibt es endlich einmal ein korrektes Testament: „Zu gleichen Universalerben setze
ich die Söhne Carl und Wolfgang ein. Für diese meine beiden Söhne bestimme
ich noch insbesondere 6 silberne Löffel, 6 Gabeln und 5 schwere Löffel, der 6. ist
aus Unachtsamkeit in den Abtritt geschüttet worden.“ Zwei Jahre später ist Franz
Xaver ebenfalls tot, gestorben in Karlsbad, drei Tage nach seinem 53.
Geburtstag. Am Grab wird ein Nachruf von Franz Grillparzer verlesen:
„ So bist du endlich hingegangen,
Wohin der Geist dich ewig zog,
Und hältst den Großen dort umfangen,
Der adlergleich zur Sonne flog.
Dass keiner doch dein Wirken messe,
Der nicht der Sehnsucht Stachel kennt,
Du warst die trauernde Zypresse,
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An deines Vaters Monument.
Wovon so viele einzig leben,
Was Stolz und Wahn so gerne hört,
Des Vaters Name war es eben,
Was deiner Tatkraft Keim zerstört.“
Und Grillparzer schließt holpernd, doch tröstlich mit der Strophe:
„Wenn dort die Menge sich versammelt,
Ehrfürchtig Schweigen alle bannt,
Wer dann den Namen Mozart stammelt,
Hat ja den deinen auch genannt.“
Anschließend führt der Karlsbader Musikverein Mozarts „Requiem“ auf, über dem
der Komponist ja selbst gestorben ist und das von seinem Schüler Süßmayr fertig
gestellt wurde. Wer auch immer der Vater von Franz Xaver Wolfgang Amadeus
gewesen sein mag, er war musikalisch anwesend.
Mozart: Requiem, Communio
5’38”
Barbara Bonney, Anne Sofie von Otter, Hans Peter Blochwitz, Willard White,
Monteverdi Choir, English Baroque Soloists, Ltg. John Eliot Gardiner
Phil 420197 LC 0305