Erfahrungsbericht über das Erasmus

Erfahrungsbericht über das Erasmus-Praktikum am Forschungsinstitut ICFO
Studienfach: Physik (Master)
Vorbereitung
Ich studiere Physik im Master an der LMU und sah, dass man Studienleistungen in Form von
Forschungspraktika einbringen darf. Wenn nicht an einem Lehrstuhl der LMU, dann eben im
Ausland. Da ich mehr Erfahrung in der wirklichen Forschungswelt haben wollte - außerhalb
der akademischen Vorlesungswelt - um mich besser orientieren zu können, und weil es
wirklich interessant ist, und zudem Studienleistungen für den Master einbringen musste,
kam mir die wunderbare Idee, ein Praktikum (Experimentalphysik) am Forschungsinstitut
ICFO in Barcelona zu machen. Ich kannte das Institut bereits, da ein Bekannter dort seinen
Doktor in theoretischer Physik macht. Zudem hatte ich ihn mehrere Male in Barcelona
besucht, so dass ich schon einen guten Eindruck von der Stadt hatte. ICFO war also mein
Traumziel.
Ich habe dann einfach der HR Abteilung eine Email geschrieben und gefragt, was ich tun
muss, um ein Praktikum zu bekommen. Es hieß, ich solle direkt eine Email an die
Gruppenleiter der Gruppen schicken, die mich interessieren. Darin sollte dann schon der
Lebenslauf, ein Motivationsschreiben (Cover Letter), und das Transcipt of Records enthalten
sein. Alles auf Englisch, da auch die Arbeitssprache am ICFO Englisch ist. Ich habe also einige
Gruppen angeschrieben und sogar nach einiger Zeit ein paar Antworten zurückbekommen.
Letztendlich war es dann Jens Biegert (Ultrafast Optics and Attoscience), welcher mich als
erstes zu einem Skype Interview eingeladen hatte. Das Interview war sehr entspannt, auf
Deutsch, und keine großartigen Fragen. Im Grunde hat er mein Projekt kurz erklärt und mich
gefragt, ob es für mich interssant wäre. Im Folgenden hat er mich dann mit der HR Abteilung
verbunden, so dass ich erstmal kein Kontakt mehr zu Jens hatte. Der nächste Schritt war
dann ein Erasmus-Stipendium zu bekommen. Dabei hat mir Johannes Hoch, Student und
Arbeitsmarkt, und das Prüfungsamt in der Schellingstraße weiterhelfen können. Es war
teilweise ein wenig kompliziert ein Agreement zwischen ICFO und der LMU zu erzielen, aber
letztenendes hat alles wirklich gut geklappt. Ich würde allerdings empfehlen, frühzeitig mit
der Formalisierung des Praktikums anzufangen.
Zum Vergleich: Ich habe am 20. Juni den Gruppenleiter angeschrieben. Am 22. Juli habe ich
Johannes Hoch um Bewerbungsunterlagen mit detaillierten Erläuterungen zum
Bewerbungsprozess (Erasmus Stipendium) gebeten. Man braucht viele Dokumente,
Versicherungen, etc. Das Praktikum sollte am 12. September anfangen und ich habe alle
Formalitäten bis zum 9. September klären können. Also bis auf den letzten Tag. Die HR
Abteilung ICFOs und Johannes Hoch, sogar das Prüfungsamt der Physikfakultät an der LMU,
waren sehr nett und hilfsbereit. Vielen Dank dafür!
Ankunft und Wohnungssuche
Ich bin günstig mit Vueling von München Airport nach Barcelona geflogen, ca. 10 Tage vor
Praktikumsbeginn. Wie schon erwähnt kannte ich bereits Barcelona. Die erste Woche schlief
ich bei einem Bekannten im Wohnzimmer und machte mich währenddessen auf die
Wohnungssuche. Ich habe auch Wohnungsangebote von ICFO erhalten. Idealista ist zu
empfehlen und es gibt viele andere websites, oder facebook Gruppen. Da sich sowas aber
immer ändert, sollte man nochmal selbst überprüfen, was so die gängige Art ist, eine
Wohnung zu suchen. Auf jedenfall gilt, dass man bei Idealista schnell sein sollte. Wenn man
eine Nummer sieht, sofort anrufen und sofort die Wohnung besichtigen! Das erhöht die
Chancen ungemein. Spanisch sprechen hilft natürlich sehr, aber ist nicht zwingend
notwendig. Ich konnte Spanisch bereits sprechen, da ich zehn Monate in einer der
wunderbarsten Städte der Welt leben durfte: Granada. Ich habe leider viele schlechte
Zimmer in Barcelona sehen müssen (Mieten ca. 350-450 Euro). Letztenendes habe ich mein
Zimmer in einer Wohngemeinschaft über Freunde von einer Freundin von einer Freundin
gefunden (das habe ich nach genau einer Woche ausgewählt). Das Zimmer war im Vergleich
zu den anderen das angenehmste. Allerdings mit Fenster zum Treppenhaus. Dafür sehr nette
Mitbewohner: zwei Geschwister aus Barcelona. Die konnten kaum Englisch, so dass wir in
der Regel Spanisch sprachen, was natürlich eine super Übung für mich war. Die Wohnung
war in Poble Sec und kostete 350 Euro. Die Gegend kann ich wärmstens empfehlen. Aber ich
denke die meisten Viertel Barcelonas sind super. Ich kann allerdings dazu raten, eine
Wohnung in der Nähe von Estacion de Sants und Plaza Espana oder Paseig de Gracia zu
suchen, da der Weg zur Arbeit dann viel kürzer ausfällt. Ich brauchte manchmal von Tür zu
Tür ca. eine Stunde (Metro Proble Sec zu Estacion Sants und dann mit dem Zug nach
Castelldefels, und dann ca. 15 Minuten laufen). Es ging aber auch kürzer mit dem Institutbus
von ICFO, der täglich um 8.30 vom Plaza Espana abfuhr. Dann dauerte der Arbeitsweg ca. 40
Minuten von Tür zu Tür. Allerdings war ich nicht immer so früh auf den Beinen. Insgesamt ist
die Wohnungssuche bestimmt einfacher in Barcelona als in München. Billig wohnt man hier
aber auch nicht unbedingt.
Praktikum
Das Institut ICFO wirkt sehr modern und gut organisiert. Es ist international, man findet hier
Menschen aus aller Welt. Im Allgemeinen empfand ich die Angestellten sehr nett und offen.
Es war leicht Kontakt herzustellen und Anschluss zu finden. Ich meine auch außerhalb der
eigenen Arbeitsgruppe. Es werden zudem viele Events zum sich kennenlernen angobten. Die
Leute in meiner Forschungsgruppe waren sehr nett. Die Meisten beschwerten sich über den
Gruppenleiter, da er angeblich sehr viel Arbeitszeit abverlangt und unangenehm werden
kann - sein Ruf war nicht so gut. Da ich aber „nur“ Praktikant war, hatte ich kaum Kontakt
mit dem Gruppenleiter. Er versuchte seine Zeit möglichst effizient zu nutzen. Mein direkter
Betreuer war ein Doktorant im zweiten Jahr. Er wurde von meiner Anwesenheit überrascht,
wusste noch nicht, dass er mich betreuen würde. Er war sehr nett, aber auch oft beschäftigt.
Ich war sehr auf mich alleine gestellt, aber das war in Ordnung, denn sobald ich neue
Tätigkeiten brauchte, hat er mir welche geben können und hat mich auch immer beraten. Es
hat mich gelehrt selbstständig zu arbeiten.
Abbildung 1: Das Institut, in dem ich zwei einhalb Monate gearbeitet habe.
Ich habe kein Gehalt bekommen, es ist aber nicht ausgeschlossen ein Gehalt zu bekommen.
Es gibt spezielle Programme, für die man sich beispielsweise bewerben kann und man wird
bezahlt.
Zu meinem Projekt: Ich dachte, zur besseren Orientierung füge ich hier meine
stichpunktartige Zusammenfassung all meiner Tätigkeiten ein.
Project: Designing a multipulse multicolor interferometer for alignment and orientation of
molecules to improve the Signal to Noise Ratio in experiments with molecules.
- Literature research on the Physics background and relevant scientific
publications.
Topics covered: impulsive molecular alignment and orientation with
femtosecond two-color pulses and the effect of pulse sequences on
alignment, pulse splitting, interferometry, pulse characterization, Fourier
Transformation, Reaction Microscope (LIED), High Harmonic Generation
- Finding a laser system with a suitable wavelength and power
- Setup for the SHG to synthesize the two-color pulse
- Setup for generating a multi-pulse sequence
- Study output power to test feasibility of setups
- Consider stability of the setup
- Finding suitable optical components available in the market
- Programming and conducting simulations with Python:
- alignment of two pulses with a defined temporal distance with
an interferometric technique
- finding the most suitable electric field for molecular orientation
and to investigate effects of mediums on the two color pulse:
- study the effect of different mediums with non-trivial
wavelength dependent transmission/reflection curves on the
two color pulse, optimizing the output peak power and the
electric field quality
- use the simulations to find a suitable beam splitter with data
available from shops
- investigate the influence of a time delay between the
fundamental pulse and the SHG pulse
on the shape of the two color pulse
- find the best ratio of peak intensities of the fundamental pulse
and the SHG pulse for synthesizing a two color pulse with
maximum orientation capacity
- Creating a 3D model of the optical setup and the solid base on
which the optical components will be fixed, using
CAD software (FreeCAD and SketchUP)
- Preparing and presenting results in Powerpoint, Word, Excel
- Assisting with the maintenance of the power supply of a laser
System
- Attendance of several talks, seminars, a PhD thesis Defense,
presentations and events organized by ICFO:
- colloquium to discuss the importance of the Nobel Price in
Physics 2016, offered by Professors Maciej Lewenstein and
Adrian Bachtold
- PhD Thesis Defense by Seth Lucien Cousin (Towards the
generation of isolated attosecond pulses in the water window)
- Seminar by Adrian Bachtold (What is the difference between a
graphene mechanical resonator
and a music drum?)
- ICFO event “beyond ICFO – Career Talks”
- Colloquium by Shaul Mukamel (Multidimensional Spectroscopy
of Molecules with X-Ray Light
and Entangled Photons)
- Talk by Prof. John C Mather (Big Bang and the end of the
universe)
- Seminar by Patrick Rupperecht
- Talk by Fabien Vialla (3D scientific illustration)
- Seminar by Andrea Blanco-Redondo (Nonlinear and Topological
Silicon Photonics)
- Attendance in a Laser Safety Course and an Occupational Safety Course
Dabei habe ich zum Beispiel Python und CAD erst lernen müssen. Es werden sehr viele
Events angeboten (Seminare, Colloquium, Talks, Spanischkurs, Yoga, Picnic, etc.), die man
auch während der Arbeitszeit besuchen kann und dazu auch ermutigt wird. Es hätte mich
noch gefreut im Labor das Setup aufzubauen und zu testen, allerdings war dafür keine Zeit
mehr. Ich hoffe, dass man mir bescheid sagt, wenn jemand das Projekt weiter
implementiert, und ob die Methode dann auch wirklich funktioniert. Es war an keinem Punkt
sicher, ob die Methode funktionieren wird!
Alltag und Freizeit
Barcelona ist eine sehr vielseitige Stadt. Es wird unheimlich viel geboten, man könnte sagen
viel zu viel. Wem es hier langweilig werden sollte, oder auch zu viel werden sollte, kann noch
ins Umland fahren, welches auch sehr interessant und schön ist. Die Stadt ist sehr
international, turistisch und das Zentrum nicht zu groß, sodass man überall in kurzer Zeit
sein kann. Kulturell und musikalisch wird man hier auf seine Kosten kommen. Es ist wirklich
genial. In den Straßen kann es allerdings alles sehr hektisch, laut und wuselig wirken, sodass
man sich manchmal etwas Ruhe wünscht. Meide Turistengegenden als Wohnort. Die
Metro/der Bus ist sehr billig (1 Euro pro Fahrt) und man kommt damit sogar nach
Castelldefels. Ich habe mir auch noch Bicing gegönnt (47 Euro im Jahr), ein
Fahrradmietservice. Das macht wirklich Spaß in Barcelona! Mein erster Eindruck als ich das
erste Mal Barcelona besuchte: Theme Park.
Fazit
Ich freu mich darüber, dass ich damals die Idee hatte, ein Praktikum am ICFO zu machen,
und diese Idee realisiert habe. Ich habe sehr viel gelernt und dabei eine wundervolle Zeit
genossen, neue Freunde gefunden und viele interessante und wunderbare Menschen
kennen gelernt. Sicherlich war es eine sehr prägende Zeit, und ich die Erfahrungen werden
mich noch ein Leben lang begleiten. Jede Begegnung hat mich in irgendeiner Weise
bereichert. Das Praktikum hat mir bei meiner profesionellen Orientierung geholfen und mich
wunderbar auf die Masterarbeit vorbereitet. Ich habe einen guten Einblick in die aktuelle
Forschung der Physik bekommen. Das Institut hat bei mir einen wirklich positiven Eindruck
hinterlassen. Man arbeitet hier wirklich viel, zumindest in Jens Biegerts Gruppe. Jetzt im
Anschluss schreibe ich ein 30 seitiges wissenschaftliches Protokoll, für welches ich dann 6
ECTS Punkte bekommen werde. Ich bin wirklich froh darüber, dass uns Studenten ein
Auslandspraktikum nicht nur ermöglicht wird, sonder man uns dabei auch reichlich
unterstützt! Ich kann es nur empfehlen. Tu es!