Weltgebetstag 3. März 2017 – Philippinen Ansprache zu Mt 20,1

Weltgebetstag 3. März 2017 – Philippinen
Ansprache zu Mt 20,1-16
Bild eines Hungernden: „Es ist genug für alle da.“ Nein, unser
Miteinander auf dieser Erde ist nicht fair.
Was ist denn fair?
In der Reihe derer, die da protestieren, stehen wir doch auch. Das
ist doch nicht fair!
Es ist doch nicht fair, unter welchen Arbeitsbedingungen Merlyn
als Haushaltshilfe arbeiten muss!
Es ist doch nicht fair, dass Celia Tageslohn für harte Arbeit auf
der Zuckerrohrplantage nicht reicht, um ihre Familie zu ernähren!
Es ist doch nicht fair, dass auf unserer Erde genügend Nahrung
für alle wächst und so viele Menschen hungern!
Es ist doch nicht fair, dass in unserem Land für Militärausgaben
soviel Geld da ist und für Entwicklungshilfe so wenig!
Es ist doch nicht fair! Nein, unser Miteinander auf dieser Erde ist
nicht fair. Und es sollte doch anders sein.
Aber was will uns Jesu Gleichnis dann für unser Miteinander
sagen? Er redet ja nicht als blauäugiger Weltverbesserer oder
verträumter Idealist.
Ganz nüchtern nimmt er die Alltagswelt seiner Zuhörer auf, stellt
ihnen und uns das ungerechte System der Schuldknechtschaft und
das daraus erwachsene Tagelöhnerdasein vor Augen. Dazu den
„Herrn des Hauses“, den Großgrundbesitzer, den Arbeitgeber, der
Wohl und Wehe in der Hand hat.
Aber – als es am Abend um die Auszahlung des Lohnes geht
spricht Jesus vom „Herrn des Weinbergs“, vom Kyrios. Sofort
hören Jesu Zuhörer das alte Lied Jesajas im Hintergrund „Ich will
euch singen von meinem Freund und seinem Weinberg“ (Jes 5).
Sie kennen das Liebeslied Gottes an sein Volk, sie wissen um sein
unablässiges Sorgen, seine Leidenschaft für seinen Weinberg
Israel.
Jesus erzählt ein ärgerliches Gleichnis. Den Groll der Arbeiter
können wir gut verstehen. Das kann doch nicht sein, dass die
einen schwer arbeiten in der Hitze des Tages und dann bekommen
sie genauso viel Lohn ausbezahlt wie die, die erst in den
Abendstunden dazukamen. Nein, das ist nicht fair.
Aber was ist denn fair? „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“,
antworten wir spontan – und stehen damit wieder in der Reihe der
Murrenden, zutiefst überzeugt, dass wir recht haben. Wenn es um
unser Recht geht, wissen wir genau, was uns zusteht.
Und zugleich ist die Ungleichheit unserer Welt kaum auszuhalten.
Da liegen auf dem Plakat von „Brot für die Welt“ in einer
Reisschale ein paar wenige Reiskörner und darunter steht:
„Weniger ist nichts.“ Und auf dem Folgeplakat steht unter dem
Jesus erzählt ein Himmelreichgleichnis, er erzählt von der Zeit,
die mit seinem Kommen angebrochen ist: Jesus erzählt von Gott,
vom Kyrios, und seiner Fürsorge. Von ihm, der jedem Menschen
gibt, was er braucht. – Der „Herr des Weinbergs“ gibt am Abend
des Tages jedem ein Silberstück. Das reicht für diesen Tag und ist
genug, auch noch für die, für die ich Sorge trage.
Aber wir Menschen fangen an zu rechnen: Habe ich mir nicht
mehr verdient? Steht mir nicht zu Recht mehr zu als dem da?
Meine Mühe war ungleich schwerer. Mein Einsatz in seiner
Nachfolge (vgl. Mt 19,27-30) ist doch sicher mehr wert. Und wir
murren gegen den „Herrn des Hauses“.
Der antwortet freundlich mahnend, geduldig und gnädig: Hör
doch auf mit deiner kleinkrämerischen Rechnerei. Du hast doch,
was du brauchst. Das habe ich dir versprochen. Erkenne darin
meine Fürsorge für dich. Lass dir genügen mit dem, was du hast.
Aus meiner Fülle bekommt jede und jeder, was sie und er braucht.
Ist meine Güte nicht fair?
Dieses so sperrige, zunächst ärgerliche Gleichnis Jesu lädt uns ein
zu einem gelassenen, vertrauensvollen Leben in der Gewissheit,
dass der „Herr des Weinbergs“, unser himmlischer Vater, es in
allem gut mit uns allen meint.
Das verändert unsere Haltung zu Haben und Besitz. Wir müssen
nicht ängstlich sorgen. Wir brauchen nicht immer „mehr“ haben.
Das lässt uns teilen in der Gewissheit, es ist genug für alle da. Das
lässt uns füreinander da sein, wie es die Tradition des Dagyaw
beispielhaft lehrt.
Das wäre fair.
Jesu Gleichnis stellt uns vor Augen, Ohren und Herzen: Gott
handelt fair. Gott ist gerecht. Denn Gottes Gerechtigkeit ist
liebende Barmherzigkeit.
Renate Klingler