Artikel als PDF - Wasserburger Stimme

Die Glaserei in die Wiege gelegt
„Nein, ganz auf null fahr‘ ich natürlich nicht runter“, lacht Hans Gartner. „Mit 66 Jahre
ist es aber langsam Zeit, die Geschäfte in jüngere Hände zu übergeben.“ Über fünf
Jahrzehnte leitete Gartner zusammen mit seiner Frau Helga (Foto) die Geschicke eines
der ältesten Wasserburger Handwerksbetriebe – der Glaserei Gartner am Weberzipfel. Im
Februar übernimmt jetzt Hannes Fellermayr diese Aufgabe. Zeit für einen Rückblick und
für Antworten auf Fragen wie diese: Wann hagelt es eigentlich für Glasereien die meisten
Aufträge?
„Logisch, wenn’s hagelt oder stürmt“, lächelt
Hans Gartner. Wie 1984, als am 12. Juli eine
Hagelfront über Stadt und Altlandkreis Wasserburg zog. „Wir hatten danach vier Wochen
lang alle Hände voll zu tun. Akkordarbeit war
angesagt“, so Hans Gartner. Auch Bruder
Werner – der heutige Zweite Bürgermeister der Stadt – half damals fleißig mit (Foto rechts).
Los ging es übrigens für den Familienbetrieb in der Altstadt 1913 mit einem
Haushaltswarengeschäft, das 1938 um die Glaserei erweitert wurde. „Glas, Spiel- und
Haushaltswaren – das gehörte schon immer zusammen. Auch Ski- und Filmstar- Toni Sailer hat genau das gleiche Geschäft in Kitzbühel betrieben“, weiß Helga Gartner, die übrigens ihrem Mann
nicht sofort in den Ruhestand folgt. „Ich bleibe dem Familienbetreib im Büro und in Rahmen-Geschäft erhalten“, sagt sie. Das erleichtere auch dem neuen Geschäftsführer den Übergang.
Einer der härtesten Einschnitte in der Geschichte der Firma Gartner war 2014 die Schließung der
Haushaltswaren-Sparte nach 101 Jahren. „Das haben wir uns nicht leichtgemacht, aber die Zeit
war einfach reif dafür“, sagt Hans Gartner rückblickend. Der heute 66-Jährige, dem die Glaserei
quasi in die Wiege gelegt worden war und der mit 14 in den elterlichen Betrieb einstieg, ist vielen
Wasserburgern auch als ehemaliger Stadtrat für den Wasserburger Block und vor allem als
Sportler bekannt. Seit unzähligen Jahren ist er der Kapitän der Tennismannschaft Herren 50 des
TSV Wasserburg. Früher war Gartner auch als Basketballer im Einsatz – nicht wenige Korbrekorde stehen in den Anfangsjahren des Wasserburger Basketballs für ihn zu Buche.
Gelernt hat Gartner sein Handwerk von der Pike auf. Von der
Ausbildung an der Bundesglasfachschule bei Frankfurt (Foto
rechts) über die Übernahme des Geschäftes 1978 bis zum Goldenen Meisterbrief waren es allerdings ein paar Jahrzehnte.
Dazwischen gab’s für Hans und Helga auch jede Menge familiäres Glück, wie die Geburt der Zwillinge Johannes und Helena vor 30 Jahren.
Zahlreiche Auszubildende, Gesellen und Meister beschäftigte im Laufe der Jahre der Familienunternehmen Gartner. Nicht wenige Auszeichnungen gab es für Lehrlinge wie Mitarbeiter. Viele von
ihnen sind auch heute noch dem Betrieb eng verbunden. „Wenn man seinen Job mit Leib und
Seele macht, überträgt sich das auch auf die Mitarbeiter“, so Gartner, der an seinem Beruf vor
allem eines liebt: „Die Abwechslung. Vom Bilderrahmen bis zur Dachverglasung gibt es da eine
wahnsinnig große Spanne.“ Und auch jede Menge Anforderungen: Wie zum Beispiel die körperliche. „Glas hat das gleiche spezifische Gewicht wie Beton. Da muss man schon richtig anpacken
können.“
Langweilig wird’s dem Chef der Glaserei Gartner auch im Ruhestand sicher nicht. Skitouren,
Schafkopfen und Reisen – seine Hobbys haben eine Bandbreite wie sein Beruf. Mit dem ist jetzt
am 31. Januar Schluss. HC