Das Jahr geht ja schon wieder gut weiter

Der Pfaffenhofener
Ausgabe 1 / KW 4
FREITAG, 27. JANUAR 2017
Preis: gratis!
Neue Medien
Hungerturm und Bunker
Seit acht Monaten regiert Stephan Ligl
die Welt der Bücher in der Kreisbücherei
Die Stadtführungen erfreuen sich
großer Beliebtheit und verzeichnen Gästezuwachs
Seite 3
Seite 5
JUBILÄUM
Als einzigartiger
Kunsttempel feiert
das Finanzamt
die 50. Ausstellung
Seite 4
AUTISMUS
Kunst trifft Inklusion in
einer Gruppenausstellung
im Haus der Begegnung
Seite 6
VORWÄRTS
Seit dem Drei-KönigsTreffen der SPD ist die
Zeit der Feierabend-Sozis
endgültig vorbei
Seite 7
BLAUE STUNDE
Rückblick auf eine
Ausstellung des
Kunstkreises über
eine besondere
Tageszeit
Seite 8
Das Jahr geht ja schon wieder gut weiter
von Lorenz Trapp
Man weiß ja selten, warum einem
urplötzlich, wie aus heiterem oder
bewölktem Himmel, geflügelte Redewendungen in den Sinn kommen
– um sich dann tagelang nicht mehr
aus dem Staub zu machen. Und
manches Mal ist die Lösung, wie auf
dem Präsentierteller überreicht, so
offensichtlich wie in meinem Fall:
„Wenn’s dem Esel zu wohl wird, begibt er sich aufs Eis“. Kaum also ist
dieses Jahr gerade mal ein zwölftel
Jahr alt, sieht es zwar weiterhin so
aus, als verzichte die Welt auf den
gravierenden Ruck, den der kürzlich
verstorbene ehemalige Bundespräsident Roman Herzog schon vor Jahren
gefordert hat, doch scheinen wir uns
weiterhin wohl zu fühlen.
Der aktuelle Winter, der nach eher
behäbigen Vorgängern endlich wieder zeigt, dass er auch Nägel mit
Köpfen machen kann, leistet der
oben zitierten Prophezeiung auch
noch Vorschub. Zugefroren sind
Weiher und kleine Seen, die Kinder
schlüpfen in die Schlittschuhe, die
Großen packen ihre Eisstöcke am
Stutzl – und alle passen sie brav auf,
dass sie den Eseln, falls jene sich tatsächlich aufs Eis begeben, nicht in
die Quere kommen. Irgendjemand
wird sich schon finden, der „die Kuh
dann vom Eis holt“. Die Kuh? Lange
keine Kuh mehr gesehen, die sich bei
diesen Temperaturen aufs Eis begibt.
Apropos Eis: Ist der kleine Lago
d’Iseo am Fuße der norditalienischen
Alpen, nun endlich wieder raus aus
den Schlagzeilen, ebenso zugefroren
wie der Scheyerer Inselweiher? Sie
erinnern sich: Im Sommer des letzten
Jahres schuf der Künstler Christo
dort die „Floating Piers“, ein begehbares, in Orange gehaltenes temporäres Kunstwerk. Es sollte den Menschen die Möglichkeit geben, über
Wasser zu laufen, eine Aussicht, die
einen Stadtrat und andere Prominente aus unserer kleinen Stadt dazu
verführte, dorthin zu pilgern, um
dieses einmalige Gefühl am eigenen
Leib zu erleben. Jeder ist schließlich in Künstler. Warum also sollte
man sich da nicht des großzügigen
Christo Werk erwählen als Ziel einer
sommerlichen Wallfahrt, noch dazu
mit einem Abstecher zur Privatinsel
der italienischen Waffenschmiededynastie Beretta? Jedem, der Künstler ist, kann man eben nicht nachlaufen. Über brüchiges, trügerisches
Eis zu laufen vermittelt vermutlich
dieselben Eindrücke, die Jesus damals hatte, als er übers Wasser lief,
die „Floating Piers“ jedoch hatten
den Vorteil, nicht an unser gegenwärtiges, meist düsteres und kaltes
Winterwetter gekoppelt gewesen zu
sein. Wären sie auch tauglich als brüderliche Brücke übers Mittelmeer,
von Afrika nach Europa auf Orange?
Eher nicht. Zu kurz und schmächtig.
Nun zurück zur Realität: Wir befinden uns im Wahljahr. Im wonnigen
Monat Mai dürfen wir zur Landratswahl an die Urnen schreiten. Zwei
Kandidaten stehen schon am Ring:
Martin Wolf (CSU) und Franz Niedermayr (FDP). Nachdem der amtierende Landrat Martin Wolf nach
langem Hin und Her bekanntgegeben hatte, bei Wiederwahl das Amt
nur für die nächsten drei Jahre – bis
zur nächsten regulären Kommunalwahl – auszuüben, verzichteten SPD
und Freie Wähler auf die Aufstellung
eines eigenen Kandidaten. Anscheinend läuft alles bestens. Die FDP allerdings zeigt sich kampfbereit: Die
Liberalen nominierten den langjährigen Stadtrat Franz Niedermayr als
Landratskandidaten, der allerdings
– frech und selbstbewusst – im Falle des Wahlsieges doch wieder sechs
Jahre amtieren möchte.
Mit „Tschakka“ (Barack Obama
hätte gesagt: „Yes, we can!“) kom-
mentierte Stadtrat Markus Käser
auf Facebook die Meldung, dass der
ehemalige EU-Parlamentspräsident
Martin Schulz bei der Bundestagswahl für die SPD als Kanzlerkandidat gegen Angela Merkel antreten
wird. Im September dieses Jahres,
liebe Wählerinnen und Wähler, dürfen Sie entscheiden, ob Angela Merkel alternativlos ist. Lassen Sie sich
aber bei Ihrer Entscheidung in diesem postfaktischen Zeitalter nicht
von alternativen Fakten beeinflussen;
die Plausibilitätsstruktur manipulierter Wirklichkeitsdefinitionen ist
nicht zu unterschätzen.
Auch heute schon haben Sie die Wahl:
Entweder Sie greifen zu Schnapsflasche und Eisstock und begeben sich
aufs Eis, oder Sie stürzen sich in
die Hitze des gerade zu Hochform
auflaufenden Faschings – ein gutes
Tanzparkett ist glatt wie Eis. Doch
bitte vermeiden Sie, sich als Kuh
oder Esel zu kostümieren.
STADTKULTUR
Seite 2 | Der Pfaffenhofener
Vorsatz und Nachsicht
Liebe Pfaffenhofenerinnen
und Pfaffenhofener,
im Februar erhalten Sie Post von
der Stadt Pfaffenhofen: Wir führen
eine Bürgerbefragung zum Hallenbad-Neubau durch und laden Sie
ganz herzlich zum Mitmachen ein.
Sagen Sie uns Ihre Meinung und teilen Sie uns mit, welche Wünsche Sie
mit dem neuen Hallenbad verbinden, welche Attraktionen und Ausstattungen für Sie Priorität haben.
Dass wir im Schulzentrum am Gerolsbach, auf dem Gelände der
bisherigen Theresia-GerhardingerSchule, ein neues Hallenbad bauen
wollen, ist längst bekannt. Und damit geht endlich ein langgehegter
Wunsch vieler großer und kleiner
Pfaffenhofener in Erfüllung. Beim
Bürgerentscheid am 23. Oktober
vergangenen Jahres haben Sie, die
Bürgerinnen und Bürger, mit deutlicher Mehrheit (63,2 Prozent) dafür
votiert, dass wir kein reines Schulund Sportbad errichten, sondern
uns ein kleines Familienbad leisten,
das auch für Familien mit Kindern
attraktiv ist.
Freitag, 27. Januar 2017
Gute Vorsätze und ihre geringe Halbwertszeit
von Claudia Erdenreich
„Es gibt bereits alle guten Vorsätze,
wir brauchen sie nur noch anzuwenden“, wusste schon der französische
Mathematiker und Philosoph Blaise
Pascal im 17. Jahrhundert. Seither
dürften noch ein paar ganz neue Vorsätze weltweit und in Pfaffenhofen
dazu gekommen sein.
Blaise Pascal kannte sicher noch
keine Fitness-Studios, in denen man
sich mit Weihnachtsbonus anmelden
konnte, keine Low-Carb-Diäten,
keine Yoga-Übungen und ganz sicher kein Internet und Handy. Aber
er kannte Schwermut, Hoffnung, Ärger in der Familie und Spaziergänge
an der frischen Luft. Also im Prinzip
alles, was auch den modernen Menschen bewegt. Und er erfand eine Rechenmaschine.
Ganz ohne es zu ahnen leistete er
damit einen klitzekleinen Anteil an
jenen elektronischen Spielzeugen,
die heute aus unserem Alltag nicht
mehr wegzudenken sind. Die uns so
sehr dominieren, dass Schüler sie nur
unter Strafandrohung im Unterricht
ausschalten, dass ernsthaft überlegt
wird, Warnschilder in den Boden zu
integrieren, um die Dauerdaddler
noch zu erreichen.
Es ist ein wenig aus der Mode gekommen, Mathematiker, die auch
noch Philosophen sind, ernst zu nehmen. Aber im Prinzip hatte er recht,
der altehrwürdige Herr Pascal, der
uns noch beim Reifendruckmessen
begegnet: Alle guten Vorsätze gibt es
schon, vielleicht heute in manch neuer Variante, aber sie sind da.
Nur mit der Anwendung, da wird es
schnell mühsam. Die ersten guten
Vorsätze, von Rauchstopp bis Handypause, gehen schon im lauten Silvesterfeuerwerk unter. Weitere werden mit stillem Seufzen spätestens
nach dem Nachmittagsnickerchen an
Neujahr verabschiedet. Andere halten ein wenig länger. Nie trainieren
so viele Menschen in den Studios wie
in den ersten Januarwochen. Danach
dünnt es aber auch schon wieder
merklich aus, und die Vorsätze werden zu Karteileichen. Zu lukrativen,
für die Studios.
Diätclubs verzeichnen auch selten so
viele Mitglieder oder eher Mitgliederinnen, die unbedingt bei frostiger
Kälte und Neuschnee eine Bikinifigur zaubern wollen. Nie ist man
dem Bikini ferner als im eiskalten
Januar, vielleicht erscheint er deswegen so dringend erstrebenswert.
Wir haben jetzt ja auch reichlich Zeit,
über diese ganzen Vorsätze nachzudenken, das Jahr ist noch jung, das
Wetter kalt und die Tage immer noch
erbärmlich kurz. Aber die Wintersonnenwende haben wir schon hinter uns, ganz ganz langsam wird es
heller. Unmerklich noch, aber schon
unsere Großeltern wussten: „… und
zu Maria Lichtmess a ganze Stund“.
Eine Stunde länger hell, das merkt
man deutlich. Und dann ist auch
schon Februar, Fasching und sowieso
nicht mehr weit bis zur Sommerzeit.
Ab da dauert es nur noch gefühlt
Stunden, bis die Biergärten ausschenken, die Eisdielen ihre Tische
nach draußen stellen und das Freibad öffnet.
Dann haben wir zwar noch immer
keine Bikinifigur, aber das macht
nichts, wir hatten gute Vorsätze. Auf
die eine oder andere Art, und das
zählt auch. Blaise Pascal hatte ganz
bestimmt auch den guten Vorsatz,
seine Rechenmaschine noch weiter
zu entwickeln. Das haben dann letztlich andere für ihn getan, irgendwer
wird also sicher auch unsere Vorsätze
umsetzen.
Reife- und Spätwerk des Meisters eigentlich nur noch aus Verslein nach
dem Vorbild von Hans Sachs; alles
Frühere – sofern Goethe es nicht eigenhändig vernichtete – galt schon
damals als peinliches Zeugnis einer
überwundenen, kolonialen Geisteshaltung. Man sprach und spricht
nicht gern davon.
Und so bekommt man heute in Berlin keine Laugenbreze mehr, und wer
französisches Parfüm schätzt, muss
sich schon persönlich nach Paris begeben – muss sich aber auch fragen
lassen, warum er die Menschen dort
nicht einfach in Ruhe lässt.
Und hier kommt jetzt der Bruch.
Denn während ich diese Kolumne
vor einiger Zeit erkennbar in der Absicht begonnen habe, um mich über
die cultural-appropriation-Kritiker
lustig zu machen, sehe ich jetzt, dass
diese Leute verdammt Recht haben,
und dass man sie unterstützen muss.
Denn es gibt ja tatsächlich kaum
was Dämlicheres als die ganzen
Traumfänger, Gartenbuddhas und
Savannenzebras vor Sonnenuntergang auf dreiteiliger Leinwand,
oder, anders gefragt: Kennen Sie
das betretene Gefühl, irgendwo auf
der Welt zugegen zu sein, wo gerade … bairische Volkskultur imitiert, ein „Oktoberfest“ abgehalten
wird? Plötzlich fühlt man sich als
Vertreter des echten Oktoberfests,
das man doch eigentlich für einen
kriminell-größenwahnsinnigen
Schwachsinn hält, auf den man
aber plötzlich stolz ist. Jetzt ist es
bei uns aber noch was anderes, weil
wir nicht unterprivilegiert sind.
Auch versuche ich immer wieder,
mir vorzustellen, wie dämlich sich
ein Gang durch die Gartenabteilung eines Baumarktes für einen
praktizierenden Buddhisten anfühlt. Die Garten-Buddhas. Er
fühlt gar nicht. Gefühle sind unvorteilhafte Anhaftungen.
Aber eins ist dann doch komisch.
Nämlich dass es zu jedem vernünftigen Anliegen immer „Aktivisten“
oder „Netzaktivisten“ gibt, junge
Menschen, die sich voll und ganz
dieser einen Sache widmen, täglich
darüber schreiben in schicken Cafés in schicken Großstädten, wo sie
mit ihren Smartphones an RetroApfelsaftkisten sitzen und der Welt
beweisen, dass es noch möglich ist,
an das Gute zu glauben. Und sie
sind entspannt, denn es geht ihnen
gut, und sie werden in der Presse
zitiert, eben als „Aktivisten“, und
trinken Tee, und warum kann ich,
zum Beispiel, nicht auch so ein Aktivist sein. Ich habe vor Aktivisten
immer einen Heidenrespekt, denn
sie sind alles, was man selbst gern
wäre, essen vegan um elf Uhr vormittags und schwingen sich dann
aufs Rad, um das Gute zu fördern.
Sie leben total kreativ und bewusst,
während man selbst bloß zur Arbeit
geht und sich von einem mühsam
ausgehandelten Kompromiss zum
nächsten durchquält. Das Leitbild
des Netz-Aktivisten. Wie ist man
selber so unwürdig. Ich halte es für
möglich, dass Netzaktivsten eine
Erfindung der Medien sind. Damit
man diese Medien konsumiert, weil
dann … ein kleines bisschen Glanz
des Aktivisten auch auf einen selber fällt.
Sie haben damit den Stadtrat in
seiner Meinung bestätigt und einer
Investition von maximal 15 Millionen Euro für ein neues Hallenbad
zugestimmt. Um dieses Kostenlimit
einhalten zu können, sind natürlich
bei weitem nicht alle denkbaren
Ausstattungen möglich. Immerhin
sind aber doch ein paar Attraktionen über die reine Grundausstattung hinaus machbar.
Die Basis bilden ein wettkampfund breitensporttaugliches Sportund Schulbad mit einem 25-MeterSportbecken mit fünf Bahnen sowie
ein Kleinkinderbecken. Darüber
hinaus sind verschiedene Attraktionen denkbar, die jetzt ausgewählt
werden müssen, bevor es an die
detaillierte Planung des Hallenbades gehen kann. In diese Auswahl
wollen wir Sie, liebe Pfaffenhofenerinnen und Pfaffenhofener, gern
mit einbeziehen, ganz nach dem
Motto unseres Aktionsprogramms
PAF und DU: „Mitwissen, Mitreden,
Mitgestalten“.
Auf dem Fragebogen, den Sie
alle per Post erhalten, stehen verschiedene Ausstattungen und Attraktionen zur Wahl, so etwa ein
Familienbecken, ein Ganzjahresaußenbecken, Sauna, Dampfbad,
Rutsche und Wasserspielgeräte sowie Ruhe- und Aufenthaltsbereiche.
Zusätzlich können Sie uns Ihre Meinung zu einer möglichen Gastronomie im Hallenbad sagen.
An unserer Befragung teilnehmen
kann übrigens jeder einzelne Pfaffenhofener. Füllen Sie also ruhig
auch mit Ihren Kindern bzw. für
Ihre Kinder je einen Fragebogen
aus. Um aber zu vermeiden, dass
jemand mehrmals abstimmt, bitten
wir Sie, Ihren Namen und Ihre Anschrift anzugeben. Die ausgefüllten
Fragebögen geben Sie dann bitte im
Bürgerbüro im Rathaus ab. Oder
Sie füllen den Fragebogen direkt
online unter www.pafunddu.de/
buergerbefragung aus.
Mit den Ergebnissen der Bürgerbefragung wird sich dann der Stadtrat
befassen. Außerdem werden natürlich auch die Fachorganisationen
sowie die Schulen als künftige Nutzer des Hallenbades mit in die Auswahl der Ausstattungsmerkmale
eingebunden.
Ich hoffe, Sie machen alle mit bei
unserer Befragung, damit wir ein
möglichst umfassendes Stimmungsbild bekommen und unser „richtiges“ Hallenbad planen und bauen
können. Ich bin gespannt auf Ihre
Meinung und freue mich auf Ihre
Rückmeldung!
Herzlich Ihr
Thomas Herker,
Bürgermeister
von Roland Scheerer
An einem Tag im Februar 1965 sagte
Keith Richards zu Eric Clapton, er
werde jetzt damit aufhören, amerikanische Bluesaufnahmen zu studieren und nachzuspielen, denn er
habe verstanden, dass der Blues die
genuine Ausdrucksform minderprivilegierter Afroamerikaner sei, und
dessen Aneignung sei ein weiterer
Akt kultureller Überheblichkeit,
indem man diese Leute, die schon
ihrer Rechte beraubt worden seien,
nun auch noch ihrer Musik beraube. Ab diesem Zeitpunkt spielten
die Rolling Stones nur noch englische Seemannslieder (Shantys)
in hell erleuchteten Hafenkneipen.
Und Eric Clapton, der das nicht
einsehen wollte und eine Zeitlang
versuchte, weiterzumachen, als
wäre nichts, wurde in einer Flashmob-Aktion
bürgerlich-liberaler
Aktivisten bei einem Auftritt in der
Royal Albert Hall 1968 endlich dermaßen ausgebuht, dass er nie mehr
eine Bühne betreten hat.
Damals begann auch der Niedergang der Krawatte. Als sich herumsprach, dass es sich dabei, wie der
Name schon sagt, um ein ursprünglich kroatisches Nationalaccessoire
handelt, und man mutmaßte, ihre
Erfinder könnten sich durch die
weltweite Verbreitung des Produkts
kulturell enteignet von den eigenen
Wurzeln entfremdet fühlen. Und
wenn sich damals einige von ihnen
zu Wort meldeten und sagten, man
solle ruhig weitermachen, es würde
sie gar nicht stören, im Gegenteil,
sie würden sich geehrt fühlen, so
zeigte das nur, wie weit diese ehemalige Hochkultur schon damals
vom Gift des marktglobalen Nihilismus angefressen war.
Bereits am 12. Januar 1794 hatte
der Dichter Johann Wolfgang Goethe in einem Brief an seinen Freund,
den Herzog Karl August von Sachsen-Weimar-Eisenach, festgestellt,
die Fülle an Zuschriften entrüs-
teter AktivistInnen, in der er sich
wie in einem „Netz“ gefangen fühle,
habe ihn zu einer Neubewertung
veranlasst. Er, Goethe, sei in sich
gegangen und sehe jetzt, dass man
die Kultur der alten Griechen und
Römer, die sich dagegen nicht mehr
wehren könnten, weil sie tot seien,
viel zu lange durch Überhöhung
vereinnahmt habe. Und dass er von
ihren Hexametern, Junobüsten und
Säulenordnungen, die zum Maßstab
für menschliche Zivilisation auszurufen er und andere sich mit der
Deutungshoheit der Nachgeborenen
angemaßt hätten, künftig die Finger
zu lassen gelobe. Und so besteht das
DIE SEITE 3
Freitag, 27. Januar 2017
Der Pfaffenhofener | Seite 3
W
er die Kreisbücherei betritt, spürt sofort die besondere
Atmosphäre eines
Raumes voller Bücher. Es ist hell und luftig, still und
ein wenig geheimnisvoll. Menschen,
die noch nie der Faszination durchgelesener Nächte, verträumter Nachmittage mit Buch und zwischen den
Zeilen ergründeter Geheimnisse erlegen sind, empfinden das eher als
langweilig. Getragene Stille, Licht
und Bücherreihen. Nach Themen
sortiert, oben die lichten Leseplätze, vorne die Ausleihtheke, seitlich
die Kinderecke. So war es irgendwie
schon immer und trotzdem ist es hier
modern und vertraut zugleich.
Mehr als 56.000 Medien stehen bereit, darunter rund 10.000 Romane,
20.000 Sachbücher, dazu Hörbücher
und DVDs. Auch fremdsprachige Literatur ist vorhanden, Kinderbücher,
Zeitungen und Zeitschriften und
sogar Comics ergänzen das umfangreiche Angebot. Die Kreisbücherei
an der Scheyerer Straße steht allen
Interessierten offen, Benutzung und
Ausleihe sind kostenlos.
Welt
der
Bücher
Neue Medien ergänzen
die Bücherreihen
Stephan Ligl leitet seit Mai die Kreisbücherei
Dazu verfügt die Kreisbücherei nun
über WLAN, Online-Nachschlagewerke und eBooks. Der Katalog kann
online eingesehen werden, Fernleihe
gehört selbstverständlich auch zum
Angebot.
von Claudia Erdenreich
und zwei Aushilfen um Besucher,
Bücher und Medien. So werden die
fünf Öffnungstage von Dienstag bis
einschließlich Samstagmittag abgedeckt.
Die Besucher sind bunt gemischt.
Natürlich kommen zu Schulzeiten
die Schüler des nahen Schulzentrums, sie lesen, lernen, machen
Hausaufgaben, schmökern.
Manche ziehen sich auch in die Kinderecke zurück, eine gemütliche
Ecke mit Spielen, Tafel, Kinderbüchern und Sitzsäcken. Stephan Ligl
ist selbst erstaunt, wie viele ältere
Schüler hier mit Begeisterung ganz
altmodische Brettspiele spielen.
Schüler liegen ihm besonders am
Herzen, er führt Schulklassen gerne durch die Bücherei, veranstaltet
Bücherrallyes und Rechercheschulungen. Auch Asylbewerber führte er
schon, um ihnen den Einstieg in die
Institution Bücherei zu erleichtern.
Wenn Stephan Ligl umsichtig, wissend und ein klein wenig stolz durch
die Bücherei führt, an Regalreihen
entlang, ordnet er noch schnell hier
ein Fach, stellt dort ein Buch auf.
Seit Mai 2016 leitet der gebürtige
Weidener die Kreisbücherei.
Er entdeckte früh die Faszination
für und Liebe zu Büchern. Stephan
Ligl studierte in Regensburg Informationswissenschaft und allgemeine
Wissenschaftsgeschichte. Schon dort
genoss er die Möglichkeiten einer
Unibibliothek, die weite Welt der
Bücher und Information. Einer der
Zielberufe dieses Studiengangs ist
die Arbeit in Bibliotheken.
Nach einer Station in Pforzheim kam
er nach Pfaffenhofen. Obwohl er die
Stadt vorher nicht kannte, fühlte
er sich hier sofort wohl. Er mag die
Kleinstadt, das kulturelle Angebot.
Natürlich hat er schon Lesungen besucht, Poetry Slam wird in Zukunft
in der Bücherei stattfinden.
Dort findet nun auch einmal monatlich am Samstag die „Brezenrunde“
statt, bei der lokale Autoren bei Kaffee und Brezen ihre Werke vorstellen.
Das kommt bestens an, und nicht nur
Stephan Ligl ist begeistert, wie viele
unterschiedliche Autoren die Region
zu bieten hat.
Stephan Ligl genießt die
kulturelle Vielfalt der Stadt
Besonders fasziniert ihn auch das
Lutz-Literaturstipendium. „Toll, dass
die Stadt sich das leistet!“
In der Bücherei wurden ein paar Regale umgestellt, der Bereich Medizin
ist nun unten und damit ohne Treppen erreichbar, dafür wanderte Technik ein Stück im Raum nach hinten.
Geschichte wurde auch neu sortiert,
weil das Thema boomt. Auch historische Romane werden gern gelesen.
Filme sind jetzt alphabetisch sortiert
und nicht mehr nach Genre und damit leichter auffindbar.
Mit Stephan Ligl kümmern sich
auch fünf Teilzeit-Mitarbeiterinnen
Kreisbücherei Pfaffenhofen
Scheyerer Straße 51
85276 Pfaffenhofen
Tel. 08441 859946
www.kreisbuecherei-paf.de
Eine Bücherei ist für alle da, das ist
ihm wichtig.
„Schon meine Vorgängerin hat sehr
viel angestoßen“, betont Stephan
Ligl. Auch Hans-Peter Schratt hat er
kennengelernt und findet es toll, was
er geschafft hat in der Bücherei.
Nach acht Stunden in der Bücherei
hat Stephan Ligl keinesfalls genug
von Büchern, er liest leidenschaftlich
gerne Krimis und regionale Autoren,
sogar Jugendbücher. Daneben gehören kooperative Gesellschaftsspiele,
Musik und Geschichte zu seinen
Lieblingsbeschäftigungen.
Der neue Leiter der Bücherei wird
sich natürlich auch Pfaffenhofen
weiter ansehen, das kulturelle Angebot genießen, das er so in einer
Kleinstadt gar nicht erwartet hätte:
„Eine tolle Leistung aller Beteiligten“, findet er und freut sich auf
den Sommer mit Saitensprung und
Kunstnacht draußen.
KULTUR
Seite 4 | Der Pfaffenhofener
Freitag, 27. Januar 2017
Ein einzigartiger
Kunsttempel
feiert Jubiläum
50. Ausstellung im Finanzamt Pfaffenhofen
von Hellmuth Inderwies
K
unst im öffentlichen
Raum“ hat sich in den
letzten zwei Jahrhunderten zu einem traditionellen Phänomen
auf Straßen und Plätzen unserer
Städte entwickelt, um das Leben aller Menschen durch die Begegnung
mit einem kulturellen Angebot zu
bereichern. Amtsgebäude mit „Kunst
am Bau“ zu schmücken, ist durch
die Weimarer Verfassung vom 11.
August 1919 zu einem öffentlichen
Auftrag geworden, als man nach dem
1. Weltkrieg die wirtschaftliche Not
bildender Künstler lindern wollte.
Dass jedoch staatliche Behörden, die
mit solchem Metier nur wenig oder
allenfalls indirekt zu tun haben, ihre
Besucher mit der Präsentation von
Kunst beglücken, ist eine noch sehr
junge Installation unserer Zeit. Das
Finanzamt Pfaffenhofen gehört ohne
Zweifel zur Avantgarde derartigen
Fortschritts und ist in seiner Art der
Vermittlung hierzulande wohl einzigartig.
Kulturtempel seit 2004
Als das neue Gebäude 2004 an
der Schirmbeckstraße 5 fertiggestellt war, hatte man nicht nur der
Raumnot der in dieser Dienststelle
arbeitenden Staatsdiener Abhilfe geschaffen, sondern auch einen
Kulturtempel errichtet und damit
der Kreisstadt Pfaffenhofen in ihrem Mangel an Präsentationsmöglichkeiten für bildende Kunst einen
außerordentlich wichtigen Dienst
erwiesen. Denn diese verfügte bis
dahin ja nur über wenig geeignete
und allenfalls sporadisch nutzbare
hernd gleichkommt: Umfangreiche
Wandflächen in den großzügigen
Foyers und breiten Gängen von vier
Etagen, günstige Lichtverhältnisse,
ein vorzüglich ausgestatteter Vortragsraum, ein heller, geschmackvoll
angelegter Innenhof und ein weites
Gartengelände für Skulpturen, genügend Parkplätze für Besucher usw.
Das sind die Voraussetzungen dafür,
dass nun im dreizehnten Jahr nach
Bezug dieses Gebäudes mit der 50.
Kunstausstellung ein Jubiläum gefeiert werden kann.
Für den gegenwärtigen stellvertretenden Amtsleiter Franz Peter, Initiator und Kurator dieses Projekts, und
seinen Kunstkreis aus Kolleginnen
und Kollegen sollte die Organisation dieses Events im Laufe der Zeit
zu einem Akt der Selbstbestätigung
ihrer außerdienstlichen gemeinnützigen Arbeit geworden sein. Sie
müssen sich seit langem nicht mehr
darum bemühen, Künstlerinnen und
Künstler in ein Finanzamt zu locken.
Der ausgezeichnete Ruf, der den
Ausstellungen, die jährlich viermal
über die Bühne gehen, vorauseilt,
hat zu einem Überangebot von Interessierten geführt. Wenn auch nach
wie vor bei deren Auswahl Landkreis
und Region besondere Berücksichtigung finden, so gastierten im Laufe
der Zeit auch immer wieder international bedeutende Protagonisten aus
ganz Europa, ja der ganzen Welt mit
ihren Werken in der Schirmbeckstraße in Pfaffenhofen. Neben hiesigen
Schulen, Kunst- und Fotokreisen
präsentierten
Nachwuchskünstler
und profilierte Kunstschaffende
aus Ungarn und Italien ihre Werke,
Manuela Clarin: „Moderne Kommunikation“
Klassenräume im Erdgeschoss einer
ehemaligen, bis heute sehr vielseitig
genutzten Mädchenschule, die 1979
in „Haus der Begegnung“ umgetauft
worden war. Erst 2006 gelang es auf
Grund vielseitiger druckvoller Initiativen, einer großzügigen Spende
der Sparda-Bank und der Eigenleistung von Künstlern, da etatmäßige
Mittel nicht genehmigt wurden, einen dieser Klassenräume in eine
ständige städtische Galerie umzuwandeln. Trotz einer für die Kultur
aufbereiteten Fabrikhalle gibt es bis
zum heutigen Tag in Pfaffenhofen
kein einziges Gebäude, das den im
neuen Finanzamt vorhandenen vorzüglichen Bedingungen für die Präsentation bildender Kunst nur annä-
eine internationale Künstlergemeinschaft führte unter dem Neologismus
„Orgtecnocity – Ambiente und Gemeinschaft“ eine Baustelle von visionären Ideen einer utopischen Stadt
mit ihren zukünftigen Lebensverhältnissen vor Augen. Diese Wanderausstellung nahm von hier aus ihren
Weg durch die ganze Welt. Akribische Vielfalt der Genres „Bildende
Kunst“ und „Fotografie“ kennzeichnete allenthalben die Vergangenheit.
Die 50. Kunstausstellung steht
demzufolge auch unter dem Thema
„Pfaffenhofen, mitten in Bayern und
mitten in Europa“ und versteht sich
somit als eine Art von Rückschau,
Synthese und Bilanz vergangener
Präsentationen. 19 Mitglieder der
Hermann Kreileder: „Finanzamt“
„Vereinigung Bildender Künstlerinnen und Künstler – Fachgruppe
Bildende Kunst in ver.di Bayern“
(VBK), die in München beheimatet ist und sich mit ihrer Initiative
„Kunst, Kultur, Respekt“ gegen jeglichen Rassismus wendet, werden
mit etwa 50 Exponaten vertreten
sein. Die Organisation obliegt ihrem
Kontaktmann Serio Digitalino, dessen Werk bereits in mehreren Ausstellungen in der Kreisstadt zu sehen
war. Zuletzt begeisterte er Viertklässler der hiesigen Grundschulen
mit seinem Projekt „Kunst schafft
Gemeinschaft“, wobei von den Kindern Bilder zu ihrer Heimatstadt
geschaffen und hernach im Rathaus
vorgestellt wurden. Seit 1977 lebt
der vielseitige Süditaliener aus Matera (Provinz Basilicata) in München.
Eine zweite Abteilung werden ca. 75
Künstlerinnen und Künstler aus dem
Landkreis, aus Bayern, Europa und
anderen Kontinente bilden, die in
den letzten zwölf Jahren an den Ausstellungen im Finanzamt beteiligt
waren. Da finden sich zahlreiche allenthalben bekannte Namen darunter, die seit Jahren zur Pfaffenhofener
Kunstszene gehören: Gabriele Beer,
Max Biller, Beatrix Eitel, Clemens
Fehringer, Barbara Hantel-Gaugler,
Robert Herzog, Ernst Hillisch, Helga
John, Ingrid Kreidenweis, Alexander und Hermann Kreileder, Gerhard
Kreitmair, Rita Möderle, Doris Prütting, Anton Ritzer, Rainer Schlamp,
Angelika Schweiger, Sophie Spieß,
Susanne Spieß-Geiser, Klaus Tutsch,
und nicht zuletzt Heike und Manfred Habl u. v. a. Da begegnet man
mit Joachim Graf, einem Holz- und
Linolschneider aus München, mit
dem Grafikdesigner Peter Syr und
der Malerin Christine Nkrumah in
Pfaffenhofen ganz neuen Namen.
Mit Gemeinschaftsarbeiten sind
Regens Wagner und die Grundund Mittelschule aus Hohenwart,
die Realschule Manching und das
Schyren-Gymnasium vertreten. Sie
präsentieren dem Besucher neu entstandene Werke zum o. a. Rahmenthema. Dass es bei solcher Vielzahl
auch an der Vielfalt von Motiven
und Stilformen nicht fehlt, versteht
sich. Eine nicht ganz leichte Aufgabe
für die einstigen Kunsterzieher am
Schyren-Gymnasium, Manfred Leeb
und Heribert Washuber, selbst aktive
Künstler, für diese Jubiläumsausstellung eine adäquate Komposition und
Anordnung der Exponate zu finden!
Die neue Amtsleiterin, Eva Ehrensberger, die im Juni letzten Jahres
ihren Dienst in Pfaffenhofen antrat,
hat nicht nur eine Finanzbehörde mit
130 Mitarbeitern, sondern zugleich
ein Haus übernommen, in dem nicht
nur die Verwaltung von Steuern,
sondern auch Kunst und Kultur zwi-
Ernst Hillisch:
„180° Pfaffenhofen“
schenzeitlich zu einem Emblem geworden sind. Über seine grundsätzliche Funktion hinaus unterbreitet
es der Öffentlichkeit mit seinen Ausstellungen ein verlockendes und anregendes Angebot. Für manchen Besucher werden damit vielleicht auch
gewisse Barrieren abgebaut, wenn
er es betritt. Mit Sicherheit leistet es
aber einen Beitrag bei der Zusammenführung und Integration von
Menschen in Pfaffenhofen und über
die bayerischen Grenzen hinaus bis
nach Europa, wenn durch die Kunst
vielfältiges kulturelles Gedankengut
vermittelt wird. Bei der Eröffnung
durch die Amtsleiterin und durch
den früheren Kulturreferenten der
Stadt Pfaffenhofen, Hellmuth Inderwies, wird gerade das Rahmenthema
der Jubiläumsausstellung sicherlich
eine besondere Rolle spielen.
Dauer der Ausstellung: 27.01.2017
bis 31.03.2017. Sie kann ansonsten
zu den üblichen Öffnungszeiten des
Servicezentrums des Finanzamts,
werktags von 7.30 Uhr bis 14.30
Uhr, am langen Donnerstag bis
17.30 Uhr und am Freitag bis 12.30
Uhr oder zusätzlich nach telefonischer Anmeldung und Absprache
besucht werden.
Barbara Hantel-Gaugler:
„Pfaffenhofen“
STADTKULTUR
Freitag, 27. Januar 2017
A
m Anfang überwogen die
Zweifler: Wer will denn bitte
Pfaffenhofen sehen? Und was
gibt es da überhaupt zu sehen?
Dann wurden zwei Touren ausgearbeitet. Die klassische Stadtführung,
„Pfaffenhofen-Tour“ führt über Bau-
tenweg führt direkt in den Kalten
Krieg, macht klar, was atomare Bedrohung und militärische Kommunikation bedeutet haben. In über 40
Räumen wird unter meterdickem
Stahlbeton nicht nur die Technik
der 60er Jahre erlebbar, sondern vor
Dabei wollen Pfaffenhofener mehr
über ihre Stadt erfahren, sie ihren
Freunden zeigen oder die Hochzeitsoder Geburtstagsgesellschaft unterhalten. Vereine nehmen teil, Firmen
und Schulklassen, sogar Kindergartengruppen. Dazu kommen „Frem-
Von Kirchturm bis Bunker
20 Prozent Gästezuwachs bei den Stadtführungen
von Claudia Erdenreich
werke, Ereignisse und Jahreszahlen
und ist keineswegs trocken. Geschichte wird dabei lebendig, greifbar und erlebbar.
Mit der „Kuriositäten-Tour“ geht es
zu den lustigen, grausamen, frivolen
und spannenden Details der Stadt,
von der letzten Hinrichtung über den
Aufstand der Weiber bis zum Ferkelmarkt.
Dazu kam noch die „Bunker-Tour“.
Der Fernmeldebunker am Heimgar-
Hauptplatz mit Marienbrunnen 1975
B
is auf den letzten Platz ausverkauft war das Rathauskonzert
mit den Schlagzeugern der
Münchner Philharmoniker. Die klassikerprobten Gäste und Abonnenten
erwartete ein äußerst ungewöhnliches und herausforderndes Konzert
von modernen Komponisten, gespielt
mit absoluter Perfektion, Konzentration und Körpereinsatz.
Kulturreferent Peter Feßl begrüßte
wie bei jedem Konzert der Reihe kurz
die Gäste und stimmte sie ein auf ungewohnte Klänge und ein durchaus
gewagtes Programm.
Die Musiker Stefan Gagelmann, Sebastian Förschl und Jörg Hannen-
allem auch die ganze Akribie, mit der
ein atomarer Krieg verwaltet werden
sollte.
Seit nunmehr fünf Jahren laufen die
Stadtführungen erfolgreich und verzeichnen Jahr für Jahr Zuwächse.
Letztes Jahr nahmen über 2.000
Menschen an knapp 150 Führungen
teil. Damit sind sowohl die frei besuchbaren samstäglichen Turnusführungen gemeint, als auch individuell
buchbare Führungen.
de“, die man heute eher Gäste nennt,
echte Touristen wollen vermehrt
Pfaffenhofen sehen. Acht qualifizierte Gästeführerinnen und Gästeführer zeigen dabei die Stadt, die Gebäude und Geschichte. Rathaus und
Stadtmauer, noch stehende Türme,
der Standort der vier Stadttore oder
die Mariensäule lassen Pfaffenhofen
plötzlich in ganz neuem Licht erscheinen. 15 Stationen stehen zur
Verfügung, die natürlich nicht alle
Hungerturm mit Stadtmauerresten
Löwengebrüll und
Eselsgebiss
Schlagzeuger mit „Schlag acht“ beim
dritten Rathauskonzert
von Claudia Erdenreich
Die Schlagzeuger in vollem Einsatz mit zahlreichen Instrumenten
Der Pfaffenhofener | Seite 5
innerhalb einer Tour umfangreich
gezeigt werden.
Selbst mancher alteingesessene Pfaffenhofener kommt dabei ins Staunen
und entdeckt Gässchen und Details,
die er noch nie gesehen hat. Ein Blick
in die Kirche oder in den Festsaal des
Rathauses fasziniert vor allem Gäste
aus anderen Städten, aber etwa den
Hungerturm kennen auch die wenigsten Pfaffenhofener von innen.
Das Angebot ergänzen derzeit die
weihnachtlichen und stimmungsvollen Fackelstadtführungen, die begeistert angenommen werden. Passend zum Napoleon-Jahr 2015 führte
Frieder Leipold auf den Spuren der
napoleonischen Epoche durch die
Straßen, weitere Themenführungen
sind in Planung.
In diesem Jahr wird es im Rahmen
der Gartenschau natürlich einen
enormen Zuwachs an Führungen
geben, zahlreiche Besucher werden
auch die Stadt sehen wollen. Pfaffenhofen ist bestens gerüstet, gerade
starten die Gartenschau-Gästeführer
ihre Ausbildung und lernen dabei
natürlich auch die Stadtgeschichte
kennen.
Stadtführungen buchbar über:
Wirtschafts- und
Servicegesellschaft Pfaffenhofen
Frauenstraße 36
85276 Pfaffenhofen
Tel. 08441 405500
www.stadtfuehrungenpfaffenhofen.de
Bunkergelände in den 60er Jahren
bach wurden ergänzt durch Michael
Leopold. Der Pfaffenhofener Kulturpreisträger von 2009 ist erst seit wenigen Monaten Schlagzeuger bei den
Münchner Philharmonikern. Im Publikum befanden sich natürlich viele
seiner Fans, Freunde und frühere
Musikerkollegen.
Komponisten wie John Cage, Steve
Reich und Minoru Miki standen auf
dem Programm, dargeboten mit einer
Fülle von Schlaginstrumenten, bekannten wie höchst ungewöhnlichen.
Neben klassischen Pauken und
Schlagzeug tönten auch „Löwengebrüll“ und „Eselsgebiss“, dazu leere
Bierfässer und Pastetendosen.
So viele Instrumente hatten die vier
Musiker mitgebracht, dass nach jedem Stück umgebaut werden musste,
die Bühne im Festsaal des Rathauses
war einfach zu klein für alle Instrumente gleichzeitig. Die Musiker entschuldigten sich lachend dafür, dass
sie ausgerechnet in der Hallertau
kein einheimisches Blech-Bierfass
verwenden.
Die Schlagzeuger legten zwar nicht
„Schlag acht“, aber wenige Minuten
danach schwungvoll los. Sie spielten
mit beeindruckender Präzision und
entlockten den Instrumenten stets
neue, überraschende Klangvielfalt.
Faszinierend besonders das „phasing“ der Instrumente im zweiten
Stück von Steve Reich, das im 6/4Takt an afrikanische Trommeln erinnerte, mit lauten, intensiven, teils
quälenden Rhythmen. „Schön wenns
so klappt“, kommentierten die Musiker lapidar; sie spielten die verwegensten Partien scheinbar locker aus
dem Handgelenk. Hier wurde allen
Zuschauern klar, welche Konzentration und Übungszeit hinter den
Stücken steckt. Wer an dem Abend
ein eher gefälliges, klassisches Konzert erwartete, wurde enttäuscht und
hart herausgefordert mit Klängen
und Werken, die man so nie zu hören
bekommt.
Aufgelockert wurde durch eine TonLicht-Show und erklärende Kommentare der Musiker.
Trotz aller Begeisterung dachte mancher Besucher nach dem Konzert an
Wilhelm Busch: „Musik wird störend
oft empfunden, weil stets sie mit Geräusch verbunden“.
Die letzten beiden Rathauskonzerte
der Saison im Februar und März bieten dann wieder klassische Kost am
Klavier.
Kulturreferent Peter Feßl
STADTKULTUR
Seite 6 | Der Pfaffenhofener
Kulturtermine
Bier
„Alles über den Durst“ zeigt die
Comic-Ausstellung von Comicaze e.V. 2016 war ein Jubiläumsjahr für den legendären
Gerstensaft. Eine gute Gelegenheit, sich mit seiner Geschichte,
die ja auch eine Kulturgeschichte ist, auseinanderzusetzen –
noch bis zum 4. März in den
Ausstellungsflächen im Foyer
und im ersten Stock des Rathauses.
Freitag, 27. Januar 2017
„Autismus ist das Gefängnis des denkenden Menschen“
Inklusion und Kunst ab 27. Januar 2017 in einer Gruppenausstellung im Haus der Begegnung
D
er Autismus ist das Gefängnis des denkenden
Menschen“. Ein Satz, ein
Konzept: Die Organisatoren vom AK Inklusion nehmen
den Satz als Ausgangspunkt einer
künstlerischen Auseinandersetzung
mit dem Thema Autismus. Für die
Ausstellung in der Städtischen Galerie wurden verschiedene Künstler
gebeten, auf den Satz zu reagieren
und ihn in ihre Arbeit einfließen zu
lassen.
Dieser Satz kann auf vielerlei Weise
ausgesprochen und gemeint sein. Er
kann sich auf eine Politik beziehen,
Inklusion
Zahlreiche lokale Künstler setzen sich mit dem Thema Autismus auseinander, Vernissage am
27.1. um 19.30 Uhr in der Städtischen Galerie (siehe nebenstehenden Artikel).
Kabarett
Maxi Schafroth aus dem Allgäu
spielt sein aktuelles Programm
„Faszination Bayern“ am 28.1.
ab 20 Uhr im Festsaal des Rathauses.
Kunst
Erneut können Werke der Städtischen Kunstsammlung am 2.2.
zwischen 15 und 18 Uhr in der
Artothek ausgeliehen werden.
der jegliche Empathie abgesprochen
wird. Er kann einen Menschen attackieren, dem Ignoranz oder Egozentrik unterstellt wird. Er kann jede/n
von uns in Frage stellen. Aber dann
wird er beliebig. Deshalb ist es für
diese Ausstellung von Bedeutung,
dass dieser Satz von niemandem
stammt, der den Begriff „Autismus“
instrumentalisiert. Er stammt von einer jungen Frau mit einer Autismusstörung, die sich stimmlos über Lyrik
und Prosa mitteilt.
Das aus dem Griechischen stammende Wort „Autismus“ bedeutet ursprünglich „Selbstbezogenheit“ und
gilt nach der WHO als tiefgreifende
angeborene
Entwicklungsstörung,
in deren Zentrum eine Beeinträchtigung der Beziehungs- und Kommunikationsfähigkeit steht. Grund ist
die veränderte Wahrnehmungs- und
Informationsverarbeitung des Gehirns. Autistische Menschen nehmen
ihre Umwelt überdurchschnittlich
intensiv wahr, mit unzähligen Eindrücken, die als Chaos empfunden
werden können, das bewältigt werden muss. Gelingt das nicht, können
Jazz
Das Christopher Rumble Duo
spielt Jazz, Beat und Klangwelten am 3.2. ab 21 Uhr in der
Künstlerwerkstatt.
Veränderungsängste, Panikzustände, Zorn oder der totale Rückzug in
sich selbst die Folge sein. Deshalb
wirken betroffene Menschen häufig,
als lebten sie in einer eigenen Welt,
die für Außenstehende verschlossen
scheint.
Ziel der Ausstellung ist es also, sich
mit den Mitteln der künstlerischen
Wahrnehmung und Ausdrucksweise
dieser individuellen Welt anzunähern und auf die eigene kreative Art
eine Brücke zu schlagen zwischen
den vielfältigen Wahrnehmungsweisen.
An dem Ausstellungsprojekt nehmen
als ausstellende Künstler Manfred
Mensch Mayer, Bruni & Tatti Auberer, Richard Kienberger, Ulrike
Blechschmid, Helene Charitou, Nathalie Ponsot, Kiki Mittelstaedt, die
AG Hohe Warthe, Tita Heydecker,
Caroline Jung, Stefan Egerer, Wacky Singer, Günter Merkl und Habl
Kunst teil.
Die Ausstellung „Der Autismus ist
das Gefängnis des denkenden Menschen“ wird am Freitag, 27. Januar
2017, um 19 Uhr mit der Laudatio
von Anna-Maria Schirmer, Kunstlehrerin am Schyren-Gymnasium,
eröffnet. Sie dauert bis einschließlich 12. Februar 2017.
Die Öffnungszeiten der Städtischen
Galerie sind: Montag bis Freitag
von 9 bis 12 Uhr und 13.30 bis 16.30
Uhr sowie Samstag, Sonntag und
an Feiertagen von 10 bis 18 Uhr.
Der Eintritt ist frei.
Musik
Im Rahmen der Winterbühne spielt am 5.2. um 20 Uhr
„Names“ aus Salzburg ein Konzert in der Spitalkirche.
Gesang
„Public Singing“ mit Hits, Oldies und Schlagern zum Mitsingen für alle am 10.2. ab 20 Uhr
im intakt Musikinstitut.
Konzert
Das Wiener Klaviertrio spielt am
12.2. ab 20 Uhr Musik von Mozart und Schubert beim vierten
Rathauskonzert im Festsaal des
Rathauses.
Geschichte
Dr. Katrin Marth berichtet am
17.2. um 19.30 Uhr im Rentamtssaal des Rathauses über den Erhalt historischer Dokumente.
Gesichter
Die Künstlerin Tatjana Lee zeigt
mit „Free your mind“ ihre Werke
ab 18.2. in der Städtischen Galerie.
IMPRESSUM
Verlag/Herausgeber/Herstellung:
KASTNER AG – das medienhaus,
Schloßhof 2–6, 85283 Wolnzach,
Telefon 08442/9253-0
V.i.S.d.P.: Kilian Well
E-Mail: [email protected]
Redaktion: Claudia Erdenreich,
Kilian Well, Hellmuth Inderwies,
Lorenz Trapp
Layout: Monika Lang
Anzeigen: Claudia Scheid
Telefon: 0 84 42 / 92 53-7 04
Erscheinungsweise: monatlich
Der Pfaffenhofener erhalten Sie in der
Buchhandlung Osiander, der Buchhandlung Kilgus, bei Schreibwaren Daubmeier, Schreibwaren Prechter, Tabak
Bergmeister, Tabak Breitner etc.
Nächste Ausgabe voraussichtlich
Freitag, 24. 02. 2017
„Gefährliche Empfehlungen“:
Tom Hillenbrand liest
G
efährliche Empfehlungen“,
der neue Roman des SpiegelBestsellerautors Tom Hillenbrand, hat vor wenigen Tagen seine
Buchpremiere in Luxemburg gefeiert. Schon im März stellt der Autor
seinen kulinarischen Krimi auch in
Pfaffenhofen vor: Am Donnerstag,
16. März 2017, um 20 Uhr liest er
auf der Pfaffenhofener Lesebühne im
Theatersaal im Haus der Begegnung.
Frankreichs legendärer Gastroführer „Guide Gabin“ lädt zu einem
rauschenden Fest in seinem neuen
Firmenmuseum in Paris, und der
Luxemburger Koch
Xavier Kieffer ist
mittendrin.
Während der Feier verschwindet
eines
der Exponate – die
extrem seltene Ausgabe des „Guide
Bleu“ von 1939, von
der nur wenige Exemplare existieren.
Kieffer
beginnt,
Nachforschungen
anzustellen.
Bald
erfährt er, dass wegen der Sternebibel bereits mehrere
Menschen sterben
mussten. Aber was
ist so gefährlich an
einem über 70 Jahre alten Restaurantführer? Für Kieffer beginnt ein
bedrohliches Wettrennen um ein Geheimnis, das weit bis in den Zweiten
Weltkrieg zurückreicht und an dem
auch verschiedene Geheimdienste
großes Interesse zeigen.
Tom Hillenbrand gelingt ein außerordentlich spannender Krimi, gespickt mit historischen Fakten, fulminanten Wendungen und kuriosen
Einfällen, mit einer Schnitzel-Jagd,
die es in sich hat und die seinen Helden aus dem Grande-Ducale neben
Luxemburg auch nach Paris, Berlin und Lothringen führt. Und ganz
nebenbei und sehr elegant erzählt
Hillenbrand in „Gefährliche Empfehlungen“ die Geschichte der französischen Küche von
ihren Anfängen über
Escoffier und Bocuse
bis heute und nimmt
dabei die moderne
„Plastikbrasserie“
aufs Korn.
Tom
Hillenbrand,
geboren 1972 in
Hamburg, studierte
Politik, volontierte
an der HoltzbrinckJournalistenschule
und war Ressortleiter bei Spiegel
Online. Seine Sachbücher und Romane
– darunter die kulinarischen Krimis
mit dem Luxemburger Koch Xavier Kieffer als Ermittler
– haben sich bereits Hunderttausende Male verkauft, wurden in mehrere Sprachen übersetzt und standen
„Ich liebe die
bayerische
Küche“
Ein Vortrag mit dem
Autor, Papst-Versteher
und Vatikan-Insider
Andreas Englisch im
Kloster Scheyern
auf der Spiegel-Bestseller- sowie der
Zeit-Bestenliste. Für seinen Roman
„Drohnenland“ wurde er u. a. mit
dem Friedrich-Glauser-Preis für den
besten Kriminalroman des Jahres
2015 ausgezeichnet.
Der Kartenvorverkauf für die Lesung in Pfaffenhofen startet am Freitag, 27. Januar. Karten gibt es bei der
Buchhandlung Osiander, beim Pfaffenhofener Kurier, bei Elektro Steib,
beim intakt Musikinstitut sowie online unter www.okticket.de zum
Preis von 10 bzw. ermäßigt 8 Euro im
Vorverkauf. An der Abendkasse kostet der Eintritt 12 bzw. 10 Euro.
Auf Einladung der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) spricht
Andreas Englisch am Montag, den
27. März, 19.30 Uhr, im Kloster
Scheyern. Karten gibt’s in den Pfaffenhofener Buchhandlungen Kilgus
und Osiander sowie im Klosterladen.
Der Reinerlös geht an das TansaniaProjekt der KAB.
Andreas Englisch lebt seit 30 Jahren als Korrespondent in Rom und
schreibt Enthüllungs-Bücher über
den Vatikan. Ein Nestbeschmutzer
ist er aber nicht. Eher ein Nutznießer. Der gelernte Journalist weiß,
wie man gute Geschichten verkauft.
Aus seinem Mund klingen selbst
Skandale nicht anklagend, sondern
unterhaltsam. In seinen Vorträgen
bringt er die Zuhörer immer wieder
zum Lachen, ohne die Kirche der Lächerlichkeit preiszugeben. Richtig
glücklich ist er mit dem neuen Pontifex: Franziskus I. bietet viel Stoff für
neue Bücher.
STADTKULTUR
Freitag, 27. Januar 2017
Der Pfaffenhofener | Seite 7
„Die Zeit der Feierabend-Sozis ist vorbei!“
Drei-Königs-Treffen der SPD in Wolnzach
von Heinz Hollenberger
„Wer sich immer nur raus hält, ist
auch schuld, wenn wir in einer Welt
aufwachen, die wir so gar nicht haben wollen!“ Der SPD-Kreisvorsitzende Markus Käser beschwört
im Hopfenmuseum den „Geist von
Wolnzach“. Schließlich habe das
Drei-Königs-Treffen der SPD in den
letzten sechs Jahren immer wieder
Impulse für die Politik im gesamten
Landkreis gebracht. Käser verweist
unter anderem auf die Koordination ehrenamtlicher Flüchtlingshelfer, auf sozialen Wohnungsbau und
auf den vierten Rettungswagen für
den Landkreis, den der Bürgermeisterkandidat der Wolnzacher SPD,
Werner Hammerschmid, gefordert
hatte und der demnächst sogar um
ein fünftes Fahrzeug ergänzt werden
soll.
Der Auftakt des Jahres 2017 stand bei
der Landkreis-SPD ganz im Zeichen
der Nachhaltigkeit. Nicht zuletzt
wegen der umstrittenen Erweiterung
der Hühnermastanlage im Ortsteil
Eschelbach. Die Sozialdemokraten
hatten Micha Lohr vom Bund Naturschutz eingeladen, der über das Vorhaben ausführlich informierte. Auch
weitere Umweltaktivisten wie Dr.
Peter Bernhart waren ins Hopfenmuseum gekommen, persönlich begrüßt vom SPD-Kreisvorsitzenden,
der an die vielen Protestaktionen
in bunten Kostümen erinnerte und
sich für dieses langjährige Engagement bedankte. Micha Lohr nannte
viele Gründe, warum der Bund Naturschutz die geplante größte Hähnchenmastanlage Bayerns in Eschelbach verhindern will. 2016 wurden
nach seinen Angaben 35 Mastbetriebe untersucht. In jeder einzelnen
seien multiresistente Keime in der
Abluft, im Abwasser und im Mist
gefunden worden. Multiresistente
Keime bereiten der Medizin zunehmend große Probleme, weil es keine
Medikamente gegen solche Erreger
gibt und davon befallene Patienten
oft sterben. Experten machen den
massenhaften Einsatz von Antibiotika in Tiermastanlagen für immer
häufiger auftretende multiresistente
Keime verantwortlich. Micha Lohr
berichtete auch über unzureichende
Brandschutzmaßnahmen in den
eingereichten Planungsunterlagen.
Danach müssten die 144.600 Hähnchen bei einem Feuer in der Anlage
verbrennen. Doch nach Einschätzung des Wolnzacher BN-Ortsvorsitzenden verstößt eine solche Planung
gegen geltendes Recht. Gesetzlich
erlaubt ist jedoch eine Fläche von gerade mal einem DIN A5-Blatt Papier
und einem Bierdeckel als definiert
ausreichender Lebensraum für ein
Masthähnchen.
Markus Käser bestätigte, dass das
Landratsamt beim Genehmigungsverfahren für die Erweiterung der
Anlage in Eschelbach allein nach
der Gesetzeslage entscheiden muss.
„Schließlich leben wir in einem
Rechtsstaat. Aber wir machen die
Gesetze“, erinnerte Käser an ein
Grundprinzip der parlamentarische
Demokratie. Seit Jahren versuche
die SPD die Gesetzeslage so zu verändern, dass Kommunen und Bürger beim Bau von Großmastanlagen
nicht nur gehört werden, sondern
verbindlich darüber abstimmen dürfen. Doch das scheitere immer wieder an den CSU-Ministern in Berlin,
so Käser, der Ramsauer, Aigner und
Schmidt namentlich erwähnt. Das
Bundesumweltministerium unter der
SPD-Ministerin Hendricks dagegen
versucht seit geraumer Zeit zu erreichen, dass Kommunen und Bürger
direkt über Großmastanlagen entscheiden können. Dazu zählen laut
Markus Käser alle Ställe mit mehr
als 15.000 Legehühnern, 600 Rindern
oder 1.500 Mastschweinen, auch im
landwirtschaftlich privilegierten Außenbereich.
In Eschelbach seien mittlerweile
auch schon Tatsachen geschaffen
worden, berichtet Micha Lohr. Denn
das Landratsamt habe einen vorzeitigen Baubeginn zugelassen und
der Antragssteller bereits größere
Mengen Erde bewegt und faktisch
mit der Vorbereitung der Baumaßnahme begonnen. Doch die Gegner
der Betriebserweiterung sammeln
nach wie vor Unterschriften gegen
die Maßnahme, auch unter den Genossen beim Drei-Königs-Treffen in
Wolnzach.
Letztendlich gehe es um einen Bewusstseinswandel, darin war man
sich einig. Die SPD fordert, schon
Schulkindern klarzumachen, dass
gute Ernährung auch mit der artgerechten Aufzucht der Tiere zu tun
hat – und konsequent nur nachhaltige Produkte in Schulkantinen anzubieten. Bei der kleinen Landesgartenschau Natur in Pfaffenhofen 2017
ist genau dies geplant. Übrigens zum
ersten Mal in der Geschichte der Veranstaltung. Nachhaltigkeit wird sich
dabei laut Markus Käser nicht nur
auf die Gastronomie beziehen, sondern z. B. auch auf saubere Quellen
für den dort benötigten Strom.
ANSICHTEN
Seite 8 | Der Pfaffenhofener
Freitag, 27. Januar 2017
Blaue Stunde
Ausstellung des Kunstkreises über
eine besondere Tageszeit
von Claudia Erdenreich
D
ie Zeit zwischen Tag
und Dunkelheit hat
seit jeher Künstler inspiriert. Jene kurze
Phase, wenn der Himmel sich tiefblau färbt, wenn die
Kontraste weich werden, die Stimmung melancholisch. Eine Spanne
zwischen Traum und Realität, hellem
Alltag und verheißungsvoller Nacht.
Eine halbe Stunde hält dieses besondere Licht in unseren Breitengraden
an, maximal eine Stunde. Auch der
frühe Morgen würde diese blauen
Stunden bieten, sie wirkt aber offenbar gleich nach dem Aufstehen
auf die meisten Menschen bei wei-
tem nicht so mystisch und sinnlich.
Dichter haben das vielfältig beschrieben, Maler versuchten es mit
allen Techniken einzufangen, zu interpretieren, auch Fotografen nut-
zen das Licht immer wieder für eindrucksvolle Aufnahmen.
„Blaue Stunde“ lautete das Motto der diesjährigen Ausstellung des
Kunstkreises in der Städtischen Galerie. Fünfzehn Künstlerinnen und
Künstler stellten insgesamt 21 Werke
im Haus der Begegnung aus. Dabei gehen sie ganz unterschiedliche
an das Thema heran. Titel wie etwa
„Abendspaziergang“ oder „Flusslandschaft“ zeigen den Inhalt auf,
„Leuchtendes Blau“ greift die Farbe
auf. Die Formate sind vorgegeben,
daher wirkt die Ausstellung trotz
ganz unterschiedlicher Techniken
und Materialien ruhig und klar. Die
meisten Werke sind abstrakt, viele
greifen das intensive Blau als Hauptfarbe in ihrem Bild auf, Öl und Aqua-
rellfarben werden von den meisten
Künstlern verwendet.
Der Rohrbacher Kunstschmied Ernst
Eder zeigt als Gastaussteller zudem faszinierende Edelstahlfiguren
als seine Interpretation der blauen
Stunde.
Die Bilder und Objekte laden ein
zum Betrachten und Entspannen, die
ausliegende Preisliste verlockt mit
sehr moderaten Preisen dazu, sich
eins der Werke für die eigene Wohnung auszuwählen.
Dorothee Bornemann eröffnete als
neue Vorsitzende des Kunstkreises
die Ausstellung und freute sich über
die zahlreichen Gäste, darunter viele
der ausstellenden Künstler und weitere Künstler aus der Region. Kulturreferent Reinhard Haiplik setzte
die „Blaue Stunde“ in den Kontext
von alt und neu, Vergangenheit und
Zukunft. Er erinnerte an Gottfried
Benn und Ingeborg Bachmann, die
über diese besondere Stunde schrieben und ging dann auf die ausstellenden Künstler und ihre Werke ein.