15 www.kg-koeniz.ch | Februar 2017 KIRCHGEMEINDE KÖNIZ Zu dieser Nummer Erwerbslos 50+ und Geschlechterrollen Das Schicksal der seit 8 Jahren nach Arbeit suchenden Frau hier auf der Titelseite hat mich beschäftigt. Die Kirchgemeinde konnte ihr und weiteren Erwerbslosen einen Kurs anbieten. Folgende und letzte Seite: Fortsetzung der letzten Nummer zu «Geschlechter-Rollen am rollen». Viel Inspiration – und auch Widerspruch – wünscht sich für reformiert.-Köniz: Alfred Arm, [email protected] FOTOAUSSTELLUNG Arbeitsmarkt: Türe mit Schlupflöchern › RAV › › Sozialamt zubetonierte Türe Sozialer Abstieg von älteren Er werbslosen: Symbolisch dargestellt anhand von Türen. «Schlupfwinkel zum Selbstschutz» FOTOAUSSTELLUNG VON ERWERBSLOSEN / «Ich habe persönlich erlebt, wie schnell es abwärts gehen kann.» Vor mir steht die 60-jährige Anita Gerber, hinter mir die Foto-Ausstellung von erwerbslosen Frauen 50+, welche einen Kurs der Kirchgemeinde Köniz besucht haben – mit sehenswerten Ergebnissen, die nachdenklich stimmen. Sechs erwerbslose Frauen über 50 Jahren haben im vergangenen Herbst den achtteiligen Kurs «Köniz mit eigenen Augen sehen» besucht und sich dabei Objekte verschiedenster Art für die Ausstellung in der Thomaskirche Liebefeld vom 8.–17. Dezember erarbeitet. Die Bilder drücken ihre Situation auf dem Die Idee der symbolhaltigen Türen ist bestechend – und auch die «Jugendwahnhemmende» Tinktur, die sie aus Kräutern herstellte. Der Inhalt eines anderen Fläschchen wirkt «Würde stärkend», ein anderes «Globalisierungs-schwächend». Was brachte dieser Kurs den Teilnehmerinnen? «Wenn ich etwas lernen kann, bin ich immer dabei! Zudem hat mir dieser Kurs einen Schlupfwinkel zum Selbstschutz gegeben», erklärt Anita Gerber. «Ausserdem lernte ich fototechnisch dazu und der Austausch mit gleichgesinnten Frauen brachte mir viel.» «Mit diesem Fotoprojekt konnte ich meinem angestauten Frust Ausdruck verleihen.» A n i t a G e r b e r, 6 0, e r w e r b s l o s Arbeitsmarkt aus: Die beteiligten Frauen haben teilweise jahrelang nach Arbeit gesucht – und keine gefunden. Die Ausstellung umfasst nicht nur Fotos, sondern auch Kunstobjekte mit fotografischem Hintergrund. Beispielsweise Leporellos (aneinander gereihte Karten) zu Themen wie: «No money – no honey», «Kaufrausch ohne Geld», «Ich will lachen, tanzen, singen…». Oder T-Shirts mit Bildern und sozialkritischen Kurztexten: Der Topdog (verbildlicht als Sparschwein mit viel Geld) und der Underdog (ein Hund), «Man stellt dich weg», «See you: mach dich sichtbar!» Die von mir interviewte Anita Gerber ist auf einem Poster inmitten von Abfallsäcken zu sehen – als Symbol dafür, dass sie sich als Abfall auf dem Arbeitsmarkt sieht. Würde-stärkende Tinktur Anita Gerber zeigt zudem eine Bilderserie zu verschiedenartigen Türen, die den sozialen Abstieg symbolisieren (siehe oben): Eine uralte Scheunentüre als «Türe mit Schlupflöchern», eine Türe für RAV-Bezüger (noch ganz intakt), für Sozialhilfeempfänger (alt und abgegriffen) und eine zubetonierte Türe (Kommentar überflüssig). «Extrem viel Energie» im Kurs Die Soziologin und Fotografin Julia Weber begleitete den Kurs wie bereits in anderen Kirchgemeinden. Sie bemerkte bei den Teilnehmenden «extrem viel Energie». Diese floss in das Foto-Projekt ein, «das die eigene Lebenssituation in einer Situation gesellschaftlicher Ein- und Ausgrenzung darstellt». Der Kurs war vom Kirchenkreis Liebefeld in Zusammenarbeit mit den reformierten Kantonalkirchen Bern-Jura-Solothurn (refbejuso) organisiert worden. Die Kantonalkirchen hatten in den vergangenen Jahren bereits rund ein Dutzend solcher Kurse in verschiedenen Kirchgemeinden angeboten und finanziell unterstützt. 79 000 Erwerbslose 45+ – Tendenz steigend Für die Kirchgemeinde Köniz war Sozialdiakonin Britta Hildebrandt aus dem Liebefeld zuständig. Sie begrüsste zur Ausstellung und wies auf die für Schweizer Verhältnisse erschreckend hohe Zahl von rund 79 000 erwerbslosen Menschen hin, die über 45 Jahre alt sind. Tendenz steigend: «Das sind 13 000 Menschen mehr als vor fünf Jahren!» erklärt sie. Der an der Vernissage ebenfalls anwesende Bereichsleiter der Sozialdiakonie der Kantonalkirchen refbejuso, Stephan Schranz, gratuliert zu den «schönen Ergebnisse» des Kurses, die jetzt gezeigt werden. «Dahinter stehen Künstlerinnen und Menschen, die hier etwas lernten und neue Beziehungen entwickeln konnten.» Zusätzlich bot der Kurs Langzeiterwerbslosen die Möglichkeit, aus ihrer Isolation ein Stück weit herauszukommen, einen Erfolg zu erleben und mit der Vernissage eine Stimme in der Öffentlichkeit zu bekommen. Anita Gerber sagt es so: «Mit diesem Fotoprojekt konnte ich meinem angestauten Frust Ausdruck verleihen.» Text: Alfred Arm Bilder: Anita Gerber Informationen und Kontakt Kontakt zu Anita Gerber über Sozialdiakonie Liebefeld: [email protected], Tel. 031 972 52 47 Verein 50plus für Job-Integration und Arbeitsmarkt: www.50plusoutinwork.ch Acht Jahre Arbeitssuche Kurzfassung der Arbeitslosen-Geschichte einer heute 60-Jährigen. Die Schweizerin Anita Gerber hat in jungen Jahren erfolgreich das KV und die dreijährige Reisebürofachschule absolviert. Sie spreche, betont sie, Spanisch «perfekt», Deutsch, Englisch und Französisch. Vor acht Jahren musste sie ihren Arbeitsort, das geliebte Mexiko, verlassen und zurück in die Schweiz kommen. Sie hatte dort dreimal wegen Hurrikanen oder Orkanen ihre Arbeit als Reiseleiterin verloren. Doch in der Schweiz fand die inzwischen 52-Jährige keine dauerhafte Arbeit mehr, «obschon ich mit gut zwei Jahren Weiterbildung alles versucht habe, diesem Schicksal zu entge- «Ich versuchte hen». Dazu gehörten auch eine befristete Anstel- alles, um Arbeit lung von 16 Monaten und Gratisdienst in Deutschunterricht für das Sozialamt. «Ich habe sogar zu finden.» 2013/14 für 3 Monate versucht auf eigene Kosten in A n i t a G e r b e r Mexiko wieder Fuss zu fassen», fügt sie bei. Auch dies ohne Erfolg. Alles in allem suchte sie während acht Jahren nach Arbeit. Nachdem sie beim RAV «ausgestempelt» war, musste sie sich bei der Sozialhilfe melden. «Ich habe nichts mehr zu verlieren», sagt sie, weshalb sie auch mit ihrem richtigen Namen zu ihren Aussagen steht. Doch resigniert wirkt sie nicht: «Die Arbeitslosigkeit öffnete mir auch neue Wege», erklärt sie. Einer dieser Wege war der Kurs der Kirchgemeinde Köniz. Veranstaltungen und Gottesdienste zu 500 Jahre Reformation im Februar 2017 in der Kirchgemeinde Köniz. Gottesdienste am Kirchensonntag Reformiert sein gestern und heute Kirchensonntag am 5. Februar in diversen Kirchen. Siehe Gottesdienste in den verschiedenen Kirchenkreisen auf den folgenden Seiten 16–19. Vorträge zu Musik und Reformation Verkündigung und Gebet im Gesang Drei Vorträge von Andreas Marti jeweils Mittwoch 20 Uhr in der Thomaskirche Liebefeld. 15. Februar (M. Luther) / 8. März (U. Zwingli) / 29. März (J. Calvin). Elie Jolliet, Orgel und Mitglieder des Kirchenchors KönizLiebefeld. Gottesdienst zum Thema Liebe Die Liebe ist die Erfüllung Röm 13, 8–10 des Gesetzes Gottesdienst mit Pfarrerin Maria Fuchs Keller am 19. Februar um 9.30 Uhr in der Kirche Wabern. Der Singkreis Wabern singt Choräle mit Luthertexten unter der Leitung von Christine Guy. Kirchenkino Reformation im Film Monsieur Claude und seine Töchter 2014) / Kreuzweg (Frankreich (Deutschland 2014) / Pfarrer (Dok. Deutschland 2014). Jeweils um 19 Uhr im Kirchgemeindehaus Spiegel am 28. Februar/21. März/5. September. Infos: [email protected], 031 971 30 74. I N H A LT GLANZLICHTER FEBRUAR Alle Kirchen Niederscherli und Spiegel Diverse Orte Kirchensonntag Konzerte! Mitsingen auf Zeit… «reformiert sein gestern und heute» – so das Motto des von Laien gestalteten Kirchensonntages. Der Kirchensonntag findet meist am 5., in Oberwangen am 12. Februar statt. Seiten 16–19 Aus Russland mit Liebe: Newa Ensemble singt russische Gesänge in Niederscherli. Vokalensemble Voskresenje aus St. Petersburg und Lunaare Quintett treten im Spiegel auf. Seiten 18 + 19 … ist zeitgemäss! Sie können an ausgedachten Projekten im Kirchenchor Köniz/Liebefeld und in Niederscherli mit dabei sein – und im Chor «Stimm dich froh» in Schliern. Seiten 16, 17, 19 Homosexuellen-Interview Theater-Gottesdienst Liebefeld – Fugen-Kunst Schliern – Bern-Geschichten Köniz – Mitenand ässe Spiegel – Kafi-Egge Wabern – Kinderchor-Projekt Niederscherli – Tanz-Fieber Oberwangen – Ehe-Abend S. 16 S. 16 S. 16 S. 17 S. 17 S. 18 S. 18 S. 19 S. 19
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