Pädagogische Hochschule Vorarlberg im Jänner 2017 Lebenswelten - Werthaltungen junger Menschen in Vorarlberg 2016 Zentrale Ergebnisse aus der empirischen Jugendstudie Wie sehen Jugendliche ihre Zukunft? Was ist ihnen besonders wichtig in ihrem Leben? Was bereitet ihnen Sorgen? Diese Fragen bilden einen Themenkreis in einer größeren Studie zu Werthaltungen und Verhaltensbereitschaften von 14- bis 16-jährigen Jugendlichen an Vorarlberger Schulen, die von der Pädagogischen Hochschule Vorarlberg im Jahr 2016 im Auftrag der Vorarlberger Landesregierung durchgeführt wurde. Hinter den Ergebnissen der Studie „Lebenswelten“ stehen die Antworten von 2.079 Schülerinnen und Schülern an Vorarlberger Schulen zu verschiedenen gesellschaftsrelevanten Themenfeldern. In der Auswertung werden Ähnlichkeiten und Unterschiede in den Wertorientierungen von Mädchen und Buben, von Schülerinnen und Schülern unterschiedlicher Schultypen und von Jugendlichen mit unterschiedlichem Herkunftshintergrund der Familie betrachtet. Ergänzt wurde diese Erhebung durch sechs Fokusgruppendiskussionen mit Jugendlichen sowie einer gekürzten schriftlichen Befragung von Jugendlichen in Arbeitsmarktinitiativen. Aufgrund der repräsentativen Stichprobenziehung durch die Landesstelle für Statistik, des hohen Rücklaufs an Fragebögen und der großen Fallzahl ist es möglich, ein profundes Bild der Jugend in Vorarlberg in der entsprechenden Altersgruppe darzustellen. Böheim-Galehr, Gabriele & Kohler-Spiegel, Helga (Hrsg.): Lebenswelten – Werthaltungen junger Menschen in Vorarlberg 2016. Unter Mitarbeit von Gernot Brauchle, Katharina Meusburger, Martina Ott, Gudrun Quenzel, Egon Rücker (= FokusBildungSchule Bd. 9) Innsbruck: Studienverlag 2017. 336 S. Auftraggeber: Land Vorarlberg; Projektleitung und Durchführung: Pädagogische Hochschule Vorarlberg; Partner: Landesstelle für Statistik (Sample), Abteilung Schule, Landesschulrat, aha-Tipps und Infos für junge Leute (inhaltliche Beratung), Austausch mit: Landesjugendbeirat; Gefördert von: Land Vorarlberg, Abt. Gesellschaft, Soziales und Integration, FB Jugend und Familie; Projektdauer: Mai 2015 – Jänner 2017; Bilder: Zaker Soltani und Werkstatt 1 Jugendliche in Vorarlberg 2016 Werte und Ziele spiegeln die jugendliche Lebenswelt Bei einer durchwegs positiven Sicht auf ihre Zukunft haben 14- bis 16-Jährige dennoch Angst vor Krieg und Terror, einer zunehmenden Umweltverschmutzung oder einer schweren Krankheit. Die zentralen Ziele und Werte für Jugendliche sind eine gute Beziehung zu Menschen, die ihnen wichtig sind, eine gute Ausbildung und das Leben zu genießen. Konkret zeigen sich hier die Lebenswelten der Jugendlichen, welche sich meist in Beziehungen zu Familien und Freunden befinden, einer Ausbildung nachgehen und natürlich auch die guten Dinge des Lebens genießen wollen. Die Jugendlichen in Vorarlberg lassen sich vier Wertetypen zuordnen. Dabei vertreten die Idealisten eine soziale und tolerante Einstellung und sorgen sich vor allem um Folgen von Umweltverschmutzung und Klimawandel. Zentral für Materialisten ist insbesondere ein hohes Einkommen. Den Fokus auf materielle Werte möchten sie auch an ihre Kinder weitergeben. Für Erfolgsorientierte zählt allem voran der Erfolg, ihnen sind berufliche Aufstiegsmöglichkeiten sehr wichtig und dazu zählt auch Leistung. Den Zögerlichen ist kaum etwas wichtig, auch der Zukunftsoptimismus ist eher verhalten und hinsichtlich des Wohlbefindens weisen sie niedrige Werte auf. Religion und Glaube haben für Jugendliche mit Zugehörigkeit zu einer der christlichen Kirchen eine deutlich geringere Bedeutung als für Jugendliche mit Zugehörigkeit zu den islamischen Gemeinschaften. Belastende Situationen erhöhen das Risiko gesundheitlicher Beschwerden Der Mehrheit der Jugendlichen in Vorarlberg geht es gesundheitlich ziemlich gut, ein nicht unerheblicher Teil muss jedoch bereits in diesem Alter gesundheitliche Einschränkungen in Kauf nehmen. Buben scheint es dabei häufig besser zu gehen als Mädchen. Auch treten Beschwerden umso seltener auf, je höher der Wohlstand der Familie ist. Körperliche und psychische Beschwerden stehen zudem in einem klaren Zusammenhang mit verschiedenen belastenden Situationen, allen voran mit den schulischen Leistungen, dem Verhältnis zu den Eltern und der Zufriedenheit mit dem Freundeskreis. Die Beziehung zu den Eltern ist von zentraler Bedeutung für die Jugendlichen Eine gute Beziehung zu den Eltern zu haben und in der Familie zusammenzuhalten, ist für die Jugendlichen von zentraler Bedeutung. Für junge Menschen mit türkischem Familienhintergrund ist die Bedeutung der Familie am stärksten. Junge Menschen wollen ihren eigenen Kindern soziale und erfolgsorientierte Werte, Selbstständigkeit und Eigenständigkeit sowie Anstand mitgeben. Verlässlich und treu sein, gemeinsam Spaß haben und finanziell unabhängig sein, ist allen Jugendlichen für eine Partnerschaft sehr wichtig. Auch der Wunsch nach Gemeinsamkeit mit dem Partner oder der Partnerin verbindet die Jugendlichen. Mädchen und Buben mit türkischem Familienhintergrund wünschen sich verstärkt einen Partner oder eine Partnerin aus demselben Kulturkreis und mit hohem sozialem Status. 2 Grafik 2.1.1: Zukunft nach Geschlecht stimmt völlig Ich sehe meine Zukunft positiv. weiblich | n 1.043 männlich | n 994 52 stimmt eher | in % 38 55 37 0 20 Antwortkategorien: stimmt völlig | stimmt eher | stimmt eher nicht | stimmt gar nicht 40 60 80 100 Grafik 2.2.1: Werte und Ziele nach Geschlecht Aus insgesamt 21 Aussagen die 6 Items mit der höchsten Zustimmung (über 50% „sehr wichtig“). Mir persönlich ist im Leben wichtig .... Mädchen: sehr wichtig eher wichtig Buben: sehr wichtig eher wichtig | in % dass ich mit den Menschen, die mir wichtig 6 93 sind, eine gute Beziehung habe. *** 16 82 dass ich eine gute Ausbildung machen kann. * 17 19 82 78 dass ich Freunden helfe und mich für sie einsetze. *** 16 82 dass ich die guten Dinge des Lebens in vollen Zügen genießen kann. *** dass ich ein abwechslungsreiches und aufregendes Leben habe. * 68 29 71 66 25 30 26 69 64 dass ich eigenverantwortlich lebe und handle. ** 29 33 63 57 37 0 20 40 60 Antwortkategorien: sehr wichtig | eher wichtig | eher unwichtig | völlig unwichtig || Stichprobengröße: Mädchen 1.057 | Buben 1.022 80 100 Grafik 3.2.2: Zusammenhänge von gesundheitlichen Beschwerden mit ausgesuchten Themenfeldern gesundheitliche Beschwerden | in % häufig manchmal selten Ich habe das Gefühl, dass ich die hohen Erwartungen meiner Eltern nicht erfüllen kann. *** stimmt völlig | n 200 stimmt eher | n 413 stimmt eher nicht | n 618 stimmt gar nicht | n 700 26 32 11 42 38 4 51 31 6 65 20 74 Leistungsmäßig geht es mirgeht in fast Fächern derzeit ... *** Leistungsmäßig es allen mir...*** sehr gut | n 372 eher gut | n 735 mittelmäßig | n 689 weniger gut | n 142 gar nicht gut | n 36 4 22 7 74 26 8 67 32 60 23 43 39 0 34 25 20 36 40 60 80 100 Grafik 4.1.5: Eigene Erziehungswerte nach Geschlecht Wenn du einmal eigene Kinder hast, was wäre dir wichtig, ihnen durch die Erziehung mitzugeben? Mädchen Buben | sehr wichtig | in % ehrlich sein *** 85 selbstständig sein *** 77 71 eine eigene Meinung haben *** 81 74 keine Gewalt anwenden *** 90 80 55 rücksichtsvoll sein *** 77 64 74 74 gute Manieren haben 59 durchsetzungsfähig sein 36 erfolgreich sein *** 26 nach Wohlstand streben *** 21 später viel Geld verdienen *** 0 20 62 51 33 30 40 60 80 100 Antwortkategorien: sehr wichtig | eher wichtig | eher nicht wichtig | gar nicht wichtig || Stichprobengröße: Mädchen 1.057 | Buben 1.022 * p <0.05 signifikant | ** p <0.01 sehr signifikant | *** p ≤0.001 hochsignifikant 3 Im Hinblick auf die Rollenverteilungen von Männern und Frauen in der Gesellschaft und in Partnerschaften zeigt sich ein heterogenes Bild an Einstellungen. Vor allem bei männlichen Jugendlichen kann eine ausgeprägte Befürwortung der klassischen innerfamilialen Rollenverteilung beobachtet werden, aber auch bei einem Drittel der jungen Frauen. Bei einigen jungen Männern und der Mehrheit der jungen Frauen findet sich aber auch eine klare Option für eine gleichberechtigte Arbeitsteilung. Wie zu erwarten war, treten junge Frauen damit stärker für ein gleichberechtigtes Verhältnis von Mann und Frau ein als junge Männer. Junge Männer haben demgegenüber vermehrt Interesse, an der vorherrschenden traditionellen Arbeitsteilung festzuhalten. Politisch mäßig interessiert, dafür zufrieden mit der Demokratie 39% der Vorarlberger Jugendlichen interessieren sich für Politik. Der Großteil der Jugendlichen ist mit der Demokratie in Österreich zufrieden. Demokratische Haltungen werden von Mädchen und Buben mit großer Mehrheit unterstützt. Eher offene Einstellung zu Integration und Zusammenleben unterschiedlicher Kulturen Sowohl Mädchen als auch Buben haben häufig Kontakt zu Menschen aus anderen Kulturen. Die Zustimmung zum gemeinsamen Lernen und zum gemeinsamen Schulbesuch ist hoch, mit einigem Abstand auch die gemeinsame Gestaltung der Freizeit. Mehr als die Hälfte der Jugendlichen kann sich eine interkulturelle oder interreligiöse Partnerschaft vorstellen. Wenig überraschend fühlen sich Jugendliche ohne Migrationshintergrund vor allem als Vorarlberger/in oder Österreicher/in. Jugendliche mit einem Migrationshintergrund fühlen sich häufig mehreren Gruppen gleichermaßen zugehörig und leben auch in mehreren Welten. Hohe Bildungsziele und Erwartungen an die Schule Schullaufbahn wird wesentlich vom familiären Hintergrund bestimmt Jugendliche haben hohe formale Bildungsziele. Die Schule wird als nützlich für die eigene Zukunft gesehen, schulische Leistungen werden als wichtig erachtet. Die Schullaufbahn eines Kindes wird stark von den Bildungswegerfahrungen und Erwartungen der Eltern und dem Bildungsangebot in der Region bestimmt. Die Ergebnisse zeigen eindrücklich, dass Schüler/innen aus bildungsferneren Elternhäusern und/oder sozioökonomisch benachteiligten Familien von ihrem Umfeld deutlich weniger Unterstützung bei der Bewältigung der schulischen Laufbahn erhalten (können) als Schüler/innen aus bevorzugten Elternhäusern. Viel Freizeit und später einen sicheren Arbeitsplatz Jugendlichen stehen in ihrer Freizeit erhebliche zeitliche und gestalterische Spielräume offen. Ihr beträchtliches Maß an freier Zeit verbringen die 14- bis 16-Jährigen bevorzugt im Freundeskreis, mit dem sie mehrheitlich auch sehr zufrieden sind. Bei der Freizeitgestaltung haben elektronische Unterhaltungsmedien einen hohen Stellenwert, ebenso wie auch Sport und Bewegung. Im Hinblick auf eine zukünftige Berufstätigkeit wird deutlich, dass es für Jugendliche von besonderer Bedeutung ist, später einmal einen sicheren Arbeitsplatz zu haben und über ausreichend Zeit für ihre Familie und Freunde zu verfügen. 4 Grafik 4.3.2: Einstellungstypen: Verhältnis von Mann und Frau nach Geschlecht und Herkunftsland der Familie gleichberechtigt MÄDCHEN Herkunftsland der Familie** Österreich | n 614 Deutschland Schweiz Liechtenstein | n 82 ehem. Jugoslawien | n 97 Türkei | n 127 BUBEN Herkunftsland der Familie *** Österreich | n 583 Deutschland Schweiz Liechtenstein | n 69 ehem. Jugoslawien | n 77 Türkei | n 132 traditionell | in % 39 61 35 65 25 75 27 73 52 48 46 54 74 26 85 15 0 20 40 60 80 100 Grafik 5.1.2: Zufriedenheit mit Demokratie Bist du mit der Art und Weise, wie Demokratie in Österreich funktioniert, zufrieden? sehr zufrieden ziemlich zufrieden ziemlich unzufrieden sehr unzufrieden weiß nicht | in % Geschlecht *** Mädchen | n 1.020 Buben | n 995 9 56 15 17 47 3 17 10 Herkunftsland ** Österreich | n 1.231 Deutschland Schweiz Liechtenstein | n 153 ehem. Jugoslawien | n 181 Türkei | n 270 Schulform *** Pflichtschule | n 691 Ausbildung ohne Matura | n 501 Ausbildung mit Matura | n 823 11 51 7 17 53 12 8 17 50 5 14 18 9 52 17 13 51 9 14 45 10 4 23 55 0 3 20 11 15 40 60 7 80 100 Grafik 5.2.7: Aufnahme von Flüchtlingen nach Herkunftsland der Familie Wir sollten Flüchtlingen helfen und sie in unserem Land aufnehmen. *** Österreich | 1.222 stimme voll zu stimme eher zu stimme eher nicht zu 23 Deutschland Liechtenstein Schweiz | 153 43 24 ehem. Jugoslawien | 175 stimme gar nicht zu | in % 23 44 34 38 Türkei | n 268 10 19 52 0 11 22 39 20 40 60 9 6 3 80 100 Grafik 6.1.4: Freude am Schulbesuch nach Geschlecht Ich gehe eigentlich gerne in die Schule. * immer Mädchen | n 1.039 18 Buben | n 1.005 oft 47 16 20 nie | in % 28 43 0 manchmal 7 30 40 60 11 80 100 Grafik 6.1.11: Empfinden des Schulalltags nach Geschlecht locker Wie empfindest du deinen schulischen Alltag? *** Mädchen | n 1.019 11 Buben | n 966 ganz okay 55 21 0 etwas belastend stressig, sehr belastend | in % 27 50 20 40 7 24 60 80 5 100 * p <0.05 signifikant | ** p <0.01 sehr signifikant | *** p ≤0.001 hochsignifikant 5 Jugendliche in Arbeitsmarktinitiativen haben ähnliche Werte und Ziele wie Schüler/innen Zwei Drittel der insgesamt 90 befragten Jugendlichen in Arbeitsmarktinitiativen stammen aus einer Familie mit Migrationserfahrung, ein Drittel der Familien verfügt über nur wenige ökonomische Ressourcen. Verglichen mit anderen Jugendlichen haben sie ein deutlich geringeres gesundheitliches Wohlbefinden und einen weniger positiven Blick in die Zukunft. Dabei streben sie nach Orientierungsunterstützung von außen, sichtbar etwa im Wunsch nach Anerkennung in der beruflichen Tätigkeit oder in der autoritären politischen Einstellung. Hinsichtlich ihrer Ziele und Werte zeigen sich nur marginale Unterschiede zu den Jugendlichen an Schulen. Fokusgruppen: Suche nach Glück in Familie und Beruf Jugendliche bekamen in sechs Fokusgruppen die Möglichkeit, in ihren eigenen Worten zu schildern, was ihnen wichtig ist. Die Auswertung der Diskussionsbeiträge von 35 Teilnehmerinnen und Teilnehmern zeigt, dass Jugendliche Glück in Familie und Beruf suchen. Auf eine gute Ausbildung wirf viel Wert gelegt, auch wenn diese mehr Mittel zum Zweck ist. In der Partnerschaft zählt vor allem Treue, die Aufgabenzuständigkeiten sind umstritten. Bei der Erziehung sind sich Jugendliche jedoch einig, das ist Aufgabe der Familie. Als Auftrag der Politik sehen die Jugendlichen primär die Bildung. Handlungshinweise für Schule und Jugendarbeit Die Daten der Studie Lebenswelten geben allen, die mit Jugendlichen zu tun haben, eine breite Basis zum besseren Verständnis der jugendlichen Lebenswelten und zeigen Handlungsoptionen auf. Jugendliche im Alter von 14 bis 16 Jahren befinden sich noch in einem Entwicklungsstadium und müssen sich Grundkompetenzen in der eigenständigen Lebensführung aneignen. Wichtig ist, dass sie Selbstsicherheit und Handlungskompetenzen erlangen, um mit den lebensweltlichen Anforderungen umgehen zu lernen. Absolut entscheidend ist es, allen Jugendlichen Perspektiven und Optionen für die Zukunft zu eröffnen. Jugendliche haben heute ein Informationsangebot zu allen Lebensbereichen, das so breit und vielfältig ist wie niemals zuvor. Diese Vielfalt bietet für die einen Chancen und ist für andere Ursache für Verunsicherung und Zukunftsängste. Wesentlich ist für alle, die mit Jugendlichen arbeiten, die Vermittlung einer möglichst objektiven Wissensgrundlage, auf der Jugendliche aufbauen können und Orientierung finden. Besondere Aufmerksamkeit der Jugendarbeit brauchen vor allem vier Gruppen: Eine eher kleine Gruppe sind Jugendliche, die kaum Ziele und ausgeprägte Werthaltungen haben und denen es auch psychisch und physisch weniger gut geht als anderen Jugendlichen. Hier gilt es Strategien zu entwickeln, damit diese Jugendlichen Selbstwirksamkeit erfahren können, stressreduzierendes Verhalten erlernen und sich nicht in Sorgen, Depression und Gleichgültigkeit verlieren. Wichtig ist dabei auch ein attraktives (schulisches) Freizeitangebot zu schaffen, welches über den Sport hinausreicht und Jugendliche in die Gesellschaft integriert sowie besonders gefährdete Gruppen vor dem völligen Abdriften in digitale Welten bewahrt. Auch wenn der weitaus überwiegende Teil der Jugendlichen sich an offenen und demokratischen Haltungen orientiert, so ist doch ein Teil – vor allem Buben aus bildungsfernen Familien – ansprechbar für autoritäre politische Haltungen. Eine Gruppe – vor allem Jugendliche ohne Migrationshintergrund – drückt offen Ablehnung in Fragen des Zusammenlebens verschiedener Kulturen aus. 6 Grafik 6.1.21: Schulbesuch nach Bildungshintergrund der Familie vom Kind besuchter Schultyp | in % Neue Mittelschule Allgemeinbildende höhere Schule Sekundarstufe I *** Bildungshintergrund Eltern max Pflichtschulabschluss | n 112 Ausbildung ohne Matura | n 160 Ausbildung mit Matura | n 161 Hochschule | n 81 95 11 75 25 59 41 vom Kind besuchter Schultyp | in % Sekundarstufe II*** PS Bildungshintergrund Eltern max Pflichtschulabschluss | n 233 6 0 BHS 19 33 27 29 20 30 11 26 12 8 10 22 19 16 8 AHS 18 24 12 Hochschule | n 283 BMS 30 12 Ausbildung mit Matura | n 351 BS 19 Ausbildung ohne Matura | n 416 5 89 49 40 50 60 70 80 90 100 Grafik 6.2.6: Freizeittypen nach soziodemografischen Merkmalen Konstruiert aus 12 Items zu: Was machst du in deiner Freizeit? Medienaffine Sport- und Engagementfreudige Gesellige Natur- und Bastelfreunde Geschlecht *** weiblich | n 971 männlich | n 925 30 29 27 Sozioökonomischer Hintergrund *** niedrig | n 175 mittel | n 795 hoch | n 903 13 14 37 17 24 32 14 21 24 28 42 25 24 22 23 32 22 Herkunftsland der Familie *** Österreich | n 1.171 Deutschland Schweiz Liechtenstein | n 146 ehem. Jugoslawien | n 161 Türkei | n 250 24 21 28 32 23 27 32 46 0 27 21 20 24 25 12 40 16 28 60 14 80 100 Lesehilfe: 30% der weiblichen Jugendlichen in Vorarlberg können aufgrund ihrer eigenen Einschätzung den Medienaffinen zugeordnet werden. Die Unterschiede zwischen Mädchen und Buben sind im Hinblick auf die Freizeittypen hochsignifikant. Grafik 6.2.7: Berufserwartungen nach Geschlecht Was müsste dir eine berufliche Tätigkeit bieten, damit du zufrieden sein kannst? 1 sehr wichtig 2 einen sicheren Arbeitsplatz * Mädchen | n 1.035 72 Buben | n 965 76 Familie/ Kinder sollen nicht zu kurz kommen Mädchen | n 1.027 71 Buben | n 961 67 Chance, etwas zu tun, das ich sinnvoll finde Mädchen | n 1.026 57 Buben | n 962 55 genügend Freizeit neben der Berufstätigkeit Mädchen | n 1.030 54 Buben | n 967 58 das Gefühl, etwas zu leisten Mädchen | n 1.033 55 Buben | n 964 54 0 20 40 3 4 5 unwichtig | in % 31 24 4 1 19 18 21 6 3 2 8 22 7 21 8 21 33 34 4 12 30 21 11 28 8 36 9 35 60 80 1 11 100 * p <0.05 signifikant | ** p <0.01 sehr signifikant | *** p ≤0.001 hochsignifikant 7 Hier ist besonders die Politische Bildung als Unterrichtsprinzip in der Schule und den Jugendeinrichtungen gefordert, jungen Menschen eine Wissensbasis zu vermitteln, auf der sie demokratische und offene Haltungen aufbauen können und Vorurteile sowie Ängste gegenüber anderen Kulturen verringern. Auch sollten Jugendliche grundsätzlich stärker befähigt werden, eigene Haltungen kritisch zu reflektieren. In jugendlichen Lebenswelten sollte mehr Partizipation ermöglicht werden, damit Bildung nicht ein Mittel zum Zweck bleibt und Demokratie erlebbar wird, wodurch auch das Interesse an demokratischer Teilhabe positiv beeinflusst wird. Eine weitere Gruppe schließlich sind Mädchen mit Migrationshintergrund – vor allem aus dem südosteuropäischen Raum – die in Fragen des Verhältnisses von Mann und Frau ausgesprochen gleichberechtigt eingestellt und deutlich leistungs- und erfolgsorientiert sind. Zur Unterstützung von Mädchen und auch von Buben bei der Suche nach dem geeigneten Bildungsweg müssten in der Kommunikation noch stärker als bisher bildungsferne bzw. sozioökonomisch benachteiligte Familien gezielt angesprochen werden. Insgesamt besteht ein enger Zusammenhang zwischen psychischem und physischem Befinden der Jugendlichen und einem positiv erlebten Schulalltag sowie Erfolg in der Schule. Deutlich ist auch der Zusammenhang zwischen gesundheitlichen Beschwerden der Jugendlichen und allzu hohen Erwartungen der Eltern an den Schulerfolg der Jugendlichen. Ebenso straff ist der Zusammenhang zwischen Bildungswegen und Bildungserfolg der Schüler/innen und den sozioökonomischen Verhältnissen des Elternhauses. Kinder aus finanziell schlechter gestellten Elternhäusern haben unabhängig von ihren kognitiven Fähigkeiten geringere Chancen auf einen erfolgreichen Bildungsweg. Jugendliche sollten die Chance auf eine schulische Laufbahn erhalten, die ihren tatsächlichen Interessen und Fähigkeiten entspricht. Wesentliche Voraussetzung dafür ist die Etablierung einer Förderkultur an allen Schulen, die die individuellen Fähigkeiten und Interessen der Schüler/innen berücksichtigt und unterstützt. Dazu bedarf es hoher Erwartungen der Lehrpersonen an jedes Kind, hervorragende diagnostische Fähigkeiten, eine Unterrichtsgestaltung, die auf die individuellen Möglichkeiten eingeht und pädagogische Konzepte, die Raum für Unterstützungs- und Förderkurse bieten. Individualisierende bzw. personalisierende Unterrichtskonzepte sind in verschränkten Ganztagsschulen einfacher zu etablieren als in der herkömmlichen Halbtagsschule mit Nachmittagsunterricht an einigen Wochentagen. Es gilt für alle Jugendlichen eine Perspektive zu schaffen, für „Leistungsschwache“ ebenso wie für „Leistungsstarke“. Für ihr künftiges Berufsleben wünschen sich die Jugendlichen an erster Stelle einen sicheren Arbeitsplatz, die Chance etwas zu tun, das sie für sinnvoll erachten, und das Gefühl, etwas zu leisten. Besonders wichtig ist ihnen auch ein ausgewogenes Verhältnis von Familie, Freizeit und Beruf. Hier sind Wirtschaft und Politik gleichermaßen gefordert, entsprechende Berufsmodelle anzubieten und Familien in der Kinderbetreuung zu unterstützen, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu stärken. Informationen VR Dr. Gabriele Böheim-Galehr Mag. Katharina Meusburger Pädagogische Hochschule Vorarlberg Liechtensteinerstrasse 33 – 37 6800 Feldkirch 0043(0)5522/31199-500 [email protected] www.ph-vorarlberg.ac.at 8
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