Redaktion: Haedenkampstraße 5 Postfach 41 02 47, 5000 Köln 41 Telefon: (02 21) 40 04-1 Fernschreiber: 8 882 308 daeb d Verlag und Anzeigenabteilung: Dieselstraße 2, Postfach 40 04 40 5000 Köln 40 (Lövenich) Telefon: (0 22 34) 70 11-1 Fernschreiber: 8 89 168 daev d DEUTSCHE S ÄRZTEBLATT Ärztliche Mitteilungen Herausgeber: Bundesärztekammer und Kassenärztliche Bundesvereinigung Ehrenberg wirbt um Zusammenarbeit Bundesarbeitsminister Dr. Herbert Ehrenberg hat die erste Gelegenheit nach der Bundestagswahl, vor einem größeren Kreis niedergelassener Ärzte Einzelheiten seiner Politik zu erläutern, genutzt und bei der Bundeshauptversammlung des NAV am 14. November ganz betont auf die vielen Gemeinsamkeiten, die ihn und sein Ministerium mit den Ärzten verbänden, hingewiesen. Beobachter erklären das sichtliche Interesse des Ministers, mit den Ärzten womöglich besser ins Gespräch zu kommen, auch mit einer Konkurrenzsituation: von ärztlicher Seite wurden gleich nach der Wahl Kontakte zur FDP-Spitze aufgenommen; die FDP-Bundestagsfraktion (von Dr. Kaspar Roos als die „53 Nothelfer" apostrophiert) gewinnt gesundheitspolitisch an Profil. Gemeinsamkeit, Dialog, Kooperation. Es war fast wie bei einer ökumenischen Versammlung. Doch während dort der Dialog über das ganz Grundsätzliche inzwischen wieder halbwegs funktioniert und die Bekenntnisunterschiede erst im Detail ausgefochten werden, beschwor Bundesarbeitsminister Dr. Herbert Ehrenberg vor dem Verband der niedergelassenen Ärzte die vielen Gemeinsamkeiten im Detail und ließ den Dissens über das große Ganze — wie eng muß das soziale Netz gestrickt sein? — in den Hintergrund treten. Den arbeitete eher der Bundesvorsitzende des NAV, Dr. Kaspar Roos, heraus, indem er beklagte, daß der Arzt in immer größere Abhängigkeit vom System der sozialen Krankenversicherung gerate. Er, Roos, hoffe jedoch, die leere Staatskasse werde den „Sozialnetzstrickern und -flickern" zu einer Pause verhelfen. Ehrenbergs im Detail aufgelistete Gemeinsamkeiten geben auch einen Einblick in aktuelle gesundheits- und sozialpolitische Fragen — gleichsam eine vorzeitige Ausmalung der für 24. November anstehenden Regierungserklärung. Grundlage aller Gemeinsamkeit ist nach Ehrenberg seine Überzeugung, daß „das Kostendämpfungskonzept weiterentwickelt werden muß". Daraus folgt dann fast alles andere: C) Der Krankenhausbereich muß in die Kostendämpfung einbezogen werden. Die Ausgabenentwicklung dort signalisiere erhebliche Gefahren für die Stabilität der Beitragssätze. © Kostendämpfende Maßnahmen sind beim Zahnersatz (für den bereits halb soviel, wie für die gesamte ambulante ärztliche Versorgung ausgegeben werde) sowie bei den Heil- und Hilfsmitteln nötig. Ehrenberg hofft hier auf die Konzertierte Aktion. ® Eine sachgerechte Information über den therapeutischen Wert und die Preise der Arzneimittel soll Vorrang haben vor Kontrollen der Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise. ® EinezweijährigeVorbereitungszeit fürdie kassenärztliche Tätigkeit soll eingeführt werden. Ehrenberg versicherte mit Nachdruck, daß ihn daran auch das EG-Recht nicht hindern werde. Wenn es keine Richtlinie aus Brüssel gebe, „dann mache ich eine nationale Regelung, auch wenn die mich anschließend in Luxemburg verklagen". > Heft 48 vom 27. November 1980 2831 Bericht und Meinung Ehrenberg beim NAV ® Es muß eine vernünftige Abgrenzung zwischen den Leistungen, die die Krankenversicherung solidarisch zu finanzieren hat, und solchen, für die der einzelne Versicherte selbst aufkommen kann , gefunden werden. Auch hier sieht sich Ehrenberg mit den Ärzten einig . Als Beispiel führte er die "Bagatellarzneimittel " auf. ® Der Arzt darf nicht allein gelassen werden bei der Aufgabe, beim Versicherten Verständnis für ein kostenbewußtes Verhalten zu wecken. Hier sei Information nicht nur über die Wartezimmer, sondern auch über die Krankenkassen nötig . Einigkeit sieht Ehrenberg darüber hinaus in einigen weiteren, die strukturelle Weiterentwicklung des Gesundheitswesens betreffenden Punkten: Aufwertung der Funktion des Allgemeinarztes, Verstärkte Zusammenarbeit zwischen niedergelassenen Ärzten und Krankenhausärzten, Förderung ärztlicher Kooperationsmodelle sowie der Kooperation mit anderen Heilberufen und auch mit Sozialstationen. Die von Ehrenberg in seinem Grußwort vor dem NAV hintangestellten Differenzen betreffen den weiteren Ausbau des Systems der sozialen Sicherung und die Ausweitung des Staatseinflusses. Das sei an drei Punkten erläutert. ~ Ehrenberg rückt in keiner Weise von der einnahmeorientierten Ausgabenpolitik ab. Nach Roos bedeutet diese jedoch den entscheidenden Schritt "vom Versicherungs- zum staatlichen Versorgungsprinzip". ~ Zumindest aus Ehrenbergs Umgebung stammen Ideen , die Konzertierte Aktion verbindlicher zu machen ("Strukturrat des GeEhrenberg sundheitswesens " ). nahm zu dieser Frage, die ihm gut bekannt sein muß, nur insoweit Stellung, als er die bisherige Konzertierte Aktion als basierend auf der freiwilligen Mitarbeit kennzeichnete. Etwas sibyllinisch gab er aber auch zu überlegen, man 2832 NACHRICHTEN müsse "ein praktikables Verfahren finden, um die Empfehlungen der Konzertierten Aktion auch umzusetzen" . Die Empfehlungen seien bei den Vertragsabschlüssen zu berücksichtigen: das ist entweder eine Binsenweisheit oder eine Drohung. ~ Die Ersatzkassen sollen in irgendeiner Weise in das System der RVO-Kassen eingebunden werden . Ehrenberg und Anke Fuchs haben in ihrem Buch "Sozialstaat und Freiheit" gefordert, die Ersatzkassen stärker in das Grundmuster des Kassenarztes einzubinden , notfalls auch Besitzstände anzugreifen. Roos interpretierte: "So zieht man gegen die Ersatzkassen zu Felde, für die sich freiwillig jeder dritte Krankenversicherte in der Bundesrepublik Deutschland entschieden und damit sozusagen mit den Füßen abgestimmt hat" . Ehrenbergs Replik: Diese Abstimmung mit den Füßen habe leider das Ergebnis gehabt, daß "sämtliche Fußkranke bei den allgemeinen Ortskrankenkassen geblieben " seien. Das möchte Ehrenberg ändern. Er stritt jedoch ab, Absichten auf eine Einheitsversicherung zu hegen. Von einem kassenübergreifenden Finanzausgleich halte er nichts. Notwendig sei hingegen ein Risikoausgleich"möglichst schon beim Zugang", denn jede einseitige Risikoverteilung sprenge auf die Dauer das System . Sich und sein Ministerium will Ehrenberg bei diesem Geschäft allerdings einstweilen heraushalten . Er baut hier auf ein Instrument, das schon beim "Kostendämpfungsgesetz" funktioniert hat. War es hier die vielberufene gemeinsame Selbstverwaltung von Ärzten und Kassen, die die Korsettstangen einziehen mußte, so soll es beim Risikoausgleich die Selbstverwaltung der Krankenkassen sein, deren Arbeitsgemeinschaft schon nach einer Regelung sucht. Ehrenberg: "Ein Jahr sehen wir noch geduldig zu , sonst muß der Staat NJ aktiv werden." Heft 48 vom 27. November 1980 DEUTSCHES ARZTEBLATT Schmidt-Kempten (FDP): Kein neues Kostendämpfungsgesetz zu erwarten "Es wird keine Neuauflage des Krankenversicherungs-Kastendämpfungsgesetzes mit dirigistischen Vorstellungen geben." Dies betonte der sozialpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion und Vorsitzende des FDP-Bundesfachausschusses für Sozial- und Gesellschaftspolitik, Hansheinrich Schmidt (Kempten), MdB, vor der 58. Hauptversammlung des Marburger Bundesam 7. November in Köln (über die das DEUTSCHE ÄRZTEBLATT in seiner nächsten Ausgabe noch eingehend berichten wird). Das Wahlergebnis habe nach Schmidts Worten vielleicht dazu beigetragen, solche Überlegungen nicht weiterzuverfolgen. Allerdings werde eine überarbeitete Novelle zum Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) zu Beginn der neuen Legislaturperiode erneut eingebracht werden. Ohne den Krankenhausbereich stärker in die "Konzertierte Aktion " einzubinden, werde die Koalition darauf drängen, daß das Kostengebaren der Krankenhäuser so ausgerichtet wird, daß das Gesundheitssystem langfristig finanzierbar bleibt. Bei der Krankenhausbedarfsplanung und der Festlegung von Richtwerten sollte der Sachverstand aller am Krankenhauswesen beteiligten Gruppen einbezogen werden. Der FDP-Sprecher betonte, seine Fraktion werde am Konzept einer einheitlichen Ausbildung zum Arzt festhalten. Eine neue Approbationsordnung für Ärzte müsse zu einer praxisbetonteren Ausbildung führen. Als ersten Schritt empfahl Schmidt-Kempten eine "Übergangsregelung", um den niedergelassenen Arzt für den "eigenständigen Einsatz in der Praxis" vorzubereiten . EB
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