"Alle Dunkelheit der Welt kann das Licht einer einzigen Kerze nicht auslöschen." (Chinesisches Sprichwort) Eine Ausstellung ("Die Kerze") im Frieder Burda Museum in Baden Baden, gruppiert um das berühmt gewordene Gemälde einer brennenden Kerze von Gerhard Richter. Meine Erwartungen waren hoch. Seit langem kenne und wertschätze ich das Bild (das von Frieder Burda gekauft und für das Ausstellungsplakat ausgewählt wurde); wenn sich auch meine anfängliche Begeisterung für dieses in der zeitgenössischen Kunst außergewöhnliche Kunstwerk, relativiert hat - in dem Maße, in dem ich mich mit der Darstellung von Kerzen in der klassischen Malerei befasst habe. Aber immerhin - heutzutage kann ihn da keiner übertreffen. Doch wie war ich enttäuscht über die Qualität der ausgestellten Werke, die wieder einmal bestätigt, wie gering die Kunstfertigkeit der Künstler unserer Zeit entwickelt ist. Wie allzu oft reduziert sich der Anspruch auf einen mehr oder weniger originellen Einfall. Natürlich schwelgte Jeff Koons wieder in Kitsch und Georg Baselitz stellte die Menschen auf den Kopf. Selbstverständlich gab es auch eine aus farbigen Neonröhren gebastelte Kerze und eine der, wohl unumgänglichen, anzüglichen Sexdarstellungen. Soweit der übliche Standard gehobener Kunstausstellungen. Doch es kam noch schlimmer. Das einzige sehenswerte Gemälde - die brennende Kerze von Gerhard Richter wurde durch einige beigegebene Verballhornungen verspottet : Zwei Reproduktionen waren schwarz übermalt worden und eine weitere hatte der Künstler selber durch eine quer über das Bild geschriebene Unterschrift zerstört. Alles sicherlich ironisch gemeint. Der geneigte Ausstellungsbesucher fragt sich, was er davon halten soll - wenn er nicht (wie die überwiegende Mehrzahl) das freundliche Angebot an der Kasse angenommen hat und hoch konzentriert den offenkundig sehr unterhaltsamen Erzählungen in seinem Audioguide folgt. Auf die Betrachtung der ausgestellten Werke kann man dabei gut und gerne verzichten. Und doch war es für mich eine ausserordentlich beeindruckende Ausstellung. Warum ? Nicht nur weil sichtbar wurde, dass Kerzen in der modernen Gesellschaft für die Kunst keine besondere Bedeutung mehr haben. Die Pressematerialien schwelgen in den üblichen Bedeutsamkeits-Anmutungen und scheuen sich nicht, sogar Bezüge zum Licht der Aufklärung herzustellen. Ein einziges Werk nur wird diesem Anspruch gerecht. Es ist ein Foto aus einer Performance von Marina Abramovic von 2012. ("With Eyes Closed, I see Happiness"). Sie sitzt in einen schlichten, schwarzen Kleid dem Betrachter gegenüber und hält in ihrer linken Hand eine brennende Kerze. Ihre Augen sind geschlossen, ihre Gesichtszüge entspannt. Das quadratische Bild ist verglast, so dass alles, was sich davor befindet, gespiegelt wird. Dadurch vermittelt sich ein Eindruck des irreal Gespenstischen - so wie in den seiner Zeit so überaus beliebten Geisterbildern - zu Beginn der technischen Entwicklung der Photographie. Die abgebildeten Frau wirkt auf meinem Foto wie ein schlafwandelnder Geist der mit einer brennenden Kerze durch diese eigenartige Ausstellung geht. Im Hintergrund sieht man eine Reihe von großformatigen Kerzenbildern, die eine ehemalige Studentin von Gerhard Richter gemalt hat. (Sie hätte besser darauf verzichten sollen.) Sie bilden aber einen guten Hintergrund für die Erscheinung von Marina Abramovic, die uns wieder einmal zeigen kann, in welch einer eigenartigen Welt wir leben. Sie hält die Kerze mit dem Licht der Aufklärung. Nicht nur dafür können wir ihr dankbar sein. Ja und dann gibt es da noch ein unscheinbares Foto, das die, bei ihrer aufopferungsvollen Arbeit ermordete, Kriegsjournalistin Anja Niedringhaus bei Deutschen Soldaten in Afganistan gemacht hat. Es zeigt einen Feldwebel, der sich am Abend in einer von Menschen verlassenen Landschaft hingesetzt und zwei Kerzen angezündet hat. Ziellos blickt er in die Ferne. Das Licht kann ihn nicht trösten.
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