„Klimastadt Osnabrück: GLOBAL DENKEN – LOKAL HANDELN! 4. Bürgerdialog Verkehrswende am 26. Januar 2017, 19 – 21 Uhr Rathaus Fragen an die Vertreter der Fraktionen Begriffsklärungen MIV =motorisierter Individualverkehr ÖPNV/SPNV = Öffentlicher/Schienen-/Personen-Nahverkehr Modal split / Verkehrsmix = Anteil der Verkehrsarten am Verkehrsaufkommen (zu Fuß, Rad, MIV, ÖPNV) Umweltverbund = zu Fuß, Rad, ÖPNV I. Klimaschutzziele Zur Osnabrücker Klimaschutzregion gehören die Stadt, der Landkreis, der Kreis Steinfurt und die Stadt Rheine. Bis 2050 sollen in dieser Region die CO2-Emissionen um 95 Prozent und der Energieverbrauch um 50 Prozent gesenkt werden (bezogen auf 1990). Bis 2014 wurde eine CO2Reduktion von 27 Prozent erreicht. 2010 entfielen auf den Verkehrssektor 30 Prozent des Endenergieverbrauchs. Allerdings ist der Verkehr der einzige Sektor in Osnabrück, bei dem der Energieverbrauch von 1990 bis 2010 angestiegen ist (+9 %). Zentrales Ziel des Masterplans Klimaschutz ist die Stärkung des ÖPNV und die Zusammenführung des Regionalverkehrs mit dem ÖPNV. Beide Komponenten sind zwingend erforderlich, um den Umstieg vom MIV zu klimafreundlicheren Verkehrsmitteln zu erreichen. Fragen: 1. Teilen Sie die Auffassung, dass höchste praktische Anstrengungen erforderlich sind, um die Klimaschutzziele angesichts der aktuellen Zahlen nicht erheblich zu verfehlen? Welche Aufgaben sehen Sie als vordringlich? 2. Stimmen Sie zu, dass der Verkehr eine vergleichsweise leicht zu bedienende KlimaschutzStellschraube darstellt, insofern die Kommune als (einzelner) Akteur große Gestaltungsmöglichkeiten hat (im Ggs. zu der Vielzahl von Hauseigentümern bei der Gebäudesanierung)? Welche konkreten Umdrehungen an dieser Schraube will Ihre Fraktion bis 2021 umsetzen? II. Verkehrsmix Der Masterplan Mobilität ging 2010 von Zahlen im Verkehrsmix aus, die damals nur geschätzt waren. Mittlerweile ist bekannt, dass beispielsweise nur 8 Prozent den ÖPNV nutzen (statt angenommenen 16). Auch die damaligen Zielzahlen sind überholt. Der Klimabeirat hat die folgenden Zahlen für einen künftigen Modal split verabschiedet, wenn denn eine Verkehrswende die Klimaschutzziele nicht verfehlen soll. 1 MODAL SPLIT Fußgänger Fahrräder ÖPNV Pkw Mitfahrer CO2Reduktion Vgl. zu 2010 Ist 2010 ÖPNV Diesel 19 12 16 41 12 -- MP Mobilität 2010 Ziel 2025 ÖPNV Diesel 15 17 19 39 10 1% 3. NVP Entw.) Ziel 2017 oder 2025? ÖPNV E-Mobil 15 17 19 39 10 21 % Beirat Ziel 2030 Beirat Ziel 2040 Beirat Ziel 2050 ÖPNV E-Mobil 15 30 30 15 10 70 % ÖPNV E-Mobil 15 30 40 10 5 80 % ÖPNV E-Mobil 15 35/30 40/45 5 5 90 % Fragen: 1. Welche Handlungsprioritäten ergeben sich für Ihre Fraktion aus den neuen Zahlen? 2. Welche Anreize für ein verändertes Verkehrsverhalten (Reduzierung des MIV) halten Sie für geboten, welche müssten in den nächsten fünf Jahren umgesetzt sein? 3. Teilen Sie die wissenschaftlich bestätigte Erkenntnis, dass eine Reduzierung des MIV ohne Restriktionen nicht möglich ist? Was bedeutet das für die Verkehrspolitik im Raum Osnabrück aus Sicht Ihrer Fraktion? III. Radverkehr Der Radverkehrsanteil soll nach den Plänen der Stadt in den nächsten Jahren auf 30 Prozent gesteigert werden. Die Radverkehrssituation in Osnabrück ist durchwachsen: Neben normgerechten Radfahrstreifen wie auf der Bremer Straße gibt es schmale und gefährliche Abschnitte wie auf dem Wall (z. B. auf dem Hasetorwall: Führung zwischen rechter MIV-Fahrspur und Parkstreifen). Das Radwegenetz ist stellenweise komfortabel (Haseuferweg), oft aber lückenhaft. Radschnellwege sind geplant, aber der jährliche Haushaltstitel für den Radverkehr bleibt gering (z. Zt. ca. 250.000 Euro Neubau, ca. 120.000 Euro Unterhaltung). Fragen: 1. Welche Verbesserungen will Ihre Fraktion bis 2021 umsetzen? 2. Streben Sie die Veränderung des Haushaltstitels Radverkehr an? In welcher Größenordnung? 3. Sehen Sie die Notwendigkeit, den Verkehrsraum neu zu verteilen (zugunsten des Radverkehrs/Umweltverbundes, zulasten des MIV)? 4. Welche konkreten Maßnahmen zur Verkehrssicherheit für Radler (Reduktion der schweren Unfälle) planen Sie für die nächsten Jahre? IV. Busbeschleunigung Seit den 90er Jahren steht in allen Nahverkehrsplänen das Ziel, den Busverkehr zu beschleunigen, um unnötige Wartezeiten im Stau oder vor Ampeln zu vermeiden. Neben der Fahrzeitverkürzung und damit einer größeren Akzeptanz des ÖPNV würde damit auch ein betriebswirtschaftlicher Vorteil erreicht, insofern kürzere Umlaufzeiten der Fahrzeuge einen geringeren Fahrzeugbedarf pro Linie bedeuten. Seit Jahrzehnten gibt es kaum Fortschritte. Dabei geht es nicht nur um separate Busspuren, sondern allein eine bedarfsgerechte Ampelschaltung („elektronische Busspur“) könnte nicht nur den Bus, sondern den gesamten Verkehr zügiger gestalten. Als konkrete Maßnahme ist geplant, die Bramscher Straße im Abschnitt zwischen Hasetor und Haster Mühle als sog. Umweltverbundvorrangachse auszubilden. Das beinhaltet auch eine Busführung auf der Bramscher Straße stadteinwärts bis zur Eisenbahnunterführung. Damit soll eine Umfahrt über Wachsbleiche und das Warten im Stau auf der Hansastraße vermieden werden. 2 Fragen: 1. Welche Dringlichkeit hat für Ihre Fraktion die Umsetzung(!!) der Busbeschleunigung? In welchem Umfang sollen praktische Ergebnisse bis 2021 vorliegen? 2. Können Sie eine Unterstützung der Planung Bramscher Straße zusagen? Wenn nein, warum nicht? V. Stadt-Umlandbeziehungen Bei der Gebietsreform der 70er Jahre wurde in Niedersachsen der Flächenzuschnitt der Kommunen eher zurückhaltend ausgeführt. Entwicklungsmöglichkeiten für die Stadt wurden so beschnitten. Tatsächlich gibt es aber einen städtischen Verdichtungsraum, der aus der Kernstadt (ca. 165.000 EW) und den Kragengemeinden (110.000 EW) besteht. Dieser Raum ist ein einheitlicher Verkehrsraum, hat aber unterschiedliche Qualitätsangebote, z. B. im ÖPNV. Von den täglich rund 50.000 Ein- und 20.000 Auspendlern pendelt ein Großteil zwischen Kragengemeinden und Stadt, der größte Teil mit dem Auto. Fragen: 1. Sehen Sie die Notwendigkeit, die Verkehrsbeziehungen zwischen Stadt und Umland im Sinne der Klimaschutzziele zu verbessern, also z. B. auch in den Kragengemeinden einen ÖPNV einzurichten, der städtischem Standard entspricht und damit dem faktischen Verkehrsraum gerecht wird? 2. Die hohe Zahl an Pendlern (überwiegend PKW-Nutzer) belastet die Straßen der Kernstadt und benötigt Parkflächen – in den meisten Fällen für zwei Fahrzeugbewegungen morgens und abends. Wie will Ihre Fraktion erreichen, dass dieses Potential an MIV verlagert wird? 3. Manche Politiker stellen den hohen Pendleranteil als „naturgegeben“ hin und meinen, man könne ihn nicht verändern und dürfe es auch nicht, weil Autofahrer „scheue Rehe“ seien, die man dann aus der Stadt vertreibe. Teilen Sie diese Auffassung? Bitte erläutern Sie Ihre Position. VI. Systemfrage Der Verkehrsmix muss grundlegend geändert werden, sollen die Klimaschutzziele nicht verfehlt werden (s. o. II. Verkehrsmix). Die Anteile von MIV (z. Zt. 48 Prozent) und ÖPNV (z. Zt. 8 Prozent) müssten bis 2050 in etwa getauscht werden. Um die größere Menge an Fahrgästen bewältigen zu können, bedarf es erheblicher Kapazitätssteigerungen. Damit stellt sich die Systemfrage. Plan ▼ Masterplan Mobilität Klimabeirat ÖV-Anteil Ist alt: 16 % neu: 8 % 8% 8% ÖV-Anteil Soll 19 % 19 % (bis 2030:) 30 % (bis 2050:) 45 % Steigerung der Kapazität ca. 20 % ca. 140 % ca. 275 % über 450 % Allein die mittlerweile überholte Perspektive des Masterplans Mobilität, beim ÖV-Anteil von (fälschlich angenommenen) 16 auf 19 Prozent zu kommen, könnte mit zusätzlichen Bussen gestaltet werden. Die neuen Ausgangszahlen (nur 8 Prozent ÖPNV) stellen eine ganz andere Herausforderung dar. Allerdings ist eine ÖPNV-Steigerung auf nur 20 Prozent am ÖPNV nicht 3 klimawirksam, so dass sich aus den Berechnungen des Klimabeirats zwingend die Frage ergibt, ob mit einem reinen Bussystem die Klimaschutzziele erreicht werden können. Fragen: 1. Welche Konsequenzen ergeben sich für Sie aus den angeführten Zahlen? 2. Wie interpretieren Sie für Ihr politisches Handeln die wissenschaftliche Erkenntnis, dass überall dort, wo die Deutschen eine Schienenangebot vorliegen haben, knapp doppelt so viele Wege mit dem ÖPNV zurückgelegt werden, als wenn es nur ein reines Bussystem gibt? 3. Stimmen Sie zu, dass eine Stadtbahn/Straßenbahn einen höheren Pull-Effekt hat als der Bus und damit die Klimaschutzziele leichter zu erreichen wären? 4. Teilen Sie die Auffassung, dass angesichts der neuen Ist-Zahlen die Option Stadtbahn ernsthaft geprüft werden muss, auch im Hinblick auf einen langen Realisierungs- und Planungszeitraum? VII. Multimodales Verkehrskonzept Die meisten Fahrzeuge sind 23 Stunden am Tag Stehzeuge. Nicht ihr Besitz, sondern ihre Verfügbarkeit ist hilfreich für eine umfassende Mobilität. Der Trend zu eigenem Führerschein und eigenem Auto ist rückläufig. „Gut ausgebildete junge Fachkräfte wenden sich, wenn sie vor zentralen Lebensentscheidungen stehen, jenen Regionen zu, in denen sie die von ihnen gewünschte Infrastruktur vorfinden. Gerade die Mobilität ist dabei von hoher Bedeutung: Nicht auf ein Auto angewiesen zu sein, aber dennoch flexibel und rasch über hochwertige Mobilität verfügen können das ist es, was zukünftig von einem als attraktiv empfundenen Wohn- und Arbeitsstandort erwartet wird.“ (Verkehrsforscher Thomas Naumann) Fragen: 1. Können Sie Sympathie für das Motto gewinnen: „Es muss in 10 Jahren möglich sein, in der Region Osnabrück ohne eigenes Auto auszukommen.“? Welche praktischen Folgerungen ergeben sich daraus für Ihre Fraktion? 2. Welche Bausteine für ein multimodales Verkehrskonzept erscheinen Ihnen wichtig, welche sollen bis 2021 realisiert bzw. angeschoben werden? 3. Radverkehr und Bahnen ergänzen einander erfolgreich, wie man auf den SPNV-Strecken um Osnabrück und in Städten mit Straßenbahn, U- oder S-Bahn beobachten kann. Teilen Sie die Auffassung, dass angesichts der bis 2050 zu erreichenden Ziele die Schiene auch in dieser Hinsicht gestärkt werden muss? (vgl. VI. Systemfrage) Was müsste dafür bis 2021 geschehen? 4
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