SFA_1702_018_men_wachter

MENSCHEN
MENSCHEN
Kompliment für zwei
leidenschaftliche
Musiker: Die Wachters
sind Preisträger
des Goldenen
Violinschlüssels.
IN HARMONIE durchs Leben
Sie musizieren, sammeln Örgeli und
begeistern an ihrer Musikschule Kinder für die
Welt der Töne. Für ihr fabelhaftes Schaffen
sind HEIDI und RUEDI WACHTER mit der höchsten
Auszeichnung der Volksmusik geehrt worden.
Text Fabienne Eichelberger Fotos Daniel Ammann
H
«Fangen wir einmal
an zu spielen, kommen
wir ins Fieber»: Heidi
und Ruedi Wachter am
Akkordeon in ihrem
Haus in Rorschach.
Büsi Fridolin wartet
aufs Konzert. Auf dem
Salontisch liegt eine
Mini-Concertina.
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Schweizer Familie 2/2017
eidi Wachter spielt auf einem
100-jährigen Akkordeon, als aus
dem Nebenzimmer plötzlich
auch Musik ertönt. Ruedi Wachter hat das
Pendant zu Heidis Instrument gefunden
und setzt mit der zweiten Stimme ein.
Kaum ist das Stück zu Ende, lässt Ruedi
ein weiteres Instrument erklingen, Heidi
wählt ebenfalls ein neues aus und stimmt
nach wenigen Takten in die Darbietung
ihres Ehemannes ein. Es scheint, als
könnten sie den ganzen Tag so weiter­
musizieren. Die beiden verstehen einander sprichwörtlich blind.
Heidi und Ruedi Wachter, 63 und 65,
haben ihre Harmonie gefunden, in der Beziehung genauso wie in der Musik. «Fangen wir einmal an zu spielen, kommen wir
ins Fieber», sagt er. Und sie ergänzt: «Wir
haben im ganzen Haus Instrumente verteilt, damit sie sofort griffbereit sind.»
Ihr Repertoire an Musikstücken ist
beinahe unerschöpflich – genauso wie
ihre Sammlung an Instrumenten. Heidi
und Ruedi Wachter besitzen rund
400 Akkordeons, Schwyzerörgeli und
Mundharmonikas. Die meisten davon befinden sich im unteren Stock ihres Hauses
in Rorschach, wo auch ihre Musikschule
untergebracht ist. Das älteste Stück in
Wachters Sammlung stammt aus dem
Jahr 1851 – ein einreihiges französisches
Accordéon, das früher die noblen Damen
spielten. Viele Instrumente haben eine
lange Reise hinter sich, wurden ursprünglich in Afrika, Indien oder auf Hawaii
­angefertigt. Wachters können auf allen
Instrumenten spielen. Das ist mit ein
Grund, warum sie im Oktober den Goldenen Violinschlüssel erhalten haben. Es ist
die höchste Auszeichnung in der Schweizer Volksmusikszene.
Das Ehepaar sammelt seit 1985 Handzuginstrumente aller Art. Die Begeisterung für Musik entflammte jedoch schon
viele Jahre zuvor. «Ich hatte schon als
Kind diesen unbedingten Willen, Musik
zu machen», sagt Ruedi. Schmunzelnd
fügt er an: «Der muss kurz nach der
Geburt entstanden sein.» Allerdings
­
­durfte er erst ab der vierten Klasse den
Akkordeonunterricht besuchen.
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MENSCHEN
MENSCHEN
Tasten allüberall:
Akkordeon-Tastatur
auf dem Smartphone
(r.). SopraniMiniörgeli (u.).
In Reih und Glied: Ein
Teil der Instrumentensammlung (o.).
Wie es wohl klingt?
Ruedi Wachter
musiziert auf einer
chinesischen Sheng.
Heidi startete ihre Musikkarriere in
der fünften Klasse. Später absolvierte sie
eine vierjährige Ausbildung zur Akkordeonlehrerin. Ruedi hingegen musste zuerst «einen seriösen Beruf lernen», wie
seine Eltern sagten, und wurde Spengler.
Der Begeisterung für die Musik tat das
keinen Abbruch: «In den Mittagspausen
fuhr ich jeweils mit dem Auto zu einem
Waldstück, nahm mein Akkordeon hervor und übte.» Mit 20 spielte Ruedi
Wachter zusammen mit seinem Onkel
Stanti Schönbächler seine erste Schall­
platte ein. Und mit 33 liess auch er sich
zum Akkordeonlehrer ausbilden. Da war
er bereits mit Heidi verheiratet.
Ihre Wege kreuzten sich 1973 an einem
Auftritt von Ruedi. Heidi war von Ruedis
Duettpartner eingeladen worden, in dessen
Auftrag sie jeweils die zweiten Stimmen für
die beiden schrieb. «Ich wollte schauen,
ob sie das auch so spielen, wie ich es vorgesehen hatte», sagt Heidi Wachter. Es
blieb allerdings nicht bei einem kritischen
Besuch. Die beiden begannen, gemeinsam
zu musizieren – «zuerst ganz ohne Hintergedanken», erzählt Ruedi Wachter. Bald
Ruedi Wachter spielt
auf einer HohnerHarmonetta (l.).
«Bei uns sind
Beruf und Hobby
miteinander
verflochten.»
Ruedi Wachter
Nachwuchsformationen wie die Örgeli­
fäger und das Quirli-Quartett. Die Wachters geniessen es, Kinder mit ihrer Begeisterung für die Musik anzustecken. Viele
Schüler förderte das Ehepaar über Jahre
hinweg, einige lassen heute ihren Nachwuchs von den Wachters unterrichten.
darauf verliebten sie sich aber ineinander.
Heidi begeisterte etwa Ruedis Talent, frei
zu musizieren. «Das kannte ich nicht. Ich
spielte stets brav nach Noten.»
Bis heute schlägt Heidi musikalisch
gerne den sicheren Weg ein, während
Ruedi sogar an Konzerten plötzlich zu
­improvisieren beginnt.
Und bis heute ist den beiden die Lust
am gemeinsamen Musizieren nicht vergangen. Oft frischen sie abends zusammen ihr Repertoire auf. Als Üben würden
sie das allerdings nicht bezeichnen. «Bei
uns sind Beruf und Hobby miteinander
verflochten», sagt Ruedi Wachter.
Die Musikschule Wachter-Rutz führt
das Ehepaar seit 1979. Zudem kreierten sie
Lehrmittel, die schweizweit angewendet
werden, und gründeten diverse erfolgreiche
Getüftelt wird auch in den Ferien
Heidi und Ruedi Wachter machen alles
gemeinsam – und fast immer begleitet sie
die Musik. So nahm Ruedi das Akkordeon
sogar in den Familienurlaub nach Italien
mit. Trotz Ferien wollte er weiter an seinen
Kompositionen tüfteln. Dank der Musik
lernten die Wachters aber auch ferne Länder kennen. Im Jahr 1998 reisten sie etwa
nach Japan, um in Tokio mit einem japanischen Alphornclub aufzutreten. Anschliessend tourten sie mit diesem und
einem Jodlerchor aus Südkorea durchs
Land. «Wir kamen uns vor wie Popstars»,
erzählt Heidi Wachter. Nach den Kon­
zerten liessen die Zuhörer sie nur ungern
weiterziehen. Alle wollten den Musikern
aus der Schweiz die Hand schütteln und
Erinnerungsfotos schiessen.
Mit dabei waren damals auch die Kinder Jacqueline, heute 30, und Manuel, 28.
Die Wachters traten als Familienkapelle
auf. «Jacqueline ist bis heute im selben Sog
wie wir», sagt Ruedi Wachter. Sie liess sich
wie ihre Eltern zur Akkordeonlehrerin
ausbilden und tritt noch immer mit ihnen
auf – allerdings als Pianistin. Daneben
spielt sie in einer eigenen Akkordeon­
formation. Manuel musiziert zwar eben-
falls gerne, aber nicht mehr auf der Bühne.
Er sei ein zurückhaltender Typ, komme
eher nach Heidi, ist sich das Ehepaar
Wachter einig.
Zu viel Aufmerksamkeit ist Heidi
Wachter tatsächlich manchmal peinlich.
Etwa, wenn jemand im Restaurant durch
das halbe Lokal schreit, um Ruedi und ihr
zu einem gelungenen Fernsehauftritt
zu gratulieren. Ruedi hat damit weniger
Mühe: «Man muss lernen, Komplimente
anzunehmen», sagt er.
Das grösste Kompliment ihrer Karriere
erhielt das Ehepaar mit dem Goldenen
Violinschlüssel. Zum ersten Mal wurde der
bedeutende Preis an zwei Personen verliehen. Als Begründung für die Ausnahme
schreibt der Vorstand des Goldenen Violinschlüssels: «Heidi und Ruedi Wachter
sind nur im Doppelpack erhältlich.» ●
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