Studium der Psychologie: bedingungslose Kapitulation vor der

Psychologie aktuell: Studium der Psychologie: bedingungslose Kapitulation vor der Maschinerie des getakteten Lehrplans
20-01-17
Studium der Psychologie: bedingungslose Kapitulation vor der Maschinerie des getakteten Lehrplans
Unbehagen an einem leidenschaftslosen Studium löste bei jungen Psychologinnen und
Psychologen eine neue Entwicklung aus: In mehreren Universitäten entstanden
Arbeitsgruppen für eine kritische Psychologie. In der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift
"Psychologie & Gesellschaftskritik" stellen Akteure ihre Reflexionen und Aktionen vor.
Charlotte Busch und Tom Uhlig schreiben: "Das bornierte Distinktionsbedürfnis der Psychologie
gegenüber den Nachbardisziplinen der Human- und Sozialwissenschaften, ihr paranoid verteidigter
naturwissenschaftlicher Standesdünkel, der pseudoexakte Methodenkanon und seine langweilige
Gleichförmigkeit, das Fehlen von intellektuellen Herausforderungen und die proklamierte apolitische
Haltung schlugen uns aufs Gemüt, bevor uns Möglichkeiten zur Verfügung standen, Kritik daran zu
artikulieren. Diese konsolidierte sich erst aus einer immanent kritischen Auseinandersetzung mit der
akademischen Psychologie, ihren blinden Flecken und erkenntnistheoretischen Schwachstellen."
"Die Methodenrezepte der Psychologie halten den eigentlichen Gegenstand vom Leibe und bieten
einen schützenden Raum, der dem Bedürfnis nach arbeitsmarktgerechter Integration entgegenkommt.
Es steht zu befürchten, dass das verschulte, anwendungsorientierte Studium und die Angst, fernab
der marktgängigen Psychologie nicht bestehen zu können, eine Generation von PsychologInnen
vergesellschaftet, deren Begriff von psychischen und sozialen Phänomenen sich im Erreichen von
statistisch-objektiver Reliabilität und der Vermeidung kumulativer Alpha-Fehler erschöpft.
Nicht nur beim Gros der Studierenden ist die bedingungslose Kapitulation vor der Maschinerie des
Psychologiestudiums zu beobachten; die meisten Lehrenden inkorporieren ebenso unhinterfragt ihre
Rolle als AgentInnen des Arbeitsmarkts und treiben mit Akribie die paradigmatische Geschlossenheit
des Fachs voran - nicht ohne sich dabei in Erinnerungen an die eigene, zumindest nachträglich als
rebellisch imaginierte Studienzeit zu ergehen: Oft nutzen die nunmehr arrivierten Studierenden von
68ff. die Gelegenheit, ihren Studierenden nicht ohne Wehmut mitzuteilen, man habe früher ja noch
ganz anders, selbstbestimmter und interessengeleitet, studiert, bevor sie sich wieder in den
Stundenplan eintakten, den sie selbst erstellt haben ..."
Psychologie & Gesellschaftskritik 3/2016. Schwerpunktthema: Autonomes Studieren?
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