AUSSCHUSS VERBOTEN So werden präzise Bohrungen in

AUSSCHUSS VERBOTEN
So werden präzise Bohrungen in Werkstücken mit
geringer Zerspanbarkeit prozesssicher gefertigt
AUSSCHUSS VERBOTEN
Wie können Bohrungen mit engen Toleranzen in gehärtetem Inconel ausgedreht werden, wenn Ausschuss um jeden Preis vermieden
werden muss? Welchen Einfluss haben Kühlschmierstoff und Werkzeug auf diesen Vorgang? Schwierige Fragen. BIG KAISER und Blaser
Swisslube haben Antworten mithilfe verschiedener Tests unter realen Bedingung gefunden.
Das Präzisionsausdrehen von komplexen Bauteilen für die Luftfahrt
erfordert nicht nur gute Werkzeuge, Maschinen und Kühlschmierstoffe, sondern auch einen klar definierten und wiederholbaren Prozess. Speziell bei Bauteilen für die Luftfahrt sind die Anforderungen
sehr strikt. Die Toleranzen sind zwar im Wesentlichen vergleichbar
mit solchen in anderen Branchen, aber die Kosten für ein Ausschussteil aufgrund einer zu grossen Bohrung sind erheblich höher. In der
Luftfahrtindustrie werden die Werkstücke in der Regel aus Edelstahl,
Inconel oder Titan gefertigt – alles sehr schwierig zu zerspanende
Materialien. Noch stärker fallen die Kosten für die Rohmaterialien ins
Gewicht: Manche Schmiedestücke kosten schon über 30.000 Euro,
bevor das erste Schneidwerkzeug sie berührt hat. Weiter erschwert
wird die Situation dadurch, dass das Präzisionsausdrehen in der Regel der letzte Arbeitsschritt ist, sodass bei jedem Ausschuss wegen
einer übergrossen Bohrung Stunden an vorangegangenem Fräsen
und Gewindeschneiden verloren gehen.
ten führt, mehr Hitze an der Werkzeugschneide erzeugt und über
langspanende und schwer zu brechende Späne verfügt. Der hohe
Nickelgehalt macht ihn ausserdem sehr abrasiv, was die Werkzeugabnutzung erhöht. Fertigbearbeitung und Fertigbohren nach dem
Härten intensivieren diese Schwierigkeiten weiter.
DIE HERAUSFORDERUNG
Die Lord Corporation aus Dayton, Ohio in den USA, Kunde von BIG
KAISER und Blaser Swisslube, produziert Bauteile für die Luftfahrt
und hat Erfahrung mit der Fertigung solcher kostspieliger und komplexer Teile. Dennoch stellte die Arbeit an einem Prototyp für eine
Triebwerkshalterung für einen neuen Kunden das Unternehmen vor
eine neue Herausforderung: Die Fertigung der Präzisionsbohrungen
an den Bauteilen innerhalb der Toleranzen bereitete grosse Schwierigkeiten. Erschwerend kam hinzu, dass die Kosten für ein Ausschussteil das monatliche Budget für das gesamte Unternehmen verschlingen würde. Als dieser Fall das erste Mal eintrat, war klar, dass man
den vorhandenen Prozess verbessern musste.
Das Schmiedestück wird aus Inconel 718 gefertigt und wird auf 40
HRC gehärtet. Die Festigkeitseigenschaften für diesen Werkstoff
klassifizieren ihn als hochfeste Nickelbasis-Superlegierung mit
hoher Warmfestigkeit und Korrosionsbeständigkeit. Das bedeutet,
er hat eine sehr geringe Zerspanbarkeit, die zu hohen Zerspankräf-
Das Fertigen von tiefen Bohrungen in Inconel führt zu starkem Verschleiss der
Schneidplatte – das Projektteam hatte ein Auge darauf
Lord wandte sich an BIG KAISER und Blaser Swisslube, um herauszufinden, wie sich die Zuverlässigkeit des Ausdrehprozesses erhöhen
lässt. „Wir müssen unseren Ingenieuren und Maschinenbedienern das
sichere Gefühl geben, dass das Ausdrehen dieser Bohrungen möglich ist“, erklärt Greg Bernett, Process Improvement Engineer für
Lord. BIG KAISER und Blaser nahmen die Herausforderung an und
entschieden sich, diese Applikation in der Schweiz nachzubauen und
zu verbessern. Das Technologie-Center von Blaser Swisslube ist mit
modernsten CNC-Werkzeugmaschinen und Messeinrichtungen ausgestattet und war die ideale Umgebung für das gemeinsame Projekt.
Dann wurde ein Probewerkstück aus dem gleichen Werkstoff und mit
derselben Vergütung hergestellt, die Prüfwerkzeuge vorbereitet und
die Anreise von Mitarbeitern von Lord und BIG KAISER USA organisiert, die an den Tests in der Schweiz teilnehmen sollten.
Modernste Ausrüstung – das Blaser Technologie-Center am Schweizer Hauptsitz des Unternehmens ist einzigartig in der Branche
schwieriger wurde es", ergänzt Burley.
Laut Stefan Appenzeller, Head of Product Management bei BIG
KAISER Schweiz, bestand die grösste Herausforderung im Ausarbeiten einer „Regel“ dafür, wie und wann der Ausdrehkopf zugstellt
werden musste. „Wir haben herausgefunden, dass der Schneidplattenverschless bei etwa 0,01 mm pro Bohrung liegt. Diese Tatsache
half uns, vorherzusagen, wann ein Durchmesser prophylaktisch
verändert werden musste.“
Einfach einzustellen: Digitaler Ausdrehkopf EWD von BIG KAISER
"Ich habe viel über Präzisionsausdrehen gelernt
und werde meine Erfahrungen nutzen, um alle
Ausdrehprozesse bei Lord zu verbessern."
Greg Bernett, Process Improvement Engineer für die Lord Corporation
DIE METHODE
Das Prüfverfahren basierte auf den realen Anforderungen von Lord:
Erst wenn eine Bohrung erfolgreich innerhalb der Toleranzen ausgeführt war, konnte die nächste Bohrung gefertigt werden. Das heisst,
dass jede Bohrung als fast fertiggestelltes Werkstück mit einem
Wert von mehreren Tausend Dollar betrachtet wurde, das nicht zu
klein sein durfte und keine übermässige Verjüngung oder mangelhafte Oberflächengüte aufweisen durfte. Vor allem durfte die Bohrung
nicht zu gross sein. „Sobald eine Bohrung innerhalb der Toleranzen
lag, konnten wir mit der nächsten fortfahren. So entwickelten wir ein
wiederholbares Verfahren und konnten die voraussichtliche Standzeit
ermitteln.“, berichtet Jack Burley, VP Sales & Engineering bei BIG
KAISER USA. Entscheidend war, herauszufinden, wie Werkzeuge mit
unterschiedlicher Länge und Schneidplatten mit unterschiedlicher
Geometrie und Schärfe sich bei den jeweiligen Bohrungen verhielten.
DIE ERGEBNISSE
Rasch stellte sich heraus, dass viele Parameter Einfluss auf den
Schlichtprozess hatten. Wie angenommen, ist das Schlichten einer
Bohrung in engen Toleranzen in nur einem Schritt in einem derartigen Werkstoff nicht hundertprozentig sicher. Die Lösung war daher,
jede Bohrung in zwei Durchgängen zu fertigen – meist ohne dazwischen den Durchmesser des Werkzeugs anzupassen. Denn oft wird
aufgrund von auf die Schneide wirkenden Radialkräfte die Bohrung
im ersten Durchgang nicht das Fertigmass erreichen. Ein zweiter
sogenannter „Leerschnitt“ war erforderlich, um die Toleranz zu erreichen. Der Leerschnitt hat kontinuierlich Ø 0,04 mm mehr Material
als der erste Schnitt abgetragen. Wegen der Abnutzung der Schneidplatte wurden die Bohrungen von Schnitt zu Schnitt kleiner. Deshalb
wurde der Kopf justiert, wenn die Bohrung nach dem Leerschnitt im
unteren Viertel der vorgegebenen Toleranz lag.
In Anbetracht der vielen Justierungen erwies sich die Verwendung
der digitalen Ausdrehköpfe EWD als sehr hilfreich für die Prozesswiederholbarkeit. „Die Ausdrehköpfe bieten eine Funktion, das
Werkzeug zu nullen. Ausserdem werden die zuletzt getätigten Einstellungen im Ausdrehkopf gespeichert, sodass jeder Bediener stets
weiss, um welches Mass der Durchmesser zuletzt angepasst wurde“,
erklärt Jack Burley. Wie er sagt, bestand eine weitere Schwierigkeit darin, die Werkzeugablenkung richtig einzuschätzen, was bei
weicheren Metallen leichter ist. „Je länger das Werkzeug war, desto
Greg Bernett war froh darüber, dass die Tests realitätsnah durchgführt wurden. Jedes Bohrloch wurde so behandelt, als würde es sich
um ein echtes Bauteil handeln, in das viel Geld investiert wurde. „BIG
KAISER und Blaser Swisslube haben mich um mein Feedback gebeten, um herauszufinden, ob die von ihnen vorgeschlagenen Lösungen
im Betrieb bei Lord wiederholbar sind“, sagt Bennett. Für ihn war es
interessant zu sehen, wie die Ingenieure systematisch und methodisch Lösungen für die Ausdrehprobleme entwickelt haben. „Das
war eine wirklich lehrreiche Erfahrung für mich. Blaser Swisslube
bringt als unser Kühlschmierstoffpartner umfassendes Know-how
zum gesamten Zerspanungsprozess mit. Der Kühlschmierstoff ist
ein Faktor, der speziell bei schwierig zerspanbaren Materialen über
einen enormen Einfluss verfügen kann.
Auch Christoph Wüthrich, Head of Manufacturing Technology bei
Blaser Swisslube, war sehr zufrieden mit den Testergebnissen. „Lord
arbeitet mit einem Kühlmitteldruck von 80 bar. Für die Tests haben
wir sogar extra das in den USA typische weiche Wasser verwendet,
denn die Kühlschmierstofflösung muss den gegebenen Umständen
gerecht werden“, erklärt Wüthrich. Blaser konnte mit den Tests
bestätigen, dass der aktuelle Kühlschmierstoff die optimale Wahl
für die Situation bei Lord ist. Nach Ansicht von Wüthrich ist es entscheidend, sich auf die Wechselwirkung von Werkstoff, Bedienung,
Kühlschmierstoff und Werkzeug zu konzentrieren: „Nur wenn alle
Faktoren ineinandergreifen, lassen sich überzeugende Ergebnisse
erzielen.“ Jack Burley, der seit über 25 Jahren mit Ausdrehsystemen
von BIG KAISER arbeitet, kann dem nur zustimmen: „Ich dachte, ich
hätte bereits die schwierigsten Probleme gelöst, aber mit diesem
Werkstoff und den mit Ausschuss verbundenen immensen Kosten
war das die grösste Herausforderung, der ich je gegenübergestanden
habe.“
Dutzende Bohrungen wurden gefertigt, um das optimale Verfahren zu finden
+ 0.051
Ø 26.920
+ 0.01
+ 0.01
+ 0.01
Ø 26.900
Toleranz
+/- 0.01 mm
Ø 26.880
Ø 26.860
Ø 26.840
Gemessen: Ø 26.901
Gemessen: Ø 26.866
Gemessen: Ø 26.894
Gemessen: Ø 26.855
Gemessen: Ø 26.886
Gemessen: Ø 26.863
Gemessen: Ø 26.891
Schnitt 1 Schnitt 2 Schnitt 1 Schnitt 2 Schnitt 1 Schnitt 2 Schnitt 1 Schnitt 2 Schnitt 1 Schnitt 2 Schnitt 1 Schnitt 2
BOHRUNG 1
2.1
Gemessen: Ø 26.858
Ø 26.760
Gemessen: Ø 26.891
Ø 26.780
Gemessen: Ø 26.871
Ø 26.800
Gemessen: Ø 26.901
Gemessen: Ø 26.840
Ø 26.820
Werkzeuglänge
BohrMesslochlänge
tiefe &
L/D-Verhältnis
BOHRUNG 2
BOHRUNG 3
Schneidplatte
Teile-Nr. Radius
Klasse
(M oder
G)
BOHRUNG 4
BOHRUNG 5
Schnittparameter
DrehVorVorzahl U/ schub
schub
min
mm/min mm/U
Bohrung 1
Bohrung 2
Bohrung 3 65 mm
Bohrung 4 4:1
260 mm
655.389
0.4mm
M
415
0.1 mm
42 mm
Bohrung 5
Bohrung 6
BOHRUNG 6
Bohrresultate
Vorboh- 26.881/ 26.881/ Werkrung
26.901
26.901
zeugjusØ 26.693 Tatsäch- Tatsäch- tierung
licher Ø licher Ø
oben
unten
1.
26.840
0.05 mm
Leer2.
26.908
26.894
schnitt
1.
26.871
Leer2.
26.891
26.886
schnitt
1.
26.858
0.01 mm
2.
26.891
0.01 mm
1.
26.863
26.858
2.
26.886
26.881
0.01 mm
1.
26.855
26.850
0.01 mm
2.
26.894
26.886
0.01 mm
1.
26.866
26.861
0.01 mm
Leer2.
26.908
26.896
schnitt
Bohrkegel mm
0.0075
0.005
0.005
0.005
0.005
0.0075
0.005
0.005
1. Gesamte Durchmesseranpassungen wegen Schneidplattenverschleiss (6 Bohrungen): 0,06 mm
2. Durchschnittliche Oberflächengüte: Ra 1,0
3. Gesamtzahl der Bohrzyklen: 12 (2 pro Bohrung)
4. Gesamter Linearschnitt für 1 Schneidplattenkante: 2540 mm
5. Leerschnitt (LS) hat konstant 0.038 mm / Durchm. abgetragen
BLASER SWISSLUBE AG
Blaser Swisslube entwickelt, produziert und verkauft qualitativ hochwertige Kühlschmierstoffe. Das 1936 gegründete unabhängige Schweizer
Familienunternehmen wuchs von einem regionalen Kleinbetrieb zu einem globalen Technologieführer. Mit den Blaser Kühlschmierstoffen
fertigen die Kunden weltweit erfolgreich kleinste Teile in der Uhrenindustrie oder Medizinaltechnik bis hin zu riesigen Strukturelementen im
Flugzeugbau sowie kritische seriengefertigte Automobilteile.
BIG KAISER PRÄZISIONSWERKZEUGE AG
Seit 1948 produziert BIG KAISER Werkzeuglösungen für die metallverarbeitende Industrie. Die Produkte werden entwickelt, um allerhöchsten
Ansprüchen zu genügen und sind zu 100% in der Schweiz und Japan hergestellt. Als Teil der familiengeführten BIG DAISHOWA Gruppe mit Sitz
in Japan und mehr als 900 Mitarbeitenden verfügt BIG KAISER über eigene Standorte in den USA, der Schweiz und in Deutschland.
LORD
Die LORD Corporation ist ein diversifiziertes Technologie- und Fertigungsunternehmen, das hochzuverlässige Klebstoffe, Beschichtungen,
Geräte für das Bewegungsmanagement und Sensortechnologien entwickelt, die deutlich die Risiken verringern und die Produktleistung
verbessern. LORD arbeitet seit über 90 Jahren gemeinsam mit Kunden an innovativen Lösungen für Öl und Gas, Luftfahrt, Verteidigung und
Automobilbranche.
BIG KAISER Präzisionswerkzeuge AG
Glattalstrasse 516 | Postfach | CH-8153 Rümlang | T: +41 44 817 92 00 | F: +41 44 817 92 01 | [email protected] | www.bigkaiser.com