Deutsches Ärzteblatt 1977: A-2733

Die Information:
Bericht und Meinung
AUS DEN BUNDESLÄNDERN
mehr sämtliche Ärzte, die EGStaatsangehörige sind und ihre
Ausbildung in einem dieser Länder abgeschlossen haben, das
Recht erhalten, in einem der anderen Staaten tätig zu werden, ist
bisher in Belgien, Dänemark,
Frankreich, Großbritannien, Irland,
Italien, Luxemburg und in den Niederlanden nur 178 Ärzten aus jeweils anderen EG-Ländern die Genehmigung zur Berufsausübung
erteilt worden.
Aufgeschlüsselt nach Nationalitäten nahmen insgesamt 42 Belgier,
39 Deutsche, 29 Italiener, 28 Engländer, 18 Franzosen, 14 Niederländer, drei Dänen, zwei Iren und
ein Luxemburger die Möglichkeit
wahr, in einem anderen als dem
Heimatstaat tätig zu werden.
Zahlen über die Erteilung der Approbation an andere EG-Ärzte in
der Bundesrepublik liegen mangels Angaben der Obersten Lan desgesundheitsbehörden
noch
nicht vor. Aus Italien wurde lediglich bekannt, daß zwei EG-Staatsangehörige im Rahmen der Richtlinien die Berufserlaubnis erhielten . Damit haben noch nicht einmal Bruchteile von Promillesätzen
der rund 500 000 Ärzte in der Europäischen
Gemeinschaft
die
Grenzen der Nachbarländer zum
Zwecke der Berufsausübung überschritten.
Dies mag möglicherweise daran
liegen , daß zum Beispiel Großbritannien und Italien die Richtlinien
zur Zeit noch sehr restriktiv auslegen . Die nächsten Monate werden
erst zeigen , wie groß der Wunsch
der europäischen Ärzte wirklich
ist, ihr Heimatland zu verlassen.bra
ln einem Satz
Notruf-Nummer - Für die Einführung von kurzen einheitlichen
Notrufnummern hat sich der internationale Kongreß für Katastrophenmedizin in Mainz ausgesprochen .
DÄ
BAYERN
Perinatal-Studie ergab:
Niedrigere
Säuglingssterblichkeit
Die jetzt in der bayerischen
Landeshauptstadt
vorgestellte
" Münchner
Peri natai-Studie
1975" - eine im Bundesgebiet einmalige Arbeit, die durch das Zentralinstitut für die kassenärztliche
Versorgung,
Köln,
gefördert
wurde- kann bereits erste Erfolge
verbuchen: Die Säuglingssterblichkeit in München ging zurück.
Sie liegt jetzt im Durchschnitt in
Bayern bei 1,6 Prozent. Der Direktor der Ersten Universitäts-Frauenklinik in München , Professor Dr.
Josef Zander, führt diesen Erfolg
mit auf die " Lerneffektivität"
durch die Studie zurück.
Die über drei Jahre laufende
Münchner Untersuchung weist
1975, ihrem ersten Jahr, mit 26 gebu rtshilflichen Kliniken und 17 990
dokumentierten Geburten eine
Beteiligung auf, die die landläufige Meinung vom gestörten Verhältnis des praktisch tätigen Mediziners zur Dokumentation Lügen
straft. Die Daten kommen von allen drei Münchner UniversitätsFrauenkliniken, von zehn Chefärzten und 13 Belegarztkliniken. Zusammen haben sich 16 Kliniken
allein aus München auf freiwilliger
Basis an dieser Studie beteiligt.
Professor Hans Joachim Sewering , Präsident der Bayerischen
Landesärztekammer und der Bundesärztekammer, erklärte bei der
Vorstellung der ersten Ergebnisse
dieser Arbeit (sie sind im Band VIII
der Schriftenreihe des Zentralinstituts dokumentiert) : "Mit der
Studie sollte der Frage nachgegangen werden, weshalb in den
Jahren 1970 bis 1972 die perinatale Mortalität in der Region München
über dem bayerischen
Durchschnitt lag ." Und Professor
Zander ergänzte : " Allein die Beschäftigung mit dieser Studie, das
heißt die Beschäftigung mit allen
Schwangerschaftsrisiken brachte
den Erfolg , daß die Säuglingssterblichkeit erheblich abnahm .
Das ist ein erster wesentlicher
Effekt. "
Die perinatale Mortalität lag bei
den innerhalb der Studie beobachteten Münchner Kindern mit
1,53 Prozent erheblich unter jener
der nicht erfaßten Kinder. So gab
das Statistische Amt für das Jahr
1975 in München eine perinatale
Mortalität von 1,77 Prozent an .
Sinn dieser Stud ie ist es, auf der
Basis der breiten Beteiligung von
26 Kliniken statistische Unterlagen
bereitzustellen, an denen jede Klinik ihren eigenen Leistungsstand
messen kann . Mit diesen Unterlagen soll auch die selbstverantwortliche Eigenkontrolle angeregt
und gefördert werden .
Arbeitsgrundlage für die Studie
war ein einhundert Punkte umfassender Fragebogen . Wesentlicher
Bestandteil des Fragebogens sind
die beiden Risikokataloge fü r die
Schwangerschaft und für die Geburt mit insgesamt 42 Risikofaktoren. 13 Risiken können maximal
pro Kind angegeben werden .
" Durch die Vorgabe dieser Kataloge ist eine standardisierte Beobachtung und Beurteilung von Risiken innerhalb und zwischen den
Kliniken gewährleistet" , teilte die
Münchner Perinatalegisehe Arbeitsgemeinschaft mit, auf deren
Initiative die Studie erarbeitet
wurde .
• Unter anderem wurde in dieser
Arbeit festgehalten, daß 98,5 Prozent aller Mütter an der Mutterschaftsvorserge mindestens einmal teilgenommen haben . Aber
nur 60,6 Proz13nt weisen acht und
mehr Besuche auf. Dabei bestätigt
auch diese Studie, daß eine vernachlässigte Mutterschaftsvorsorge ein erhebliches Risiko darstellt .
Zu den einzelnen Risiken wurde
mitgeteilt: " Sieht man von dem
häufigsten Risiko , dem fraglichen
Termin und der operativen Entbindung einmal ab, so stehen die typischen Frühgeburtsrisiken wie vor-
DEUTSCHES ARZTEBLATT Heft 46 vom 17. November 1977 2733
Die Information:
Bericht und Meinung
AUS DEN BUNDESLÄNDERN
zeitige Wehen oder Beckenendlage in vorderster Linie." Es gelte
daher, die Geburtsrisiken frühzeitig zu erkennen und die betroffene
Schwangere einer besonderen
fachärztlichen Betreuung zuzuführen. Zum anderen wurde in der
Studie aufs Neue bestätigt, „daß
bessere Ziffern der perinatalen
Sterblichkeit vor allem durch eine
Verminderung der Frühgeborenenrate zu erreichen sind".
Diese Studie wird als eine Grundlage für Aktionen auf einer breiteren Ebene angesehen. An diesen
erweiterten Programmen, zum
Beispiel mit einem NeugeborenenErhebungsbogen, wird sich jede
Klinik jederzeit anschließen können. Klaus Höhle
HESSEN
Clauss rechtfertigt
Überprüfungen
im Krankenhaus
Sozialminister Armin Clauss hat
die in verschiedenen hessischen
Krankenhäusern vorgenommenen
Wirtschaftlichkeitsüberprüfungen
erneut verteidigt. Gleichzeitig wies
er Beschwerden seitens des Marburger Bundes (Landesverband
Hessen) zurück, die Anstoß an der
Art und Weise der Prüfverfahren
genommen hatten. Insbesondere
war vom Marburger Bund kritisiert
worden, daß die Prüfungen schematisch und auf nicht wissenschaftlich gesicherten Grundlagen
vorgenommen worden seien. Minister Clauss hingegen vertrat den
Standpunkt, man habe angesichts
der enormen Pflegesatzsteigerungen nicht solange warten können,
bis „gesicherte Grundlagen für
solche Überprüfungen" vorgelegen hätten. Der Minister verwies
auf den inzwischen eingesetzten
„Beirat für Wirtschaftlichkeit und
Leistungsfähigkeit im Krankenhaus", in dem alle am Krankenhaus beteiligten Gruppen vertreten seien. Dieses Gremium könne
sich mit den Ergebnissen der Prüfgesellschaften sachlich auseinandersetzen. HC
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BERLIN
Drittes Krankenhaus
mit EDV-Anlage
Als drittes Berliner Krankenhaus
nach dem Neuköllner und dem
Rudolf-Virchow-Krankenhaus in
Wedding hat das Krankenhaus
Spandau nunmehr eine EDV-Anlage in Betrieb genommen. Die Gesamtkosten für den Bau betragen
nach Mitteilung des Gesundheitsstadtrates bei der Übergabe im
„örtlichen Bereich" Lynarstraße
rund 11,5 Millionen DM; davon
entfielen auf die Hochspannungsanlage 3,7 Millionen DM, deren
Bau ohnehin unumgänglich gewesen ist.
Die EDV-Anlage kostet jährlich 1,4
Millionen DM, und zwar 700 000
DM für die Anlage und 700 000 DM
an Personalkosten; diese Kosten
werden je zur Hälfte vom Senat
und vom Bezirksamt Spandau
getragen.
Unter Einsatz der EDV-Anlage soll
in dem Krankenhaus Spandau mit
2600 Betten ein integriertes, aus
mehreren Teilsystemen bestehendes Krankenhaus-InformationsSystem (KIS) zur umfassenden Betriebssteuerung entwickelt werden. Während die EDV-Anlage
im Rudolf-Virchow-Krankenhaus
hauptsächlich fachbezogene
Rechenaufgaben der Nuklearmedizin bewältigt, wird die Spandau-
-
ZITAT
Letzte Ursache
„Die Ichbezogenheit deutscher Philosophen ist der
letzte Ursprung anarchistischer und nihilistischer Aggressionen gegen die
Gesellschaft."
Aus „Das soziale Modell",
1973, Autor: Dr. Hanns Martin Schleyer
Heft 46 vom 17. November 1977 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
er Anlage den Organisationsablauf
im Krankenhaus erleichtern und
Patientendaten, insbesondere im
Laborbereich, ständig abrufbereit
halten. Auf diese Weise sollen Ärzte und Schwestern von schriftlichen Arbeiten entlastet werden
und mehr Zeit für Behandlung,
Pflege und für die Erarbeitung von
Entscheidungen haben. Die Diagnosen werden wegen der Datenschutzvorschriften nicht gespeichert. zel
SCHLESWIG-HOLSTEIN
Kammergesetze
werden
novelliert
Die Gesetze über die Ärztekammer, Zahnärztekammer und Tierärztekammer in Schleswig-Holstein sollen demnächst geändert
werden. Die Regierungsvorlagen
schickte der Landtag in die zuständigen Ausschüsse. Sozialminister Claussen (CDU) stellte diese
Punkte heraus: Die Selbstverwaltung hat sich auf der bisherigen gesetzlichen Grundlage bewährt.
Anlaß für die Änderung ist die
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Facharztbeschluß). Danach sind die Regelungen des Facharztwesens — wichtig
vor allem die Voraussetzungen für
die Anerkennung und die Weiterbildung — in den Grundzügen
durch Gesetz festzulegen. Dies
darf nicht allein Sache der Kammersatzung sein. Der Rückgriff auf
Musterentwürfe soll ein einheitliches Recht im Bundesgebiet
gewährleisten.
Von den Sprechern der Fraktionen
im Landtag wurde das Gesetzespaket begrüßt. Für die SPD meldete Maria Lindenmeier jedoch
einige Bedenken an. Sie stieß sich
beispielsweise daran, daß die
deutsche Staatsangehörigkeit vorgeschrieben sei für die Wählbarkeit in die Kammerversammlung. yn