Fraktionsbeschluss Grüner Wirtschaften

FRAKTIONSBESCHLUSS VOM 12.01.2017
» GRÜNER WIRTSCHAFTEN FÜR MEHR
LEBENSQUALITÄT
ECKPUNKTE FÜR EINE ÖKOLOGISCHE MODERNISIERUNG DER WIRTSCHAFT
Wir Grüne treten seit unserer Gründung für eine andere Wirtschaftsweise ein. Eine Wirtschaft, die
ökologisch, sozial, innovativ, fair und krisenfest ist.
Die technologischen Sprünge des Industriezeitalters haben den Wohlstand und die Lebensqualität
vieler Menschen deutlich verbessert. Doch seit der Mitte des 20. Jahrhunderts zeigt sich immer klarer,
dass die rohstoff- und verbrennungsintensive industrielle Wirtschaftsweise unsere Lebensgrundlagen
zerstört. Sie bedroht das Leben von Millionen Menschen überall auf der Welt. Zugleich erkennen immer
mehr Menschen, dass materielles Wachstum nicht in jedem Fall ihre Lebensqualität steigert.
Die sozial-ökologische Transformation der Wirtschaft ist die existentielle Aufgabe unserer Zeit. Viele
Menschen stehen dabei an unserer Seite. Bürgerinitiativen und Nicht-Regierungsorganisationen
kämpfen für Natur- und Umweltschutz. Unternehmen schreiben mit grünen Ideen schwarze Zahlen.
Unser Land ist seit den 1970er Jahren ein gutes Stück vorangekommen. Abgase werden gefiltert,
Abwässer nicht mehr einfach in die Flüsse geleitet, es wird ökologischer gebaut und produziert. Der
Markt für Umwelttechnologien boomt und deutsche Unternehmen sind vorne dabei.
Die Staatengemeinschaft hat sich mit den Nachhaltigen Entwicklungszielen (SDGs) und dem Pariser
Klimaabkommen zu globalen Reformen bekannt. Die ökologische Modernisierung unserer Wirtschaft ist
beschlossen.
Sie ist die Zukunftsversicherung unserer Wirtschaft und schon heute ein Jobmotor: Industriebetriebe
schaffen mit grünen Technologien und Dienstleistungen viele neue Jobs, während in schmutzigen,
kohlenstoffintensiven Unternehmen und Branchen Arbeitsplätze abgebaut werden. Jede Milliarde Euro,
die investiert wird, um Gebäude zu sanieren, löst 10.000 zusätzliche Arbeitsplätze in Baugewerbe,
Handwerk und Industrie aus. Viele Unternehmer und Tüftlerinnen entwickeln Produkte und
Dienstleistungen, die unsere Lebensqualität immer mehr vom Ressourcenverbrauch abkoppeln. Sie sind
die PionierInnen des grünen Wandels, eines neuen, nachhaltigen Wohlstands. Sie schaffen
Arbeitsplätze, die auch morgen noch bestehen.
Für uns ist dabei entscheidend, dass bei der ökologischen Modernisierung gute Arbeitsbedingungen,
Mitbestimmung und tariflicher Schutz gelten. Gleichzeitig setzen wir uns für zukunftsfeste soziale
Sicherungssysteme, eine armutsfeste Grundsicherung und eine gerechte Verteilung von
Teilhabechancen, Einkommen und Vermögen ein. Denn die ökologische Modernisierung funktioniert
nur in einer Gesellschaft, in der es für alle gerecht zugeht – und umgekehrt.
Die Wende in den verschiedenen Branchen der Realwirtschaft erfordert daher eine krisenfeste und
zukunftsorientierte Finanzwirtschaft, denn nur wenn stabile Banken und Versicherer saubere
Geschäftsmodelle anstatt den Raubbau an Mensch und Natur finanzieren, ist unser Wohlstand
nachhaltig. Ohne Finanzwende keine Agrarwende, Energiewende, Mobilitätswende.
Die Energiewende zeigt: Wir können unser Leben verbessern, ohne weiter Ressourcen ausbeuten zu
müssen. Deutschland ist auf dem Weg, seine hochentwickelte Industriegesellschaft ganz ohne
Klimagase und Atommüll mit Strom zu versorgen. Davon profitieren viele: hunderttausende
Beschäftigte, die ihr Geld mit erneuerbaren Energien verdienen, vom Stahlarbeiter bis zur
Installateurin. Die Luft wird sauberer, das Klima wird geschont und heute schon sind die erneuerbaren
günstiger als die fossilen Energieträger.
Der ökologische Umbau ist aber noch lange nicht vollendet. Wir stecken mittendrin. Unsere Art zu
wirtschaften verschwendet auch heute noch wertvolle Ressourcen und heizt unser Klima auf. Sie
bedroht weltweit unser Trinkwasser, unsere Luft und unsere Böden. In unserem eigenen
Menschheitsinteresse müssen wir das ändern. Die gute Nachricht ist: Wir haben dafür die nötigen
Technologien, die Möglichkeiten und das Wissen.
In Zukunft wird es darauf ankommen, technologische und soziale Innovationen zusammen
umzusetzen, damit wir uns vom Zwang lösen, immer mehr Wirtschaftswachstum erzeugen zu müssen.
Als grüne Bundestagsfraktion wollen wir den Weg in die neue Wirtschaftsweise für alle verlässlich
gestalten. Dafür braucht es mutige grüne Politik und engagierte Bürgerinnen und Bürger, Ingenieure
und Unternehmerinnen, die die ökologische Modernisierung quer durch alle Branchen ins Ziel bringen.
Wir müssen das Tempo deutlich erhöhen. Denn die Klimakrise wartet nicht.
Den grünen Rahmen setzen – Quer durch die Branchen
Wir wollen den Weg zur treibhausgasneutralen Wirtschaft für die unterschiedlichen Emissionssektoren
beschreiben. Mit definierten Zwischenzielen in einem nationalen Klimaschutzgesetz machen wir den
Weg planbar und rechtlich verbindlich. Ein grüner Klimaschutzplan wird die Ziele bis 2050 konkret mit
den notwendigen Maßnahmen unterlegen. Das beinhaltet auch, dass wir alle zukünftigen
Gesetzesinitiativen hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf das Klima überprüfen wollen.
Grüne Wirtschaftspolitik arbeitet mit ehrgeizigen Grenzwerten, CO2-Reduktionszielen und
Produktstandards, die in realistischen Zeiträumen erreicht werden können. Sie mutet den Unternehmen
etwas zu, schafft im Gegenzug Planungssicherheit und gibt Anreize zu Investitionen. Das fördert neues
Wissen und neue Technologien. Konkret: Weg vom Verbrennungsmotor und hin zum Elektroauto in der
Autoindustrie. Weg vom Öl und hin zu nachwachsenden Rohstoffen in der Chemieindustrie. Die
Bauwirtschaft kann mit Holzbau, ökologischen Dämmstoffen, Textil- oder Recyclingbeton Ressourcen
und Emissionen einsparen. Neue Fertigungsmethoden oder modulares und serielles Bauen können
Planungs- und Bauprozesse beschleunigen und Ressourcen schonen. Solche Innovationen beschreiben
den möglichen Pfad der ökologischen Modernisierung und sichern langfristig den Industriestandort
Deutschland. Grüne Politik setzt den Rahmen im Dialog mit Unternehmen, Gewerkschaften und
Wissenschaft und - wo notwendig - auch im Konflikt mit den Lobbyisten der alten Industrien.
Wir wollen
•
strenge Verbrauchsgrenzwerte für Autos und keine Neuzulassung von fossilen
Verbrennungsmotoren ab 2030. Ein Investitionsprogramm Elektromobilität, das flächendeckend
Ladepunkte aufbaut, soll erneuerbaren Strom bereitstellen und nutzerfreundlich funktionieren.
Wir wollen die Dienstwagenbesteuerung an ökologischen Kriterien ausrichten, damit nicht
weiter Spritschlucker gefördert werden. Wir wollen das Sharing im Verkehrsbereich ausbauen,
damit mehr Mobilität mit weniger Ressourcen auskommt.
•
eine giftfreie Landwirtschaft ohne Glyphosat und Bienengifte. Eine Ernährungswirtschaft, die
mit der Natur arbeitet und nicht gegen sie: In der gesamten Kette – von den
landwirtschaftlichen Betrieben, über die weiterverarbeitenden Unternehmen aus Industrie und
Handwerk bis zum Handel. Gentechnikfrei, umwelt- und tiergerecht. Produkte werden
transparent mit der Art der Produktion, mit Herkunfts- und Verarbeitungsort gekennzeichnet. In
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einer gemeinsamen Initiative mit den Anbau- und Lebensmittelverbänden wollen wir zudem
zügig mit einer klaren Strategie 20 Prozent Ökolandbau erreichen und die
Lebensmittelverschwendung wirksam bekämpfen. Ein wichtiges Leitprinzip ist für uns das
Menschenrecht auf Nahrung. Landwirtschaftliche Produktion ist nur nachhaltig und
zukunftsfähig, wenn sie die Existenzgrundlage der Menschen in Entwicklungsländern nicht
gefährdet.
•
eine Digitalisierung, die die Daten der VerbraucherInnen und ArbeitnehmerInnen schützt, den
Energieverbrauch oder den Verkehr intelligent steuert und so Ressourcen- und
Materialverbrauch verringert oder sogar ganz ersetzt. Wir wollen den Breitbandausbau fördern:
Dafür sollen Telekom-Aktien im Wert von zehn Milliarden Euro genutzt werden, die im
Bundesbesitz sind. Hersteller von IT-Geräten nehmen wir für den Ressourcenschutz in die Pflicht
und stärken die Produktverantwortung. Sie können mit intelligentem Design ihre Produkte
langlebig, reparaturfähig, recyclebar und wiederverwendbar gestalten.
•
eine Chemieindustrie, die ohne klimaschädliches Erdöl auskommt, die sich clever im Baukasten
der Natur bedient und den ökologischen Fußabdruck stetig verringert. Wir fördern
Bioraffinerien, denn sie haben das Potenzial, für die Chemie einen ähnlichen Schub auszulösen
wie die erneuerbaren Energien im Stromsektor. Dabei setzen wir auf Strategien für eine
effiziente Kaskadennutzung und Vorrang für Rest- und Abfallstoffe. Die Steuerbefreiung für die
stoffliche Nutzung von Erdöl soll dafür schrittweise abgebaut und kreislauffähige und
umweltfreundliche Produkte gefördert werden.
•
eine Bauwirtschaft, die vorhandene Flächen effizient nutzt und den Flächenfraß beendet. Die
mit klima-, umwelt- und gesundheitsverträglichen Baustoffen arbeitet, Ressourcen schont und
natürliche, wiederverwertbare Baustoffe einsetzt. So erhöhen Holz, Lehm und Hanf oder Farben
auf Basis nachwachsender Rohstoffe die Wohnqualität, sind klimafreundlich und reduzieren
den CO2-Fußabdruck. Ein KfW-Programm „Naturplus“ soll helfen, nachwachsende Baustoffe zu
erforschen und anzuwenden. Unser „Grünes Wärmepaket“ in Höhe von sieben Milliarden Euro
jährlich leistet seinen Beitrag, um die Sanierungsquote im Gebäudebestand auf jährlich
mindestens drei Prozent zu erhöhen und die Wohnqualität im Quartier voranzubringen.
•
einen Güterverkehr, der nicht länger auf Kosten der Gesundheit von Menschen und der Umwelt
wirtschaftet. Dafür fördern wir die Güterverkehrszentren, in denen Güter von Lkw auf Bahn oder
Binnenschiff verladen werden. Über Emissionshandel und Energiesteuern entstehen Anreize,
Verkehr zu vermeiden, auf andere Verkehrsträger verlagern oder neue Logistikketten zu nutzen.
Mautsysteme sollen künftig auch die Folgekosten für Menschen und Umwelt berücksichtigen.
Eine zukunftsfähige Infrastrukturpolitik verlagert vorrangig Verkehr auf die Schiene. Dafür
müssen Engpässe im Netz beseitigt und neue Kapazitäten im Schienengüterverkehr geschaffen
werden.
•
einen stabilen Finanzsektor, der sich wieder in den Dienst der Realwirtschaft stellen und Geld in
die grüne Transformation umlenkt, die sich am langfristigen Nutzen ausrichten statt am Profit
im Millisekundentakt. Dazu brauchen wir eine Schuldenbremse für Banken. Wir wollen eine
umfassende Finanztransaktionssteuer einführen, die auch Devisen- und Derivatehandel
einbezieht und relevant besteuert. Hochfrequenzhandel und Nahrungsmittelspekulation
dämmen wir ein. Durch die Regulierung von Banken aber auch Versicherungen, Fonds und
Wertpapierhändlern, begegnen wir der Abwanderung von Finanzaktivitäten in ein
Schattenfinanzsystem.
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•
ein neues Verständnis von Innovation, das neben technischen auch sozialen Fortschritt in den
Blick nimmt und Wissenschaft und Forschung in ihrer Bedeutung für die ökologische
Modernisierung stärkt. Dazu ist eine Neuausrichtung der Hightech-Strategie der
Bundesregierung erforderlich. Wir wollen die Forschungsförderung stärker auf die Bewältigung
der großen Herausforderungen unserer Zeit auszurichten, wie der Klimakrise, einem
nachhaltigen Umgang mit knappen Ressourcen oder dem demografischen Wandel. Wir setzen
uns außerdem dafür ein, dass Staat und Unternehmen bis 2020 insgesamt mindestens 3,5
Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Forschung und Entwicklung ausgeben.
!
Preise müssen die ökologische Wahrheit sagen
Als Grüne im Bundestag setzen wir auf die ökologische Finanzreform: Umweltbelastung und
Ressourcenverbrauch bekommen einen Preis, so dass sie die VerursacherInnen etwas kosten. Denn
schon jetzt zahlen wir dafür alle die Zeche: Klimakrise, Artensterben oder Umweltverschmutzung und
deren Folgen wie Flucht aus unbewohnbaren Gebieten und Kriege um Wasser und fruchtbare Böden. Wir setzen Anreize, andere Techniken zu entwickeln. Ein Wettstreit um die beste ökologische Lösung
kommt in Gang. Ökologisch ehrliche Preise belohnen Unternehmen, die mit Ressourcen pfleglich
umgehen und Emissionen senken. Beispielsweise könnte eine Pestizidabgabe ein level playing field für
ökologisch wirtschaftende LandwirtInnen schaffen. Und auch die VerbraucherInnen profitieren, wenn
langlebige Geräte die Neuanschaffung ersparen und klimafreundliche Heizungen die Energiekosten
senken.
Umweltschädliches Verhalten wollen wir nicht weiter subventionieren. Schwere Dienstwagen,
Flugbenzin oder Diesel sind steuerlich bevorzugt, obwohl sie umwelt- und gesundheitsschädlich sind.
Wir wollen umweltschädliche Subventionen in Höhe von zwölf Milliarden Euro pro Jahr abbauen. Dieses
Geld wollen wir überwiegend in Klimaschutz investieren und dazu nutzen, ärmere Haushalte bei der
Umstellung zu entlasten. Kleinen und mittleren Unternehmen wollen wir bei der ökologischen
Modernisierung helfen und etwa Ausgaben für Forschung und Innovation steuerlich fördern. Und
Pioniere des Wandels unterstützen wir durch Start-Up Finanzierung, Infrastruktur und eine geeignete,
neue Rechtsform.
Wir wollen
• mit einem Klimaschutzhaushalt ökologisch schädliche Subventionen und Steuervergünstigungen
beseitigen und erzielen so Minderausgaben bzw. Steuermehreinnahmen von mindestens zwölf
Milliarden Euro jährlich. Dieses Geld können wir in den Klimaschutz investieren;
• den europäischen Emissionshandel reformieren und mindestens zwei Milliarden überschüssige
Zertifikate löschen. Bis ein europäischer Mindestpreis für CO2 eingeführt ist, arbeiten wir mit einem
nationalen Mindestpreis.
!
Raus aus fossilen Industrien – die „Divestment“-Bewegung unterstützen
Wir müssen raus aus den fossilen Industrien. Das Stichwort dazu lautet „Divestment“.
Es geht darum, dass institutionelle Investoren und private Anlegerinnen und Anleger – ob direkt oder
per Finanzinstitut - den Unternehmen klar machen: wenn euer Geschäftsmodell auf fossile Rohstoffe
setzt, dann ziehen wir unser Kapital ab. Wenn der Klimavertrag von Paris umgesetzt wird, sind
Investitionen in Kohle, Gas und Öl mittelfristig ein Verlustgeschäft. Denn fossile Rohstoffe, die nicht
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verbrannt werden können, sind finanziell wertlos. Auch viele Städte und Kommunen haben viel Geld in
fossile Energieträger investiert. Hier wollen wir ebenfalls ansetzen. Ziel ist, dass so viel Kapital wie
möglich aus fossilen Energieträgern abgezogen wird.
Der Pensionsfonds Norwegens und die Allianz-Gruppe sind bereits heute Schwergewichte am globalen
Finanzmarkt mit einer klaren Strategie raus aus Kohle.
Wir wollen
!
•
die Klimarisiken im Finanzsektor durch eine verpflichtende Klimaberichterstattung großer
Unternehmen offenlegen.
•
Ländern und Kommunen sowie Pensionsfonds helfen, klimafreundlich zu investieren.
•
grüne Investitionsmöglichkeiten durch eine Zertifizierung stärken.
Chancen der Digitalisierung nutzen
Eine digitale Wirtschaft kann zur ökologischen Mobilitäts- und Energiewende beitragen. Sie kann zu
zukunftssicheren Arbeitsplätzen, neuen Geschäftsmodellen und zum Schutz unserer Lebensgrundlagen
beitragen.
Smart Grids – intelligente, digital gesteuerte Netze – helfen, die schwankenden Strommengen aus
Wind und Sonne auszugleichen. Digital miteinander vernetzte Verkehrsträger und Verkehrsströme
sind intelligent steuerbar. Durch neue Verfahren, wie den 3-D-Druck, bessere Sensorik und digitale
Vernetzung, durch gezielte Automatisierung oder Assistenzsysteme, können Produktionsprozesse
umwelt-, klima- und arbeitnehmerfreundlicher werden. Dematerialisierung, Virtualisierung und
bessere Steuerbarkeit in der Produktion können sowohl bei kleinen und mittleren Unternehmen (KMU)
als auch in der Großindustrie einen wichtigen Beitrag zur Energie- und Ressourcenwende leisten.
Transportwege werden überflüssig, weniger Rohstoffe werden verbraucht und Abfall wird produziert.
Videokonferenzen ersetzen Geschäftsreisen, Home-Office reduziert Pendlerströme. Nie zuvor war es so
einfach, Dinge und Erfahrungen über Sharing-Plattformen zu teilen. Das reduziert materiellen Konsum
und stärkt Verbrauchermacht. Und Wissen wächst, wenn man es teilt – und die richtigen Weichen
hierfür stellt. Diese Dynamik wird noch deutlich zunehmen.
Wir wollen
•
ein zukunftsfähiges Breitbandnetz auf der Basis von Glasfaser ausbauen und dafür TelekomAktien im Wert von rund zehn Milliarden Euro in Bundesbesitz umwidmen und in eine
Infrastrukturgesellschaft zum Glasfaserausbau überführen.
•
durch ein Open Data-Gesetz sehr viel mehr offene Daten zur Verfügung stellen, auf deren Basis
Innovationen und Geschäftsmodelle ermöglicht werden.
•
Forschungsbonus für KMU: Der Bonus beträgt 15 Prozent der Forschungs- und
Entwicklungsausgaben und wird als Steuerermäßigung gewährt. Er senkt die zu zahlende
Unternehmenssteuer oder wird ausgezahlt
•
einen guten, innovativen Datenschutz sowie höchste IT-Sicherheitsstandards. Das sehen wir als
Chance, unsere Stellung als Marktpionier auszubauen.
•
Green-IT-Konzepte vorantreiben und die Energieeffizienz von Geräten, Übertragungswegen und
Rechenzentren weiter verbessern.
01/2017 | Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion | FRAKTIONSBESCHLUSS VOM 12.10.2017 » GRÜNER WIRTSCHAFTEN FÜR MEHR LEBENSQUALITÄT | 5
•
mit der BildungsZeit Plus Menschen fördern, die sich beruflich weiterbilden und Schritt halten
wollen mit den Veränderungen der Arbeitswelt. Sie finanziert mit einem individuellen Mix aus
Darlehen und Zuschuss die Kosten der Weiterbildung und sichert den Lebensunterhalt gerade
für Menschen, die weniger haben.
•
sicherstellen, dass Arbeit zwar selbstbestimmter aber nicht grenzenlos wird und damit auch für
selbstständige Erwerbstätige im IT-Bereich und für Crowdworker hohe soziale Standards
durchsetzen.
!
Die soziale Dimension des grünen Wirtschaftens
Die ökologische Modernisierung ist auch eine Frage sozialer Gerechtigkeit. Sie wird nur gelingen, wenn
es in Wirtschaft und Gesellschaft – bei uns und international – gerecht zugeht. Sonst gewinnt der
wirtschaftliche Interessenkampf die Oberhand und die Bereitschaft schwindet, Produktion und Konsum
im längerfristigen Interesse aller ökologisch umzubauen.
Deshalb sehen wir die Beschäftigten und die Gewerkschaften als Bündnispartner in diesem Prozess. Wir
setzen bei der grünen Modernisierung auf gute Arbeitsbedingungen, Mitbestimmung und tariflichen
Schutz, denn so entsteht Akzeptanz bei den Beschäftigten und in der Bevölkerung. Gleichzeitig setzen
wir uns für zukunftsfeste soziale Sicherungssysteme, eine armutsfeste Grundsicherung, eine gerechte
Verteilung von Teilhabechancen, Einkommen und Vermögen und eine strikte Regulierung der
Finanzmärkte ein. Wir sorgen für fairen Wettbewerb und stellen uns gegen eine ungerechte
Machtwirtschaft.
Grüne Politik will die Voraussetzungen dafür schaffen, dass die Chancen einer nachhaltigen Arbeitswelt
allen Menschen zugutekommen und die Arbeits- und Sozialstandards dafür weiterentwickeln. Bei
diesem Modernisierungsprozess zeigen wir Alternativen für diejenigen auf, deren bisherigen
Arbeitsplätze bedroht sind oder gar wegfallen. Insbesondere gering qualifizierte Menschen müssen
durch zukunftsfähige Aus- und Weiterbildungsangebote den Weg in die Arbeitswelt finden.
Wir erhalten Arbeitsplätze, indem wir mit ökologischen Produkten und Dienstleistungen weltweit an
der Spitze stehen. Gerade die deutsche Automobilindustrie muss den Umbruch hin zu alternativen
Antrieben und neuer Mobilität schaffen, bevor uns andere Länder den Rang ablaufen.
Die Ärmsten sind diejenigen, die am unmittelbarsten und am heftigsten den Auswirkungen von
Klimakrise und Umweltzerstörung ausgeliefert sind. Umwelt- und gesundheitsschädigende
Produktionsprozesse wurden in Entwicklungs- und Schwellenländer ausgelagert. Es sind Menschen in
Asien, Afrika und Südamerika, deren Gesundheit durch die Arbeit mit giftigen Stoffen und
unmenschliche Arbeitsbedingungen in Bergminen oder den Auswirkungen der Klimakrise am meisten
bedroht ist.
Standards in den Bereichen Menschenrechte, Ökologie und Soziales müssen auch in internationalen
Lieferketten eingehalten werden. Hierzu braucht es verbindliche menschenrechtliche Sorgfaltspflichten,
verbesserte Klagemöglichkeiten, mehr Transparenz und effektive Sanktionen. Diese Maßnahmen führen
dazu, dass die Einhaltung von Menschenrechten nicht zum Wettbewerbsnachteil wird. Außerdem leistet
die nachhaltige Ausgestaltung internationaler Produktions- und Lieferketten einen bedeutenden
Beitrag zu Klimaschutz und zur globalen Gerechtigkeit.
!
01/2017 | Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion | FRAKTIONSBESCHLUSS VOM 12.10.2017 » GRÜNER WIRTSCHAFTEN FÜR MEHR LEBENSQUALITÄT | 6
Ein Neues Maß für den Wohlstand unserer Gesellschaft Jahreswohlstandsbericht
Wohlstand und Lebensqualität bilden sich in den Zahlen des Bruttoinlandsproduktes (BIP) nicht gut ab.
Wir schlagen deshalb ein neues Wohlstandsmaß vor. Der grüne Jahreswohlstandsbericht misst neben
ökonomischen auch ökologische, soziale und gesellschaftliche Entwicklungen. Wir stellen diesen
Bericht jedes Jahr im Januar dem Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung entgegen, um damit
mehr als das BIP in den Blick zu nehmen. Auch auf Unternehmensebene können davon innovative
Impulse ausgehen. Wir wollen prüfungspflichtige Unternehmen verpflichten, in ihrem Jahresabschluss
neben Umsatz und Gewinn auch nicht-finanzielle Indikatoren aufzuführen, wie zum Beispiel CO2Emissionen oder die Einhaltung von Arbeitsnormen.
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