1/2017 Das Magazin für Privatkunden der WIR Bank Genossenschaft Neue WIR Bank Die ersten Reaktionen Museum ohne Öffnungszeiten Wein und Sein in Erlinsbach Award für Albin von Felten Rot und rund Das neue Markenzeichen der WIR Bank Die Neffen des WIR Komplementärwährungen 1 144 Seiten «Faszination WIR» 82 Jahre sind seit der Gründung der WIR Bank Genossenschaft vergangen. Das Buch «Faszination WIR – Resistent gegen Krisen, Spekulationen und Profitgier» beleuchtet Aspekte einer spannenden Firmengeschichte, setzt dazu bereits beim Börsencrash von 1929 ein und zeigt die Zukunftschancen der Komplementärwährung WIR auf. Das Buch ist im Buchhandel erhältlich, kann zu einem Vorzugspreis, aber auch über die WIR Bank bezogen werden. Das WIR-System der WIR Bank unterstützt die Schweizer Binnenwirtschaft und ist in seiner Grösse und Nachhaltigkeit weltweit einzigartig: Was 1934 als Netzwerk von 300 Firmen und Privaten begann, umfasst heute 50 000 KMU, die 2013 unter sich einen Mehrumsatz von 1,43 Mrd. CHW generierten. In seinem Buch «Faszination WIR» zeigt Hervé Dubois auf, wie diese spannende Erfolgsgeschichte möglich war, welche Hürden dabei genommen werden mussten und was auch in Zukunft der okönomische Nutzen einer Komplementärwährung in einer von Wachstums- und Profitdenken geprägten Wirtschaftsordnung ist. Hervé Dubois wurde in La Chaux-de-Fonds geboren und wuchs in Zürich auf. Nach der Matur studierte er Wirtschaftswissenschaften und Publizistik an der Hochschule St. Gallen. Während 20 Jahren war Dubois in der Region Basel als Redaktor bei Tageszeitungen, bei der Schweizerischen Depeschenagentur und als Radiojournalist tätig. 1995 wechselte er zur WIR Bank Genossenschaft, wo er bis zu seiner Pensionierung 2014 als Kommunikationsleiter tätig war. Heute lebt Hervé Dubois im Wallis. Faszination WIR – Resistent gegen Krisen, Spekula tionen und Profitgier. 144 Seiten, Hardcover, Leinen struktur mit Prägung Erhältlich ist das Buch in allen Buchhandlungen (ISBN 978-3-03781-075-0) zum Preis von 34 CHF (Richtpreis). Das Buch kann – solange der Vorrat reicht – auch über die WIR Bank zum Vorzugspreis von 20 CHF oder 20 CHW bezogen werden, und zwar – per Post mit dem unten stehenden Talon* – per E-Mail (s. Talon)* – in den Filialen und Agenturen der WIR Bank * Portokosten werden nicht verrechnet ✂........................................................................................................................................................................................ TALON Bitte senden Sie mir ….... Exemplar(e) des Buchs «Faszination WIR» zum Preis von 20.–/Exemplar an diese Adresse: Firma:..................................................................................................................................... Vorname/Name: .................................................................................................................... Strasse:.................................................................................................................................. PLZ/Ort: ................................................................................................................................ Unterschrift:........................................................................................................................... Ich bezahle mit WIR. Bitte belasten Sie mein WIR-Konto Nr. ........................................ Ich bezahle mit CHF. Bitte belasten Sie mein Kontokorrentkonto Nr. ………..................................… Sparkonto Nr. ........................... Ich bezahle mit CHF nach Erhalt einer Rechnung (Lieferung nach Zahlungseingang) Talon einsenden an WIR Bank, Marketing, Auberg 1, 4002 Basel. Oder bestellen Sie das Buch per E-Mail bei Nadja Maurer: [email protected] (bitte gewünschte Anzahl Bücher, Adresse und Zahlart mit Kontonummer angeben). Januar 2017 Vom Meldereiter zur E-Mail Editorial Wenn Sie in Sachen Bankgeheimnis Mitte Jahr Post von der WIR Bank erhalten, ist Gelassenheit angesagt. Das waren noch Zeiten, als Pferde, Kutschen und Schlitten die modernsten Verkehrsmittel waren. Letzte Zeugen dieser Epoche sind Familiennamen wie Wagner, Sattler oder Fuhrmann. Oder Museen wie das Museum für Pferdestärken in Basel. Seit einigen Monaten ist auch dieses nur noch Geschichte: Die Räumlichkeiten sollen anders genutzt werden, die Ausstellungsobjekte traten ihre letzte Reise an, in ein Depot in Pratteln. Konservatorisch das Beste, was den Kutschen und Schlitten passieren konnte, für die Liebhaber dieser Gefährte und für viele Sonntagsausflügler ein herber Verlust. Die Chancen, eines der sperrigen Objekte wiederzusehen, sind gering – es sei denn, man holt sich die Google-App Arts & Culture auf das Smartphone. Sie ermöglicht einen virtuellen Rundgang durch die letzte Ausstellung – die Kutschen und Schlitten bleiben dem Liebhaber und Laien digital zugänglich (S. 32). Geht es nach Daniele Turini, dem eCulture-Verantwortlichen des Historischen Museums Basel HMB, so werden im Jahresrhythmus weitere Sammlungen virtualisiert. Nicht, weil man die stolzen Häuser schliessen und die Objekte einmotten will, sondern als weltweit zugängliche Appetizer für einen Besuch in der realen Welt. Das HMB will 2017 zu den weltweit innovativsten Stadtmuseen der Welt gehören. Diese Vision versteht Turini als Treiber, weiterhin kreativ zu bleiben. Denn mit Virtualisierungen von Rundgängen ist es auf Dauer nicht gemacht, wenn ein Historisches Museum erfolgreich bleiben und neue – sprich: auch jüngere – Besucherschichten ansprechen will. Erfolgreich bleiben will auch die WIR Bank Genossenschaft, weshalb sie letzten November mit einem neuen Markenzeichen und neuen Inhalten, nämlich digitalen Angeboten, aufgetreten ist. Sie richten sich zunächst an KMU – seit 1934 die Stammkundschaft der WIR Bank –, aber noch dieses Jahr wird auch für die digital-affinen Privatkunden ein spannendes Vorsorgeprodukt eingeführt. Es bleibt abzuwarten, ob es für ebenso grosse Schlagzeilen sorgen wird wie die Ankündigung der WIR Bank, dass sie von ihren Kunden die Entbindung vom Bankkundengeheimnis fordert. «Das Bankgeheimnis ist schon lange tot», sagte der Finanzexperte Rino Borini im WIRplus- Interview von November 2016. So gesehen ist die WIR Bank nur konsequent. Wenn Sie also in Sachen Bankgeheimnis Mitte Jahr Post von der WIR Bank erhalten, ist Gelassenheit angesagt: Auch nach einem Verzicht ändert sich für Sie materiell nichts: Alle Daten bleiben vor dem Zugriff Dritter selbstverständlich vollumfänglich geschützt. Was sich vereinfacht, ist der Informationsfluss zwischen Ihnen und der Bank: Sie haben der WIR Bank eine E-Mail geschickt? Dann schickt die WIR Bank keinen Meldereiter los, sondern antwortet ebenfalls per E-Mail. Dank der Entbindung vom Bankgeheimnis schnell, einfach und zeitgemäss (S. 7, S. 36). Daniel Flury Chefredaktor Erfolgreich und schlagkräftig Tennisspieler Claude Mory, den wir im letzten WIRplus vorgestellt haben, ist nach den Geneva Senior Open von Platz 9 auf den 5. Platz der Weltrangliste (Kategorie Ü 85) vorgestossen. Wir gratulieren! 1 WIRplus Kundenmagazin Genossenschaften werden Weltkulturerbe «Die Idee und Praxis der Genossenschaft» zählt neu zum immateriellen Weltkulturerbe. Die UNESCO hat an ihrer Sitzung vom 30. November 2016 in Addis Abeba auf Antrag Deutschlands die Aufnahme der Genossenschaften in die Repräsentative Liste beschlossen. Die Schweizer IG Genossenschaftsunternehmen (IGG) zeigt sich über diesen Schritt der UNESCO sehr erfreut: «Genossenschaften setzen sich auf der ganzen Welt und in verschiedensten Bereichen zum Nutzen ihrer Mitglieder ein», sagt Werner Beyer, Präsident der IGG. «Mit der Aufnahme der Idee und Praxis der Genossenschaft in die Repräsentative Liste der UNESCO wird die Leistung, welche Genossenschaften tagtäglich erbringen, anerkannt», so Beyer. Germann Wiggli, Vorsitzender der Geschäftsleitung der WIR Bank Genossenschaft, begrüsst den Schritt der UNESCO ebenfalls: «Die Rechtsform der Genossenschaft ist genau richtig für Bankinstitute, die sich der Nachhaltigkeit verschrieben haben und – wie beispielsweise die WIR Bank mit ihren Networks – regional verwurzelt sind.» Durch die Konzentration aufs Binnengeschäft generiere die WIR Bank Mehrwert für die Bewohner der Schweiz und für die Schweizer KMUs. Am Beispiel der WIR Bank widerlegt Wiggli auch das Vorurteil, Genossenschaften seien verknöchert und unbeweglich: «Mit unseren neusten Produkten und unserer digitalen Offensive treffen wir genau den Nerv der Zeit!» In der Schweiz sind Genossenschaften – ähnlich wie in Deutschland – seit Jahrhunderten stark verankert. Traditionelle Formen stellen die Alp- oder Käsereigenossenschaften dar. Auch heute begegnen Herr und Frau Schweizer Genossenschaftsunternehmen auf Schritt und Tritt: Wenn sie in der Migros, bei Coop oder in der Landi einkaufen, bei der Mobiliar versichert sind oder ihre Bankgeschäfte über eine Genossenschaftsbank abwickeln. Das Vertrauen, welches die Schweizer Bevölkerung den Genossenschaftsunternehmen dabei entgegenbringt, ist – gerade im Vergleich zu börsenkotierten Aktiengesellschaften – sehr hoch. Lediglich Unternehmen, die als Familien-AG organisiert sind, geniessen ein noch höheres Vertrauen. Eine aktuelle im Jahr 2016 vom Forschungsinstitut gfs.Bern im Auftrag der IGG erarbeitete Studie unterstreicht diesen Befund. Die Gründe für das hohe Vertrauen liegen in der regionalen Verankerung von Genossenschaften, ihrer Nähe zu den Kunden und der Möglichkeit zur aktiven Mitwirkung. Zudem sind Genossenschaften einem nachhaltigen Geschäftsmodell verpflichtet, das Gewinne ins Unternehmen reinvestiert. Erfolgs- und Zukunftsmodell Dies zeigt: Genossenschaften sind mehr als ein kulturelles Gut, das es zu schützen gilt. «Genossenschaften stehen allen offen, sind demokratisch legitimiert, partizipativ und nicht zuletzt auch innovativ», so Prof. Dr. Franco Taisch, Delegierter des Vorstands der IGG. Die IGG setzt sich für die Förderung dieser traditionellen und zugleich zukunftsträchtigen Unternehmensform ein. Gemäss Franco Taisch ist klar: «Genossenschaften sind ein Erfolgsmodell. Auch in Zukunft ist mit ihnen zu rechnen.» ●●df IGG Die IGG vertritt die Interessen der Genossenschaftsunternehmen in der Schweiz. Der Verein fördert die genossenschaftliche Wirtschaft, treibt Innovationen voran und hilft bei der Gründung sowie dem Aufbau neuer Genossenschaftsunternehmen. Die IGG unterstützt dazu die Forschung und Lehre am Institut für Unternehmensrecht IFU | BLI der Universität Luzern. Die IGG wurde im Jahr 2010 gegründet. Sie vereint heute die grössten Genossenschaftsunternehmen der Schweiz, darunter auch die WIR Bank Genossenschaft, und vertritt damit – gemessen am BIP – 12% der Schweizer Wirtschaft. 2 Januar 2017 Inhalt Seite 4 Auch in der Hotellerie sind Frauen in Führungspositionen deutlich untervertreten. Talent Reviews helfen, Ziele zu formulieren und Selbstzweifel abzubauen. Davon profitieren auch Männer. Seite 32 Ist das Museum der Zukunft digital? Nein, bzw. nicht nur, ist sich Daniele Turini sicher. Doch es ist nur eine Frage der Zeit, bis etwa der Heilige Pantalus aus seiner Vitrine ausbricht und auch virtuell unterwegs ist. Seite 18 Ferien in der Schweiz sind immer eine gute Idee. Wen es 2017 trotzdem ins Ausland zieht, stellt vermehrt Überlegungen zum Thema Sicherheit an. Zu den Verlierern gehören tendenziell Städte, zu den Gewinnern westliche Mittelmeerstrände. 04 «Durchhalten und sich nicht einschüchtern lassen» Frauenförderung in der Hotellerie 16Wo der Schuh drückt Die WIR Bank stellt ihre erste KMU-Studie vor 28Wein und Sein in Erlinsbach 07 Neue WIR Bank Die ersten Reaktionen 18Verschiebungen auf der Ferienlandkarte 22 Die kleinen Neffen des WIR 36Jedem Bürger sein elektronisches Dossier 25Jungunternehmer essen hartes Brot 27Hohe Renditen, tiefe Gebühren Vorsorgekonto Terzo 40Cartoon 09«Es warten weitere Gipfel» Herbstgespräche der WIR Bank 12Rot und rund Das neue Markenzeichen der WIR Bank 32Museum ohne Öffnungszeiten 39 Kolumne Willi Näf 3 WIRplus Kundenmagazin «Durchhalten und sich nicht einschüchtern lassen» Weit mehr als die Hälfte der Angestellten in der Hotellerie sind Frauen. Im obersten Kader jedoch sind sie krass untervertreten. Das soll sich ändern, findet man bei der Hotelgruppe Carlson Rezidor. Der Schweizerhof in Bern ist eines von zwei Fünfsternhäusern in der Bundesstadt. Das Hotel gehört zur sogenannten Bürgenstock Selection, die sich im Besitz einer Gruppe aus dem Emirat Katar am Persischen Golf befindet. Umso erstaunlicher deshalb, dass der General Manager des Hauses – eine Frau ist. Denn Frauen in solchen Positionen sind in der Hotellerie noch immer eine Rarität. Kommt hinzu, dass Iris Flückiger erst 36 war, als sie vor zweieinhalb Jahren die Chefposition im Schweizerhof erklomm. «Die Anfrage ist damals aus heiterem Himmel gekommen», sagt sie lachend. Ganz schön edel: die Rezeption im Hotel Schweizerhof Bern. 4 Es sollte mehr Frauen wie Iris Flückiger geben, findet man in der Hotelgruppe Carlson Rezidor. Diese hat sich vor ein paar Jahren ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Ende 2016 sollten in ihren rund 350 Betrieben mit etwa 40 000 Angestellten 30% des obersten Kaders Frauen sein. Ausgehend von einem Frauenanteil in dieser Spitzengruppe von 16% wäre das fast eine Verdoppelung. Verantwortlich für die Umsetzung des Förderprogramms in Zentraleuropa (Deutschland, Österreich, Schweiz, Polen und Südosteuropa) sind Markus Conzelmann, der in Luzern seit 2006 das Rezidor-Haus Radisson Blu führt, und Verena Forstinger, Di- Fotos: zVg Januar 2017 rektorin des Radisson Blu Style Hotel in Wien. Conzelmann relativiert gleich zu Beginn unseres Gesprächs: Man werde bis Ende Jahr noch nicht bei 30% ankommen, dafür 2018 oder 2019 vielleicht bei 35. Nicht um jeden Preis «Erste Firma in der Schweiz führt Frauenquote ein», lautete eine Schlagzeile in der Gratispresse, als erstmals vom Programm berichtet wurde. Conzelmann dementiert: Es gehe der Rezidor-Gruppe nicht darum, um jeden Preis Frauen in Spitzenpositionen zu befördern. «Bei der Kandidatenauslese zählt nur die Qualität der Kandidatur», sagt er. «Ob es sich dabei um eine Frau oder einen Mann handelt, ist egal.» Von Quoten könne also keine Rede sein. Vielmehr wolle man, so Conzelmann, «verborgene Talente entdecken und fördern». Auch seine Wiener Kollegin Verena Forstinger betont, es gehe nicht darum, «mit Gewalt eine bestimmte Quote zu erzwingen, sondern vielmehr jene Gründe, die als Karrierehindernis im Weg stehen, zu relativieren oder auszuräumen. Wir denken allerdings, dass es zahlreiche Frauen in unserem Unternehmen gibt, die das Potenzial haben, als Top-Führungskraft eingesetzt zu werden», so Verena Forstinger in einem Gespräch mit austrianbusinesswomen.at. Ziel: General Manager Die Grundlagen wären gegeben. «In unserer eigenen Business-School beträgt der Frauenanteil jeweils rund 60%», sagte der oberste Rezidor-Personalverantwortliche, Michael Farrell, in einem Interview mit der «htr hotel revue». «Auf der ersten Führungsebene haben wir 40% Frauen.» Erst auf der Ebene General Manager und aufwärts hapert es. Rezidor eröffnet gegenwärtig rund 20 neue Hotels pro Jahr; da gibt es viele Kaderpositionen zu besetzen. Karrieremöglichkeiten wären also vorhanden. Und fast die Hälfte der Frauen antwortete in einer Rezidor-internen Erhebung auf die Frage «Wie weit möchten Sie in Ihrer Karriere kommen?», dass sie die Stufe Geschäftsführer / General Manager anstrebten (32%) oder gar noch höher klettern möchten (15%). Nigeria? – Warum nicht? Deshalb stellt sich die Frage, weshalb das (noch) nicht klappt. Markus Conzelmann und Michael Farrell führen mehrere Gründe für den Frauenmangel auf Chefstufe auf: Frauen hätten eine Tendenz zu falscher Bescheidenheit: «Wenn ein Mann zwei von fünf Kriterien für eine ausgeschriebene Stelle erfüllt, bewirbt er sich. Bei einer Frau können es vier von fünf sein, und sie hat trotzdem Hemmungen, sich zu bewerben», weiss Conzelmann aus Erfahrung. Hinzu kommen oft familiäre Verpflichtungen wie etwa die Betreuung von Kindern. Ein Problem sei «manchmal die fehlende Bereitschaft, geografische Wechsel zu vollziehen», meint Farrell. Die Gruppe expandiert vor allem in Südosteuropa, Afrika und im Fernen Osten. Auf seiner beziehungsweise ihrer Laufbahn muss jemand also auch mal bereit sein, ein neues Haus in Kasachstan oder in Nigeria zu führen. «Eine Nummer zu gross für mich» Iris Flückiger scheint das zu bestätigen, wenn sie schildert, wie sie auf die Berufung reagierte: «Ich dachte zuerst, der Job sei eine Nummer zu gross für mich», sagt sie, «und das ist vielleicht typisch weiblich.» Denn das nötige Rüstzeug für die Position hatte sie mitgebracht, mit einem KV-Abschluss bei der SBB, einem Diplom der Hotelfachschule Thun und Berufserfahrung in den Hotels Davoserhof, Giardino in Ascona, Ramada in Solothurn, Iris Flückiger, General Manager des Hotel Schweizerhof Bern. Markus Conzelmann, General Manager des Radisson Blu Luzern. 5 WIRplus Kundenmagazin Ganz schön bunt: das Radisson Blu in Luzern. auf der Griesalp im Kiental, Berner Oberland, sowie in Kaderpositionen im Berner Schweizerhof selber, wo sie seit dessen Wiedereröffnung Ende 2010 engagiert war. erarbeitet; das Selbstvertrauen soll so gefördert werden. Das Programm, vorerst nur Frauen angeboten, soll später allen zugänglich sein, sagt Conzelmann. Als sie zur obersten Chefin befördert wurde, kannte Iris Flückiger also ihre Leute bereits, und diese kannten sie. Dass sie «von Anfang an sehr grosse, hundertprozentige Unterstützung durch das Team» bekam, vereinfachte ihre neue Rolle. Die ersten Monate seien trotzdem sehr schwierig gewesen, erzählt sie, «aber dann habe ich den Schalter umgestellt». Auch Männer profitieren Denn am Ende sei dies gar kein spezifisches Frauenthema, meint Michael Farrell: «Heute gibt es auch immer mehr Männer, die sich mehr Zeit für die Betreuung ihrer Kinder nehmen wollen. Dem müssen wir Rechnung tragen.» Und Markus Conzelmann fügt bei, dass man eine «Balanced Leadership» anstrebe, eine Führung also, in der «männliche und weibliche Eigenschaften vereint» seien. Deshalb werden die Rezidor-internen Massnahmen und Programme längerfristig Männern ebenso zugutekommen wie Frauen – und damit auch den Betrieben selber: «Es ist erwiesen, dass eine gut durchmischte Führung mehr Ertrag bringt», sagt der Radisson-Blu-Direktor. Kreative, flexible Lösungen Die Hotelgruppe Carlson Rezidor will Hinderungsgründe für Frauenkarrieren aktiv angehen, und das Radisson Blu in Luzern macht es vor: Das Hotel hat 189 Zimmer; dank seiner Lage unmittelbar beim KKL und beim Bahnhof ist es gut belegt; 2014 wurde es gruppenintern zum Hotel des Jahres gekürt. Direktor Conzelmann akzeptiert auf allen Stufen Teilzeitarbeit, Job Sharing, gleitende Arbeitszeit und auch Home Office, soweit das mit der jeweiligen Funktion vereinbar ist: «Es ist klar, dass eine Rezeptionistin oder ein Koch die Arbeit nicht zu Hause erledigen kann», sagt er, «aber man kann mit ihnen über die Organisation der Arbeitszeiten reden und kreative, flexible Lösungen finden.» Wer 60% arbeitet, bekommt den Lohn für 70%; dafür erwartet der Chef, dass man auch in der Freizeit mal ein Telefon oder eine E-Mail beantwortet. Talent Review In der Rezidor-Gruppe gibt es darüber hinaus ein Entwicklungsprogramm speziell für Frauen. Dort werden gezielt Karrierevorstellungen abgeklärt und Talente gefördert. Man stellt den Teilnehmerinnen die Frage nach ihren beruflichen Träumen und klärt dann ab, ob die Karrierevorstellungen mit den effektiven Fähigkeiten und Begabungen kompatibel sind. Bei regelmässigen «Talent Review Meetings» werden individuelle Entwicklungspläne 6 Und was tut Iris Flückiger, die Schweizerhof-Direktorin, für die Frauenförderung? Sie hat ein gutes Gewissen: «In meinem achtköpfigen Kader sind sechs Frauen.» Doch die Lorbeeren dafür will sie nicht einheimsen: «Das war schon unter meinem Vorgänger Michael Thomann so.» «Selbstzweifel abbauen» Jungen Frauen, die eine Laufbahn in der Hotellerie anstreben, rät Iris Flückiger, ein gesundes Selbstbewusstsein zu entwickeln, Selbstzweifel abzubauen, etwas zu wagen. Denn als Direktorin eines Hotels, vor allem eines renommierten Fünfsternhauses wie der Schweizerhof, stösst man nicht überall auf Begeisterung. «Einige, vor allem ältere Hoteliers haben mich spüren lassen, dass sie nicht glaubten, eine Frau, und erst noch eine relativ junge, sei einer solchen Anforderung gewachsen.» Da gebe es nur eines, und das gelte für alle Frauen: «Durchhalten und sich nicht einschüchtern lassen.» ●● PC Januar 2017 «Die Schnelle des Erfolgs hat uns überrascht» Mit einem komplett neuen Auftritt hat die WIR Bank Anfang November 2016 für Aufmerksamkeit und Schlagzeilen gesorgt. Insbesondere die Tatsache, dass alle Kunden die Bank vom Bankkundengeheimnis entbinden sollen, hat Kommentatoren auf den Plan gerufen. Im Interview nimmt Germann Wiggli, Vorsitzender der Geschäftsleitung, Stellung zu den Beweggründen und Folgen. Ein total neuer Auftritt, neue Dienstleistungen, neue digitale Produkte, neue Geschäftsbedingungen mit Entbindung vom Bankkundengeheimnis durch die Kunden: In der WIR Bank hat Anfang November eine neue Zeitrechnung begonnen. Wie fielen die Reakti onen aus? Die Reaktionen gehen immer noch ein! Wir haben mit einem Paukenschlag und mit einem neuen Auftritt unsere innovativen Dienstleistungen und Produkte präsentiert, was viele überrascht hat. Wie sehen die ersten Erfolge aus? Besonders die Zahlungs-App WIRpay für das Smartphone hat unter den Firmenkunden begeisterte Reaktionen aus- gelöst. WIRpay revolutioniert das unmittelbare Bezahlen und Einnehmen in WIR und CHF. Beispiel Autokauf: Der Käufer löst die Zahlung auf seinem Smartphone in der Garage vor Ort aus. Der Verkäufer erhält, wenn er WIRpay installiert hat, sofort die Mitteilung auf sein Smartphone, dass der Kaufpreis auf dem Konto eingegangen ist. Bereits in den ersten Tagen wurden zehntausende WIR und CHF mit WIRpay bezahlt und eingenommen. Die Schnelle des Erfolgs hat uns überrascht. Wichtiger Baustein der Erneuerung ist der WIR market. Was ist darunter zu verstehen? Der neue WIRmarket dient in erster Linie unseren Firmenkunden, ist aber auch den Privatkunden zugänglich. Als Tool ist er einzigartig und stellt einen echten Mehrwert dar. Keine andere Bank in der Schweiz ist in der Lage, unsere KMU zum Nutzen aller so zu vernetzen und für ihre Kunden Verkaufsförderung so zu betreiben, wie wir es können. Wichtig ist, dass sich jetzt alle WIR-Teilnehmer auf dem WIRmarket registrieren und aktiv werden. Auf den Punkt gebracht: Mit WIRmarket wird der Austausch mit anderen WIR-Teilnehmern und das Geldverdienen einfacher. «Das Bankgeheimnis hindert uns an der Entwicklung moderner Dienstleistungen und Produkte.» Germann Wiggli, CEO der WIR Bank. Foto: Paul P. Haller Die WIR Bank will, dass sämtliche Kunden die Entbin dung vom Bankgeheimnis schriftlich unterzeichnen sollen. In einigen Kommentaren war vom «gläsernen Kunden» und von der «Aushöhlung des Persönlich keitsschutzes» die Rede. Dieser Punkt hat in den Medien hohe Wellen geschlagen. Diesen Entscheid muss man erklären. Im Inland hatte das Bankgeheimnis nie eine grosse praktische Bedeutung. In der Schweiz muss jede Behörde eine gesetzliche Grundlage haben, wenn sie Bankdaten will. Inländische Behörden haben und hatten immer eine entsprechende inländische gesetzliche Grundlage, um von Banken Daten 7 WIRplus Kundenmagazin zu erhalten. Das Bankgeheimnis wurde 1934 aber eingeführt, um ausländische Kunden zu schützen. Man wollte ausländischen Behörden keine Auskunft geben müssen. Die WIR Bank hat sich von fast allen ausländischen Kunden verabschiedet. Auch verlangen wir von allen Kunden, dass nur versteuerte Vermögenswerte bei der WIR Bank gehalten werden. Das Bankgeheimnis hindert die Bank daher nur noch an der Entwicklung moderner Dienstleistungen und Produkte. Was für einen Vorteil bieten die neuen Bedingungen zu Bankgeheimnis und Datenschutz dem Kunden? Einfaches und tagtägliches Beispiel: Wenn ein Kunde via E-Banking mit uns kommuniziert, können wir die Daten sicherheit gewährleisten, da es sich um eine verschlüsselte Mitteilung handelt. Möchte der Kunde mit uns via E-Mail oder Chat in Kontakt treten, liegt keine Verschlüsselung von Daten vor. Zudem ist es möglich, dass der Provider eines Kunden gar nicht in der Schweiz, sondern im Ausland stationiert ist. Die neuen Bedingungen erlauben es uns nun, die E-Mail eines Kunden inhaltlich zu beantworten, selbst wenn die Daten unverschlüsselt und/oder über ausländische Server transportiert werden. Unsere Kunden bewegen sich eben mehr und mehr in der digitalen Welt – die Smartphone-Generation lässt grüssen –, und die WIR Bank kann nun deren modernen Bedürfnisse vollauf befriedigen. «Adresshandel z.B. ist für uns ein absolutes No-Go.» Die WIR Bank will auch die Entbindung vom Bank geheimnis durch ihre Privatkunden. Weshalb? Das bedeutet für uns vor allem eine administrative Erleichterung, weil wir sonst zwei unterschiedliche Kundenstämme pflegen müssten – eine mit und eine ohne Entbindung vom Bankgeheimnis. Das wäre teuer und aufwendig. Informatikkosten gehören mittlerweile zu den grössten Kostenblöcken einer Bank. Weil wir weiterhin effizient bleiben wollen, können wir unseren Privatkunden auch in Zukunft bessere Konditionen als andere Banken anbieten. Da auch die Privatkunden durch das Datenschutzgesetz und den Persönlichkeitsschutz vollständig vor der Weiter gabe von vertraulichen Informationen geschützt sind, ist das Bankgeheimnis für unsere inländischen Privatkunden materiell auch ziemlich sinnlos. Wir werden unsere Privatkunden Mitte Jahr informieren und bitten, uns bis Ende 2017 vom Bankkundengeheimnis zu entbinden. Viele Kunden haben Angst, dass Daten auch an Dritte weitergegeben werden … Bleiben wir beim E-Mail-Beispiel von oben: Jede E-Mail 8 kann über die ganze Welt zirkulieren. Wer sich ins E-Banking einloggt oder als Firmenkunde die WIRpay-App herunterlädt, übermittelt auch Daten über Dritte im In- und Ausland. Damit müssen wir heute leben. Wer dies nicht will, der muss auf diese Dienste komplett verzichten. Die WIR Bank will und kann ihren Kunden diese modernen, unkomplizierten Mittel aber nicht vorenthalten. Wir werden alle Daten mit derselben Sorgfalt wie immer und im Interesse der Kunden behandeln, Adresshandel z.B. ist für uns ein absolutes No-Go. ●●Interview: Daniel Flury Januar 2017 «Es warten weitere Gipfel» Am 1. November 2016 liess die WIR Bank Genossenschaft die Katze aus dem Sack: Mit einem neuen Markenzeichen, mit einem neuen Claim und einem attraktiv geschnürten Produktepaket für KMU will die Bank bestehenden und neuen Kunden echten Mehrwert bieten. An den Herbstgesprächen im KKL – sie stehen allen Kunden der WIR Bank offen, die im Besitz von Stammanteilen sind – nahmen Verwaltungsratspräsident Oliver Willimann und der Vorsitzende der Geschäftsleitung Germann Wiggli vor über 900 Kunden erstmals öffentlich Stellung zum neuen Auftritt der WIR Bank. «Wir wollen lauter werden und den KMU eine Stimme geben», so Oliver Willimann, Präsident des Verwaltungsrats der WIR Bank. Dort, wo es um die Zukunft der KMU geht, werde die Bank gegebenenfalls auch zu politischen oder regulatorischen Fragen Stellung nehmen. Getreu dem statutarischen Auftrag, KMU-Förderung zu betreiben. Ein erster Pflock wurde bereits mit dem neuen Auftritt eingeschlagen: Die WIR Bank verlangt von ihren Kunden bis Ende 2017 die Entbindung vom Bankkundengeheimnis (siehe auch das Interview mit Germann Wiggli auf S. 7). Dieser Schritt – von einigen Medien in den letzten Wochen und Monaten auch sehr verzerrt wiedergegeben oder kommentiert – hat bezüglich Schutz der Kunden daten keinerlei Auswirkungen: «Mit oder ohne Bankgeheimnis – die Kundendaten sind geschützt», so Willimann. Offen und transparent Der Verzicht auf das Bankkundengeheimnis ist im Zusammenhang mit der zunehmenden Vernetzung und Digitalisierung zu sehen und ist ein Spiegel der heutigen Bankenrealität: Kaum ein Kunde schreibt einer Bank oder Versicherung noch einen Brief. Vielmehr verschickt er eine E-Mail, wann und wo er gerade Lust hat, und erwartet die Antwort auf demselben Weg, rasch und unkompliziert. Und dieser Weg kann über das Ausland führen, wo die Daten von ausländischen Servern bearbeitet werden. Auch wenn SMS-Codes für das E-Banking versandt werden, kann dies über ausländische Dienste laufen, selbst wenn der Kunde im Inland ist. Die Digitalisierung und Datenvernetzung führt dazu, dass kaum eine Bank mehr garantieren kann, dass solche Daten die Schweiz nicht verlassen, selbst wenn das Kernbankensystem in der Schweiz betrieben wird. Im Unterschied zu anderen Instituten sagt die WIR Bank dies klar, offen und transparent und zieht die notwendigen Konsequenzen. Zu den Herbstgesprächen gehören auch ein Apéro und ein Buffet riche. Fotos: Paul Haller Auch Privatkunden profitieren Ist es gefährlich, sich als Bank den Schweizer KMU anzunehmen? Die Digitalisierung führt ja auch zu einer Neuauflage des «Lädelisterbens». In mehreren Branchen machen Onlineshops dem Detailhandel das Leben 9 WIRplus Kundenmagazin Repräsentieren eine bodenständige, transparente Bank: VR-Präsident Oliver Willimann und Germann Wiggli, Vorsitzender der Geschäftsleitung. Mit Germann Wiggli auf dem Matterhorn: das neue Markenzeichen der WIR Bank. schwer. Andere KMU kämpfen mit Nachfolgeproblemen. Willimann zeigte sich zuversichtlich: «Allein 2015 wurden knapp 41 000 neue Firmen gegründet, dort sehen wir grosse Chancen, mit unseren attraktiven Produkten für KMU zu punkten. Selbst ein KMU, will die WIR Bank diesen Firmen und Start-ups auf Augenhöhe begegnen.» Germann Wiggli, Vorsitzender der Geschäftsleitung, unterstrich, dass von der erfolgreichen Umsetzung dieser Strategie auch die Privatkunden der WIR Bank profitieren werden: «Wenn unser Fokus auf den KMU liegt, bedeutet dies keine Zurückstufung unserer Privatkunden. Vielmehr 10 werden sie weiterhin in den Genuss attraktiver Spar- und Anlageprodukte kommen.» Ein interessantes, innovatives Vorsorgeprodukt werde noch im Jahr 2017 eingeführt. Zu neuen Gipfeln Der Neupositionierung der WIR Bank gingen rund zwei Jahre Vorbereitungsarbeit voraus. Ist es jetzt Zeit, sich auszuruhen? «Nein, wir können nicht zurücklehnen, es warten weitere Gipfel», sagte Wiggli in Anlehnung an seine jüngste private Herausforderung, die Besteigung des Matterhorns. Wie bei der Erreichung geschäftlicher Ziele seien auch im Bergsteigen das gegenseitige Vertrauen, Januar 2017 Disziplin und Präzision unabdingbar. «Alle Mitarbeitenden der WIR Bank werden ihren Beitrag leisten, damit unser Unternehmen die Attribute erfolgreich, attraktiv und ein zigartig weiterhin verdient.» Vorbereitet sein Wenn wir in der Zeitung lesen, dass in einigen Jahren Tausende Arbeitsplätze und ganze Berufsbilder ver schwinden, weil Roboter die Arbeit schneller und besser ausführen, dann ahnen wir, wie die Welt in 20 Jahren aus sehen wird. Mehr als eine Ahnung hat, wer sich beruflich mit Zukunftsforschung befasst. Der Luzerner Georges T. Roos ist einer der renommiertesten Zukunftsforscher der Schweiz und gab den über 900 anwesenden Kapi talgebenden einen Vorgeschmack auf das Jahr 2036 (vgl. auch das Interview im WIRplus 4/2016). Wichtiger als die Zukunft vorauszusagen sei allerdings, auf die Zu kunft vorbereitet zu sein. Diese 2500 Jahre alte Einsicht des griechischen Staatsmanns Perikles dient der WIR Bank als Leitfaden und dürfte den Besuchern der Herbst gespräche die Angst vor kommenden Herausforderungen genommen haben. ●●Daniel Flury Zukunftsforscher Georges T. Roos nahm 900 Kapitalgebende auf eine Reise ins Jahr 2036. Die Herbstgespräche finden traditionellerweise im KKL Luzern statt. 11 WIRplus Kundenmagazin Rot und rund Seit 1. November 2016 tritt die WIR Bank Genossenschaft mit einem neuen Markenzeichen auf. Pascal D. Staub und Davide Bonina mit ihrem «Baby». Fotos: Daniel Flury 12 Januar 2017 Das neue Logo der WIR Bank ist Ihr Baby – war es eine einfache Geburt? Pascal D. Staub: Einfach ist eine solche Geburt nie, aber es war sicher keine Zangengeburt. Das bisherige Markenzeichen aus dem Jahr 1998 stellte eine eigentliche Revolution dar, indem der über Jahrzehnte tradierte WIR-Ring dreidimensional wurde und der Schriftzug «WIR» aus dem geschlossenen Kreis heraustrat. Das hatte seine Berechtigung, denn die WIR Bank stand damals vor einem revolutionären Schritt: Die Namensänderung von WIR Wirtschaftsring Genossenschaft zu WIR Bank Genossenschaft und die Öffnung der Bank für Privatkunden. Stolz. Der Kreis ist nicht geschlossen, was die Zugänglichkeit des WIR-Netzwerks versinnbildlicht. Auf Interaktion und Dialog basiert denn auch das neue Verhältnis zwischen WIR Bank und WIR-Kunde. Davide Bonina: Unser neues Markenzeichen reiht sich wieder ein in die früheren Ring- oder Kreisformen. Obwohl die Neupositionierung der WIR Bank ein einmaliges Ereignis darstellt, orientierten wir uns an den Begriffen Kontinuität und Evolution – nicht Revolution. Das heisst: zurück zum Kreis, back to the roots! Beinhaltet ein Logowechsel nicht auch ein gewisses Risiko? Das blaue Logo und das blaue Brett mit dem Slogan «Meine Chance – WIR Bank» hatten nach 18 Jahren einen grossen Wiedererkennungswert. Nun beginnt die Aufbauarbeit von vorne. Staub: Das ist richtig. In der Tat lautete unser Auftrag ursprünglich, eine Neupositionierung der WIR Bank eher ohne Logowechsel zu erarbeiten. Das entspricht auch meiner Linie: Ohne guten Grund verabschiedet man sich nicht von einem über Jahre etablierten Markenzeichen. In diesem Fall stellte sich aber schnell heraus, dass die Neupositionierung so tiefgreifend und inhaltlich so fundamental verändernd wirkt, dass dies gegen aussen mit einem entsprechenden Statement ausgedrückt werden muss. Eine Revolution beinhaltet das neue Logo oder Markenzeichen aber doch: der Farbwechsel von Blau zu Rot. Staub: Die moderne Typografie, die Reduktion auf das Notwendigste bei den Buchstaben und den Farbwechsel darf man ruhig als mutig bezeichnen. Beides ist aber auch eine logische Konsequenz aus der Geschichte der WIR Bank und aus der Strategie hinter der Neupositionierung. Rot und Weiss stehen für die seit Jahrzehnten gelebte Swissness der WIR Bank, Rot als Energiefarbe steht zudem für Kraft, Selbstbewusstsein, Kommunikation und Wieso ist ein Claim – Gemeinschaft. Mehrwert. Bank. – Bestandteil des Markenzeichens? Bonina: Traditionell stehen die Produkte und Dienstleistungen einer Firma im Vordergrund. Das war auch bei der WIR Bank so. Mit dem Dreiklang Gemeinschaft. Mehrwert. Bank. legen wir den Fokus auf den Kundennutzen von WIR: Das grösste Business-Netzwerk der Schweiz – eine Gemeinschaft von KMU – generiert nachhaltigen Mehrwert für seine Mitglieder. Das ist KMU-Förderung in Reinkultur, wie sie in den Statuten der WIR Bank Genossenschaft als Zweckartikel festgehalten ist. Der Ursprung: das erste Markenzeichen vom November 1934. In einer vereinfachten Form (ohne Schriftzug im Ring) war es bis 1962 gültig. 13 WIRplus Kundenmagazin gibt es auch gegen aussen: Die WIR Bank redet nicht mehr primär über sich selbst und ihre Angebote, sondern über ihre Kunden und mit ihren Kunden. Die Schweizer KMU stehen im Fokus vieler anderer Banken. Was macht die WIR Bank anders? Staub: Das WIR-Geld und die lokale Verankerung der WIR Bank im Gewerbe sind einzigartig. Keine andere Bank kann diese Nähe zu den KMU, dieses Netzwerk und diese Community vorweisen. Das macht die WIR Bank einzigartig, echt und authentisch. Hat in einem Keller der WIR Bank überlebt: der Vorvorvorgänger des heutigen Markenzeichens (1962–1972). Trotzdem haben auch weniger schmeichelhafte Vorurteile das Image des WIR-Systems geprägt, zum Teil auch berechtigterweise: komplizierte Abläufe, lange Prozesse, zu wenig WIR-Geld, zu viel WIR-Geld … Bonina: Die Währung WIR hat nicht nur Freunde. Aber die WIR Bank hat ja jetzt ihre Hausaufgaben gemacht. Unser Ziel ist es, die Skeptiker mit dem Relaunch des WIR-Systems zu einer Öffnung zu bewegen. Im Idealfall setzen sie sich mit den Neuerungen auseinander, erkennen den Mehrwert, kommen zu einer positiven Einstellung und empfehlen das WIR-System am Schluss sogar weiter. Das braucht Zeit und Geduld und passiert nicht über Nacht. Das Markenzeichen alleine kann eine Neupositionierung nicht schaffen. Welche Massnahmen unterstützen den Relaunch und das Rebranding? Bonina: Ein Relaunch in diesem Ausmass ist nur machbar, wenn er von den Mitarbeitenden der WIR Bank verstanden und gelebt wird. Es wurde deshalb ein interner Kulturwechsel angeschoben. Einen Paradigmenwechsel «Die WIR Bank sucht den direkten Kontakt, die Interaktion, den Dialog.» Die Quadratur des Kreises war von 1972 bis 1998 gültig. 14 Januar 2017 Der Wechsel des Markenzeichens und das neue KMU-Paket waren 2016 ein Paukenschlag – wie geht es 2017 weiter? Staub: 2017 wird es darum gehen, die Marke WIR konsequent und insgesamt zu stärken. Dies geschieht über eine breite Palette an Kommunikationsmassnahmen wie TV-Spots, Direct Mailings oder über Social-Media-Kanäle. Omnipräsent ist das Thema Mensch. Wir suchen den direkten Kontakt, die Interaktion, den Dialog. ●●Interview: Daniel Flury und Roland Schaub Brand Focus Group Genossenschaft Die Firmen pds management und Schober Bonina AG gehören zur Brand Focus Group Genossenschaft. Pascal D. Staub ist mit seiner Firma pds managment u. a. spezialisiert auf die Entwicklung von Markenstrategien, Neuaufbau, Reaktivierung und Sanierung von Marken, strategische Neupositionierung sowie Marken-Management, Werbe- und Designberatung. Davide Bonina ist ein Werbespezialist und als Kreationsleiter zusammen mit Christian Schober im Verwaltungsrat der Kommunikationsagentur Schober Bonina AG. Schober Bonina plant, gestaltet und realisiert Werbe- und Kommunikationsmassnahmen von A–Z. www.brandfocusgroup.com Seit 1. November 2016 Geschichte: das alte WIR-Bank-Logo aus dem Jahr 1998. Foto: Eliane Meyer Schweizerischer geht es nicht: das neue Markenzeichen an der Fassade der WIR-Bank-Filiale in Bern. Foto: Foto Frutig 15 WIRplus Kundenmagazin KMU-Studie 2016 der WIR Bank: Wo drückt der Schuh? Die erste von der WIR Bank in Auftrag gegebene KMU-Studie wurde kürzlich an der WIR-Messe Zürich offiziell vorgestellt. Sie bietet spannende Einblicke in die vielfältige Welt der Schweizer KMU. Sind die KMU auf die grossen Herausforderungen der Zukunft – insbesondere die digitale Transformation – vorbereitet? «Warum diese Studie?», fragte Germann Wiggli, CEO der WIR Bank, bei der Vorstellung der WIR-KMU-Studie an der WIR-Messe in Zürich mit anschliessender Podiumsdiskussion. Dabei hob er die sehr grosse Bedeutung der KMU für die Schweizer Wirtschaft hervor. Er erklärte, dass die WIR Bank mit ihren 45 000 KMU und WIR-Kunden das grösste Business-Netzwerk der Schweiz bildet. Die Digitalisierung beispielsweise betreffe alle, und alle müssten aufpassen, nicht plötzlich vom Markt verdrängt zu werden. Die Studie biete erfrischende, spannende Einblicke in die Welt der KMU: «Es geht darum, zu wissen, wo der Schuh drückt» oder wie es Wiggli in seinem Vorwort zur KMU-Studie ausgedrückt hat: «Die Studie ist eine Reflexion von Menschen, über Menschen – für Menschen.» Stark und stark gefordert Die befragten KMU zeichnen in der Studie ein starkes Bild des «Rückgrats der Schweizer Wirtschaft». Gleichzeitig zeigt sich auch ein täglicher Kampf gegen sich ändernde Rahmenbedingungen oder mangelnde Unterstützung durch die Politik. Die involvierten KMU stellen sich selbst die Frage: «Wo stehe ich und wie fit ist mein Unternehmen für die Zukunft?» Die Studie ist in sechs Kapitel gegliedert: 1. Das Selbstverständnis der KMU 2. Das Erfolgsmodell KMU unter Druck 3. Die Geschäftsmodell-Fallen für KMU 4. Die Zukunftsperspektiven der KMU 5. KMU und die digitale Transformation 6. KMU – quo vadis? Das Selbstverständnis der KMU Es zeigt sich, dass die KMU im Allgemeinen ein starkes Selbstbewusstsein haben und stolz sind, KMU zu sein. Auch Mitarbeitende fühlen sich als wichtige Bestandteile «ihres» KMU. KMU sind gewissermassen «das verkannte Arbeitnehmerparadies». Es existiert eine ausgeprägte Identifikation mit dem eigenen Arbeitgeber. Lediglich 18% der befragten KMU-Mitarbeitenden könnten sich vorstellen, in einem Grossunternehmen zu arbeiten. Kunden nähe gilt als wichtiger Erfolgsfaktor für KMU. Erfolgsmodell KMU unter Druck Die KMU befinden sich in einem Spannungsfeld zwischen effektiver Bedeutung und wahrgenommenem Rückhalt. KMU sind überzeugt von der Bedeutung ihres Unternehmens, fühlen sich aber zu wenig unterstützt – durch Öffentlichkeit, Politik, Behörden und Banken. KMU erwarten unbürokratische Lösungen. Schweizer KMU beurteilen die aktuelle wirtschaftliche Entwicklung sehr unterschiedlich. Über die Hälfte der KMU stellt eine Verschlechterung der geschäftlichen Rahmenbedingungen fest. Kooperationsnetzwerke – Erfolgsmodell der KMU Für die meisten KMU sind gut ausgebaute Netzwerke die Grundvoraussetzung für Erfolg. Zwischenmenschliche Kontakte, Vertrauen und die Verlässlichkeit gegenseitiger Empfehlungen haben eine hohe Bedeutung. Unterschieden werden zwei Netzwerkmodelle: eher sozial/gesellschaftlich orientierte oder eher auf gegenseitige Leistungserbringung ausgerichtete Unternehmernetzwerke. Vor allem in ländlichen Gegenden hat dies während langer Podiumsdiskussion nach der Vorstellung der WIR-KMU-Studie: Germann Wiggli, CEO der WIR Bank, Foto: Peter Bürgi, Oberglatt Bernhard Salzmann, Leiter Kommunikation des Schweizerischen Gewerbeverbandes, Bruno Catellani, Geschäftsführer der ValueQuest GmbH und Volker Strohm, Mediensprecher und Leiter PR/Digitale Medien der WIR Bank (v.l.). 16 Januar 2017 Zeit über Vereine gut funktioniert. Der Mitgliederschwund im Vereinswesen hat zu einem starken Rückgang entsprechender Netzwerke geführt. Das grösste funktionierende Businessnetzwerk der Schweiz ist der Kreis von rund 45 000 miteinander über die WIR Bank Genossenschaft im WIR-System verbundenen Unternehmen. Die Geschäftsmodell-Fallen für KMU Die WIR-KMU-Studie untersuchte fünf verschiedene Gruppen von Herausforderungen: 1. Wachstumsfalle: Ein zu schnelles Wachstum kann zu einem Chaos in der Organisation und Prozessabläufen führen. Es können Qualitätsprobleme und ein Reputationsverlust entstehen. 2. Ertragsfalle: Gesättigte Märkte führen zu einem harten Verdrängungswettbewerb mit hohem Preisdruck und tiefem Ertrag. 3. Agilitätsfalle: Das Unternehmen kennt seine Kunden nicht mehr. Produkte und Dienstleistungen werden verwaltet statt strategisch weiterentwickelt. Das Unternehmen stagniert und muss revitalisiert werden. 4. Marktfalle: Markt und Geschäftsmodelle verändern sich laufend. Unternehmen, die veränderte Bedarfsund Bedürfnisstrukturen ignorieren, verlieren Kunden, der Umsatz bricht ein. 5. Komplexitätsfalle: Es herrscht ein Käufermarkt mit hoher Produktvielfalt und starkem Konkurrenzdruck. Die Angebotsvielfalt erschwert die Marktübersicht. Die grosse Komplexität verursacht höhere Kosten und Qualitätsprobleme. Die Technologiefalle ist übergeordnet und spielt in jede der fünf anderen hinein. Die Zukunftsperspektiven der KMU Die KMU setzen weiterhin auf ihre Stärken gegenüber grossen Mitbewerbern: Kundennähe, Kundenbindung und Kundenorientierung. Dazu kommt eine Margenoptimierung durch effizientes Kostenmanagement, Prozessoptimierung und Qualitätssteigerung. Schweizer KMU stehen unter Druck, doch sie sind kampfbereit. Sie wollen sich den Herausforderungen stellen und so ihr Überleben sichern. KMU und die digitale Transformation Während die einen bereits konkrete Schritte unternommen haben, besteht bei anderen wenig Bereitschaft, sich damit auseinanderzusetzen. Eher überraschend ist, dass die kleineren KMU gegenüber den grösseren weiter fortgeschritten sind. Im Weiteren hat die Romandie gegenüber der Deutschschweiz einen Vorsprung. Viele KMU stecken offenbar mitten im Prozess der Digitalisierung, ohne sich dessen bewusst zu sein. Für KMU gilt, dass der Inhalt der Veränderung zählt, nicht die begriffliche Verpackung. Die unmittelbare Wertschöpfung steht im Vordergrund. KMU – quo vadis? Die KMU wollen auch in Zukunft auf ihre Kernstärken wie Kundennähe, persönliche Kundenbetreuung und hohe Flexibilität setzen. Die grosse Herausforderung besteht darin, die traditionellen Stärken in ein zunehmend digitales Marktumfeld zu integrieren. Neue Technologien sollen nicht als Ersatz für bestehende Modelle, sondern gezielt als Ergänzung eingesetzt werden. Die WIR Bank bietet aktive KMU-Unterstützung Die 2016 lancierte Initiative «KMU – und du?» wird fortgeführt und ausgebaut. Die WIR Bank engagiert sich als KMU-Partner mit soliden, echt schweizerischen Finanzierungs- und Bankdienstleistungen aktiv für den Erfolg ihrer KMU-Kunden – fair, transparent und partnerschaftlich. Dies macht die WIR Bank einzigartig. ●●Roland Schaub WIR-KMU-Studie 2016: Fragen und spannende Antworten In der von der WIR Bank in Auftrag gegebenen KMU-Studie 2016 wurden gut 500 KMU aus verschiedensten Branchen und unterschiedlichster Grösse im Zeitraum Juli bis September befragt. Beteiligte Partner: WIR Bank Genossenschaft, ValueQuest (Marktforschung) und Brand Focus Group Genossenschaft (Konzeption, Realisation). Die Studie liefert spannende Antworten zu wichtigen Fragen: Was bedeutet die digitale Transformation für die eigene Firma? Wie kann ein KMU auch in Zukunft erfolgreich sein? Bestellung: Die WIR-KMU-Studie ist (im PDF-Format) kostenlos erhältlich unter: wir.ch/mehrwert/kmu/ wir-kmu-studie-2016/ Einzelne gedruckte Exemplare können Sie – solange Vorrat – direkt bei der WIR Bank Genossenschaft oder Ihrem Kundenberater bestellen. ●●rs 17 Verschiebungen auf der Ferienlandkarte Die Reiselust der Schweizer ist trotz der geopolitischen Turbulenzen nicht verschwunden. Jedoch findet eine geografische Verschiebung der Touristenströme statt. Die Tendenz dürfte auch im Reisejahr 2017 eher in Richtung Norden und Westen statt gegen Osten zeigen. Birkenwald in Finnland. Fotos: zVg Januar 2017 Naturkatastrophen, politische Unruhen, Seuchen oder einfach schlechtes Wetter: Keine Branche reagiert so schnell auf allerlei Einflüsse wie die Reisebranche. Über Nacht können Veranstalter von Annullationswellen überschwemmt werden oder nach einer negativen Schlagzeile vergeblich mit noch so attraktiven Last-Minute-Preisen das Buchungsgeschäft für eine bestimmte Destination zu retten versuchen. Wer reist, ist sicherheitsbedürftig. Da spielt die Psychologie nicht selten eine viel wichtigere Rolle als das tatsächlich nachweisbare Gefahrenpotenzial. Mit dieser Volatilität hat sich die Reisebranche längst abgefunden und sogar erstaunlich gut leben gelernt. So rasch und heftig die Erschütterungen in der Regel auch waren: Meistens beruhigte sich die Lage relativ schnell und mit ihr das Buchungsgeschäft. Urvertrauen erschüttert Die Jahre 2015 und 2016 haben diesbezüglich aber definitiv eine Zäsur gebracht. Eine heftige Welle von Terror, der vor allem mit den Attentaten in Paris, Brüssel, Nizza und dann sogar Süddeutschland erstmals bedrohlich nahe gerückt ist, hat das Urvertrauen von vielen Reisenden in den Grundfesten erschüttert. Es ist der Terror, der zuvor in Ägypten, Tunesien und der Türkei gewütet hat und diese Ziele seit geraumer Zeit aus den Ferienplänen vieler Schweizer und Mitteleuropäer gänzlich verbannt hat. Reiseveranstalter bestätigen die spezielle Stimmung. «Es herrscht eine generelle Verunsicherung bei der Kundschaft. Als Folge der Attentate in verschiedenen Ländern und nach dem Putschversuch in der Türkei fragen sich die Leute, wo sie sichere Ferien verbringen können», sagt Martin Wittwer, CEO des wichtigsten Schweizer Badeferienanbieters Tui Suisse. «Vor allem in den Sommermonaten haben wir beobachtet, dass viele Leute lange mit der Buchung zugewartet haben, um zu vermeiden, dass sie die falsche Destination wählen.» den einen touristischen Gewinner der aktuellen Situation: Skandinavien. Reisen in den hohen Norden sind bei Schweizern zurzeit beliebt wie selten zuvor. Länder wie Norwegen, Dänemark, Finnland und Island gehören zu den grossen Abräumern des Reisejahrs 2016. Tipp: ab Basel fliegen Nach der Aufhebung des Euromindestkurses im Jahr 2015 setzte ein währungsbedingter Buchungstourismus aus der Schweiz in die angrenzenden Euro-Länder ein. «Heuer spüren wir das nicht mehr so stark», sagt Martin Wittwer von Tui Suisse. Die Kunden hätten inzwischen gemerkt, dass es in vielen Fällen gar keine Tarifdifferenzen gebe. «Denn Tui Suisse bildet das deutsche Preisbild in Schweizer Franken ab. Ob man also Ferien mit Abflug ab Zürich in Deutschland oder in der Schweiz bucht, macht keinen Unterschied.» Ausnahmen sind bestimmte Saisonzeiten, zum Beispiel im Oktober. Herbstferienangebote mit Abflug ab Friedrichshafen oder Stuttgart seien vielleicht etwas günstiger, weil in Deutschland dann keine Hochsaison ist. Diese Reisen könne man aber auch im Schweizer Reisebüro buchen. Wittwers Geheimtipp sind Flüge ab Basel. «Sie sind generell etwas günstiger als ab Zürich und die saisonalen Preis unterschiede geringer.» Gewinner sind Badeferienländer… Gewinner der Verunsicherung sind die klassischen Badeferienländer im westlichen Mittelmeer wie allen voran Spanien, aber auch Italien und Portugal. Dazu kommen Zypern und Griechenland, wo das Geschäft ebenfalls gut läuft. «Auf den Kanarischen Inseln, Zypern und Portugal lagen wir im Sommer und Herbst gegenüber dem Vorjahr über 30 Prozent im Plus. Auch Kroatien lief deutlich besser als 2015, und auch in Griechenland konnten wir gegenüber dem Vorjahr eine Aufholjagd betreffend Gästeankünfte lancieren», sagt Martin Wittwer. Er geht davon aus, dass diese Destinationen auch im Badeferienjahr 2017 zu den Gewinnern gehören werden. … und der hohe Norden Neben dieser tendenziellen Verlagerung der Ferienströme von Osten nach Westen, gibt es auch im hohen Nor- Martin Wittwer 19 WIRplus Kundenmagazin Von politischen Turbulenzen profitieren klassische Mittelmeerdestinationen wie Korsika… «Wir werden von Aufträgen und Buchungen zurzeit überrollt», sagt etwa Philipp Jordi, Geschäftsführer des Skandinavienspezialisten Glur Reisen in Basel, der zur Knecht-Gruppe gehört. Das Gästewachstum gegenüber dem Vorjahr liege aktuell bei über zehn Prozent und betreffe alle Destinationen und Reisearten in Nordeuropa. Den Drang nach Norden bekommt auch der Reisebusveranstalter Eurobus von seiner Kundschaft deutlich zu spüren. «Im Vergleich zu den Vorjahren waren und sind viele unserer Skandinavienreisen heuer sehr früh ausverkauft», sagt Philipp Morger, Leiter Pauschalreisen. Zahlreiche Kunden haben deshalb bereits ihren Platz für den Sommer 2017 vorausgebucht. Ein markanter Mehrverkehr herrscht auch auf der Nordund Ostsee, welche die skandinavischen Länder umgeben. Die populäre Kreuzfahrt Hurtigruten entlang der norwegischen Westküste platzt in Sachen Buchungen zurzeit aus allen Nähten. Auch andere Reedereien haben ihre Flotten im hohen Norden aufgrund des aktuellen Ansturms teils ausgebaut oder die Linienfrequenzen erhöht. Beispielsweise konnten Costa Kreuzfahrten sowie Aida Kreuzfahrten Schweiz bei Nordeuropakreuzfahrten in diesem Sommer und Herbst gegenüber dem Vorjahr ein grosses Plus verbuchen, wie die Geschäftsführerin Dominika Lange berichtet. Warum nicht in die Ferne schweifen? Fernreisedestinationen sind neben dem westlichen Mittelmeer und Nordeuropa die dritten grossen Gewinner eines in der Tat ungewöhnlichen Reisejahrs, in dem ausser den genannten Destinationen im Orient auch europäische Megastädte wie Paris, London, Rom und Berlin eher gemieden werden. 20 Davon profitiert zum Beispiel Tourasia, der grösste Asienreisespezialist im Schweizer Markt. «Neben dem Dauerbrenner Thailand freuen wir uns auch an weniger bekannten Destinationen im Hinblick auf den Winter über satte Buchungszuwächse», sagt Geschäftsführer Stephan Roemer. Ein Boom herrscht etwa für Myanmar (+ 42%) sowie die Philippinen (+ 35%). Die grössten Zuwachsraten mit einer aktuellen Verdreifachung der Buchungen gegenüber dem Vorjahr erzielt gegenwärtig Sri Lanka, wo gemäss Roemer zurzeit massiv in bessere Infrastrukturen investiert wird. Was Asien zunehmend beliebter macht, sind vor allem auch die rekordtiefen Flugpreise. Nach Bangkok fliegt man heute bereits für 500 bis 600 Franken. Die wegen der wachsenden Airline-Konkurrenz immer günstigeren Flugpreise machen auch Destinationen im Indischen Ozean für mehr Reisende erschwinglich. Der Tauchferienspezialist Manta Reisen spürt dies in Form einer aktuell starken Nachfrage für Mauritius und die Seychellen. Buchungseinbrüche für die näherliegenden Tauchreviere im ägyptischen Roten Meer haben diese Verlagerung zusätzlich begünstigt. Den gleichen Effekt spüren auch die Fernreiseveranstalter Knecht Reisen und Caribbean Tours. Bei Knecht freut man sich über sehr erfreuliche Buchungszahlen nach Australien, Neuseeland, Südafrika oder auch Kanada/ Alaska. Caribbean Tours reagiert auf die starke Nachfrage für die Karibik mit verschiedenen neuen Programmpunkten. Ein Höhepunkt ist eine neue Rundreise, die mit Kuba, der Dominikanischen Republik und Haiti gleich durch drei Länder führt. Januar 2017 … aber auch ferne Ziele wie die Malediven-Insel Mihiri. Auch Reisebüros profitieren Für eine stückweit feststellbare Trendumkehr hat die zurzeit eher unsichere weltpolitische Lage schliesslich auch bei der Wahl der Buchungskanäle gesorgt, wie man etwa bei Tui Suisse seit Monaten registriert. «Es ist ganz offensichtlich, dass wieder viel mehr Leute die physische Nähe zu den Reiseprofis in unseren Filialen suchen», sagt Martin Wittwer. Damit einher geht ein Phänomen, das eher überrascht. «Immer öfter registrieren unsere Mitarbeitenden an der Front Fälle von Kunden, die sich im Internet inspiriert haben, die Buchung dann aber im Reisebüro tätigen.» Auch das gehört zum aktuellen Bild einer Branche, deren Puls sich wöchentlich, täglich oder manchmal sogar stündlich an der aktuellen Nachrichtenlage orientiert. ●●Robert Wildi Gilt noch als Geheimtipp: die südkoreanische Insel Jeju-Do. 21 WIRplus Kundenmagazin Die kleinen Neffen des WIR Seit rund zehn Jahren entstehen in Europa neue Komplementärwährungen. Einige sind vom WIR-Geld inspiriert, andere den Grundsätzen einer sozialen und solidarischen Wirtschaft verpflichtet. Gemeinsam ist ihnen, dass sie als Reaktion auf Krisen geschaffen wurden. Das WIR-Geld hat Gesellschaft bekommen: In den letzten Jahren sind in Europa zahlreiche weitere Komplementärwährungen entstanden. Die erfolgreichste und bekannteste stammt aus Italien, genauer Sardinien: Es handelt sich um den Sardex, der als Folge des Börsencrashs von 2008 eingeführt worden ist. Die damalige Krise ging mit Kapitalflucht, dem Rückzug des Staates sowie dem Phänomen des Hortens einher. Der so ausgelöste Mangel an Krediten lähmte das lokale Gewerbe. Erleichterung brachte daraufhin die lokal emittierte und handelbare Komplementärwährung Sardex. Heute umfasst dieses im Januar 2010 gestartete Projekt ein Netz von 3500 Unternehmen. Diese generieren ein Transaktionsvolumen von jährlich 70 Millionen Euro. Der Erfolg des Sardex erreicht allmählich das italienische Festland, wo weitere lokale Währungen geschaffen werden. WIR als Vorbild Komplementärwährungen sind auch in Frankreich entstanden, dem einzigen Land mit einer entsprechenden Gesetzgebung. In Nantes haben die Gemeindebehörden den SoNantes eingeführt – unter Mitwirkung des damaligen Bürgermeisters Jean-Marc Ayrault, der später zum Premierminister und danach zum Aussenminister Frankreichs ernannt wurde. Der SoNantes sollte ebenfalls die lokale Wirtschaft unterstützen, die unter dem Schock von 2008 litt. Der gemeinsame Nenner zwischen SoNantes und Sardex? Das WIR-Geld! Die Initianten dieser Währungsprojekte haben sich alle an die WIR Bank gewandt, um von deren Erfahrung zu profitieren. Denn die Einführung einer Komplementärwährung ist das eine, ihre Nachhaltigkeit das andere. Die Geschichte des WIR-Systems ist bekannt: Jean-Marc Ayrault, der Bürgermeister von Nantes – später Premierminister und gegenwärtig Aussenminister Frankreichs –, liess sich 2012 von Oliver Willimann (l.), VR-Präsident der WIR Bank, und Germann Wiggli (r.), Vorsitzender der Geschäftsleitung, das WIR-System erklären. 22 Foto: fischerundryser, Basel Januar 2017 Um nicht von knappen Bankkrediten abhängig zu sein, gründeten Geschäftsleute aus Zürich in der Krisenzeit der 1930er-Jahre ein System der Kreditgewährung zwischen Unternehmen. Das System florierte und ermöglichte es ausserdem zahlreichen Schweizer Unternehmen, die Wirtschaftskrise der 90er-Jahre zu überstehen. 2016 nun bekräftigt der WIR seine Ambitionen – jung und frisch! Ob Geld zirkuliert oder ob es nur Eintragungen in Büchern und Tauschzentralen gibt: Gemeinsames Merkmal dieser Währungssysteme ist, dass sie Kapital nicht verzinsen. Dies soll dem Horten entgegenwirken und die Zirkulation begünstigen. Dieser Effekt lässt sich am Sardex beispielhaft ablesen. Seine Umlaufgeschwindigkeit beläuft sich auf 12 Transaktionen pro Jahr, verglichen mit 1,5 für den Euro. Soziale und solidarische Währungen In der Schweiz hat der NetzBon 2015 sein 10-jähriges Jubiläum gefeiert. Initiiert wurde er infolge von Turbulenzen, welche die Basler Wirtschaft erschütterten. Er wird von rund 130 lokalen Unternehmen, Geschäften und Freiberuflichen akzeptiert und getauscht. Das Volumen bleibt bescheiden, aber die Philosophie kommt an: Der NetzBon strebt eine soziale und solidarische Wirtschaft an. Deren Ziel besteht darin, die Entwicklung von Projekten zugunsten der Umwelt, des sozialen Wohlstands oder der partizipativen Demokratie zu unterstützen. Ein Gründungs dokument dieser globalisierungskritischen Bewegung ist die hier auszugsweise zitierte Deklaration von Lima von 2007: «Wir leben in einem hegemonialen Entwicklungsmodell, das, im Süden wie im Norden, Zerstörung, Armut, soziale und politische Ausgrenzung, Arbeitslosigkeit usw. hervorruft. Dieses Modell anerkennt die menschlichen Tätigkeiten, die für das Leben in Gesellschaft unabdinglich sind, nicht als legitim an und bedroht die Zukunft unseres Planeten. […] Wir haben uns dem Aufbau einer solidarischen Wirtschaft verpflichtet, welche die Auffassung infrage stellt, gemäss der die Bedürfnisse des Menschen alleinig durch den Markt und seine anscheinend ‹natürlichen Gesetze› befriedigt werden könnten.» Ein Léman für die Region Genf Der letztes Jahr in Genf eingeführte Léman beruht auf den gleichen Grundsätzen. Er soll die Wirtschaft der Region Frankreich/Waadt/Genf als ein «Lebensbecken» unterstützen und den lokalen Verbrauch sowie kurze Wege fördern. Aber nicht irgendwie! Der Léman fusst auf der Charta der Sozialen und Solidarischen Wirtschaft (SSW) der Region Genf. Diese begleitet und leitet Unternehmen an, die ihre Werte bezüglich Umweltschutz und Partizipation teilen. Aktuell fordert der Léman von seinen Mitgliedern lediglich ein Bekenntnis zu mehr Nachhaltigkeit und Solidarität. Er zählt heute bereits 300 Geschäfts- und 1200 Privatmitglieder, die zwischen Lausanne und Annemasse (Frankreich) leben. Zudem arbeiten seine Promotoren an der Einführung einer Internetplattform, über die sich Unternehmen gegenseitig Kredite gewähren können. Deborah Merz arbeitet als Schneiderin in der Rep-Statt in Basel, wo mit NetzBons bezahlt werden kann. Die Rep-Statt ist auch eine der Ausgabestellen dieser alternativen Währung. Foto: df 23 WIRplus Kundenmagazin Unterstützung des offiziellen Systems Am 27. Oktober fand an der Universität Genf die Konferenz «Le WIR: une monnaie anti-crise?» (Der WIR: Eine Krisenwährung?) statt. Guillaume Vallet, Doktor der Wirtschaftswissenschaften und der Soziologie sowie ordentlicher Professor an der Universität Grenoble Alpes, kam am Rande seines Vortrags* auf die Erfolgskriterien einer Komplementärwährung zu sprechen. Seinen Ausführungen zufolge lässt ein Staat die Entwicklung einer Währung nicht zu, die sich ihm oder seiner Politik entgegenstellt. «Komplementär» ist also keine Worthülse. So wurde der WIR Bank Genossenschaft 1936 sehr schnell eine Banklizenz «erteilt», um sie unter das Bankengesetz zu stellen. Die Position der öffentlichen Hand war also eindeutig. Im Fall des Léman ist es gerade umgekehrt: Hier sind es die Initianten, welche die Behörden bzw. Gemeinden um Unterstützung ersuchen. Die Schweizer Gemeinden Carouge und Meyrin mit je über 20 000 Einwohnern machen mit. Carouge beteiligt sich mit der Finanzierung von Studien an der Lancierung des Léman. Die Delegierte für die Agenda 21 von Carouge arbeitet aktuell mit verschiedenen städtischen Stellen zusammen, um Einsatzmöglichkeiten für den Léman zu ermitteln. Am häufigsten werden dabei die Erbringung und Honorierung von Dienstleistungen sowie Sitzungsgelder genannt. Antwort auf Onlinehandel In Genf erklärt sich das Interesse der Behörden an einer lokalen Währung mit der Notwendigkeit, das Gewerbe zu unterstützen. Die Konkurrenz durch den Onlinehandel und die grossen, in Frankreich angesiedelten Einkaufszentren wird immer stärker. «Seit der Erstarkung des Frankens vor eineinhalb Jahren verzeichnen die grenznahen Geschäfte Rückgänge von rund 20%», so Nicolas Walder, Bürgermeister von Carouge. Was die Zukunft des Léman-Projekts betrifft, sind sich die Beobachter nicht einig. Manche sehen im Léman das kaum nachhaltige Spielzeug einer kleinen Gruppe von Globalisierungskritikern. Seine Initiatoren jedoch hoffen, die soziale und solidarische Wirtschaft bei der Die grenzübergreifende Währung «Léman» steht vor diversen Hürden. 24 Überwindung einer Stufe zu unterstützen. Sicher ist, dass der Weg dorthin lang ist. Die Promotoren des Léman wären in der Lage, eine Tauschplattform zu entwickeln, aber nicht alle Wirtschaftszweige sind daran interessiert. Anfang September begannen die Verhandlungen mit der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (FINMA). Eine weitere Hürde ist die Nichtparität zwischen dem Schweizer Franken und dem Euro. Dies hat zur Folge, dass das aktuelle Tauschverhältnis von 1 Léman = 1 Franken = 1 Euro keinen Bestand hat. Der Farinet im Wallis Die Rhone weiter aufwärts, im Wallis, dürfte diesen Frühling der Farinet lanciert werden. Seine Initiatoren sehen ihn als ein Instrument, das im Dienst der gesamten Walliser Wirtschaft steht und die lokale Produktion sowie kurze Wege begünstigen könnte. Zurzeit wird er vor allem von Unternehmen oder Privaten unterstützt, die eine soziale und solidarische Wirtschaft befürworten. Der soziale WIR Im Vergleich dazu scheinen die Ziele des WIR und seiner Mitglieder eher klassisch zu sein: mehr Kunden zwecks eines höheren Geschäftswachstums! Doch Guillaume Vallet zieht noch andere Schlüsse. Der französische Wissenschaftler betont die ganz und gar genossenschaftliche Natur der WIR Bank und ihrer Kunden. Aus einer grossen Krise entstanden, ist das WIR-System in schlechten Jahren effizienter als in guten. Und auch wenn es nirgends geschrieben steht: Die Beziehungen zwischen den Mitgliedern sind wichtiger als das Bestreben, in jedem Fall einen maximalen Geschäftsgewinn zu erzielen. Dass die Solidarität in der DNA des Systems steckt, ist allen bekannt. ●●Vincent Borcard www.sonantes.fr, www.sardex.net, www.netzbon.ch *Guillaume Vallet hat 2015 in der Zeitschrift Revue de la Régulation den Artikel «Le WIR en Suisse: la révolte du puissant?» (Der WIR in der Schweiz: Aufstand des Mächtigen?) publiziert – http://regulation. revues.org/11463 Foto: Wikipedia.com/Geak Januar 2017 Jungunternehmer essen hartes Brot Vom Finanzkrisenjahr 2008 bis Ende 2015 sind 48 000 neue Unternehmen – fast lauter KMU und Einzelfirmen – ins Handelsregister eingetragen worden. Wer glaubt, damit habe eine spürbare Blutauffrischung der Schweizer Wirtschaft stattgefunden, täuscht sich allerdings. Schon in den 1990er-Jahren betrug der jährliche Zuwachs an die 5000, und die weiteren Auswirkungen waren dieselben wie heute: Etwa ein Drittel der Jungunternehmen verschwand sang- und klanglos nach wenigen Jahren wieder von der Bühne. Besonders schwierig wurde für viele von ihnen das fünfte, sechste oder siebte Geschäftsjahr, wenn dringende Investitionen getätigt werden sollten, das Gründungskapital aber meist aufgezehrt war und grosse Schwierigkeiten bei der Kapitalbeschaffung auftraten. Da zeigte sich jeweils mit aller Deutlichkeit, dass die Schweiz kein besonders risikofreudiges Land ist, wenn es um die Erhaltung junger Unternehmen in kritischen Phasen geht. Jetzt endlich ein Thema für die Wissenschaft Lippenbekenntnisse zugunsten junger KMU gab es immer genug. Barbara Rigassi, damals Seco-Direktorin, im Mai 2001: «Der Staat muss genügend Mittel zur Verfügung stellen, um die Voraussetzungen für Innovationen jeglicher Art zu erhalten und weiter auszubauen.» Was dabei herausgeschaut hat, war ausser der Kommission für Wissenschaft und Technik (KTU), die von ihren Aufgaben her nur einem kleinen Teil der Jungunternehmer dienen konnte, die Steuerbegünstigung für Risikokapitalgesellschaften und Business Angels, die von der Emissionsabgabe befreit wurden und Steuererleichterungen erhielten. Bald zeigte sich, dass diese indirekte Hilfe viel zu eng konzipiert war, vor allem, weil nur nachrangige Darlehen und nicht Risikofinanzierungen begünstigt wurden. Es wurde auch klar, dass einzelne kantonale Steuervorschriften – insbesondere bei der Vermögenssteuer – dem Förderungsziel zuwiderliefen. Es brauchte fast zwanzig Jahre, um die an sich nicht bestrittene Förderungsaufgabe wieder vorwärts zu bringen. Dafür brauchte es einen massiven Druck der gewerblichen Kräfte im Parlament. Der Bundesrat steht nun in der Pflicht, noch dieses Jahr zwei Berichte zur Förderung von Jungunternehmen vorzulegen, von denen der eine die Frage einer besseren Finanzierung durch Pensionskassengelder angehen muss. Nicht nur die Parlamentarier, auch die Wissenschaft hat nicht geschlafen und ist sich der Dringlichkeit des Problems bewusst. Die Universität Bern hat in der Person von Dr. Philipp Sieger einen neuen Assistenzprofessor berufen, dessen Lehrauftrag ganz auf die jungen KMU zugeschnitten ist. Prof. Sieger verfügt über Erfahrungen aus der Autobranche und hat in St. Gallen über Familien- unternehmen dissertiert. Er hat bereits bemerkenswerte Arbeiten über strategisches Unternehmertum und Mitunternehmertum publiziert – Bereiche, die bisher in der Schweiz vernachlässigt wurden. In Bern wird er sich vor allem mit Unternehmungsgründungen und mit Fragen befassen, die mit der Unternehmensnachfolge zusammenhängen. Dazu lässt er seine Studenten «Unternehmerlis» spielen, nachdem er festgestellt hat, dass sich sehr viele von ihnen für eine Unternehmerlaufbahn interessieren. Eine gewisse «Akademisierung» kann da gar nicht schaden. Wir erwarten auf jeden Fall, dass Prof. Sieger in die Expertenkommission aufgenommen wird, die der Bundesrat nun ernennen muss. Verschiebungen in der Struktur der Jungunternehmer Noch in den neunziger Jahren gab es fast so viele Jung unternehmer im Detailhandel wie in der Bauwirtschaft. Das ist nun vorbei. Auch der Anteil der Handelsfirmen ist bei den Jungunternehmern merklich zurückgegangen. Im Mittelpunkt aller Neugründungen stehen jetzt die Dienst- So sah früher der erste Schritt in die Selbstständigkeit häufig aus – heute führt er eher über den Laptop. Bild: fotolia.com 25 WIRplus Kundenmagazin leistungen aller Art. Damit ist die Chance gewachsen, mit einem bescheidenen Anfangskapital etwas fertigzubringen. Die Schwierigkeiten kommen dann meist in der auf die Gründung folgenden Wachstumsphase. Auch handelt es sich um fast lauter Branchen – Beispiel EDV –, in denen die Konkurrenz von Anfang sehr hart ist. Die Finanzierung von Jungunternehmen wird damit immer mehr ein Problem von Dienstleistungsfinanzierungen. Die Zeiten, wo man noch mit ein paar Karretten und einem Zementmischer rasches Geld machen konnte, sind wohl vorbei. Das will nicht heissen, dass der Kapitalbedarf für eine Neugründung grundsätzlich grösser geworden ist. Aber die Kapitalbeschaffung ist schwieriger geworden. Es besteht da eine Parallele zum Liegenschaftsmarkt. In einer Zeit, wo die 60-Jährigen die 90-Jährigen beerben, stellen die erforderlichen Eigenmittel für das Startkapital ein zunehmendes Problem dar. Der Staat wird da um eine Mitverantwortung nicht herumkommen. Risikokapital wäre in der Schweiz nämlich genügend da, aber es fliesst nicht immer an die richtigen und zukunftsweisenden Orte und trägt dann mehr zu einer Vergreisung als zu einer Verjüngung unserer Volkswirtschaft bei. Nicht ganz auf dem rechten Dampfer Schon vor über 30 Jahren hat der damalige Delegierte des Bundesrats für Konjunkturfragen, Prof. Dr. Francesco Kneschaurek, darauf hingewiesen, dass die Einführung des Obligatoriums der beruflichen Vorsorge (zweite Säule) mit seinem massiven Kapitalaufbau auch dazu führen könnte, dass am Schluss zu wenig Risikokapital für Neuinvestitionen im Inland zur Verfügung stehe. Das ist zum Glück nicht passiert. Aber es bleibt dabei, dass Pensionskassengelder, die ihrer Natur nach besonders sicher sein müssen, einen grossen Bogen um die Finanzierung von Jungunternehmen machen. Der Bund möchte dies teilweise ändern, wobei der Weg vernünftigerweise nicht über einen Staatsfonds, sondern über besondere Stiftungen – gegebenenfalls mit Staatsgarantie – führen könnte, die in junge Unternehmungen investieren. Gedacht wird dabei nicht an das Startkapital, sondern eher an die Überbrückung von Liquiditätsengpässen, wie sie bei Jungunternehmen für die auf die Gründung folgende Wachstumsphase typisch sind. Einige privatwirtschaftliche Initiativen in dieser Richtung waren leider nicht gerade erfolgreich. Zurzeit befinden sich vier Stiftungen im Aufbau, die in diese Richtung wirken wollen. Ihre Geldsuche bei den Pensionskassen war leider bisher nicht sehr ergiebig. Alle sind sich darüber einig, dass eine gesetzliche Vorschrift, welche die Pensionskassen zu solchen Anlagen zwingen könnte, völlig ausgeschlossen ist. Es bleibt also nur die Einsicht in die Freiwilligkeit, welcher der Staat jedoch mit Steuererleichterungen nachhelfen könn26 te – allerdings nur in sehr bescheidenem Masse, denn die zweite Säule ist ja grundsätzlich steuerfrei. Auf jeden Fall werden solche Lösungen noch einige Zeit erfordern. Eilig hat es der Bund hingegen, wenn es darum geht, den Bezug von Pensionskassengeldern für den Aufbau einer selbstständigen Existenz einzuschränken. Der Bund hat nämlich gemerkt, dass Selbstständigerwerbende, die entweder nie einer Pensionskasse angehörten oder ihr Kapital zum Aufbau einer selbstständigen Existenz auszahlen liessen, ein höheres Risiko haben, Ergänzungsleistungen zur AHV beantragen zu müssen. Die Differenz ist allerdings nicht enorm. Im Jahr 2013 haben 8,5 Prozent der Selbstständigerwerbenden fünf Jahre nach Erreichen des Rentenalters Ergänzungsleistungen bezogen, hingegen nur 5,3 Prozent der ehemaligen Arbeitnehmer. Nun, die Selbstständigen haben ihr Pensionskassengeld wohl nicht auf einer Kreuzfahrt verjubelt, sondern sind erst in späterem Alter – vielleicht nach der Unmöglichkeit, wieder eine Stelle zu finden – selbstständig geworden und haben sich ihr Kapital auszahlen lassen – allenfalls mit der Folge geschäftlichen Misserfolgs. Nun will der Bund den Bezug von Vorsorgekapital generell auf den überobligatorischen Teil des Guthabens beschränken, und dies auch nur, wenn die Pensionskassenstatuten dies zulassen. Junge, die sich selbstständig machen möchten, haben in der Regel kaum nennenswerte überobligatorische Guthaben und fliegen dann voll aus ihrem bisherigen Bezugsrecht bei der Selbstständigwerdung heraus. Ob das der Weisheit letzter Schluss ist, muss das Parlament demnächst entscheiden. «Bei den Pensionskassen wird nicht Gas gegeben, sondern gebremst.» Wer Jungunternehmer werden will, weiss, dass er auf manches verzichten und in jedem Fall eine überdurchschnittliche Leistung erbringen muss. Zu dieser Leistung gehört auch ein grosser Arbeitsaufwand für den Aufbau eines Partner- und Beziehungsnetzes. Wir finden, dass der WIR Bank Genossenschaft hier eine recht bedeutende Rolle zukommt. Die Einführung in das grösste schweizerische KMU-Kontaktnetz ist so gut wie gratis und die dafür angebotenen zinsfreien 10 000 CHW gehen von ihrer Wirksamkeit her doch deutlich über den offerierten Kreditbetrag hinaus. Punkto Förderung von Jungunternehmern steht die WIR-Gemeinschaft, ihrer Bedeutung entsprechend, also sicher am rechten Platz. ●●Dr. Richard Schwertfeger Januar 2017 Hohe Rendite, tiefe Gebühren Auch im neuen Jahr liegt die WIR Bank mit ihren Konditionen bei den Säule-3a-Konten in der Spitzengruppe – umso mehr, wenn man nebst den Zinssätzen auch noch die Gebühren vergleicht. Am meisten profitieren Sie, wenn Sie jeweils zu Jahresbeginn einzahlen. Das Zinsniveau in der Schweiz liegt auf einem Rekordtief. Der Zins von 0,65% der WIR Bank für Terzo-Guthaben (Säule 3a) ist einer der höchsten im Vergleich zu anderen Banken. Dazu kommt noch der Gebührenvorteil beim Terzo-Konto der WIR Bank, wie das Konsumentenmagazin «saldo» schon vor rund einem Jahr festhielt. – Vergleichen lohnt sich also … … und früh einzahlen lohnt sich auch! Trotz des – wie bereits erwähnt – historisch tiefen Zinsniveaus lohnt es sich nach wie vor, den erlaubten Maximalbetrag möglichst früh einzuzahlen – also am besten gleich jetzt. Denn so profitieren Sie am meisten von den Vorzugszinsen des Terzo-Kontos. Das Vorsorgesparen über die Säule 3a lohnt sich nicht nur wegen des Vorzugszinses, sondern vor allem auch wegen der positiven Steuereffekte während der Sparphase. Die geleisteten Beiträge an die Säule 3a können Sie – im Rahmen der gesetzlichen Einzahlungslimiten1 – vollumfänglich vom steuerbaren Einkommen abziehen. Die aktuellen Bedingungen des Terzo-Kontos der WIR Bank: Zinssatz:0,65% Kontoführung und jährliche Steuerbescheinigung Die Zinserträge sind verrechnungs- und einkommenssteuerfrei. Auch Vermögenssteuern fallen keine an. Erst bei der Auszahlung ist das Vorsorgekapital zu einem reduzierten Satz – separat vom übrigen Einkommen – zu versteuern. Weniger Steuern mit gestaffelten Auszahlungen Säule-3a-Konten können Sie innerhalb von fünf Jahren vor der ordentlichen Pensionierung einzeln auflösen. Jedes Konto muss immer ganz aufgelöst werden, Teilauszahlungen sind nicht möglich. Für eine gestaffelte Auszahlung benötigt man somit mehrere Konten. Damit kann die Steuerprogression gebrochen werden, was je nach Kanton mehrere Tausend Franken ausmachen kann. Bitte beachten Sie, dass die Auszahlungen von 3a-Konten und eine allfällige Auszahlung bzw. Teilauszahlung eines Pensionskassenguthabens oder eines Freizügigkeitskontos innerhalb eines Jahres zusammengezählt werden. Die Gesamtsumme pro Jahr ist somit massgebend für den Steuersatz und den zu bezahlenden Steuerbetrag. Keine Transfer- oder Saldierungsgebühr Im Gegensatz zu vielen anderen Banken belastet die WIR Bank bei ihrem Säule-3a-Konto grundsätzlich keine Gebühren. Einzige Ausnahme ist die Gebühr bei vorzeitigem Bezug für Wohneigentum, wenn die Finanzierung nicht über die WIR Bank erfolgt (s. Kasten). Der Grund für diese Gebühr ist der hohe Aufwand für die notwendigen Abklärungen. kostenlos Detaillierte Informationen erhalten Sie unter der Telefonnummer 0800 947 947 oder unter wir.ch/terzo-de. Transfer (Überweisung) auf ein anderes Säule-3a-Konto kostenlos Kontosaldierung (Pension) kostenlos ●●Roland Schaub 1) Für Personen, die einer Pensionskasse angeschlossen sind, beträgt die Limite in diesem Jahr 6768 CHF, für Selbstständigerwerbende ohne Pensionskasse sind es 33 840 CHF. Frist bis zur Auszahlung nach Erhalt der vollständigen Unterlagen 31 Tage Gebühr bei vorzeitigem Bezug (Wohneigentum): 300 CHF* *Keine Gebühr, wenn die Finanzierung durch die WIR Bank erfolgt 27 WIRplus Kundenmagazin Wein und Sein in Erlinsbach GastroSuisse hat Ende August 2016 erstmals den Hotel InnovationsAward vergeben. Gewinner sind Silvana und Albi von Felten vom Landhotel Hirschen in Erlinsbach für ihr originelles Projekt «Weinhaus am Bach». 28 Januar 2017 Zuerst herrscht Verwirrung: Steht der Hirschen – Landgasthof, Seminarhotel, Restaurant (mit 15 Gault-MillauPunkten) und Genussoase – in Erlinsbach SO oder in Erlinsbach AG? Glücklicherweise kümmert sich das Navigationsgerät nicht um den Kantönligeist und führt uns sicher nach Erlinsbach, Kanton Solothurn. Der Aargau beginnt aber schon auf der anderen Seite des Dorfbachs. Und der «Hirschen» liegt, um die Verwirrung definitiv zu machen, auf beiden Seiten der Kantonsgrenze. Seit fünf Generationen existiert das Unternehmen der Familie von Felten. «Früher hatten wir eine Bäckerei/ Konditorei», erzählt Albi von Felten (50). (In den einstigen Verkaufsräumen ist momentan ein Coiffeursalon eingemietet. Aber dieser wird in absehbarer Zeit ausziehen. Dann soll hier ein kleiner Laden für von Feltens «Genusswerk» entstehen, für Eigenprodukte wie Öl, Essig, Senf, WIR-Kunde seit Generationen Wie und wann sind Sie zur WIR-Verrechnung gekommen? Albi von Felten: Das Landhotel Hirschen ist seit Generationen WIR-Kunde. Dies habe ich so bei der Übernahme des Familienbetriebs übernommen und beibehalten. Unser WIR-Annahmesatz beträgt 30% auf den ganzen Betrag, aber im Restaurant kann man auch mit 50% WIR bezahlen. Welche Vorteile ziehen Sie daraus? Die WIR-Annahme bewirkt eine Kundenbindung, vor allem was regionale Kundenbeziehungen angeht. dazu Schinken, Coppa und Salami vom Wollschwein und das eigens für den «Hirschen» gebraute «Speuzer-Bier».) Gross- und Urgrossmutter führten nebenher eine kleine Beiz. Albis Vater war der erste, der die Gastronomie professionell betrieb: Als gelernter Koch befehligte er die Küche, während die Mutter als Gastgeberin im Restaurant wirkte. Allmählich entstanden ein Hotel und ein renommiertes, von Gault Millau ausgezeichnetes Restaurant. Zwar absolvierte auch Albi von Felten eine Kochlehre und danach die Hotelfachschule; zudem erwarb er später ein Weinhandels- und ein Sommelierdiplom. Aber ihn zog es immer wieder hinaus in die Welt, stets mit einer Kochschürze im Gepäck, um sich in fremden Ländern in die Küchen zu stellen. Sein Vater befürchtete, er könnte irgendwo hängenbleiben. Gut ausgebildete Schweizer Gastronomen sind auf der ganzen Welt gefragt. Doch 1999, mit 33 Jahren, kaufte Albi seinen Eltern schliesslich den Betrieb ab. Glückliche Wollschweine Albi von Felten setzt auf regionale Produkte. «Als erstes kam das Hummerbecken weg», erzählt er lachend, und sein Vater, der daneben sitzt, bestätigt, dass es wegen solcher neumodischer Ideen durchaus Zoff geben konnte. Dann begann Albi, mit Pro-Specie-Rara-Produkten zu experimentieren – Tomaten, Karotten und so weiter. In der Region werden Wollschweine extra für ihn gezüchtet; Trüffel stammen aus dem Fricktal; Kräuter zieht er teils im eigenen Garten, teils liefern sie Bauern der Umgebung. Sein Ruf eilt ihm inzwischen voraus: «Was regionale Zutaten angeht und Produkte besonderer Güte, war Albi von Felten Vorreiter, als niemand sonst über die heimische Verankerung der Gastronomie sprach», lobte die NZZ im April 2016. Und: von Felten sei «der Konkurrenz weit voraus». Damit auch Kinder lernen, was gutes Essen ist, bietet Albi von Felten übrigens regelmässig Kinderkochkurse an. Geben sie Ihre WIR-Guthaben auch im privaten Bereich aus? Nein, wir nutzen unsere WIR-Guthaben geschäftlich. Bei einigen Lieferanten können wir mit WIR bezahlen. Zudem setzen wir die WIR bei unserem aktuellen Neubau ein, dem «Weinhaus am Bach». Sind Sie Mitglied eines WIR-Networks? Sporadisch nehme ich an den Treffen des Networks Olten-Solothurn-Oberaargau teil. Sporadisch deshalb, weil wir meist arbeiten, wenn andere frei haben und diese Treffen stattfinden. Was halten Sie vom neuen Auftritt der WIR Bank? Der neue Auftritt gefällt mir. Ich bin gespannt, was er 2017 noch mit sich bringt. ●●PC Silvana und Albi von Felten Foto: zVg 29 WIRplus Kundenmagazin Der «Hirschen» und der Neubau «Weinhaus am Bach». «Weinhaus am Bach» Schon bisher besass der «Hirschen», neben jenen im Haupthaus, zehn Gastzimmer jenseits des Bachs, im Aargau. Jetzt kommt ein Neubau hinzu, in welchen Silvana und Albi von Felten – die gerade Eltern der kleinen Josephine geworden sind – ihre ganze Kreativität investiert haben. Vor allem hat sich Albi auf sein umfassendes Weinwissen besonnen, das auch von der «Schweizer Illustrierten» schon bemerkt worden ist, die im September 2016 schrieb: «Der eindrucksvolle Keller des ‚Hirschen‘ entpuppt sich als eine liebevoll gepflegte Schatzkammer». 650 Positionen umfasse sein Weinkeller, sagt der Gastronom. «Ich kann einfach nicht bremsen.» Der Hirschen-Neubau, genannt «Weinhaus am Bach», soll mit seinem Angebot rund um das Thema Wein Seminarund Geschäftskunden unter der Woche sowie Wein- und Genussliebhaber am Wochenende ansprechen. Im Erdgeschoss entstehen ein Seminarraum, den die von Feltens «Dänk-Lokal für Komfort-Seminare» nennen, eine Der Weinkeller mit 650 Positionen ist eine wahre Schatzkammer. 30 Fotos: Foto Frutig Kamin-Lounge, eine Küche im Landhausstil und eine «Weinstube für unbetreutes Trinken», in welcher Produkte von Winzerinnen und Winzern aus der Region und von weiter her genossen werden können. Mit James Bond in der Suite Vor allem aber entstehen hier 22 Hotelzimmer und zwei Junior-Suiten, die ganz dem Thema Wein gewidmet sind. Bekannte und weniger bekannte Produzentinnen und Produzenten haben je ein Hotelzimmer nach eigenen Vorstellungen dekorieren können, zum Beispiel Wehrli (Aargau), Gantenbein (Graubünden), Zanini (Tessin), Chollet (Waadt) oder Marie-Thérèse Chappaz (Wallis), das Weingut Aureto in der Provence, das Andy Rhis gehört, oder das Gut Palmeri in Sizilien von Ueli Breitschmid. Im Keller ist eine 50 Quadratmeter grosse Suite eingerichtet, in der man zwischen zwei gläsernen Weinschränken (für Weissen und für Roten) schläft; die 70 Quadratmeter grosse Suite unter dem Dach ist dem Champagner Januar 2017 In diesen Räumen entsteht das Dänk-Lokal mit Kamin-Lounge und einer Weinstube «für unbetreutes Trinken». Bollinger gewidmet, dem Lieblingsgetränk James Bonds (neben dem geschüttelten Martini). Der Mann im Geheimdienst Ihrer Majestät mit der Lizenz zum Töten ist in der Suite präsent, wenn auch nur als grosse Fotografie. Bei unserem Besuch war das raffinierte und gemütliche «Weinhaus am Bach» noch im Bau. Doch Silvana und Albi von Felten haben dafür bereits einen Preis gewonnen: den ersten Hotel Innovations-Award von GastroSuisse, dem Verband mit 20‘000 Mitgliedern. Im Rahmen des Hotel Innovations-Tages im Verkehrshaus der Schweiz in Luzern wurde der Preis am 30. August 2016 verliehen. Thema des Tages war «Sich bewegen. Sich erfinden. Neu.», und dafür sind Silvana, die ihr Mann als «Organisationsgenie» bezeichnet, und Albi selber, der dynamische Ideengenerator, sicher zwei herausragende Beispiele. optimal ineinandergreifen», hiess es dazu in der Laudatio. Die Jury, der unter anderem Jürg Schmid, Direktor von Schweiz Tourismus, und Casimir Platzer, Hotelier und Präsident von GastroSuisse, angehörten, hatte die Preisträger aus über zwanzig Bewerbungen ausgewählt. Der Hotel Innovations-Award soll dazu dienen, «erfolgversprechende Konzepte zu fördern und den Zugang zu Fremdmitteln zu ermöglichen». Dafür wollen GastroSuisse und die Schweizerische Gesellschaft für Hotelkredit in Zukunft jedes Jahr die vielversprechendsten Konzepte kleiner und mittlerer Hotels prämieren. Die von Feltens haben ein individuelles Coaching im Wert von 15‘000 Franken gewonnen. Ob sie es nötig haben angesichts ihres Erfolgs? «Man lernt nie aus», sagt Albi von Felten lachend. «Überzeugende Idee» «Die Idee überzeugt durch ein schlüssiges Geschäftsmodell, bei dem Konzept, Kooperation und Kommunikation ●● Artur K. Vogel Landhotel Hirschen Hauptstrasse 125, 5015 Erlinsbach Öffnungszeiten Montag bis Donnerstag Freitag bis Samstag Sonntag 7.00 bis 23.30 7.00 bis 24.00 7.00 bis 22.00 Betriebsferien 23. Dezember 2016 bis einschliesslich 5. Januar 2017 T 062 857 33 33 F 062 857 33 00 [email protected] www.hirschen-erlinsbach.ch www.genusswerk.ch, www.hotelinnovation.ch Albi von Felten mit dem Hotel Innovations-Award von GastroSuisse. 31 WIRplus Kundenmagazin Museum ohne Öffnungszeiten Digitalisierung erfasst alle und alles. Zu den Pionieren im kulturellen Bereich gehört eine Institution, die man nicht sofort mit digitaler Transformation in Verbindung bringt: das HMB – Historische Museum Basel. Verantwortlich für die eCulture im HMB ist Daniele Turini (32). Knarrende Böden und verstaubte Ausstellungsstücke sind in Basels Historischem Museum – so es sie je gab – längst Geschichte. Und in einem Sammlungsbereich ist der Besucher nun sogar selbst für die Ambiance verantwortlich: Die bedeutende Schlitten- und Kutschensammlung des Museums für Pferdestärken kann man nach Wahl in der Küche, im Bett, während einer Zugfahrt oder in den Winterferien auf einer Südseeinsel besuchen – virtuell und rund um die Uhr, dank der Google-App Arts & Culture. Um ganz ehrlich zu sein: Der virtuelle Zugang zu den Schlitten und Kutschen ist der einzig mögliche, denn seit Oktober 2016 ist dieser Teil des HMB für die Öffentlichkeit nicht mehr zugänglich. Daniele Turini, Leiter eCulture des HMB, gibt unumwunden zu, dass die Partnerschaft mit dem Google Cultural Institute auch aus der Not heraus geboren wurde: «Die Christoph-Merian-Stiftung, der das Museumsgebäude gehört, benötigt die Räumlichkeiten für eigene Zwecke.» Vor dem Abtransport der Sammlung in ein Depot in Pratteln wurde der Rundgang durchs Museum deshalb digitalisiert. Die Reaktionen liessen nicht auf sich warten: «Ins Depot auch die Basler Fasnacht, wenn sie irgendwann digital erlebbar sein wird!», lautete etwa ein sarkastischer Kommentar in der Basler Zeitung. Oder «schade», «traurig», «der Anfang vom Ende». Dank der App «Actionbound» wird die Ausstellung Wirk.Stoffe zum interaktiven Erlebnis. Daniele Turini vor der Fluoreszenzfärbung eines Querschnitts durch den Wadenmuskel einer Maus. 32 Fotos: Foto Frutig Januar 2017 Sind Museen ein Auslaufmodell? Daniele Turini: Nein, das Museum der Zukunft wird immer auch ein reales Museum sein – der virtuelle Raum existiert nicht ohne sein analoges Gegenstück. Und ein virtueller Rundgang kommt vom Erlebniswert nie an einen realen Besuch eines Museums heran. Dann war die Digitalisierung der Schlitten- und Kutschensammlung eine einmalige Angelegenheit? Im Gegenteil: Wir werden auch die drei anderen Häuser des HMB – das Museum für Geschichte, das Museum für Musik und das Museum für Wohnkultur – digital zugänglich machen. Diese virtuellen Rundgänge dienen als «Appetizer», als Anreiz zum realen Besuch des Museums. Sobald alle notwendigen Ressourcen gesichert sind, wollen wir im Jahrestakt ein Museum digitalisieren. Digital und analog dürfen nicht gewichtet, sondern müssen als gleichberechtigt behandelt werden. Diese Strategie scheint in der Schweiz nicht verbreitet zu sein. Neben dem Museum für Pferdestärken sind auf der App Arts & Culture erst vier weitere Schweizer Museen vertreten. Das dürfte daran liegen, dass es kein Rezeptbuch gibt. Jedes Museum muss sich an sein individuelles Digitalisierungskonzept herantasten und auch Experimente wagen. Vorher sind Ressourcen- und Kompetenzfragen zu beantworten. In kulturellen Institutionen ist das nicht immer einfach. Wo Ängste und Skepsis überwiegen, muss zusätzlich Überzeugungsarbeit geleistet werden. Es wird Sie gefreut haben, dass Ihr neuer Chef, Marc Fehlmann, der am 1. Juni sein Amt als HMB-Direktor antritt, die digitale Erweiterung des Museums weiterhin vorantreiben will, «um die Zugänglichkeit auf neue Zielgruppen auszuweiten und die öffentliche Sichtbarkeit der Sammlungen zu erhöhen». Er bezeichnete das Museum auch als «Speichermodul» und «Memory Bank» (bazonline.ch, 18. November 2016). Es ist mir auch künftig ein Anliegen, die digitalen Aktivitäten des HMB voranzutreiben und so neue Besuchergruppen für unser Museum zu begeistern. Klar ist auch, dass ein eCulture-Konzept nur dann funktioniert, wenn es ganz oben getragen und in allen Abteilungen gelebt und erlebt wird. Im HMB gehört es denn auch zu meinen Aufgaben, bei allen Mitarbeitenden das Bewusstsein für die neuen Zugänge und Möglichkeiten zu wecken, die Virtualisierung und Digitalisierung schaffen. Zurück zu den virtuellen Rundgängen – wer nutzt sie? Nur ein Beispiel: Wer als Tourist in eine Stadt kommt fragt sich vielleicht, ob sich der Besuch eines bestimmten Museums lohnt. So wie er vor dem Buchen eines Hotels zuerst einen virtuellen Rundgang durchs Zimmer unternimmt, will der Tourist von zuhause aus in das Museum Nur noch virtuell zu bewundern – und auf Kaffeerahmdeckeln: die Schlitten- und Kutschensammlung des Historischen Museums Basel. reinschauen, bevor er seine Tagespläne schmiedet. Wenn wir ihm hier etwas bieten können, haben wir einen Wettbewerbsvorteil. «Digital und analog sind gleichberechtigt.» Daniele Turini ist studierter Betriebswirtschafter (International Management) und ist 2012 nach einigen WKs als Zivildienstleistender ans HMB gekommen. Nach Ende seines Praktikums suchte das HMB Personal für die Gründung einer Marketingabteilung. Dank seiner Affinität zu Kultur, Kommunikation und digitalen Medien kam auch Turini zum Zug. Als regelmässiger Museumsgänger war ihm verschiedentlich aufgefallen, dass Museen Mühe haben, Junge anzusprechen – zu veraltet waren die Instrumente der Wissensvermittlung. Generell sei festzustellen, dass kulturelle und damit in der Regel auch subventionierte Institutionen kommunikationstechnisch grossen Nachholbedarf haben. Verständlich, denn sie stehen wirtschaftlich weniger unter Druck als beispielsweise KMU, die dem Wettbewerb stärker ausgesetzt sind. Nicht nur die Art der Präsentation kann auf Junge abschreckend wirken: Die «hehren Hallen» eines Museums wirken selten einladend – und im Fall von Basel macht sich das besonders deutlich bemerkbar: Ein Museum befindet sich in einer ehemaligen Kirche, ein anderes in einem ehemaligen Gefängnis, ein drittes in einem vornehmen Stadtpalais. «Die szenografische Wirkung ist in jedem Fall eher einschüchternd», resümiert Turini. Gelingt es, durch Digitalisierung vermehrt ein jüngeres, «museumsfernes» Publikum anzusprechen? Natürlich, und genau dieses digitale und formataffine Publikum wollen wir zusätzlich ansprechen. Es kommt hinzu, 33 WIRplus Kundenmagazin dass junge Menschen in einer Gratiskultur aufgewachsen sind. Sie überlegen sich gut, ob sie das Geld für einen Eintritt ausgeben wollen. Ausserdem kennt das Internet keine Öffnungszeiten – das Wochenende bleibt trotz «Museumsbesuch» frei … Im besten Fall wirkt der virtuelle Appetizer, und die Jungen kommen auch in der realen Welt zu uns. Das zu schaffen ist für ein Historisches Museum keine einfache Sache: Als Freizeitangebot stehen wir nicht nur in Konkurrenz mit anderen Museen, sondern auch mit dem Schwimmbad, mit Youtube oder mit Netflix. «Wir stehen in Konkurrenz mit dem Schwimmbad, Youtube oder Netflix.» Das Angebot eines virtuellen Rundgangs alleine dürfte aber die Generation Z, die mit dem Smart phone in der Hand aufgewachsen ist, noch nicht hinter dem Ofen hervorlocken. Das ist richtig, aber unser digitales Angebot ist damit ja noch längst nicht ausgeschöpft. Vor drei Jahren haben wir erstmals Tweevenings angeboten: kurze abendliche Führungen, die sich an ein nicht primär museumaffines Publikum richten. Interessant ist, dass es nicht einmal der digitale Aspekt ist, der für dieses Publikum interessant ist. Vielmehr sind es die Rahmenbedingungen: Der Eintritt ist gratis und ausserhalb der üblichen Öffnungszeiten, das Café ist offen, es läuft Musik und die Benutzung des Smartphones ist nicht nur erlaubt, sondern erwünscht. In dieser entspannten Atmosphäre sind die Hemmschwellen niedriger, es entsteht eine Interaktion, Besucher und Museum sind auf Augenhöhe. Diese Tweevenings bedeuten etwa 30 bis 50 zusätz liche Besucher. Lohnt sich das? Man könnte noch weiter gehen und kritisieren, dass es sich bei einem Teil der Besucherinnen und Besucher um ein Stammpublikum handelt. Auch ist die Altersstruktur nicht eindeutig – zwar klar jünger als bei anderen Angeboten, aber trotzdem durchmischt. So twittern durchaus auch ältere, kulturaffine Personen – böse Zungen sprechen von Marketing-Onkels oder Content-Tanten. Aber diese Medienlandschaft entwickelt sich, und ja, es lohnt sich. Ebenso wichtig ist nämlich, was sich an solchen Abenden dank Twitter ausserhalb des Museums abspielt: Tweetups verbinden die im Museum Anwesenden mit den Abwesenden, die online mit- oder nachlesen. Heute steht das HMB der Basler Twitterszene sehr nahe und profitiert entsprechend von der Mundpropaganda durch diese Community. Wie geht es im HMB aus digitaler Sicht weiter? Die zentralen Stichworte sind Vermittlung und Inszenierung. Der digitale Bereich hat diesbezüglich viel Potenzial. Ein Museum muss viel unternehmen, um wahrgenommen zu werden. Es genügt z.B. nicht, eine Tafel mit ein paar Angaben zu Alter und Fundort neben ein Objekt zu stellen. Der Besucher will mehr über die Geschichten dahinter erfahren und etwas erleben. 2016 haben wir deshalb erstmals Augmented Reality eingesetzt. Besucher der Erasmus-Ausstellung konnten so im Museum z.B. auch Schauplätze besuchen, die für den Humanisten auf seinen Reisen wegweisend waren. Doch wir sprechen nicht nur den interessierten Laien an. Unsere Sammlung mit Tausenden von Objekten steht auch im Dienst der Wissenschaft. Zum Museum der Zukunft gehört deshalb auch, dass seine Sammlung der Forschung zugänglich ist. Hier könnten 360-Grad-Aufnahmen zum Standard werden. Sie erlauben es, ein Objekt aus jedem Blickwinkel zu betrachten – rund um die Uhr, an jedem Bildschirm auf der Welt. Die Partnerschaft mit dem Google Cultural Institute ist ein erster Schritt in diese Richtung. Daniele Turini: »Ein eCulture-Konzept funktioniert nur dann, wenn es ganz oben getragen und in allen Abteilungen gelebt und erlebt wird.» 34 Ihre Vision lautet: Das HMB ist 2017 eines der innova tivsten Stadtmuseen der Welt. Wie packen Sie das an und woher nehmen Sie die Mittel? Zuerst sei klargestellt, dass Digitalisierung nicht zwangsläufig in Millionenbeträgen enden muss. Das virtuelle Januar 2017 Museum für Pferdestärken zum Beispiel hat uns nebst den Übersetzungen von Texten keinen Rappen gekostet. Für eine Vielzahl digitaler Lösungen gibt es heutzutage etablierte Plattformen und Applikationen, die man sich zunutze machen sollte. Die wichtigste Ressource ist das Personal. Um virtuelle Angebote zu kreieren, braucht es zudem das nötige Knowhow. In vielen Museen sind diese Faktoren nach wie vor keine Selbstverständlichkeit, und so bleibt das Potenzial rund um digitale Medien oft unausgeschöpft. Die Vision für 2017 soll uns inspirieren, kreativ zu bleiben. Dies ist und bleibt unser oberstes Bestreben, erst dann kommt die Technologie – oder wie man im Englischen zu sagen pflegt: form follows function. Ob wir 2017 schon zu den innovativsten Stadtmuseen gehören, bleibt abzuwarten, aber im Grunde genommen haben wir dafür ja noch ganze zwölf Monate Zeit (schmunzelt). ●●Interview: Daniel Flury @danieleturini @histmuseumbs www.hmb.ch Daniele Turini in der Ausstellung Wirk.Stoffe im Historischen Museum Basel (bis 18. Juni 2017). 35 WIRplus Kundenmagazin Jedem Bürger sein elektronisches Dossier Immer mehr Funktionen des täglichen Lebens können digital erledigt werden. Nur die Beziehungen zu den Behörden sind oft noch mit einem Gang aufs Amt oder mit Papier verbunden. Der Verein eGovSchweiz fördert und projektiert digitale Lösungen, die einfach zu handhaben sind, aber Datensicherheit und Persönlichkeitsschutz garantieren. Die Verwaltung in der Schweiz arbeitet auf allen Stufen effizient und verlässlich. Das ist eine Feststellung, die durch internationale Vergleiche erhärtet wird. Bei den «Good Governance Indicators» der Weltbank beispielsweise, also den Indikatoren für eine gute Regierung und Verwaltung, erhält die Schweiz seit Jahren ausgezeichnete Noten. Nur in einem Punkt hinkt sie vielen anderen Ländern hintennach: im sogenannten E-Government. Die Möglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger sowie besonders auch der Unternehmen, Geschäfte mit den Behörden digital abzuwickeln und Bürgerrechte, zum Beispiel bei Wahlen und Abstimmungen, im Internet auszuüben, sind noch immer beschränkt. Das wird oft als Hindernis empfunden: Im vergangenen August, an der Feier zum 100-jährigen Bestehen der Auslandschweizer-Organisation auf dem Bundesplatz in Bern, wurde wieder die dringende Forderung nach E-Voting für die Auslandschweizer laut. 762 000 Schweizerinnen und Schweizer leben im Ausland. paradoxerweise daraus, dass die Verwaltung noch immer gut funktioniert.» Dass sie allerdings «leider noch immer traditionell, das heisst papierlastig ist», so Finger, «ist nicht hilfreich, weder für Bürgerinnen und Bürger noch erst recht nicht für Unternehmen». Diese wollten «effizient, transparent, einfach und vor allem elektronisch mit staatlichen und parastaatlichen Institutionen zusammenarbeiten». Dass dies vielerorts nicht möglich ist, sei nicht nur lästig und zeitraubend, es wirke sich auch negativ auf die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes aus, ist Finger überzeugt. «Zukunftsstandort digitale Schweiz» Der Verein eGov-Schweiz hat im Sommer eine umfangreiche Studie veröffentlicht, die unter der Leitung von «Die Verwaltung ist papierlastig – und funktioniert.» Nicht kompatibel, nicht kohärent Der Rückstand hat einerseits mit der föderalistischen Struktur unseres Landes zu tun. Die staatliche Organisation von unten nach oben hat zu vielen dezentralen Lösungen geführt: «Gemeinden, Kantone und der Bund haben teilweise eigene Systeme entwickelt, die vielerorts schon ziemlich weit fortgeschritten sind», sagt Renato Gunc, der Präsident des Vereins eGov-Schweiz. Der Verein mit Sitz in Bern will Innovationen im E-Government fördern, indem er die angewandte Forschung und Entwicklung in diesem Bereich unterstützt, besonders durch die Vernetzung von Forschungsgruppen und die Mithilfe beim Start und der Umsetzung von Projekten. Aber, sagt Renato Gunc, diese dezentralen Lösungen haben entscheidende Nachteile: «Sie sind nicht kompatibel, teilweise nicht kohärent und nicht miteinander vernetzt.» Matthias Finger, Professor an der Eidgenössischen technischen Hochschule in Lausanne (EPFL) und Spezialist für Infrastruktur und Netzwerke, sieht eine weitere Hemmschwelle: den fehlenden Leidensdruck. «Dieser resultiert 36 Der Gänsekiel ist Geschichte, geblieben ist das Papier. Januar 2017 Professor Finger erarbeitet wurde. In der Untersuchung, betitelt «Zukunftsstandort digitale Schweiz», werden vor allem die Rahmenbedingungen untersucht, die der Staat schaffen müsste, sowie die Kosten und Nutzen der Digitalisierung errechnet. Als Grundlage dient das «elektronische Bürgerdossier», ein Konzept, das eGov-Schweiz seit 2012 entwickelt hat. Es orientiert sich stark am Patientendossier, dessen Realisierung laut Renato Gunc sehr weit fortgeschritten ist. (Auch es leidet, nebenbei bemerkt, an derselben Krankheit wie das E-Government: Es gibt mehrere Systeme von mehreren Anbietern, die, man ahnt es, miteinander noch nicht kompatibel sind.) – ausser es läge ein Notfall vor und er wäre nicht ansprechbar – seine Zustimmung zur Einsicht geben. «Ich wünschte mir ein eigenes digitales Departement.» Die Studie identifiziert nun die politisch und technologisch relevanten Voraussetzungen für die Umsetzung des E-Bürgerdossiers. Und zwar geht sie so vor, dass sie eine begrenzte Anzahl besonders relevanter Fälle untersucht. Dazu gehören unter anderem die An- und Abmeldung bei der Wohngemeinde, die Steuererklärung von Privatpersonen, die Eingabe von Baubewilligungen oder Registerauszüge und Ausweise des Zivilstands wesens. Das Patientendossier soll alle relevanten Erkenntnisse über eine Person enthalten, die für eine Diagnose, eine Therapie oder eine Operation relevant sind: zum Beispiel ihre Blutgruppe, ihre Allergien, ihre Krankheiten, die Operationen, die sie durchgemacht hat, und so weiter. Das Dossier dürfte nur von sogenannten Leistungserbringern konsultiert werden, also von Ärzten, Spitälern usw., aber nicht von den Krankenkassen. Und der Patient müsste in jedem Fall Das E-Bürgerdossier nimmt nur Speicherplatz in Anspruch. Der Bürger im Zentrum Das E-Bürgerdossier seinerseits soll eine elektronische Plattform für jede in der Schweiz lebende Person werden. Über jede Person werden dort relevante Daten zusammengezogen, und jede Person kann Akteure autorisieren, auf diese Daten zurückzugreifen. Damit soll der Datenaustausch zwischen Personen, Unternehmen und staatlichen Instanzen erheblich vereinfacht werden. Das Ganze müsste allerdings freiwillig bleiben. Dabei haben sich, neben den technischen Erfordernissen, laut Matthias Finger folgende Hauptkriterien herauskristallisiert: Fotos: fotolia.com 37 WIRplus Kundenmagazin • «Der Bürger ist in der Mitte»: Bürger und Bürgerin müssen Inhaber ihrer Daten und Informationen bleiben. • «Transparenz und Vertrauen»: Der Staat oder ein vertrauenswürdiger Partner (möglich wären zum Beispiel Betriebe wie die Post oder die Swisscom, die noch immer dem Staat gehören) muss das E-Bürgerdossier bereitstellen. Die Informationen und Quellen sowie die Zugriffe auf die Daten müssen transparent sein. Thema interessiert und möchte über das Ergebnis der Studie informiert werden. 12% möchten in Zukunft aktiv an der Erarbeitung digitaler Lösungen mitwirken. Also steht der baldigen Einführung nichts mehr im Weg? Renato Gunc beurteilt die Situation zurückhaltend. Er denkt, man müsse mit einem Zeitrahmen von zehn Jahren rechnen, bis Bürgerdossier und E-Government tatsächlich in der ganzen Schweiz einsatzbereit seien. ●●Artur K. Vogel, egov-schweiz.ch • «Sicherheit»: Die Betreiber müssen die Daten- und Informationssicherheit gewährleisten können. Renato Gunc meint, dafür brauche es einen «Cyberpolizisten, der die Infrastruktur überwacht». Das könnte nur eine Staatsfirma sei, denn «es gibt Dinge, welche die Privatwirtschaft nichts angehen». • «Dezentral, aber vollständig»: Die Daten müssen dezentral verwaltet werden, also dort, wo sie angelegt sind. Sie werden nur bei einer Anwendung oder Abfrage zusammengestellt, und zwar nur jene, die für diese spezifische Abfrage relevant sind. • Mit dem elektronischen Bürgerdossier sollen alle amtlichen und wichtige administrative Aufgaben abgewickelt werden können. Bundeskanzlei als Anlaufstelle? Die Verantwortung für die gesamte E-Governance müsste im Bund einer einzigen Stelle zugeordnet werden. Die Zürcher Nationalrätin Kathy Riklin von der CVP, die sich seit Jahren für die bessere digitale Vernetzung von Bürgern und der Verwaltung einsetzt, möchte diese Aufgabe der Bundeskanzlei übertragen: «Diese arbeitet departementsübergreifend und hat jetzt schon Koordinationsfunktion.» Auch Renato Gunc sähe «beim jetzigen Stand der Dinge» am ehesten die Bundeskanzlei als Anlauf stelle. «Längerfristig würde ich mir ein eigenes digitales Departement wünschen», sagt Gunc, der aber umgehend einräumt, dass diese Idee politisch wohl kaum durchsetzbar sei. Dass ein solches E-Bürgerdossier nicht kostenlos zu haben ist, liegt auf der Hand. Die Studie schätzt die einmaligen Implementierungskosten auf rund 300 Millionen Franken, die jährlichen Einsparungen hingegen auf rund 900 Millionen. Dafür könnten «öffentliche Dienste und politische Prozesse verbessert und die Durchführung staatlicher Politik erleichtert werden», heisst es. Professor Finger räumt aber unumwunden ein, dass diese Schätzungen noch sehr vage seien. Erfreuliches Interesse Das Thema E-Bürgerdossier erzeugt ziemlich grosse Resonanz, wie einer Umfrage von eGov-Schweiz von 2015 zu entnehmen ist: Die Hälfte der Befragten ist an dem 38 Kontoeröffnung: Effizient und elektronisch Was sich viele Bürgerinnen und Bürger im Verkehr mit Behörden wünschen, wünschen sie sich auch von ihrer Bank: Die Beziehung soll effizient, einfach, sicher und vor allem digital sein. Die WIR Bank Genossenschaft hat auf diese Ansprüche reagiert und ermöglicht ihren KMU-Kunden seit November 2016 das elektronische Eröffnen eines Bankkontos. Es ist geplant, dass auch potenzielle Privatkunden in den Genuss eines vereinfachten Kontoeröffnungs prozesses kommen. ●● df https://blog.wir.ch/2016/11/14/ kunde-werden/ Januar 2017 Gestern, heute, Morgenmenschen paar hundert Tiefgekühlte auf wärmere Zeiten. Schweizer sind keine darunter. Ob ich es auch probieren sollte? Der erste tiefgekühlte Appenzeller zu sein, wäre doch nett. Der Spass kostet zwar 200 000 Dollar, aber ich kann hoffentlich noch viele Jahre Geld auf die Seite legen. Günstiger kommt es, wenn man nur das Hirn einfrieren lässt. Im Moment 80 000 Dollar. Bis ich tiefkühlfertig bin, sinken die Preise sicher noch. Und man kann es in der Schweiz machen. In einem Gotthardbunker. Neben einem ausgemusterten Militärspital, wegen der Standschäden. Oder in den Kaltbachhöhlen. Da taut man rezenter auf. Womöglich gibt es Cumuluspunkte. Und bezahlen kann man in Schweizer Franken. Oder in WIR. Willi Näf ist freier Autor, Texter und Kabarettist und lebhaft im Baselbiet und im Appenzellerland. www.willinäf.ch Foto: zVg Der 12. Januar 1967 war ein kalter Tag. Besonders für Dr. James Bedford. Der 73-Jährige starb nämlich an Krebs und liess sich sofort einfrieren. Auf minus 196 Grad Celsius. Und jetzt planget Herr Bedford seit genau fünfzig Jahren im flüssigen Stickstoff auf bessere Zeiten. Auf Tauwetter. Auf ein neues Leben in seinem 1894 geborenen und vom Krebs zerfressenen Körper. Eines Tages werden sie Herrn Bedford auftauen. Vielleicht im Januar 2067. Das wird sicher feierlich. Nach hundert recht ruhigen Jahren öffnet er die Augen und erblickt an seinem Bett dreihundert gerührte Ururururenkelinnen. Sie singen Happy Birthagainday und helfen ihm, die hundert Kerzen auf seiner Wiedergeburtstagstorte auszublasen. Seine Lunge ist halt noch etwas frostig und ein Morgenmensch war Herr Bedford noch nie. Nachher darf er sein Wiedergeburtstagsgeschenk auspacken, eine Bettflasche. Vorher schreibe ich noch eine Patientenverfügung. Sie werden mein Hirni ja in einen neuen Körper einpflanzen, und ich will keinen verunglückten Aargauer. Falls sie versehentlich doch einen erwischen, lasse ich mich halt wieder einfrieren. Hoffentlich geht dann die Tiefkühlfirma nicht pleite, man will ja das Zeitliche nicht als aufgetaute Konkursmasse segnen. Die Transhumanisten hoffen, dass sie den Inhalt aufgetauter Hirnis dermaleinst in eine Cloud hochladen können. Dann braucht man keinen Körper mehr. Nur noch Internet. Dann kann man den lieben langen Tag mit Siri oder anderen Handy-Sprachassistenten plaudern, den Urenkeln über die Bildschirmkamera beim Nasenbohren zuschauen und sie via Snapchat massregeln. Und plaudern über Zeiten, in denen man auch ohne Internet abstürzen oder sich einen Virus einfangen konnte. Über früher, als das Leben noch etwas Besonderes war, ein wertvolles Mosaik abertausender selbst gelebter und erlebter Tage und Nächte, alle kostbar und einzigartig. Und wenn er könnte, würde Herr Bedford vielleicht seufzend beipflichten. Herr Bedford war 1967 der erste gewesen, der sich kryonisch hatte konservieren lassen. Darum werden beim Auftauen bestimmt aus aller Welt Glückwünsche eintreffen. Der alte Herr strahlt dann in die Kameras und unterschreibt noch den Buchvertrag, bevor sie ihn in den Operationssaal rollen und ihm die Todesursache von 1967 entfernen, die Tumore und Metastasen. Sicher flicken sie noch allfällige Standschäden und ersetzen Verschleissteile, das geht ja grad im Gleichen. Und dann hat er ein langes und glückliches zweites Leben vor sich und findet sofort eine gut bezahlte Stelle als Werbeträger für ThermaCare Wärmepflaster. Vermutlich darf Herr Bedford auch schon bald aufgetaute Gspänli begrüssen. Drüben in Arizona warten bereits ein 39 WIRPLUS KUNDENMAGAZIN Mattiello/toonpool.com 40 Januar 2017 IMPRESSUM Veranstaltungen und Termine Generalversammlung 2017 der WIR Bank 31. Mai 2017 in Basel (für Genossenschafter/-innen) WIRplus Das Kundenmagazin der WIR Bank Januar 2017, 84. Jahrgang, Nr. 926 Herausgeberin/Redaktion WIR Bank Genossenschaft Auberg 1 Herbstgespräche 2017 4. November 2017 im KKL Luzern (für Stammanteilhalter/-innen) 4002 Basel www.wir.ch Redaktionsteam Informationen über diese und über weitere WIR-Anlässe erhalten Sie bei der WIR Bank, wir.ch, T 0800 947 947. Daniel Flury (Chefredaktor), Annette Lempen, Roland Schaub, [email protected], T 061 277 93 27 oder 061 277 92 76 Übersetzer Daniel Gasser, Yvorne CLS Communication WIR-Messe Zürich Konzeption und Gestaltung 23.11.2017 – 26.11.2017 www.wmzag.ch Layout Schober Bonina AG / Kommunikationsagentur Vogt-Schild Druck AG, Derendingen Druck Vogt-Schild Druck AG, Derendingen Erscheinungsweise Im Januar, April, Juli und Oktober auf Deutsch, Französisch und Italienisch Rechtliche Hinweise Gesamtauflage: 34580 Keine Gewähr Adressänderungen: WIR Bank, Beratungszentrum, Alle Berichte, Kommentare, Hinweise, Berechnungen oder sonstigen Angaben («Inhalte») des WIRplus dienen der Information und Meinungsbildung des Lesers. Die WIR Bank übernimmt keine Gewähr für Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität der bereitgestellten Inhalte. Der Leser nimmt im Weiteren zur Kenntnis, dass Kommentare externer Autoren nicht unbedingt die Meinung der WIR Bank wiedergeben. Hinweise auf vergangene Entwicklungen oder Performances sind keine Garantie für zukünftige Entwicklungen. Postfach, 4002 Basel, oder F 0800 947 942 Keine Handlungsanweisungen Alle Inhalte des WIRplus sind weder als Empfehlungen bzw. Handlungsanweisungen noch als Entscheidungshilfen für Anlageentscheide, Rechtsfragen, Steuerfragen oder dergleichen aufzufassen. Die Inhalte sind auch nicht als Aufforderung zum Kauf von Produkten oder zur Inanspruchnahme bestimmter Dienstleistungen der WIR Bank oder Dritter zu verstehen. Konditionen Die genannten Konditionen und Tarife beziehen sich auf den Stand bei Redaktionsschluss und können jederzeit und ohne Vorankündigung geändert werden. Nachdruck Der Nachdruck von Beiträgen aus dem WIRplus ist nur mit ausdrücklicher Zustimmung der Bank und unter Angabe der Quelle gestattet. Haftungsausschluss Jegliche Haftung der WIR Bank (Fahrlässigkeit eingeschlossen) für Schäden irgendwelcher Art, die sich aus der Nutzung oder Nichtnutzung der im WIRplus enthaltenen Inhalte bzw. durch die Nutzung fehlerhafter und unvollständiger Inhalte ergeben können, ist ausgeschlossen.
© Copyright 2024 ExpyDoc