Fachliteratur “Home Defense“ von Andrea Micheli & „Fatales Erbe“ von Dr. Stephen P. Halbrook Lesen bildet Der als Schießausbilder und Fachautor bekannte Schweizer Andrea Micheli beschäftigt sich in seinem neusten Buch „Home Defense“ mit dem Schusswaffengebrauch im Einbruchsfall. Das in den USA erschienene Buch „Gun Control in the Third Reich“ von Dr. Stephen P. Halbrook ist auf Initiative von prolegal e.V. nun auch in deutscher Übersetzung erhältlich. Der Autor Dr. Stephen P. Halbrook bei der Präsentation seines Werkes in deutscher Sprache während der IWA 2016. „Fatales Erbe – Hitlers Waffengesetze“ (Originaltitel: Gun Control in the Third Reich). Die deutsche Übersetzung erscheint im Berlin Story Verlag. Bestellung ab Verlag über vertrieb@ berlinstory-verlag.de möglich. ISBN: 978-3-95723-102-4, 266 Seiten, 15,5 x 23 cm, Softcover, Preis 24,95 Euro. 84 caliber 6/2016 D as Timing des aktuellen Buches von Micheli hätte in einer Zeit, in der das individuelle Sicherheitsgefühl der Bürger zusehends schwindet, nicht besser sein können: Die Zahl der Wohnungseinbrüche im deutschsprachigen Raum steigt kontinuierlich an, wobei international operierende Einbrecherbanden immer skrupelloser vorgehen. Der nächtliche Einbruch, bei dem die Bewohner anwesend sind, gewinnt dabei zunehmend an Bedeutung. Andrea Micheli, der seit vielen Jahren professionell mit renommierten taktischen Schulen wie „Suarez International“ zusammenarbeitet und seine eigene Schießschule „Tactical Advantage“ betreibt (www.tacticaladvantage.ch), geht mit viel Fachwissen und Fingerspitzengefühl an die heikle Thematik heran. Im Vorwort betont der Autor, dass bei einem Einbruchszenario das eigene Handeln maßgeblich davon bestimmt sein sollte, ob unmittelbare Gefahr für Leib und Leben besteht. Nur in einer berechtigten Notwehrsituation und nur als letztes geeignetes Mittel sollte der Einsatz der Schusswaffe in Erwägung gezogen werden. Andrea Micheli: „In 99 Prozent aller Fälle, bei denen man während eines Einbruchs zuhause ist, ist das Verbarrikadieren und ein Abwarten bis zum Eintreffen der alarmierten Polizei angebracht. Ich habe das Buch für das restliche ein Prozent geschrieben, in dem die Schusswaffe als Ultima Ratio eingesetzt werden muss, um das eigene Leben oder das von Familienangehörigen zu schützen. Materielle Werte sind ersetzbar, das Leben eines Menschen nicht.“ Erfolgsautor Die Nachfrage nach seinem ersten Buch „Die Pistole im Feuerkampf“ (siehe hierzu: caliber 5/2013) hält ununterbrochen an, Haus und Hof Andrea Micheli steigt mit der mentalen Vorbereitung auf einen Einbruch und baulichen Präventivmaßnahmen in das Thema ein. Anschließend werden die Anwendungsmöglichkeiten von Pistole, Revolver, Flinte und Selbstladebüchse innerhalb der eigenen vier Wände beschrieben. Der Praktiker betont, dass es nicht „die“ perfekte Verteidigungswaffe gibt. Vielmehr entscheiden die Fähigkeiten des Anwenders und nicht das Werkzeug über den Ausgang einer Notwehrlage. Hinweise zur Kaliberwahl, insbesondere unter Berücksichtigung der Gefahr von Querschlägern und der Überpenetration, gliedern sich an. In den folgenden Passagen geht der Autor ausführlich auf die grundlegenden Elemente des praktischen Schießens mit der Kurz- und Langwaffe ein. Die sichere Waffenhandhabung, Lade- und Nachladetätigkeiten, Störungsbeseitigungen sowie Bereitschafts- und Schießpositionen mit Pistole, Flinte und Selbstladegewehr werden in Wort und Bild erläutert. Taktische Regeln Die zweite Hälfte des Buches beschäftigt sich mit dem taktischen Vorgehen innerhalb baulicher Strukturen. In einer höchst emotionalen Situation gilt es, nicht kopflos, sondern nach taktischen Regeln vorzugehen. Die Ausnutzung von Deckung und Sichtschutz, das Nehmen von Raumecken und die Wahrung von Geräuschdisziplin sind Schlüsselelemente, die beachtet werden müssen. Auch die zweckmäßige Positionierung in Räumlichkeiten ist zu berücksichtigen. Beim Studieren der Taktik-Kapitel fällt auf, dass der Autor das Basiselement „Bewegung“ hervorhebt. Sich aus einer Gefahrenzone zu entfernen und kein statisches Ziel darzustellen ist von vitaler Bedeutung. Das bewaffnete Begehen von Treppen und Suchtechniken in geschlossenen Räumen werden ebenso detailliert beschrieben. Dabei ist zu bedenken, dass die Infiltration im Alleingang eines unaufgeklärten Raumes, in 85 caliber 6/2016 Der Autor Andrea Micheli bei der Buchpremiere anlässlich der IWA 2016. „Home Defense – Grundlagen für den Schusswaffengebrauch im Einbruchsfall“, DIN A5, Softcover, 192 Seiten, über 200 Farbbilder. Bestellung ab Redaktion über [email protected] möglich. ISBN: 978-3-9815795-1-2, Preis 24,90 Euro. was eine 4. Auflage erforderlich machte. Es entwickelte sich innerhalb von nur drei Jahren zum Standardwerk und wird beispielsweise von der Organisation „Polizeitrainer in Deutschland“ (PiD) als Fachlektüre empfohlen. Michelis zweites Werk gliedert sich in fünfzehn übersichtliche Kapitel. Dabei ist das 192-seitige Taschenbuch äußerst reichhaltig illustriert. In der aufschlussreichen Einleitung kommt der Schweizer Rechtsanwalt Alexander Frei zu Wort und beschreibt die Grundlagen und Grenzen des Notwehrrechts im Zusammenhang mit dem Waffeneinsatz. Der namhafte Jurist bezieht sich in seinem Vorwort auf das Schweizer Notwehrrecht, das vom Grundsatz her viele Parallelen mit der Rechtsprechung in Österreich und Deutschland aufweist. “Home Defense“ von Andrea Micheli & „Fatales Erbe“ von Dr. Stephen P. Halbrook Aufklärung, Positionierung und bewaffnete Bewegung innerhalb der eigenen vier Wände sind Schwerpunktthemen der zeitgemäßen Publikation „Home Defense“. Der temperamentvolle Eidgenosse erläutert das defensive Agieren mit Flinte, Selbstladebüchse und Pistole und präsentiert technische und taktische Handlungsoptionen im Kontext mit der Heimverteidigung. Bei einer Konfrontation auf Kontaktdistanz wird die Pistole eng an den Körper fixiert, wodurch ein Entreißen durch den Gegner deutlich erschwert wird. dem ein bewaffneter Aggressor vermutet wird, ein erhebliches Gefahrenpotenzial birgt. Wertvolle Kardinalsregeln vermittelt der Praktiker beim Einsatz der Weißlichtlampe und der Vorgehensweise bei schlechten Lichtverhältnissen. Bei einer physischen Konfrontation im extremen Nahbereich gewinnen Waffenschutz- und Entwaffnungstechniken höchste Priorität. In diesem Zusammenhang wird auf das Ineinandergreifen der Elemente Überraschung, Schnelligkeit, Entschlossenheit und Aggressivität hingewiesen. Die zum Ende des Buches erläuterten Erste-HilfeMaßnahmen runden das Thema ab. Andrea Micheli gibt in seinem Fachbuch „Home Defense“ unzählige wertvolle Praxistipps und zeigt dem interessierten Leser Ver- haltensoptionen auf, wie in einem „WorstCase“-Szenario innerhalb der eigenen vier Wände Erfolg versprechend gehandelt werden kann. Fatales Erbe Vor etwa drei Jahren erschien in den Staaten das Buch „Gun Control in the Third Bei der Anschlagsart „High Tuck“ wird der Gewehrkolben unter der Achsel eingeklemmt. Dadurch kann die Langwaffe bei einer Ergreifung durch den Gegner besser kontrolliert werden. Der Praktiker demonstriert den Einsatz der Büchse als Stoßwaffe aus der „Overshoulder-Position“ heraus. Reich“ des US-Autors Dr. Stephen P. Halbrook. Auf Initiative von prolegal e.V. ist das Werk nun auch in der deutschen Übersetzung unter dem vollständigen Titel „Fatales Erbe – Hitlers Waffengesetze: Die legale Entwaffnung von Juden und Staatsfeinden im Dritten Reich“ erhältlich. Der Autor zeigt eindrucksvoll auf, wie das aus der Weimarer Republik stammende Waffengesetz von den Nazis verschärft wurde, um so Juden, Kommunisten und andere sogenannte „Staatsfeinde“ zu entwaffnen, zu entrechten und zu unterdrücken. Durch die schrittweise Kriminalisierung des privaten Waffenbesitzes wurden normale Bürger wegen einer Sportwaffe, eines alten Offiziersdegens oder einer Jagdbüchse zu Staatsfeinden. Es kam zu willkürlichen Verhaftungen und Hausdurchsuchungen durch die Machthabenden. Im Vorwort zur deutschen Ausgabe nimmt sich der deutsch-israelische Politikwissenschaftler und 1. Vorsitzender des Vereins „prolegal“, Dr. David Th. Schiller, der Nachkriegsgeschichte des NS-Waffengesetzes an. Eindrucksvoll beschreibt er die unselige Erbschaft des deutschen Waffengesetzes von 1928 bis 2016. Der Autor hat das Buch in vier übersichtliche, historische Epochen gegliedert. In der Schlussbetrachtung geht er der Frage nach, warum sich kaum ernsthafter Widerstand gegen das totalitäre Regime formiert hat. Für waffenrechtlich interessierte Anwender stellt das lesenswerte Werk eine nutzbringende Bereicherung dar und sollte in keiner seriösen Buchsammlung fehlen. Text: Peter Schmidtke Fotos: Peter Schmidtke /Andrea Micheli 87 caliber 6/2016 86 caliber 6/2016 FACHLITERATUR
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