SWR2 MANUSKRIPT ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE SWR2 Wissen Exoplaneten Die Suche nach einer zweiten Erde Von Guido Meyer Sendung: Mittwoch, 11. Januar 2017, 08.30 Uhr Redaktion: Sonja Striegl Regie: Autorenproduktion Produktion: SWR 2017 Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Service: SWR2 Wissen können Sie auch als Live-Stream hören im SWR2 Webradio unter www.swr2.de oder als Podcast nachhören: http://www1.swr.de/podcast/xml/swr2/wissen.xml Die Manuskripte von SWR2 Wissen gibt es auch als E-Books für mobile Endgeräte im sogenannten EPUB-Format. Sie benötigen ein geeignetes Endgerät und eine entsprechende "App" oder Software zum Lesen der Dokumente. Für das iPhone oder das iPad gibt es z.B. die kostenlose App "iBooks", für die Android-Plattform den in der Basisversion kostenlosen Moon-Reader. 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Und Sie wissen, wie dort der Planet Tatooine zwei Sonnen umkreist hat. Und es gibt ja auch das berühmte Bild von dem Protagonisten, wie er dort steht, und im Hintergrund gehen die beiden Sonnen unter.“ „Deswegen werden beide Sterne Sie beleuchten. Sie werden zweimal angestrahlt. Und deswegen haben Sie – wie man so schön sagt – zweimal Ihren eigenen Schattenwurf. Sie werden also niemals alleine sein.” über Musik Text 1: Autor Die Filmfiktion der siebziger Jahre ist von der Realität eingeholt worden. Denn mittlerweile wissen Astronomen: Solche Planeten – die gibt es wirklich. über Musik Cut 3: Gautier „We don‟t expect Luke Skywalker or anything else to be living on Kepler 16b, but if you could visit there you would see a sky with two suns just like Luke did.” Voice over Sprecher 1: Wir erwarten nicht, dass Luke Skywalker auf Kepler-16b lebt. Aber wenn wir diesen Planeten besuchen könnten, sähen wir einen Himmel mit zwei Sonnen, genauso wie Luke Skywalker ihn sah. Musik hochziehen Ansage: „Exoplaneten – Die Suche nach einer zweiten Erde“. Eine Sendung von Guido Meyer. über Musik Text 2: Autor Kepler-16b – nicht eben ein romantischer Name für einen Planeten. Im Sonnensystem tragen alle Planeten Namen römischer Götter – vom Götterboten Merkur ganz innen bis zum Meeresgott Neptun ganz außen. Doch für alle anderen Planeten gibt es nicht genug Götter. Die Zahl nachgewiesener Exoplaneten bewegt sich derzeit auf die 4000 zu. Da bleibt Astronomen keine Wahl, als sie nach den Teleskopen zu benennen, mit denen die Planeten entdeckt wurden - und sie dann einfach durchzunummerieren. Cut 4: Wilhelm Kley „Das Kepler-16-System <> ist ein System, wo der Planet beide Sonnen umkreist, d. h. die Sterne sind im Zentrum des Systems, und der Planet umkreist beide Sterne gleichzeitig.“ 2 Text 3: Autor Wilhelm Kley ist Astrophysiker an der Universität von Tübingen – und auf der Jagd nach Exoplaneten. So nennen Wissenschaftler Planeten, die andere Sterne umkreisen als den unseren. Deswegen auch ihr alternativer Name „extrasolar“, also jenseits der Sonne. Die acht Planeten des Sonnensystems nämlich sind bei weitem nicht die einzigen Planeten in der Galaxis. So befindet sich der Planet Kepler-16b 200 Lichtjahre von der Erde entfernt, im Sternbild Schwan. Das gesamte System besteht aus einem orangen Stern, etwas kleiner als die Sonne, und einem zweiten Stern, nur ungefähr ein Fünftel so groß wie die Sonne und tiefrot. Alle ein-und-vierzig Tage umkreisen sich beide Sterne gegenseitig, das heißt sie kreisen um einen gemeinsamen Schwerpunkt, ungefähr in der Mitte. Weiter draußen zieht der Exoplanet Kepler-16b von der Größe Saturns seine Bahn. Sie führt ihn einmal alle zwei-hundert-neun-und-zwanzig Tage um seine beiden Sterne herum. Cut 5: Wilhelm Kley „Und das ist schön: Sie haben ja nicht nur einen Sonnenuntergang, sondern Sie haben jeden Tag zwei Sonnenuntergänge. Also, es ist ein doppelt so schönes Ereignis, auf diesem Planeten zu leben.“ Text 4: Autor Noch vor wenigen Jahren galt es als ausgeschlossen, dass es solche Konstellationen wirklich geben könnte. Doch das Weltraumteleskop Kepler hat die Wissenschaftler eines Besseren belehrt. Mit diesem Fernrohr im All sucht die amerikanische Weltraumbehörde NASA seit sieben Jahren nach Planeten außerhalb des Sonnensystems. Ein stabiles System bietet einem Planeten genügend Zeit, sich zu entwickeln – und damit auch Leben auf seiner Oberfläche zu ermöglichen. Kepler16b erfüllt diese Bedingungen. Doch damit Leben entsteht, müssen weitere Bedingungen stimmen. So muss der Abstand eines Planeten zu seinem Stern genau richtig sein. Denn ohne Temperaturen, die flüssiges Wasser ermöglichen, ist die Entstehung von Leben so ziemlich ausgeschlossen. Ist es auf der Oberfläche weder zu heiß noch zu kalt, befindet sich der Planet in der sogenannten habitablen Zone, dem Abstand zum Stern also, in dem es sich Leben ließe. Aber könnten sich Kepler16b und die anderen Planeten dieses Doppelsternsystems in einer lebensfreundlichen Zone um gleich zwei Sterne befinden? Cut 6: Wilhelm Kley „Ja, es ist durchaus möglich – gerade weil sie auch stabil sind -, dass die Planeten dort sich in der habitablen Zone befinden, d. h. in einem Bereich, wo die Temperaturen einigermaßen moderat sind, so dass wir flüssiges Wasser haben können. Man muss dabei nur bedenken, dass durch die Anwesenheit des zweiten Sterns die Bahnen nicht so kreisförmig sind, wie wir es aus dem Sonnensystem kennen.“ Text 5: Autor Auch die Bahn des Planeten Erde ist nicht perfekt kreisförmig. Dennoch befindet sich die Erde permanent in der habitablen Zone des Sonnensystems, hat also ständig den richtigen Abstand zur Sonne, auch wenn dieser leicht schwankt. Doch – andere Welten, andere Sitten: 3 Cut 7: Wilhelm Kley „Durch die Störung der beiden anderen Sterne kann die Bahn deformiert sein, so dass sie etwas exzentrischer ist, etwas eiförmiger wird, so dass der Planet periodisch aus dem Bereich der Habitabilität herauswandern kann und wieder herein wandern kann, d. h. wir haben nicht eine Konstantheit des Klimas, so wie wir es von der Erde her kennen.“ Text 6: Autor Und dies könnte eine Herausforderung sein für Leben auf Kepler-16b. Es müsste sich permanent wechselnden klimatischen Bedingungen anpassen. Ob das realistisch ist, wissen Astrophysiker nicht. Sicher ist: Es gibt solche Exoplaneten, die möglichem Leben eine gewisse Flexibilität abverlangen. Sie heißen Super-Erden, erklärt Alessandro Morbidelli. Der italienische Astronom untersucht am Observatorium der Cȏte d'Azur in Nizza speziell die Entstehung von Planeten und deren Wanderungsbewegungen – auch die von Super-Erden. Cut 8: Alessandro Morbidelli „A Super Earth is a planet that has a mass comparable to the Earth‟s mass, a little bit bigger than the Earth‟s mass, in general between one and ten Earth masses; can go up to 20. And these kind of planets are discovered very frequently around other stars. And it‟s estimated that about half of the stars do have this kind of planets. And a striking characteristics is that the orbital radius of this planet is very small. These planets orbit their star at a distance that is smaller than the distance of Mercury from the sun.” Voice over Sprecher 2: Eine Super-Erde ist ein Planet, der bis zu 20mal so viel Masse hat wie die Erde. Solche Planeten entdecken wir ständig. Wir schätzen, dass ungefähr die Hälfte aller Sterne über diesen Typ von Planet verfügt. Ihn zeichnet aus, dass er seinen Stern in einer Entfernung umkreist, die geringer ist als der Abstand Merkurs von der Sonne. Text 7: Autor Merkur ist der sonnennächste Planet. Er liegt weit außerhalb der habitablen Zone des Sonnensystems, weil er viel zu nah an der Sonne und es auf ihm deswegen viel zu heiß ist. Doch auch wenn Super-Erden noch näher an ihren Zentralgestirnen sind, können sie trotzdem noch innerhalb der bewohnbaren Zone liegen. Cut 9: Alessandro Morbidelli „It depends on the mass of the star. <> There are Super Earths observed around stars which are less massive than the sun, so less luminous. <> And then actually where these Super Earths are observed is right around the habitable zone for those stars. So there are habitable Super Earths.” Voice over Sprecher 2: Es hängt von der Masse des Sterns ab. Wir haben Super-Erden beobachtet um Sterne, die weniger Masse haben als die Sonne. Und damit leuchten sie auch schwächer. Somit befinden sich die Super-Erden in diesen Systemen exakt in der habitablen Zone, weil sie aufgrund der schwächeren Leuchtkraft des Sterns näher 4 beim Stern liegen. Bei diesen Planeten handelt es sich also um bewohnbare SuperErden. Text 8: Autor Ein kleiner Planet nahe bei einem großen Stern dürfte wahrscheinlich das gleiche Schicksal erfahren, das den Mond ereilte: Irgendwann hat die massereichere Erde die Eigendrehung des Mondes so weit abgebremst, dass er ihr heute immer die gleiche Seite zuwendet. Wir sehen nie die Mond-Rückseite. Cut 10: Alessandro Morbidelli „These planets probably always show the same face to the star because of tides. So on average the temperature is a mild one, but actually you have half of the planet where it‟s noon all the time, where it‟s probably hot all the time, and half of the planet where it‟s midnight all the time and therefore it‟s probably very cold. Whether or not the planet is really habitable or not depends on its atmosphere, if the atmosphere can spread the temperature, the energy around and may uniformize the temperature on the planet.” Voice over Sprecher 2: Diese Planeten wenden ihrem Stern wahrscheinlich immer die gleiche Seite zu. Die Durchschnittstemperatur auf ihrer Oberfläche mag also lebensfreundlich sein. Auf der sternzugewandten Seite einer solchen Super-Erde ist es jedoch immer Mittag und immer heiß. Auf der sternabgewandten ist es immer Mitternacht und immer kalt. Die Atmosphäre entscheidet darüber, ob solch eine Welt bewohnbar ist oder nicht. Vielleicht vermag sie es, die Wärme gleichmäßig über den Planeten zu verteilen, so dass die Temperaturen überall ähnlich sind. Cut 11: Atmo Wind darüber Text 9: Autor Es gibt nur eine Möglichkeit, die Atmosphäre eines Planeten richtig schön durchzuwirbeln, so dass die Temperaturen sich überall angleichen: mittels Wind. Hier lässt sich vom Verhalten der irdischen Atmosphäre ganz leicht auf die Bedingungen auf Super-Erden schließen, meint der Direktor des Zentrums für Weltraum und Habitabilität der Universität von Bern, Kevin Heng. Cut 12: Kevin Heng „You can make maps of these <exoplanets‟> atmospheres currently, with the current technology, and looking at the maps tells us that the way that the temperature is distributed that there must be some kind of wind activity. <> So people have actually directly measured the speed of the wind on one of these exoplanets. <> They are horribly fast. The temperature is like more than a thousand degrees. <> And the winds are 2 km/s.” Voice over Sprecher 1: Wir sind mittlerweile in der Lage, Karten der Atmosphären von Super-Erden zu erstellen. Die Temperaturverteilung auf diesen Karten verrät uns, dass dort Wind wehen muss. Von einem Exoplaneten konnten wir sogar die Windgeschwindigkeit 5 messen. Die Temperaturen von mehr als tausend Grad werden dort von Winden verteilt, die zwei Kilometer pro Sekunde schnell sind. Text 10: Autor Super-Erden also haben Einiges zu bieten. Dumm nur, dass sie so weit weg sind. Oder anders herum: Warum gibt es eigentlich keine Super-Erden im Sonnensystem? Merkur, Venus, Erde und Mars sind die Gesteinsplaneten im Sonnensystem; Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun die Gas- und Eiswelten. Himmelskörper dieser beiden Kategorien – Gas- und Gesteinsplaneten – haben Astronomen auch um andere Sterne gefunden. Beide Planetentypen sind weit verbreitet – genau wie die SuperErden. Nur direkt vor unserer kosmischen Haustür, da gibt es komischerweise keine Super-Erden. Alessandro Morbidelli vom Observatoire de la Cȏte d'Azur hat eine mögliche Erklärung. Cut 13: Alessandro Morbidelli „The main difference is that in our solar system we have giant planets. It‟s actually observed that where there are Super Earths in general there are no giant planets. So the giant planets may be an obstacle to Super Earth formation in several ways. They can intercept the flux of solids from the outer part of the disc which is the major reservoir of solids to the inner part. So the inner part remains deficient in solids and can only grow small planets, like the solar system.” Voice over Sprecher 2: Der wesentliche Unterschied zwischen dem Sonnensystem und anderen Planetensystem ist: Bei uns gibt es Riesenplaneten wie Jupiter und Saturn. Wir haben beobachtet, dass Super-Erden meistens nur dann vorkommen, wenn es keine Gasriesen gibt. Sie scheinen der Bildung von Super-Erden im Weg zu stehen. Sie können all das Material im äußeren Sonnensystem abfangen, aus dem sich ansonsten eine Super-Erde bilden würde. Deshalb können im inneren Planetensystem nur kleine Himmelskörper entstehen, so wie im Sonnensystem. Cut 14: Musik aus Interstellar (Day One – Hans Zimmer, CD Interstellar Soundtrack, Sony Music, 2014, LC 06868) darüber Text 11: Autor Nicht nur der Krieg der Sterne und seine Sicht auf das Weltall sind mittlerweile von der Wirklichkeit eingeholt. Die Star Wars-Filmreihe begann neun-zehn-hundertsieben-und-siebzig – zu einer Zeit, als noch nicht einmal das Wort „Exoplanet“ existierte. Den ersten seiner Art entdeckten Wissenschaftler neun-zehn-hundert-fünfund-neunzig. Das ist gute zwanzig Jahre her. Zwei-taused-vier-zehn kam Interstellar in die Kinos. In diesem Film benutzen Astronauten ein Wurmloch als Abkürzung, um zu einer weit entfernten Super-Erde zu reisen. über Musik Cut 15: aus Interstellar / InterstellarMillersPlanet.wav („Da ist Millers Planet!“) 6 über Musik Text 12: Autor Kleinere Himmelskörper wie der Mond oder der Mars verfügen über weniger Masse und daher weniger Schwerkraft als die Erde. Daher konnten sich die ApolloAstronauten hüpfend über den Mond bewegen. Bei einer Super-Erde à la Millers Planet wäre das Gegenteil der Fall. über Musik Cut 16: aus Interstellar / InterstellarMillersPlanet.wav („Die Schwerkraft ist anstrengend.“ – „Zu lange durch‟s All geschwebt?“ – „130 % Erdgravitation.“) über Musik Text 13: Autor Das Gehen fällt schwer, wenn der eigene Körper mehr wiegt als auf der Erde. Doch mit dem Gehen dürfte das auf den meisten Super-Erden sowieso so eine Sache sein, meint Alessandro Morbidelli aus Nizza. über Musik Cut 17: Alessandro Morbidelli „Most of the Super Earths are probably water worlds. Because for some of them we know the mass and the radius so we know the mean density. And the mean density is low. That means that these planets are not just made of rocks. They must have a substantial amount of water.” Voice over Sprecher 2: Die meisten Super-Erden sind wahrscheinlich Wasserwelten. Von einigen kennen wir die Masse und ihren Radius. Daraus können wir ihre mittlere Dichte ableiten. Und die ist gering. Das bedeutet, dass diese Planeten nicht nur aus Gestein bestehen können. Sie müssen über einen ganz erheblichen Anteil von Wasser verfügen. über Musik Cut 18: aus Interstellar („Wo ist der Rest?“ – „In Richtung Berge“ – „Das sind keine Berge. Das sind Wellen.“ Start) darüber Text 14: Autor Millers Planet – eine Welt aus Wasser. Für die Entstehung von Leben wären solche Himmelskörper sicherlich ideal. Denn die meisten Astrobiologen gehen davon aus, dass das Leben auf der Erde in den Ozeanen entstand, und dass flüssiges Wasser auch eine Bedingung für die Entstehung von Leben anderswo ist. Doch egal ob mit oder ohne Wasser – das Leben auf einer Super-Erde dürfte es schwer haben, vermutet der Astrophysiker und Pionier der Exoplanetenforschung Artie Hatzes vom Karl-Schwarzschild-Observatorium. Von dieser Beobachtungsstation der Thüringer Landessternwarte Tautenburg aus blicken Astronomen seit den früher sechziger Jahren hinaus ins All. Seit zwei-tausend-fünf gibt es hier auch ein spezielles Fernrohr für die Suche nach Exoplaneten. Cut 19: Artie Hatzes „The problem is when you have such a massive planet, the gravity is very hard. You might have simple life, microorganisms, cells, but advanced life forms like mammals, creatures that can stand upright – we don‟t know, because the gravity would be very, very strong. And what kind of creatures would this be?” 7 Voice over Sprecher 1: Das Problem ist: Auf einem so massiven Planeten ist die Gravitation sehr hoch. Es könnte durchaus primitives Leben geben, Zellen, Mikroorganismen; aber höher entwickelte Lebensformen wie Säugetiere oder ganz generell Wesen, die aufrecht stehen können – ob das möglich wäre, das wissen wir nicht. Die Schwerkraft ist nun einmal sehr stark. Welche Art von Leben würde sich dem entgegenstellen können? Text 15: Autor Wesen, die nahe am Boden leben. Das wären dann in der Tat keine höher entwickelten, wie das Leben auf der Erde zeigt. Und so suchen die Astronomen weiter – nach einer zweiten Erde, nach Super-Erden und nach sogenannten Hot Jupiters, Gasplaneten also, die nahe an ihrem Stern und daher sehr heiß sind. Von vielen kennen Wissenschaftler bereits die Masse, ihre Größe, ihre Anziehungskraft und ihre Temperatur. Es ist bekannt, ob auf ihnen Wind weht und wie weit sie von ihrem Stern entfernt sind. Und das, obwohl Exoplaneten so gut wie immer unsichtbar sind. Sie sind viel zu weit entfernt, um selbst mit den besten Fernrohren gesehen werden zu können. Woher also beziehen Astronomen ihr Wissen? Richard Nelson erforscht an der Schule für Physik und Astronomie der Queen Mary University of London wie Planetensysteme entstehen und welche Dynamik es in ihnen gibt. Cut 20: Richard Nelson „The transit method works of course by a planet going in front of his star, blocking out his light. If you know how big the star is – and we know pretty well how big stars are and what their masses are – but if we know the character of a star and we see a planet transiting in front of the star, then that tell us a lot about the planet. In particular it tells us about the radius of the planet. We can get that directly. We can also look at how often that planet transits in front of its star. That gives us its orbital period.” Voice over Sprecher 2: Mittels der Transit-Methode können wir den Radius eines Planeten bestimmen. Wenn er – von der Erde aus gesehen – vor seinem Stern vorbeizieht, blockiert er einen Teil des Sternenlichts. Aus dieser Abdeckung können wir die Größe des Exoplaneten ableiten. Die Häufigkeit dieser Passage vor dem Stern verrät uns etwas über die Umlaufbahn des Planeten. Text 16: Autor Schließlich übt auch der kleinere Planet eine Anziehungskraft auf den viel größeren Stern aus – so wie die Erde den Mond zwar gravitativ an sich bindet, der kleinere Mond aber im Gegenzug die Gezeiten auf der Erde auslöst. Genauso lässt der Exoplanet den Stern leicht um einen gemeinsamen Schwerpunkt tanzen. Aus diesen Abweichungen können Astronomen wiederum auf die Masse des Planeten schließen. Und mit der Masse, dem Radius und der Dichte lässt sich ein gutes Profil des Planeten erstellen. Cut 21: Richard Nelson „Then you know the mass, you know the radius, you know the density. If you know all three you have a very good idea of what the planet is made of.” 8 Text 17: Autor Gerade die Dichte ist entscheidend, um Aussagen über weit entfernte Himmelskörper treffen zu können. Die Gasriesen des Sonnensystems, Jupiter und Saturn, haben etwa die Dichte von Wasser – eine Tonne pro Kubikmeter. Ein Kubikmeter Wasser wiegt eine Tonne, und ein Kubikmeter von Jupiter und Saturn würde eine Tonne wiegen. Cut 22: Richard Nelson „If you take the Earth though, made out of rock and metal, basically iron and nickel in the core and rocky material on the outside, then the mean density of the Earth is about 5000 kg per cubic meter, 5times that one of Jupiter and Saturn. So if you find a planet where we can see the transit – so we can measure the radius of the planet -, if we can measure its mass from the radial velocity technique, we can find its density and we can determine what its internal composition really is, whether it‟s rocky and metal or whether it‟s gaseous like Jupiter and Saturn.” Voice over Sprecher 2: Die Erde hingegen, die aus Gestein und Metallen besteht, hat eine Dichte von etwa fünf Tonnen pro Kubikmeter. Das ist fünfmal so dicht wie die Gasplaneten. Wenn wir also anhand des Transits eines Exoplaneten vor seinem Stern seinen Radius bestimmen können und durch seine Anziehung seine Masse, erhalten wir die Dichte und vergleichen sie mit der von Erde, Jupiter und Saturn. Text 18: Autor Damit können Astronomen sagen, ob es sich bei größeren Himmelskörpern um Gasplaneten oder um Super-Erden handelt. Die einen kommen für Leben nicht in Frage, bei den anderen wäre es zumindest theoretisch möglich. Aber in zwei Jahrzehnten Exoplaneten-Forschung haben die Wissenschaftler noch mehr begriffen: Zwar können sie die Exoplaneten nicht sehen. Ihr Schwerkrafteinfluss aber erlaubt Rückschlüsse auf ihre Existenz, auf ihre Umlaufbahnen und auf ihre Anzahl. Cut 23: Richard Nelson „You get a complex wobble if you have more than one planet. There are many planetary systems we know about where we see complex wobbles of the star. <> For one planet it would look very simple motion. It would just go around in a very regular way. And then if you start to detect a complex motion that would give you an alert that there‟s probably more than one planet in that system. <> But the star is not going around the center of mass in a circular orbit anymore. <> There are systems where people are claiming five or six planets <>. If you get enough data you can really detect the signal of many planets in those systems.” Voice over Sprecher 2: Das Pendeln des Sterns fällt stärker aus, wenn mehrere Planeten an ihm ziehen. Wir kennen mittlerweile viele Planetensysteme, in denen wir komplexe Eigenbewegungen des Sterns im Zentrum beobachten. Bei einem Planeten wäre das Taumeln ziemlich gleichmäßig. Wird er aber von mehr als einem Planeten umkreist, ist seine Bewegung unregelmäßig. Astronomen wollen bereits fünf oder sechs Planeten um einen Stern ausgemacht haben. Wenn wir genügend Daten haben, 9 können wir wirklich die Spuren von mehreren Planeten und ihrer Schwerkrafteinflüsse in einem Sternensystem nachweisen. Die Forscher mussten auch lernen, ihren Blick für das scheinbar unscheinbare Treiben im All zu schärfen. Artie Hatzes von der Thüringer Landessternwarte Tautenburg zieht dafür einen Vergleich: Cut 24: Basketballatmo / Volksfest darüber Cut 25: Artie Hatzes „If you go to a basketball game, <> – who are the first people you are going to notice? These men that are two meters five on the court. They are giants. They are the first people you are going to see. If they walk in a crowd they will be the first ones you spot because they are the easiest ones to see. The smaller people – you have to look carefully to find them.” Voice over Sprecher 1: Wenn Sie zu einem Basketballspiel gehen – wer sind die ersten Menschen, die Sie wahrnehmen? Es sind die Männer auf dem Spielfeld, die mehr als zwei Meter hoch sind. Das sind Giganten. In jeder Menschenmenge werden sie diejenigen sein, die zuerst auffallen, weil sie einfach am leichtesten auszumachen sind. Nach den kleineren Leuten müssen Sie sich schon etwas länger umsehen. über Atmo Text 19: Autor Artie Hatzes vom Karl-Schwarzschild-Observatorium fühlt sich beim Besuch eines Basketballspiels so fremd wie in den Weiten des Weltalls – umgeben von Giganten, rundherum. Die langen Kerle auf dem Court, das sind in seiner Welt die Exoplaneten, die den Wissenschaftlern bislang aufgefallen sind. Cut 26: Artie Hatzes „So with exoplanets, it could be that the planets we‟ve found – the reason they are so easy to find is because they are so strange. And what we need to find is the normal planets, maybe the planetary systems like we are. And I think that in terms of finding these the most of them are undiscovered.” Voice over Sprecher 1: Vielleicht ist der Grund dafür, dass wir bislang so viele merkwürdige Exoplaneten gefunden haben und keine zweite Erde eben gerade die Tatsache, dass sie so ungewöhnlich sind. Sie fallen einfach auf. Viel lieber würden wir „normale“ Planetensysteme finden, die unserem ähneln. Die sind aber größtenteils noch unentdeckt. Text 20: Autor Die meisten bislang bekannten Exoplaneten sind entweder zu groß oder zu heiß. Oder beides. Doch gerade die großen, die sich nahe an ihrem Stern befinden, lassen sich nun einmal am einfachsten nachweisen. Über die wirkliche Häufigkeit und die Verteilung von Planeten im Weltall sagt dies noch gar nichts aus. 10 Cut 27: Artie Hatzes „People always ask me, „why should we be looking for so many more planets?‟ And the problem is <> we‟ve measured or we‟ve found only the tip of the iceberg. <> You see a very small tip of the iceberg over the water. Most of the mass and the size of the iceberg is under water.” Voice over Sprecher 1: Die Leute fragen mich immer, ‚warum sollen wir immer noch weitersuchen? Habt Ihr noch nicht genug Exoplaneten gefunden?„ Wir haben aber nur die Spitze des Eisbergs entdeckt. Und sechs Siebtel eines Eisbergs und damit der größte Teil seiner Masse und seiner Größe befinden sich unter Wasser. Text 21: Autor Vier-tausend – ist gar nichts. Fünf-tausend auch nicht. Gemäßigte Schätzungen gehen von mehreren Milliarden Planeten allein in der Milchstraße aus. Cut 28: Artie Hatzes „To explore the bottom of the iceberg, you need special equipment. You need a submarine, you need divers … It‟s the same with exoplanets. To find these other exoplanets require special instruments, big telescopes, telescopes in space – these are very expensive instruments that cost a lot of money, and it takes years to develop. That‟s why it‟s going to take longer time to find these planets what I call „normal‟.” Voice over Sprecher 1: Um diesen unteren Teil des Eisberges zu untersuchen, benötigen wir spezielle Ausrüstung. Wir brauchen ein U-Boot, Taucher und so weiter. Bei Exoplaneten ist es genauso. Größere Teleskope und Teleskope im All sind nötig, um den weitaus größten Teil von Exoplaneten aufzuspüren. Das kostet aber Geld. Und es dauert Jahre, solche Instrumente zu entwickeln. Deshalb wird es lange dauern, ehe wir solche „normalen“ Planetensysteme finden werden. Text 22: Autor Solange weitere „normale“ Planetensysteme nicht gefunden werden, ist es schwierig für die Wissenschaft, den Platz der Erde im All einzuordnen. Wie herausgehoben ist das Sonnensystem? Sind wir eines von vielen? Oder was zeichnet die Sonne und ihre acht Planeten aus? Die Europäische Weltraumagentur arbeitet derzeit an PLATO. Diese Mission soll in den zwei-tausend-zwanziger Jahren mit der Suche nach Exoplaneten beginnen. Vielleicht kann sie etwas Ordnung in diese kosmische Vielfalt bringen. Eigentlich gibt es mehr Fragen als Antworten, je fündiger die Wissenschaftler werden. Nach neuesten Messungen bewegen sich etwa ein Drittel aller Planeten „falsch“ um ihren Stern, also entgegen der Bewegungsrichtung aller anderen Objekte in dem entsprechenden System. Dies widerspricht den herkömmlichen Theorien zur Entstehung von Planeten aus einer Gas- und Staubscheibe. Wie kann das sein? Artie Hatzes von der Thüringer Landessternwarte hat auch keine Erklärung: 11 Cut 29: Artie Hatzes „We still don‟t know if our solar system is normal. One of the great driving questions and one of the questions I want to answer myself is how unique is our solar system? <> We‟ve yet to find one like that. And we don‟t know if that is because we are special. My personal feeling is that they are out there; they are just very difficult to find. But we don‟t know if we are special yet.” Voice over Sprecher 1: Wir wissen immer noch nicht, ob unser Sonnensystem der Normalfall ist. Eine der Hauptfragen, die uns bewegt, ist die, ob das Sonnensystem etwas Besonderes ist oder nicht. So ein Planetensystem wie das unsere zu entdecken, ist etwas, das wir noch vor uns haben. Mein persönliches Gefühl sagt mir: Es gibt sie. Aber sie sind schwer zu finden. Aber vorher werden wir nicht wissen, ob wir etwas Spezielles sind. Text 23: Autor Aber vielleicht müssen Astronomen gar nicht in die Ferne schweifen. Denn das Interessante könnte auch ganz nah liegen. Der Stern Proxima Centauri trägt seinen Namen, weil er der Stern ist, der der Sonne am nächsten ist. Mit Nähe ist das im All jedoch so eine Sache: Er ist immer noch mehr als vier Lichtjahre entfernt. Sein Licht ist also länger als vier Jahre unterwegs, bevor es die Erde erreicht. Und dennoch ist der Nachbar der Sonne vor wenigen Monaten mit einem Schlag interessant geworden: Cut 30: Anglada-Escudé „We have found a planet around Proxima Centauri. The planet is in an orbit of 11.2 days.” Text 24: Autor Ein europäisches Astronomenteam hat einen Planeten um Proxima Centauri entdeckt. Er umkreist seinen Stern alle elf komma zwei Tage. Ein Jahr auf diesem Planeten dauert also nur wenig mehr als elf Tage. Proxima b – so der Name des neuen Planeten - hat sich bislang nur indirekt bemerkbar gemacht, durch Schwankungen seines Sterns Proxima Centauri. Proxima b ist demnach ein wenig größer als die Erde. Dies hat das Forscherteam berechnet, zu dem auch Ansgar Reiners vom Institut für Astrophysik der Universität Göttingen gehört – und siehe da: Cut 31: Ansgar Reiners „This planet is most likely what we call a terrestrial planet. That means we believe it has a surface. It is not a gas giant or a gas planet or whatever it could be. Do we know anything about the atmosphere or the water? We don‟t. We have no further information about this planet. <> Whether it has water or not, we don‟t know.” Voice over Sprecher 2: Der Planet ist sehr wahrscheinlich erdähnlich. Das heißt, er hat eine feste Oberfläche. Er besteht also nicht aus Gas. Wir wissen aber nicht, ob er eine Atmosphäre hat und ob es auf ihm flüssiges Wasser gibt. 12 Text 25: Autor Zwar umkreist Proxima b seinen Stern in einem noch kleineren Abstand als im Sonnensystem der innerste Planet Merkur die Sonne. Da es sich bei Proxima b jedoch um einen kleineren Stern handelt als die Sonne, einen sogenannten Roten Zwerg, liegt die lebensfreundliche Zone dieses Systems näher am Stern. Ob Proxima b überhaupt eine Atmosphäre hat, ist ungewiss. Seine extrem langsame Eigendrehung macht auch ein Magnetfeld unwahrscheinlich, das von einer Art Dynamo im Innern eines sich drehenden Planeten erzeugt wird. Solch ein Magnetfeld wäre nötig, um die elektromagnetische Strahlung des nahen Sterns abzulenken. Nur so wäre letztlich Leben möglich. Noch sind viele Fragen rund um die „zweite Erde“ Proxima b unbeantwortet. Eigentlich sind sich die Forscher noch nicht einmal darüber im klaren, ob Proxima b überhaupt als „zweite Erde“ taugt. Cut 32: Heike Rauer „Ja, eigentlich, in den letzten Jahren, fast jedes Jahr wieder – wir haben dieses Jahr eine große Schlagzeile gehabt in einem großen bekannten Zeitungsjournal, und vor einem Jahr eine ganz ähnliche Schlagzeile. Die Ankündigung der ‚zweiten Erde„ ist sehr beliebt, um doch Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit zu erregen, alle Jahre wieder.“ Text 26: Autor Heike Rauer arbeitet am Institut für Planetenforschung beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Berlin-Adlershof. Zur Planetenforschung gehören eben auch exosolare Planeten und damit mögliche „zweite Erden“. Cut 33: Heike Rauer „Wenn wir heute die ‚zweite Erde„ wieder angekündigt bekommen, dann ist das leider so, <> man findet einen Planeten, der entweder sehr klein ist <> oder man findet <> einen Planeten <> in dem Abstand von einem Stern, dass man sagt, der könnte habitabel sein wenn es ein Gesteinsplanet ist und wenn er die richtige Atmosphäre hat – Sie merken, ‚wenn, wenn„ -, <> dann könnte da auch flüssiges Wasser an der Oberfläche sein. <> Deswegen sind viele der Ankündigungen der ‚zweiten Erden„ <> oft ein bisschen optimistisch.“ Cut 34: Musik aus Interstellar (Dreaming of the Crash – Hans Zimmer, CD Interstellar Soundtrack, Sony Music, 2014, LC 06868) darüber Text 27: Autor Europas Astrophysikerteam hat bereits angedeutet, rund um Proxima Centauri womöglich weitere Planeten entdeckt zu haben. Nächstes Ziel sei nun, ein Foto von Proxima b zu schießen. Denn das Licht dieses Planeten sagt etwas über seine mögliche Atmosphäre aus. Auch der Astronom Manfred Gaida erforscht am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt andere Welten in den Tiefen des Alls, und zwar am Bonner Standort des DLR. Er hat eine Idee, wie es weitergehen könnte. Cut 35: Manfred Gaida „Man könnte Signale hinschicken. Man könnte dann, wenn man Planeten gefunden hat, bei denen man lebensfreundliche Atmosphären gefunden hat <>, dann könnte man auch ´mal hingehen, <> ganz gezielt – was man bislang immer so wahllos 13 gemacht hat – ´was hin senden per Funk, lauschen <>, ob da ´ne Antwort kommt – wer weiß.“ (hochziehen) Cut 34: Musik aus Interstellar (Dreaming of the Crash – Hans Zimmer, CD Interstellar Soundtrack, Sony Music, 2014, LC 06868) ******************** 14
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