Autobiografie einer Zeugin

Danksagung
Für Laura.
Einen besonderen Dank an Pitti für seine Unterstützung an dieser Stelle.
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Hinweis
Die Autorin hat sich bemüht, die Korrektheit und die Informationen in diesem Buch zu
gewährleisten.
Die Geschehnisse basieren auf Erinnerungen der Autorin.
Zum Schutz der Privatsphäre wurden die Namen der beteiligten Personen verändert.
Impressum
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M.Winter
c/o AutorenService.de
König-Konrad-Str.22
36039 Fulda
[email protected]
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Vorwort
Der oder die Zeugin ist derjenige, der eine ganz andere Sicht der Dinge hat als der Richter
oder der Staatsanwalt.
Denn er war entweder beim Tatgeschehen dabei oder hat aber seine Informationen aus erster
Hand.
Er ist aber auch derjenige, der absolut nichts zu entscheiden hat, und darf nur auf das antworten, wozu er befragt wird.
Er befindet sich in einer denkbar schlechten, passiven Position.
Dann gibt es noch den Rechtsanwalt oder Pflichtverteidiger. Er ist derjenige, der die Spuren
zu verwischen versucht, derjenige, den die Wahrheit nicht interessiert.
Der, der sich gegen Bezahlung vor Gericht gegen das Opfer stellt und ausschließlich die Interessen des Angeklagten vertritt. Das Opfer ist ihm dabei meist völlig gleichgültig. Sein Bestreben ist es, das Beste für seinen Mandanten zu erreichen. Ihm geht es fast ausschließlich darum, den Fall zu gewinnen, und der Zeuge ist dabei sein potenzieller Gegner, zumindest, wenn
er nicht der Zeuge der Verteidigung ist.
Zwischen den Fronten, Richter, Staatsanwalt und Verteidigung, befindet sich der Zeuge, ohne
Rechte und nur alleine auf sich gestellt. Er ist all dem schutzlos ausgeliefert. Woher nimmst
du die Gewissheit, dass es dir nie passieren wird?
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Sommer 2000
Klick, klack …
Die Schritte, meine Schritte hallten durch die langen Gänge. Die hohen Decken warfen ein
leises Echo zurück.
Der frisch gewachste Linoleumboden strahlte einen Hauch von Sauberkeit aus und unterstrich
auf absurde Weise die ureigene Trostlosigkeit dieses Gerichtsgebäudes.
Die abblätternde weiße Farbe der Wände und das kalte Licht der Neonröhren verstärkten diesen Eindruck noch. Versöhnlich lugten einige Sonnenstrahlen des frühen Morgens durch die
staubigen Holzfenster und versprachen einen sonnigen Tag.
Ich war sehr zeitig dran und hatte noch eine gute halbe Stunde Zeit bis zu meinem Gerichtstermin, in dem ich als Zeugin aussagen sollte.
Obwohl ich dieses Prozedere seit Jahren kannte, machte sich auch dieses Mal eine Mischung
aus Wachsamkeit und Furcht in mir breit. Es fröstelte mich trotz der wärmenden Jacke und
dem Wollschal, die beide nicht wirklich zu diesem beginnenden Sommertag passten.
Der Verhandlungsraum lag im zweiten Stockwerk und ich hatte das Treppenhaus gewählt.
Auf diese Art wollte ich vermeiden, mit Michael Block, dem Angeklagten, in einem der kleinen Aufzüge zusammenzutreffen. Nach kurzem Suchen des Saales 221 setzte ich mich auf die
hölzerne Bank gegenüber der verschlossenen schweren Eichentür zum Sitzungssaal. Es war
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weiter noch niemand da, weder ein Reporter noch jemand von der Presse, was mich nach all
den langen Jahren der ständig wiederkehrenden Prozesse jedoch nicht mehr verwunderte.
Auch Michael Block und seine neue Frau waren noch nicht eingetroffen. Da ich nicht still
sitzen konnte, stand ich auf, um ans Fenster zu treten, welches auf einen grünen Innenhof gerichtet war.
Mehrere junge Birken wiegten sich im leichten Wind. Ihr helles leuchtendes Grün bildete
einen strahlenden Kontrast zu den alten Gemäuern. Ich ließ meine Gedanken schweifen und
versuchte, für den Augenblick zu vergessen, wo ich mich befand. Versunken in Erinnerungen
bemerkte ich Herrn Rechtsanwalt Wotan erst, als er direkt neben mir stand. Er war der Verteidiger von Michael Block und er war einer der Besten und das nicht nur in Hamburg.
Wir begrüßten uns freundlich und auf bizarre Weise war er mir vertraut. Nebeneinander stehend schauten wir nun beide aus dem Fenster.
Ich sprach zuerst, ohne ihn dabei anzusehen: „Wann hört das endlich auf? Wie viele Jahre
noch?“
Seine Antwort kam nicht zögerlich, sondern schnell und sicher: „Heute, heute wird es vorbei
sein, es wird kein nächstes Mal geben.“
Ich drehte mich zu ihm und sah ihm direkt in die Augen. „Sie glauben wirklich, was Sie da
sagen? Es wird nie vorbei sein! Ich weiß es.“
Er sah mich wortlos an und drehte sich Michael Block entgegen, der am Ende des Flures zu
erkennen war. Einige Minuten später saßen wir im Verhandlungsraum. Es war kein Gerichtssaal, sondern eher ein kleiner Raum. Es gab auch kein Publikum. Die Anzahl der Personen
war sehr übersichtlich. Anders als in den vorhergegangenen Verhandlungen wurde die Anklage nicht vorgelesen. Der Richter erzählte in Kurzform, worum es ging, und mein Rücken
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spannte sich an, ich war bereit wie all die Jahre zuvor. Um auf die mir gestellten Fragen von
Richtern, Staatsanwälten oder Verteidigern zu antworten.
Und dann passierte etwas, womit ich nicht gerechnet hatte, nicht darauf vorbereitet war. Ich
hörte den Richter sagen: „Nach vierzehn Jahren kann man nicht erwarten, dass die Zeugin
sich noch erinnern kann. Damit wird der Fall zum Nachteil der getöteten Rita Block als nicht
aufgeklärt geschlossen. Hiermit ist die Verhandlung beendet.“
Das Zuklappen der Akte dröhnt noch heute in meinen Ohren. Ich schaute den Richter ungläubig an und sagte: „Fragen Sie mich, bitte fragen Sie, ich weiß doch noch alles!“
Aber sie standen auf, der Richter und der Staatsanwalt, Michael Block und sein Verteidiger
Wotan. Ich blieb noch einen Moment benommen sitzen und die Stille wurde immer lauter. Ich
war nicht in der Lage, das eben Geschehene zu begreifen, als ich langsam zum Ausgang ging.
Dort stand Rechtsanwalt Wotan und als ich an ihm vorbeiging, hörte ich ihn leise zu mir sagen: „Es ist vorbei, habe ich doch gesagt.“
Alles in mir schrie lautlos auf, aber meine Lippen blieben stumm. „Nein, es ist nicht vorbei,
es waren vierzehn Jahre meines Lebens!“
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Januar 1986
Wie ich Michael Block kennenlernte
Es war eine dieser sternenklaren Februarnächte im Jahre 1986. Ich konnte nicht schlafen, obwohl die Zeiger der Wohnzimmeruhr mich mahnten, dass die Nacht bald vorüber sein würde.
Von der dritten Etage meiner Zwei-Zimmer-Wohnung aus schaute ich vom Balkon auf das
noch verschlafene Hamburg. Im Nebenzimmer schlief tief und fest Laura, meine fünfjährige
Tochter. Seit einigen Wochen ging sie in den Kindergarten. Es war sehr schwer, alleinerziehend zu sein und Arbeit und Kind unter einen Hut zu bekommen.
Bevor sie in den Kindergarten ging, wurde sie von Tagesmüttern betreut, denn der Frühdienst
im Altenheim begann schon um sechs Uhr und so mussten wir spätestens um fünf Uhr aus
dem Haus, damit ich rechtzeitig auf der Arbeit sein konnte. Ich hatte oft ein schlechtes
Gewissen, sie aus dem Schlaf reißen zu müssen, um sie abzugeben.
Auch meine Spätdienste sowie die Wochenenddienste waren von den Arbeitszeiten her so ungünstig, dass die Öffnungszeiten der Kindergärten nicht zu meinem Dienstplan passten. Mein
Zeitvertrag war jedoch zum Jahresende ausgelaufen und ich versuchte, etwas Positives daran
zu sehen, nun arbeitslos zu sein.
Mehr Zeit für Laura und die nächste Arbeitsstelle sollte kindgerechte Arbeitszeiten haben.
Das war mein größter Wunsch für uns beide.
Laura war ein aufgewecktes, aber schüchternes Mädchen. Sie kuschelte für ihr Leben gerne
und liebte es wie alle Kinder, wenn man ihr Geschichten erzählte. Unsere Beziehung war sehr
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intensiv und innig, bestand unsere Familie doch nur aus uns beiden. Lauras Vater fühlte sich
zu jung, um Vater zu sein, und so drehte er uns bereits während meiner Schwangerschaft konsequent den Rücken zu.
Er weigerte sich, sie überhaupt kennenzulernen, und wollte absolut keinen Kontakt zu uns haben. Er war kein Abenteuer gewesen, wir waren sogar einmal verlobt. So musste ich zwei
Jahre jünger als er versuchen, beide Elternteile für Laura zu ersetzen.
Wenn man aber in Vollzeit arbeitete, hatte man selten das Gefühl, alles richtig zu machen,
und sehr oft hatte mich das schlechte Gewissen auf dem Weg zur Arbeit begleitet.
Der Wecker klingelte. Ich hatte das Gefühl, eben erst eingeschlafen zu sein, und nun riss mich
dieses kleine, aber laute Ungetüm aus meiner zur kurzen Nachtruhe. Wecker, den ganzen Tag
über beachtete man sie nicht, aber dann, wenn man nicht mit ihnen rechnete, machten sie sich
lautstark und unerbittlich bemerkbar. Nachdem ich ihn durch einen kurzen Knopfdruck zum
Schweigen gebracht hatte, ging ich in die Küche und nach kurzer Zeit zog der Duft von frisch
aufgebrühten Kaffee durch unsere kleine Wohnung.
Laura war inzwischen auch aufgewacht und quälte im Badezimmer ihre Zahnbürste. Ich packte ihr Obst und Gemüse in ihren kleinen blauen Rucksack mit der freundlichen, dicken gelben
Biene Maja auf der Vorderseite. Heute war gemeinsame Frühstückszubereitung im Kindergarten so wie jeden Freitag. Zudem wollten wir beide heute zu Anna gehen nach dem Kindergarten und das war freitags bereits um 15 Uhr. Anna war eine zierliche, blonde, junge Frau. Kennengelernt hatten wir uns im Kindergarten. Sie war Mutter eines Zwillingspärchens, zwei sehr
hübsche dreijährige Mädchen. Der Mann von Anna war Indonesier, ein gastfreundlicher und
oft lächelnder Mann. Laura und ich hatte die Familie schon einige Male besucht und uns dort
herzlich aufgenommen gefühlt.
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Wir Erwachsenen tranken dann Kaffee oder Tee und die Kinder spielten zusammen. Ich
konnte mit den beiden herzlich lachen und es war schön, nicht alleine zu sein. Hätte ich damals gewusst, was ich heute weiß, nie hätte ich mich mit Anna angefreundet, wahrscheinlich
hätte ich meine Wohnung gekündigt oder sogar die Stadt gewechselt. So aber standen wir
nachmittags vor ihrer Wohnungstür und klingelten. Kurz darauf saß ich in ihrem gemütlichen
Wohnzimmer, vor uns eine duftende Kanne mit köstlichem Tee aus Indonesien, der Heimat
ihres Mannes.
Aus dem Kinderzimmer drang kurz darauf das Lachen der spielenden Kinder zu uns rüber.
Kurz darauf schellte es an der Haustür und Anna ging, um zu öffnen. Leise vernahm ich eine
männliche Stimme, kurz darauf betraten beide das Wohnzimmer. Da stand er, schaute mich
an und setzte sich zu uns. Ein Mann mittleren Alters und Nachbar von Anna, sein Name war
Michael Block. Er war groß und kräftig, bedankte sich höflich für den angebotenen Tee. Im
Laufe der nächsten Stunde erfuhr ich, dass sein Sohn Tom im selben Kindergarten angemeldet war, allerdings ging Tom bereits zur Schule und somit in eine andere Kindergartengruppe.
Deshalb kannte ich weder Michael Block noch seinen Sohn, auch nicht vom Sehen her.
Er war sehr aufmerksam und wir verbrachten gemeinsam einen netten Nachmittag. Ich wusste
anschließend, dass er selbstständig war und einen Lkw-Fuhrpark betrieb. Aus diesem Grund
hatte er tagsüber oft Freizeit und konnte sich seine Zeit selber einteilen.
Ich sah ihn dann noch zwei-, dreimal bei Anna in den nächsten Tagen, die ich nun öfters besuchte, weil sie sich ohne ihren Mann, der zwischenzeitlich spontan auf Besuch in seine Heimat gefahren war, sehr einsam fühlte.
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Sie und die Kinder vermissten ihn sehr, aber es sollten noch Wochen vergehen, bis er wieder
nach Hause kam. So ganz genau wusste Anna nicht, wie lange sein Urlaub andauern sollte, da
er aus familiären Gründen nach Indonesien gefahren war.
Meinen 25. Geburtstag feierten Laura und ich aber alleine. Es war für mich kein besonderer
Tag, zeigte er mir doch, wie klein meine Familie tatsächlich war. Aber auch wie einsam Laura
und ich lebten.
In meiner knappen Freizeit kam ich nicht dazu, auszugehen oder etwas für mich selbst zu machen. Laura sah mich sowieso zu wenig, zudem sollte sie abends nicht alleine bleiben und ich
hatte niemanden, der auf sie aufpasste.
Aber es sollte ja nun alles anders werden und ich freute mich über meine neue Bekanntschaft
zu Anna. Das war schon einmal ein guter Anfang, um aus dieser Isolation zu kommen.
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März 1986
Es war ein sonniger Märztag, den Himmel schmückten einige wenige kleine Wolken und es
duftete bereits nach Frühling. Wir hatten gut geschlafen und waren auf dem Weg zum Kindergarten. Auf dem Zettel stand für heute ein großer Frühjahrs-Hausputz und ich war voller Tatendrang und Elan.
Nach der Verabschiedung von Laura im Kindergarten, ich war auf dem Weg zu meinem
Auto, sah ich Michael Block. Wieso war er hier? Tom war doch in der Schule. Er stand am
Kindergartenausgang und es machte den Eindruck, als wartete er auf jemanden. Als ich bei
ihm war, sagte er, dass er auf mich gewartet habe. Er schien ein Problem zu haben, denn er
sah betrübt aus und zog nervös an seiner Zigarette. Dann wendete er seinen Blick vom Boden
direkt auf mich. Er druckste herum und bat mich dann um meine Hilfe. Toll, unerwartet und
ohne funktionierenden Schutzschild, Hilfe? Klar, ich helfe gerne, was kann ich tun? Kurz und
knapp gesagt, ich kann nicht Nein sagen. Nein zu sagen, war mir schon immer sehr schwergefallen.
Er wollte eine Unterkunft, so für einige Tage, eventuell etwas länger. Seine Frau Rita machte
ihm das Leben zur Hölle, und er wollte sich schon seit längerer Zeit scheiden lassen und nun
würde er das auch durchziehen. Ganz schnell wollte er sich dann auch eine eigene Wohnung
suchen, nur für diese kurze Zeit wollte er bei uns wohnen. Und man würde sich ja auch kennen und hatte sogar eine gemeinsame Bekannte, nämlich Anna. Und im Übrigen sollte es nur
für ein paar Nächte sein, danach würde er sich dann ein Hotelzimmer nehmen, sollte es doch
länger dauern. Flehend sah er mich erwartungsvoll an.
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Ich wusste in dem Augenblick, als ich ihm meine Hilfe zusagte, dass es falsch gewesen war.
Es war so ein Gefühl, dass, wenn man etwas voreilig versprach, man gleichzeitig glaubte, das
Recht verwirkt zu haben, seine Entscheidung zu revidieren. Und sich letztendlich aber damit
selber unter Druck setzte. So erging es mir.
Gar nicht mehr gut gelaunt fuhr ich nach Hause. Der Frühjahrsputz war vergessen und der
Elan und die gute Laune waren dahin. Ich ärgerte mich über mich selber, ich kannte Michael
Block doch kaum bis gar nicht. Was nun? Wie kam ich aus dieser Geschichte wieder raus?
Mir fiel nur Anna als Lösung ein, vielleicht konnte er dort vorübergehend wohnen, wäre doch
praktisch, so dicht an seiner Wohnung, zudem kannte sie ihn besser als ich. Anna war direkt
nach dem zweiten Anklingeln am Telefon, sie wirkte ungewöhnlich zurückhaltend, als ich ihr
erzählte, was vorgefallen war.
Nein, Michael Block könne auf keinen Fall bei ihr wohnen. Ja, sie kenne seine Frau Rita,
mochte mir aber dazu weiter keine Auskunft geben. Zum Abschluss sagte sie mir noch, dass
es nett von mir sei, so hilfsbereit gehandelt zu haben. O. k., das brachte mich alles nicht wirklich weiter, ich musste dringend mit ihm sprechen, ihm eventuell bei der Wohnungssuche helfen, damit alles schnell wieder so werden würde, wie es heute Morgen noch gewesen war.
Er kam am Abend gegen 20 Uhr mit seiner kleinen braunen Reisetasche, mehr hatte er nicht
dabei. Wir saßen dann noch etwas beisammen und er erzählte mir von Rita und wie sehr sein
Sohn Tom unter der angespannten Situation der Eltern litt. Und natürlich wie dankbar er war,
dass ich ihm meine Hilfe nicht ausgeschlagen hätte, jetzt wo er sie so sehr brauche.
Ich durchschaute sein Spiel nicht.
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Nun gut, an diesem Abend gab es keinen Streit zwischen Michael Block und seiner Frau Rita.
Vielleicht half ein kleiner Abstand den beiden und es würde sich die nächsten Tage wieder alles zum Guten wenden.
Darauf hoffte ich.
Dann ging ich leise zu Laura ins Zimmer, um bei ihr zu schlafen. Sie schlief bereits tief und
fest und ihre gleichmäßigen, friedlichen und tiefen Atemzüge halfen kurz darauf auch mir
beim Einschlafen. Morgen war ein neuer Tag und dann wollte ich sehen, wie es weitergehen
konnte. Ich war nun etwas beruhigter und streichelte Lauras kleines Köpfchen, welches in
meinen Armen lag, und schlief ein.
In den nächsten Tagen änderte sich nichts und Michael Block kam meistens erst gegen Abend
zu uns. Er erzählte weder von Wohnungsbesichtigungen noch von anderen Aktivitäten, um
seine Wohnsituation zu ändern. Im Gegenteil, er versuchte, dieses Thema tunlichst zu vermeiden.
Dafür stellte er mir sonderbare Fragen wie: „Woher kann ich Autoradios bekommen?“ Ich
zählte ihn dann einige Elektromärkte auf, dachte ich doch noch, er suchte nach guten Angeboten. Dem war aber nicht so, er wollte größere Mengen an Autoradios haben, von mir! Mir waren diese Fragen unangenehm und ich wollte herausbekommen, was es damit auf sich hatte.
Was wusste ich von Michael Block eigentlich? So gut wie nichts, vielleicht noch nicht einmal
das.
Er lebte angeblich mit seiner Frau Rita seit Jahren wie Bruder und Schwester zusammen, das
hatte er mir zumindest so erzählt. Mit ihr stritt er meistens, Grund war, dass sie den gemeinsamen Sohn vernachlässigte. Zudem hatte er eine jüngere Freundin gehabt, aber diese Bezie-
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hung war seit einigen Monaten vorbei. Merkwürdigerweise war auch seine Frau Rita mit dieser Geliebten befreundet gewesen.
Also musste es stimmen, zumindest was er über Rita sagte und wie sie zueinander standen.
Was ich noch wusste, er fuhr einen roten, älteren BMW aus der Dreier-Reihe. Genau da wollte ich ansetzen, ich hatte mir sein Kennzeichen notiert. Ein guter Bekannter von mir arbeitete
bei der Polizei, ihn wollte ich um Hilfe bitten.
Ich rief Andreas, den Polizisten, an, als ich alleine zu Hause war. Block war unterwegs und
Laura im Kindergarten. Andreas war verwundert, als ich ihm die Kennzeichen für eine Halteranfrage durchgab. Zum Glück fragte er nicht weiter nach, wie sollte ich ein ungutes Gefühl
einem Polizisten erklären, wenn es weiter keine Fakten gab? Zudem wussten wir beide, dass
ich etwas Verbotenes von ihm wollte. Zu dem Kennzeichen gab ich ihm noch den Namen
„Michael Block“. Andreas wollte sich kurzfristig bei mir melden, was er dann am selben Tag
auch noch tat.
Er rief zurück, als Laura bereits aus dem Kindergarten gekommen war, Block war jedoch
noch unterwegs und so konnten wir ungestört telefonieren. Laura und ich hatten gerade Memory gespielt, ein Spiel, bei dem man als Erwachsener kaum eine Chance hatte zu gewinnen.
Ich war hoch konzentriert, im Gegensatz zu Laura, die in die Küche oder in ihr Zimmer lief,
alles so nebenbei, und trotzdem fast immer gewann. Es war ein Phänomen, wieso konnten
Kinder das? So viele Dinge parallel machen und im wahrsten Sinne des Wortes spielerisch
das Wesentliche registrieren und auch noch abrufen?
Der Anruf von Andreas kam also gerade richtig und war eine willkommene Auszeit. Er hatte
jedoch wenig Zeit und wollte mir nur auf die Schnelle das Ergebnis der Halternachfrage mitteilen. Ich hörte seine ruhige Stimme, als er mir mitteilte: „Ich weiß nicht, wer bei dir einge-
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