Länderfinanzausgleich: Wer zahlt, bestimmt die

Länder inanzausgleich: Wer zahlt, bestimmt die Musik
Keyfacts
- Neue KPMG-Analyse untersucht finanzielle Auswirkungen
- Alle Bundesländer profitieren – aber ungleichmäßig
- Föderalismus wird geschwächt
10. Januar 2017
Zu Beginn etwas Lyrik; beispielsweise Hermann Hesse: „Und jedem Anfang wohnt ein Zauber
inne.“ Stimmt immer, also auch dann, als vor kurzem die Neuordnung des
Länderfinanzausgleichs beschlossen wurde. Ab dem Jahr 2020 sollen die Beziehungen von
Ländern und Bund neu geordnet werden: Das Ende eines lange schwelenden Konfliktes um
Einfluss, Entscheidungskompetenzen und natürlich auch Geld. Zusammen mit der Universität
Leipzig hat das Institut für den öffentlichen Sektor bei KPMG in einer gemeinsamen Analyse die
Auswirkungen der Neuregelung ermittelt. Die zentrale Frage: Was bedeutet die
Gesetzesänderung für die einzelnen Länder? Dabei wurden die neuen Regelungen gemäß der
politischen Einigung mit den derzeit noch geltenden Regelungen verglichen.
Die gute Nachricht zu Beginn: Alle Länder profitieren und haben ab dem Jahr 2020 mehr Geld
zur Verfügung. Die schlechte Nachricht, zumindest im Sinne eines auf Chancengleichheit
bedachten Gemeinwesens: Wer viel hat, hat künftig viel mehr. Wer wenig hat, hat künftig nur ein
bisschen mehr. Ausgehend von aktuellen Steuerschätzungen beträgt das pro-Kopf-
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Einnahmeplus im armen Brandenburg im Jahr 2020 gegenüber dem Jahr 2019 knapp 150
Euro. Im reichen Bayern hingegen sind es rund 270 Euro.
Sonderfall Bremen
Nun gibt es natürlich in jeder Analyse die überraschenden Ausreißer. In Sachen
Länderfinanzausgleich kommen sie beispielsweise aus Bremen. Fast 460 Euro pro Kopf stehen
der Landesregierung der Hansestadt ab dem Jahr 2020 zur Verfügung – Spitzenwert in
Deutschland. Warum ist das so und was sagt es uns? Bremen hat hohe Altlasten und profitiert
deshalb künftig von Sonderregelungen – genauso wie übrigens das Saarland. Am Beispiel des
Stadtstaates Bremen lässt sich aber auch erfahren, woran das alte System des
Länderfinanzausgleiches nach Ansicht vieler Experten schon immer krankte: Die
Steuerzuordnung, also die Frage, wer welche Steuereinnahmen erheben und behalten darf, ist
verbesserungswürdig. Das führt mitunter dazu, dass Länder und Kommunen schlechter
dastehen als erwartet.
Beispiel Bremen: Viele Pendler, die ihr Geld in der Stadt verdienen. Aber eben lieber im
angrenzenden Niedersachsen leben – und dort ihre Einkommenssteuer zahlen. Ein Problem,
das sich mit jedem weiteren Menschen verschärft, der dem Bundesland den Rücken kehrt –
denn auch dafür werden Gelder umgeschichtet. Eine Reform der grundsätzlichen
Steuerzuordnung, die beim Beispiel Bremen in einem Wegfall des Wohnsitzprinzips bestehen
könnte, ist bei der jetzigen Regelung aber nicht erfolgt – schade eigentlich.
2020
ist das Jahr, in dem die Neufassung des
Länderfinanzausgleichs in Kraft tritt.
Das zentrale Ergebnis der neu geordneten Beziehungen zwischen Bund und Ländern ist aber
dieses: Der Bund wird künftig immer wichtiger werden. Eine beinahe logische Konsequenz der
Verhandlungen, bei denen verschiedene Interessen aufeinanderprallten: Vermögende
Bundesländer wollten weniger an die ärmeren Länder zahlen, ärmere Länder wollten nicht
weniger haben. Was also tun? Der Bund sprang ein und muss künftig mehr Gelder an die
Länder ausschütten. Im Gegenzug dafür steigen seine Kompetenzen stark an. Was wiederum
bedeutet, dass auch die Abhängigkeit der Länder vom Bund in einem Ausmaß ansteigen wird,
das manche Beobachter das Entstehen einer „Zentralrepublik“ befürchten lässt. Das mag etwas
verfrüht sein, aber die grundsätzliche Beobachtung bleibt dennoch: Die Grundstruktur eines
föderalen Staatsaufbaus ist durch die Neufassung des Länderfinanzausgleiches geschwächt
worden. Das gilt es erst einmal festzuhalten – unabhängig davon, wie man diese Entwicklung
bewertet.
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Bund zieht Kompetenzen an sich
Einen ersten Vorgeschmack auf das neue Verhältnis zwischen Bund und Ländern konnte man
bereits bei der Diskussion der letzten Wochen um eine privatisierte
Bundesfernstraßengesellschaft gewinnen. Tendenz auch hier: Der Bund will Kompetenzen an
sich ziehen, die bisher Ländersache waren. Autobahnen sind dafür nur ein Beispiel. Fragen der
Digitalisierung, Finanzhilfen im Rahmen gesamtstaatlich bedeutsamer Investitionen,
Mitfinanzierungen von Gemeinschaftsaufgaben: Alles Bereiche, in denen der Bund künftig den
Ton angeben wird.
An dem grundsätzlichen Befund, dass die Ländereinnahmen – und folglich politische
Gestaltungsmöglichkeiten der Länder – in den letzten Jahren immer stärker
auseinandergedriftet sind, ändert auch das jetzt beschlossene Gesetzespaket mit hoher
Wahrscheinlichkeit nichts. Wer heute reich ist, wird es auch morgen sein. Und wer heute arm
ist, bleibt es. Für den Zusammenhalt einer Gesellschaft ist das ein Problem.
Die komplette Analyse lesen Sie hier.
Zusammengefasst
»Manche Beobachter befürchten durch die Neufassung des Länderfinanzausgleiches das
Entstehen einer „Zentralrepublik“. Das mag etwas verfrüht sein, aber die grundsätzliche
Beobachtung bleibt dennoch: Die Grundstruktur eines föderalen Staatsaufbaus ist durch die
neuen Regeln geschwächt worden.«
Alle Bundesländer dürften von der Neufassung des Länderfinanzausgleiches profitieren und künftig mehr
Geld haben als derzeit. Das ist eines der Ergebnisse einer Analyse, die KPMG zusammen mit der
Universität Leipzig durchgeführt hat. Die Einnahmen sind allerdings ungleichmäßig verteilt:
Einnahmestarke Länder verzeichnen überdurchschnittlich hohe Zuwächse, einnahmeschwache Länder
profitieren unterproportional.
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Mathias Oberndörfer
Bereichsvorstand Öffentlicher Sektor
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