A Natural History of Laughter – Die Biologie des Lachens OText Tongeber UT Dolmetscher Die Presse schrieb, dass das heutige Treffen mit Präsident Clinton ein Desaster werden würde. Boris Jelzin UT Dolmetscher Nun kann ich es Ihnen ja persönlich sagen: Die Presse ist das Desaster. Boris Jelzin Zwei Präsidenten lachen miteinander – und die Welt lacht mit ihnen. Trotz sprachlicher Hürden und der unterschiedlichen politischen Weltanschauungen, vereint sie ihr Lachen. Titel Die Biologie des Lachens Vom Lachen wollte die etablierte Wissenschaft lange nichts wissen. Deshalb liegen Ursprung und Funktion teilweise noch immer im Dunkeln. Was bringt unser Primaten-Hirn zum Lachen? Medizinische Studien zeigen, dass das Gehirn nicht ein Lachzentrum besitzt. Das Phänomen Lachen aktiviert ganz unterschiedliche Hirnbereiche– sowohl im Stammhirn als auch in den jüngeren Bereichen unseres Nervensystems. Lachen ist nicht bloß ein Reflex, sondern ein komplexes neuronales Programm. Pioniere der Wissenschaft des Lachens versuchen nun, die herausragende Rolle des Lachens in der menschlichen Evolution zu belegen. Der Neurologe und Verhaltensforscher Robert Provine beschäftigt sich seit Jahren ausschließlich mit der Natur des Lachens. Lange wurde die Biologie des Lachens als Pseudo-Wissenschaft belächelt, die eher poetische als wissenschaftliche Relevanz habe. 1 A Natural History of Laughter – Die Biologie des Lachens VO Die meisten großen Philosophen haben sich mit diesem Thema Robert befasst: Platon, Aristoteles, Kant, Schopenhauer, Bergson, Freud – sie Provine alle waren von diesem Phänomen fasziniert. Neuropsychologe Der Chemiker Joseph Priestley entdeckte 1776 Distickstoffmonoxid – besser bekannt als Lachgas - und lieferte so den Beweis, dass Lachen eine chemische Reaktion des Gehirns ist. Mitte des 19. Jahrhunderts erforschte der Arzt Duchenne de Boulogne mit den neuen Möglichkeiten der Fotografie die am Lachen beteiligten Gesichtsmuskeln. Charles Darwin verglich 1872 in seinem Buch „Der Ausdruck der Gemütsbewegungen bei dem Menschen und den Tieren“ die Verhaltens-muster beim Lachen von Kindern und Erwachsenen – und von Mensch und Tier. Heute werden die Mechanismen des Lachens an der Universität gelehrt, wie hier in Baltimore . VO Robert Provine Ich wollte über das Gehirn und Verhaltensmuster forschen. Lachen ist da ein idealer Zugang. Alle Menschen lachen. Das ist sehr wichtig, wenn wir Hirnfunktionen untersuchen; dass es bei allen Menschen vorhanden ist, bei Männern und Frauen, in allen Ethnien. Lachen ist bei allen Menschen sehr ähnlich; deshalb eignet es sich hervorragend als Ansatzpunkt für meine Studien. (steht frei) Mittlerweile hat Robert Provine eine wissenschaftliche Vorgehensweise entwickelt, mit der sich schon viel über das Phänomen „Lachen“ erklären lässt. VO Robert Provine Zuerst haben wir Probanden in einer Laborumgebung lustige Filme gezeigt, um sie zum Lachen zu bringen. Ihre Lach-Reaktionen wollten wir analysieren. Hierbei ging es nicht allein um den hervorgebrachten Laut, sondern auch darum, was ihn ausgelöst hat. Allerdings lässt sich echtes Lachen in einer Laborumgebung nicht so einfach aus den Probanden herauskitzeln. Also wechselt Robert Provine kurzerhand den Versuchsort. Die Mensa der Universität ist ein idealer Ort, um Lachen zu 2 A Natural History of Laughter – Die Biologie des Lachens beobachten. Unauffällig kann der Wissenschaftler hier in aller Ruhe seine Zeitgenossen studieren. Jede Geste und jeder Gesichtsausdruck vor oder nach einem Lachen könnten von Bedeutung sein. VO Robert Provine Wir fanden heraus, dass es nicht darauf ankam, was eine Person sagte, bevor gelacht wurde; es musste nicht tatsächlich lustig sein. Nur etwa 10 bis 15 Prozent aller Kommentare vor Lachern waren wirklich witzig. VO Robert Provine Männer erhalten viel mehr Lacher– und zwar sowohl von Männern als auch von Frauen. Alle lachen häufiger, wenn Männer etwas sagen. VO Robert Provine Das ist bedeutsam, weil die Männer sich nicht bewusst vornehmen, nicht zu lachen. Lachen ist nicht bewusst kontrollierbar. Wir werden hier Zeugen des ursprünglichen Balztanzes der Geschlechter. VO Robert Provine Durch die Analyse der unterschiedlichen Beziehungsmuster erhalten wir Einblicke in die Gedankenwelt der Menschen – etwa einer Frau, die nah bei einem Mann steht und ihm in die Augen schaut. Wenn sie so nah bei ihm auch sehr viel lacht, sendet sie unbewusst positive Signale an diesen Mann. Sie ist an ihm interessiert. VO Robert Provine Um diese Annahme zu untermauern, haben wir tausende von Kontaktanzeigen in Zeitungen unter die Lupe genommen. Es bildete sich folgendes Schema heraus: Frauen suchen „Männer mit viel Sinn für Humor“. Männer dagegen beschreiben in den Anzeigen ihren eigenen Sinn für Humor. Darauf scheint dieser Marktplatz der Geschlechter aufzubauen. Der Mensch ist ein geselliges Wesen. Robert Provine ist überzeugt, dass Lachen einen Kernbereich sozialer Kontakte ausmacht. Kurzum: Wir lachen selten mit uns selbst. Das Lachen in der Geschichte zurückzuverfolgen fällt schwer: Lachen hinterlässt keine Spuren, keine Fossilien. Wie soll man den Ursprung dieses Phänomens erforschen? Vielleicht hilft ein Blick in die Welt unseres nächsten Verwandten. 3 A Natural History of Laughter – Die Biologie des Lachens Im niederländischen Arnheim erforscht ein weiterer Pionier die Biologie des Lachens. Sein Arbeitsplatz ist der Zoo. Der Verhaltensforscher Jan van Hooff untersucht hier das Sozialverhalten und die Gefühle bei Menschen und Affen. Bereits 1971 schaffte Jan van Hooff weitab der Urwälder und Dschungel hier die bestmöglichen Voraussetzungen zur Gründung einer Schimpansen-Kolonie in einem künstlichen Umfeld – die erste ihrer Art in Europa. Van Hooff untersucht hier seit vielen Jahren das Lachverhalten der Primaten. Seine Forschungen konzentrieren sich vor allem auf die Unterscheidung zwischen Lachen und Lächeln und welche Formen der Mensch für sich übernommen hat. Evolutionär haben Lachen und Lächeln für den Forscher völlig unterschiedliche Ursprünge. VO Jan van Hooff Schon als Kind haben mich die Affen fasziniert. Ganz viel an ihrem Verhalten beeindruckt mich seit jeher tief, weil es unserem menschlichen Verhalten so ähnlich ist. Dann las ich zufällig Darwins „Der Ausdruck der Gemütsbewegungen bei dem Menschen und den Tieren“. Sein vergleichender Ansatz aus entwicklungs-geschichtlicher Sicht machte mir klar, dass auch einige Aspekte unseres Verhaltens zweifelsfrei eine Entwicklungsgeschichte besitzen. Wenn der Außenbereich gereinigt wird oder tierärztliche Untersuchungen anstehen, besucht Jan van Hooff eine alte Freundin – wenn auch hinter Gittern. Mama ist mit 54 Jahren das älteste Mitglied der Kolonie. (freistehend) Ein Verhaltensforscher kennt keine Laborarbeit –Für seine Studien muss Jan van Hoff hoch hinaus: Von seiner erhöhten Position aus behält er stets den Überblick. Ein Tierforscher braucht vor allem eins - viel Geduld. VO Jan van Hier oben befinden wir uns nun in unserem Olymp. Das ist die 4 A Natural History of Laughter – Die Biologie des Lachens Hoof Beobachtungskabine. Von hier aus haben wir einen guten Blick auf die Schimpansen. All die notwendigen Gerätschaften liegen bereit: Die Videokamera, um besondere Momente festzuhalten. Das Mikrofon, um meine Berichte über ihr Verhalten direkt aufzunehmen. Manchmal möchte man die Dinge mit einem Fernglas auch etwas mehr aus der Nähe betrachten. Oft wird angenommen, dass wir Tierforschung betreiben, indem wir einfach kurz zuschauen, was die Tiere so machen; aber die meiste Zeit betreiben sie einfach nur Fellpflege oder schlafen. Also dauert das Ganze nicht Stunden oder Tage, sondern Wochen und Monate, in denen man sytematisch Daten über ihr Verhalten im Computer sammelt und danach analysiert. Es ist ihm gelungen die unterschiedlichen Gesichtsausdrücke von Menschenaffen zu entschlüsseln und er weiß, wann sie im Spiel, bei Angst oder zur Verführung eingesetzt werden. Zunächst identifiziert er das Spiel-mit-mir-Gesicht: Ein entspannter Gesichtsausdruck mit geöffnetem Mund – ähnlich dem menschlichen Lachen. VO Jan van Hooff Hier stupst der Kleine den Großen. Das ist natürlich nicht ernst gemeint. Beide zeigen sehr schön ihr Spiel-Gesicht mit entspannt geöffnetem Mund, der eine streckt dabei sogar die Zunge heraus. Nach dieser Verfolgung bekommt der Kleine noch einen Kuss. Und während des Spiels lachen sie. Hören Sie mal! Dieses hahaha – ist nicht so laut wie bei uns. Das ist ihr Lachen. VO Jan van Hooff Ein anderer Gesichtsausdruck hat mich anfangs ziemlich irritiert, dieses stille Zähnefletschen, das fast alle Primaten zeigen. Bei den meisten Arten ist es ein Zeichen der Unterwerfung, bei Makaken zum Beispiel. Es sagt: „Ich habe Angst vor dir.“ Es leitet sich direkt ab vom Angst-Gesicht, was wiederum dem menschlichen Lächeln am nächsten kommt. Man dachte immer, Lachen und Lächeln seien dieselben Ausdrucksarten nur mit unterschiedlicher Intensität. Lachen stark und Lächeln schwach. Faszinierend festzustellen: Ein breites Lächeln hat evolutionär einen völlig anderen Ursprung als unser Lachen. 5 A Natural History of Laughter – Die Biologie des Lachens VO Jan van Hooff Links sieht man, was unserem Lächeln entspricht, rechts das Gesicht, das unserem Lachen entspricht. Um das Lachen von Primaten zu studieren, muss man sie allerdings erst einmal zum Lachen bringen! Darauf ist die Neurobiologin Marina Davila-Ross von der Universität Portsmouth spezialisiert. VO Jan van Hoof Hier haben wir unseren Baby-Schimpansen. Marina Davila-Ross ist Expertin für Vokalisierung bei Schimpansen. Mal sehen, ob wir unsere kleine Juma zum Lachen bringen können. Das Schimpansenbaby Juma ist gerade vier Monate alt. Es wird außerhalb des Geheges großgezogen, weil ihre Mutter nicht genug Milch hat. VO Wilco Lipers Wir sind hier vier Tierwärter, die sich abwechseln. Wir nehmen Juma abends mit nach Hause – immer für eine Woche. Wir geben ihr das Fläschchen und wechseln die Windeln und nehmen sie am nächsten Morgen wieder mit zur Arbeit. Das Experiment beginnt: Eine Kitzelsitzung. VO Ich habe aufgehört zu zählen, wie viele Kitzel-Experimente ich schon Marina durchgeführt habe. Ich habe Daten aus sieben europäischen Zoos Davila-Ross und weiteren Schutzgebieten gesammelt, auch in einem Reservat für Orang Utans. Die meisten jungen Affen lieben es zu spielen, zum Teil auch recht wild. Und sie lieben es gekitzelt zu werden. Aber manchen Tieren gefällt es auch nicht – so ähnlich wie bei Kindern. Man erkennt das schon recht früh. (bleibt frei stehen) Ob Affe oder Mensch – das erste Lachen ist immer ein berührender Moment. (bleibt frei stehen) Kleinkinder beginnen im Alter von etwa vier Monaten zu lachen. Schon mit sieben Monaten lächelt der Fötus im Mutterleib. Dieser zeitliche Abstand verdeutlicht erneut den Unterschied zwischen Lächeln und Lachen. VO Wenn man ein Baby kitzelt oder Guck-Guck mit ihm spielt, kommt 6 A Natural History of Laughter – Die Biologie des Lachens Jan van Hoof irgendwann diese überraschende Wendung: Das Kleine wird mit diesem Laut antworten: uh huh. Das schwillt später zu einem ausgeprägten Lachen an, mit dem wir als Erwachsene bekunden, dass wir etwas lustig finden. Lächeln und Lachen ermöglichen die Bildung emotionaler, sozialer und intelligenter Beziehungen, lange bevor das Kind sprechen kann. Die Art, wie wir lachen, scheint genetisch bedingt zu sein. So haben eineiige Zwillinge, selbst wenn sie getrennt voneinander aufwachsen oft dasselbe Lachen. VO Robert Provine Kitzeln ist der ursprünglichste aller Lachreize. Wahrscheinlich auch der Urvater aller Witze. Es bedeutet: „Ich kriege dich, ich kriege dich...“ Übrigens der einzige Witz, den beide, Schimpansen und Menschenbabies , verstehen. VO Hier wird ein beinahe ausgewachsener Gorilla von einem Pfleger Marina gekitzelt, zu dem er eine sehr enge Beziehung hat, was Davila-Ross ausgesprochen wichtig ist, denn ein Gorilla kann sehr stark werden. Aber auch bei den ganz jungen Tieren ist es wichtig, eine enge Beziehung zu haben, um sie kitzeln zu können. Ansonsten spricht der Affe nicht mehr darauf an - ganz ähnlich wie beim Menschen. Es ist gut zu erkennen, dass der Gorilla stark auf den Reiz reagiert sowohl während der Berührung seiner Hände als auch während des Kitzelns. Er deutet auf seinen Kopf und zeigt seinem Wärter an, dass er dort auch berührt werden möchte. Später zeigt er noch auf seine Schulter und seine Füße und lacht nicht nur unmittelbar während er gekitzelt wird, sondern schon vorher. VO Robert Provine Das Entscheidende beim Kitzeln ist, dass man sich nicht selbst kitzeln kann. Unser Nervensystem blockiert diesen Zugang. Wenn wir uns selbst an den Rippen kitzeln wollten, antwortet unser zentrales Nervensystem: „Ignorier das einfach. (Unterdrücke das), das kommt von dir selbst.“ Man muss immer von jemand anderem gekitzelt werden. Und: Wann wurden Sie zuletzt von einem Fremden gekitzelt? Das wäre befremdlich. Sie würden wahrscheinlich eher die Polizei rufen als lachen. Kitzeln ist also für Wissenschaftler, die die Biologie des Lachens untersuchen, ein wichtiges Hilfsmittel – auch wenn man fortschrittlichere Methoden erwartet hätte. 7 A Natural History of Laughter – Die Biologie des Lachens VO Als ich Robert Provines Arbeit über die Vokalisierung beim Lachen der Marina Schimpansen gelesen hatte, und dass sie staccato-ähnliche Laute Davila-Ross produzieren, wenn sie gekitzelt werden, fand ich diese Ähnlichkeit zum Menschen äußerst faszinierend. Zur gleichen Zeit hörte ich, dass Bonobos beim Kitzeln besondere Laute produzieren. Das brachte mich darauf, die Entwicklungsgeschichte des Lachens nachzubilden, indem ich mir alle großen Affen und die Menschen anschaute. VO Also haben wir die Laute von Affen und Menschen, die beim Kitzeln Marina abgegeben werden, als Sonogramme dargestellt. Davila-Ross Dies ist ein Orang Utan. Sehr behäbig. Hier ist das Lachen eines Gorillas, ... das ist schon etwas schneller und die Lautfolge ist komplexer. Und hier ein Schimpanse. Das ist der Bonobo. Auch schnell und komplex wie beim Schimpansen. Die Ähnlichkeit zum Gorilla ist größer als die zum Orang Utan, der evolutionär auch am weitesten entfernt ist vom Bonobo. Und hier ist menschliches Lachen. Diese akustischen Daten haben wir verwendet, um einen Stammbaum zu erstellen - so wie Genetiker das machen. Wir fanden heraus, dass der akustische und der genetische Stammbaum exakt übereinstimmten und dass somit die Laute beim Kitzeln denselben genetischen Ursprung haben mussten; und dass außerdem alle großen Affenarten Lachlaute produzieren. Die Entstehung dieser Lachlaute lässt sich auf 10 bis 16 Millionen Jahre zurückdatieren. Das Lachen haben Affe und Mensch gemeinsam. Aber können auch weniger entwickelte Säuger lachen? Eine Antwort auf diese Frage gibt es im äußersten Nordwesten der USA, an der Washington State University in Pullman. Hier ist ein 8 A Natural History of Laughter – Die Biologie des Lachens Neurobiologe, der unser Verständnis von Tieren bereits nachhaltig verändert hat. Jaak Panksepp gehört zu unseren auserwählten „LachWissenschaftlern“. Er ist davon überzeugt, dass Tiere Gefühle haben. Mit dieser Meinung hat er in der Fachwelt einen schweren Stand. Dabei „sind Emotionen, und vor allem Humor, Geschenke der Evolution,“ sagt er. VO Niemand hat bisher dargelegt, dass Vögel lachen – oder Reptilien. Es Jaak ist etwas, das uns Säugetiere von den anderen Spezies unterscheidet. Panksepp Wir wissen auch nicht, ob alle Säuger lachen, vielleicht nur ein paar Psychologe wenige. Am Anfang seiner Forschung stand das Spiel. Wissenschaftler sind manchmal genauso verspielt wie Ratten. VO Jaak Panksepp Das hier ist eigentlich ein Ringkampf. Einmal besuchte mich der renommierte Psychologe Robert Plutchik in meinem Labor – vielleicht vor zehn oder sogar zwanzig Jahren. Er war wirklich ein großartiger Verhaltensforscher, aber er hatte sich noch nie mit dem Spiel befasst. Ich zeigte ihm ein paar Versuchstiere, die gerade bei einem Ringkampf waren. Er fragte erstaunt: “Wie hast du den Tieren beigebracht so zu kämpfen?!” Ich antwortete: “Ich habe es ihnen nicht beigebracht. Das hat die Evolution schon erledigt. Außerdem kämpfen sie nicht – sie spielen.” “Spiel?” fragte er, “das muss ich mir genauer ansehen.” VO Jaak Panksepp Spielen wird immer als belanglos und albern abgetan. „Nur so zum Spaß.“ Aber nur zum Spaß wurde Spielen nicht in unserem Gehirn verankert. Beim Spielen lässt uns die Natur etwas über andere Menschen erfahren, auch mit ihnen klar zu kommen. Man kann beim Spielen Spaß haben; aber, wenn man nicht weiß, wie man mit anderen interagieren soll, wird man keinen Spaß haben, sondern traurig sein und leiden. Wir sollten das Spielen also wertschätzen. Neurobiologe Jaak Panksepp machte bei seiner Forschung eine spektakuläre Entdeckung: Ratten-Gelächter ... VO Jaak Panksepp Es war wirklich eine Entdeckung. Ich bin eines Morgens aufgewacht und dachte: „Was, wenn dieses Geräusch Lachen ist?“ Im Labor 9 A Natural History of Laughter – Die Biologie des Lachens sagte ich zu meinem Studenten Jeff Burgdorf: “Lass uns ein paar Ratten kitzeln “ Er meinte nur: “Ok!“ Wir kitzelten die erste Ratte und sie zirpte und zirpte, genauso wie die zweite – und die dritte - alle haben sie gezirpt. Natürlich waren andere Wissenschaftler skeptisch. Aber wir sammelten immer mehr Daten, die alle in dieselbe Richtung wiesen. Die Logik bleibt dann außen vor: Daten zeigen uns die Natur der Dinge auf. Heute wissen wir mehr über Ratten-Gelächter als über unser menschliches Lachen – zumindest in der Hirnforschung. Das menschliche Gehör kann das Lachen von Ratten nicht wahrnehmen. Die hochfrequenten Gluckser der Ratte bewegen sich im Bereich von 40 Kilohertz. Erst ein Ultraschall-Detektor macht sie hörbar. VO Jaak Panksepp Bowling Green State University, Ohio Wir bringen die Ratte durch die Stimulation bestimmter Hirnareale zum Lachen. Das Ratten-Lachen klingt wie chit chit chit chit. Dem Tier gefällt das; zuweilen führen die Tiere die Stimulation selbst herbei. Daher wissen wir, dass es ein positives Gefühl ist. VO Jaak Panksepp Wie klingt diese hier? VO Jason Sie spricht gut an und hat schon (ab und zu) gezirpt, als Sie sie nur hielten. VO Jaak Panksepp Sie mag mich. VO Jaak Panksepp Wenn man aufhört zu spielen und die Hand dort lässt, fangen sie nach einer Weile an zu beißen – nur ganz sanft. Sie tun mir nicht weh. So fordern sie zum Weiterspielen auf. Jaak Panksepp ist einer von nur wenigen Wissenschaftlern, die sich an ein sehr kontroverses Thema heranwagen: Die Gefühle von Tieren. VO Jaak Panksepp Dies ist unsere Versuchstierzucht – mit ungefähr 200 Tieren. Es gibt glückliche Tiere, die gezüchtet wurden, um ein helles zirpendes Lachen hervorzubringen. Und dann gibt es Tiere, die nicht so glücklich sind. Sie zirpen kaum. Wir haben festgestellt, dass die 10 A Natural History of Laughter – Die Biologie des Lachens glücklichen Tiere, die viel herumzirpen, auch weniger anfällig sind für Depressionen. Die traurigen Tiere, die nicht lachen oder zirpen, entwickeln leichter eine Depression . Aber was ist der wissenschaftliche Nutzen von Ratten-Kitzeln? VO Jaak Panksepp Eine Untersuchung des Lachens von Ratten kann dazu führen, dass wir die Chemie im Hirn verstehen. Und das kann dazu führen, dass wir neue Medikamente entwickeln. Psychiatrische Medikamente, die Menschen helfen, sich besser zu fühlen, wenn sie deprimiert sind. Wir sind auf diesem Gebiet noch nicht sehr weit. Es gibt zwar viele Medikamente gegen Depressionen, aber keines davon funktioniert wirklich gut und schnell. Wenn wir also eine Substanz finden könnten, die nicht abhängig macht, wäre das eine wunderbare Medizin gegen Depression. Ein Mittel gegen Depression haben wir von Natur aus in uns: Lachen! Es hebt unsere Stimmung und stärkt unser Immunsystem. Rund 300 Muskeln werden beim Lachen aktiviert; 17 davon allein im Gesicht. Lachen erhöht unseren Herzschlag, beschleunigt den Gasaustausch und reichert unser Blut mit Sauerstoff an. Wenn wir lauthals loslachen, presst die Lunge den Atem mit 100 Kilometern pro Stunde heraus. Das wiederum befreit unsere Atemwege. Den positiven Einfluss des Lachens auf unseren Körper macht sich auch die Psychiaterin und Neurologin Barbara Wild zu Nutze. In ihrer Praxis in der Fliedner-Klinik in Stuttgart lädt sie ihre Patienten zum Humorseminar. Das Ziel: Konflikte überwinden und Ängste abbauen. Barbara Wild Da ist ein ganz wichtiges Ziel, dass der Patient lernt sich zu distanzieren von eigenen Emotionen oder auch von so Glaubenssätzen, die man vielleicht in der Kindheit gelernt hat, die aber im Erwachsenenalter gar nicht mehr sinnvoll sind. Das sind dann so Sachen wie, ich bin nicht so viel wert, oder ich muss viel leisten, damit ich überhaupt akzeptiert werde. Und in der Psychotherapie geht es ganz oft darum sich davon zu distanzieren und Humor ist eine extrem lustvolle Art und Weise sich zu distanzieren. 11 A Natural History of Laughter – Die Biologie des Lachens Lachen kann grundsätzlich jeder - es ist uns in die Gene gelegt. Doch worüber wir lachen und wie viel, das hängt auch mit unserer Erziehung zusammen. Barbara Wild Und dann spielt natürlich eine Rolle, was man so in der Kindheit lernt und bei den Eltern sich abschaut. Ja, ob die sehr ernsthaft sind, ob es schlecht ist, wenn man lacht oder ob im Gegenteil die Eltern gerne lachen und – es gibt ja Familien in denen hat Witze erzählen eine richtige Tradition, da gibt es dann Wettbewerbe wo ganz viele Witze erzählt werden und da wird dann natürlich eine ganz andere Einstellung auch zum Humor gelernt. Seinen Humor kann man verlieren, sein Lachen dagegen nicht. Und trotzdem lachen wir heutzutage immer weniger. Im Durchschnitt lachen Erwachsene nur noch 6 Minuten pro Tag. In den 50er Jahren waren es noch 18 Minuten. Anhänger des Lach-Yoga, wie hier im südfranzösischen Frontignan – wollen das ändern und treffen sich jährlich zum gemeinsamen Lachen. Barbara Wild Das sind lauter erwachsene Leute, die komische Dinge tun, auf eine schräge Weise lachen und das ist emotional ansteckend. Man muss sich irgendwie frei davon machen, dass man denkt, ich bin aber erwachsen und sollte doch ernsthaft sein. Also, man muss sich drauf einlassen, man muss sich die Erlaubnis geben, sich mitreißen zu lassen, man muss sich die Erlaubnis geben eben Blödsinn zu machen. Das tut gut, das hat was Befreiendes. Wie gesund Lachen ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Wenn wir gekitzelt werden, leiden wir immer auch ein wenig. Am wichtigsten ist wohl der Auslöser des Lachens: Barbara Wild Es hat wirklich auch etwas damit zu tun, worüber man lacht. Also, es gibt ja auch ein hämisches Lachen. Und es gibt ein verlegenes Lachen – oder verlegenes Kichern. Ich glaube nicht, dass das wirklich gesund ist. Am Schönsten ist es, mit anderen zu lachen - dafür hat die Natur gesorgt. Denn Lachen ist ansteckend und eine wichtige Fähigkeit in unserer komplexen Gesellschaft. Barbara Wild Ursprünglich hat das einen evolutionären Wert zu erkennen, was in anderen Lebewesen passiert. Und es hilft dann die eigenen Handlungen dem anzupassen. Wir müssen ja irgendwie mitfühlen 12 A Natural History of Laughter – Die Biologie des Lachens können, es ist ja überlebens-notwendig zum Beispiel dass ich als Mutter verstehe, was in meinem Baby vor sich geht, dass ich erkennen kann hat es Angst oder hat es Hunger oder regt es sich auf. Ich meine es ist bei Babys nicht immer einfach, aber letztendlich ist das so ne ganz frühe Situation, wo man ohne Worte spüren muss, was in einer andern Personen vor sich geht. Lachen ist mehr als Ausdruck von Freude. Lachen gehört zu den wichtigsten Fähigkeiten, die uns helfen, uns in Gruppen zurechtzufinden, Gefühle mit anderen zu teilen. Lachen befreit uns von unseren persönlichen und gesellschaftlichen Sorgen. Aber was macht Lachen so ansteckend? Lachen schafft nicht nur Zusammenhalt innerhalb einer Gruppe von Menschen, es verschafft uns auch einen Einblick in die Ursprünge von Empathie. VO Robert Provine Was ist es, das uns die Gefühle anderer Menschen teilen lässt? Dieses ansteckende Lachen ist ein Ansatzpunkt - genauso wie ansteckendes Gähnen. Man kann zum Beispiel Rückschlüsse ziehen auf schizoides Verhalten, wenn Menschen nicht in der Lage sind, auf ansteckende Verhaltensweisen zu reagieren. Sie könnten zu Autismus neigen. Es gibt bereits deutliche Hinweise, dass Autisten nicht zu ansteckendem Verhalten fähig sind; auch wenn es sich um solch unterschiedliche Reaktionen handelt, wie ansteckendes Lachen und Gähnen. Beide sind sowohl gesellschaftlich, als auch philosophisch und medizinisch sehr bedeutsam. Spiegelneuronen könnten eine Erklärung für ansteckendes Verhalten liefern. Im Jahr 1992 machten italienische Wissenschaftler bei Affen eine wichtige Entdeckung für die Kognitionsforschung. In einem Experiment mit Makaken suchte Giacomo Rizzolatti die motorischen Neuronen, die eine einfache Handlung ermöglichten: das Greifen einer Erdnuss. Erster Akt: Ein Makake sieht die Erdnuss und greift nach ihr. Das aktiviert die Neuronen in seiner Großhirnrinde. Diese neuronale 13 A Natural History of Laughter – Die Biologie des Lachens Aktivität wird durch ein Geräusch angezeigt. Zweiter Akt: An einem anderen Tag greift Rizzolatti ohne Nachzudenken nach der Erdnuss. Der Makake sieht zu. Der Wissenschaftler ist verblüfft, dass der Makake neuronale Aktivität zeigt, obwohl er passiv bleibt. Die Neuronen beim Affen werden also auch nur durch Zusehen aktiviert – so wurden die Spiegelneuronen entdeckt. Doch die Funktion der Spiegelneuronen beim Menschen wurde lange überschätzt. Heute ist umstritten, dass sie allein für Mitgefühl und ansteckendes Verhalten verantwortlich sind Barbara Wild Was ich den Spiegelneuronen zutraue, ist eben auch in Bezug auf mimischen Ausdruck die Bereitschaft zu dem gespielgelten Ausdruck zu fördern. Das heißt, wenn ich jemanden Lächeln sehe, steigt bei mir die Bereitschaft ebenfalls zu lächeln. Wenn ich jemanden sehe der die Stirn runzelt, steigt bei mir die Bereitschaft zum Stirnrunzeln. Das ist nicht so dass ich dem 100 prozentig ausgeliefert bin. Und natürlich kann ich, wenn das inadäquat ist, ernst bleiben und nicht mitlachen. Aber wenn ich mitlachen möchte, fällt es mir ein bisschen leichter. Also für mich geht es um die Bereitschaft da mitzureagieren. Der Mensch ist nicht die einzige Spezies, die lachen kann. Diese Erkenntnis hat dazu beigetragen, dass wir die Evolution besser verstehen. Interdisziplinäre Forscher und unkonventionelle Wissenschaftler haben sich in dieses bislang unbekannte Gebiet vorgewagt. VO Jaak Panksepp Ich werde häufig gefragt, ob ich beweisen kann, dass Tiere Gefühle haben. Meine Antwort lautet: „Das ist nicht die richtige Fragestellung“ In der Wissenschaft geht es nicht um Beweise, sondern um Indizien ; und für Gefühle bei Tieren gibt es einen Berg von Indizien. VO Robert Provine Auf der Suche nach dem biologischen Ursprung des Lachens geht es um universelle menschliche Eigenschaften; um etwas, das alle Menschen verbindet und uns nicht etwa auseinandertreibt. Es ist also nicht gewagt, zu behaupten, dass es den Zusammenhalt fördert – auch zwischen den Kulturen und über die Geschichte hinweg. Ich halte Lachen für eine äußerst wichtige Angelegenheit. 14 A Natural History of Laughter – Die Biologie des Lachens Barbara Wild Ich glaube nicht, dass es Leute gibt, die gar keinen Humor haben. Ich glaube, dass es halt unterschiedliche Formen von Humor gibt, aber auch Leute, die vielleicht als muffelig empfinde, haben hoffentlich irgendeinen Freund, mit dem sie dann auch herzhaft lachen können. VO Wir entdecken gerade, dass Tiere sehr komplexe Formen der Marina positiven Kommunikation miteinander haben und das zeigt, dass wir Davila-Ross nicht einzigartig sind was unsere wichtigen sozialen Kompetenzen angeht. VO Jan van Hooff Marsbewohner wären von uns Menschen wahrscheinlich begeistert: Was für eine bemerkenswerte Spezies: Sie bauen nicht nur Häuser und bewegen sich auf vier Rädern fort- sie machen auch ständig bellende Geräusche: ha ha ha ha. Wir sind wirklich eine besondere Spezies! Alles wird nachdrücklich durch auffallendes Verhalten unterstützt. In dieser Hinsicht sind wir tatsächlich viel weiter entwickelt als alle anderen Primaten. Lachen hat sich als vielversprechendes Forschungsfeld entpuppt, um die Evolution des Menschen zu begreifen. So wie es Darwin vorausgesehen hatte, wissen wir heute, dass Menschen grundlegende Gefühle mit Tieren teilen. Ein besseres Verständnis der Natur des Lachens bringt uns einen entscheidenden Schritt weiter im Verständnis um das menschliche Zusammenleben. Das Studium dieser sozialen Komponente unseres Gehirns hat ein neues Forschungsfeld innerhalb der Biologie hervorgebracht: Die Soziale Neurowissenschaft. Lachen wird endlich ernst genommen. Abspann Ende 15
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