Himmel und Erde

Himmel und Erde
Montag bis Freitag, ca. 9.20 Uhr (NDR 1 Niedersachsen)
2. - 6. Januar 2017: „Binde deinen Karren an einen Stern“
Jutta Johannwerner, [ka:punkt] in Hannover
Ein neues Jahr: Während manche angstvoll in die Zukunft schauen, vertraut die Theologin
Jutta Johannwerner, die den [ka:punkt], die Kirche in der City in Hannover leitet, dem Bild
vom Stern, der einst die Weisen zum Kind geführt hat. Sie vertraut auf Gottes Gegenwart
und auf die Kraft des Menschen, sein Verhalten zu verändern.
Redaktion: Andreas Brauns
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Die Autorin
1
Montag, 2. Januar – Mit Gott an der Hand
Die Spuren von Silvester. Sie sind heute überall zu sehen: diese roten Krümel von ChinaBöllern, die hageren Stäbe von Raketen, an anderen Stellen türmen sich Berge von
Feuerwerksbatterien und Knallkörpern. Sichere Zeichen dafür, dass wir im neuen Jahr
angekommen sind.
2017 liegt vor uns. Auch nur eine Zahl, sagen Sie vielleicht. Aber womöglich gehören Sie
auch zu denen, die mit dem Blick zurück auf die Ereignisse des Jahres 2016 eher vorsichtig
in die Zukunft schauen. Und es gibt Vieles, was uns beunruhigen kann: die Politik in
verschiedenen Ländern – sei es mit alten oder neuen führenden Politikern, die Entwicklung
in unserem Land – wir setzen uns auseinander mit der Angst vor Terror, Überfremdung und
Übervorteilung.
Da wird der Bundestag neu gewählt; die Veränderungen in den Kirchen: was wird das neue
Jahr bereithalten? Vielleicht haben Sie ja Silvester schon beim Bleigießen ein paar Hinweise
gesucht oder in ihrem Jahreshoroskop geblättert. Menschen suchen etwas, woran sie sich
orientieren können, Sie und ich, wir brauchen Haltestangen auf dem Weg durchs Leben.
Diese Erfahrung hat wohl auch eine chinesische Christin gemacht, von der folgender
Gedanke überliefert ist: „Ich sagte zu einem Engel, der an der Pforte des neuen Jahres
stand: ´Gib mir ein Licht, damit ich sicheren Fußes der Ungewissheit entgegengehen kann´.
Aber der Engel antwortete: ´Geh nur hinein in die Dunkelheit und lege deine Hand in die
Hand Gottes. Das ist besser als ein Licht und sicherer als ein bekannter Weg´.“
Ins Ungewisse gehen mit Gott an der Hand; in das neue Jahr gehen, mit Gott an der Hand.
Ein starkes Bild, das mich bewegt. Ich gehe mit Gott Hand in Hand durch die Zeit. Und ich
male mir aus, was alles passieren kann Es liegt nicht in meiner Hand, Schicksalsschläge
abzuwenden, aber wenn meine Hand in der Hand Gottes liegt, kann ich vertrauensvoll den
Weg wagen. Mit der Gewissheit, dass ich nicht alleine bin. Mit der Erfahrung, dass mir immer
wieder etwas zufällt, das mich tröstet und weiterbringt, kann ich mich in die ungewisse
Zukunft wagen.
Und so wünsche ich Ihnen und mir am Beginn dieses neuen Jahres dieses Vertrauen, um
gut ohne Angst in die neue Zeit zu gehen.
Dienstag, 3. Januar – Begegnung, die verändert
„Zwei Geschäfte weiter sitzt ein Mann auf dem Boden – bettelnd und vor Kälte zitternd.“ Als
uns diese Nachricht im [ka:punkt], der Kirche in der City in Hannover, erreichte, da haben wir
überlegt, was wir tun können.
Während wir noch darüber diskutierten, kamen zwei Studentinnen mit dem Mann zu uns ins
Café und fragten, ob sie hierbleiben könnten. Sie bestellten einen Kakao für den Mann und
nach und nach taute er auf. Das Zittern hörte auf und zwischen den dreien entspann sich ein
Gespräch mit Händen und Füßen und Fotos, die der Mann aus seiner Tasche kramte. Eine
gute Stunde verbrachten die drei bei uns, dann gingen sie gemeinsam hinaus. Mich hat
diese Begegnung berührt. Zwei junge Frauen, die einfach tun, was getan werden muss, die
sich berühren lassen von dem hilflosen Mann. Zwei junge Frauen, die Zeit investieren und
Zuwendung - einfach so - die einer Begegnung nicht ausweichen, sondern sich von ihr
ansprechen lassen. Ihre Hilfe war echt: kein berufsmäßiges Gehabe, kein eiliges
Pflichterfüllen – ich war beeindruckt und auch beschämt. Gelebte Nächstenliebe war das,
was die beiden Frauen mir gezeigt haben.
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Ein paar Tage später sah ich im Fernsehen einen Bericht über Obdachlose in Berlin. Ein
Streetworker betreut diese Menschen. Er wurde gefragt: Wie ist das mit dem einen Euro, den
viele erbetteln? Seine Antwort war klar und eindeutig: Diese Menschen sind momentan
einfach nicht in der Lage, für sich selbst besser zu sorgen. Jeder gespendete Euro kommt
genau richtig an, ja rettet Leben.
Die Begegnung bei uns im Café und die Information aus Berlin haben mein Verhalten
verändert: Keine pauschalen Ausreden mehr, kein Wegsehen. Ich habe jetzt immer eine
Handvoll Kleingeld in der Tasche und gebe jedem, der es braucht, etwas davon in seinen
Becher - mit einem freundlichen Lächeln und einem „Guten Tag“.
Und können Sie sich vorstellen, dass mein Gang durch die Innenstadt von Hannover seitdem
viel entspannter ist? Statt auszuweichen gehe ich auf Menschen zu. Statt den Kontakt zu
vermeiden, gestalte ich ihn. Begegnungen verändern – wenn ich mich auf sie einlasse. „Was
ihr den geringsten meiner Geschwister getan habt, das habt ihr mir getan“. Ja, die da
bettelnd auf der Straße sitzen und ihr Leben momentan nicht anders gestalten können, sind
Kinder Gottes.
Mittwoch, 4. Januar – Gute Vorsätze
Nein! Für dieses Jahr habe ich mir nichts vorgenommen. Gar nichts Ich will es mal anders
machen, so, wie Erich Kästner es geschrieben hat:
„Zum Jahresanfang: Man soll das neue Jahr nicht mit Programmen beladen wie ein krankes
Pferd. Wenn man es allzu sehr beschwert, bricht es zu guter Letzt zusammen. Je üppiger die
Pläne blühen, umso verzwickter wird die Tat. Man nimmt sich vor, sich schrecklich zu
bemühen, und schließlich hat man den Salat. Es nützt nicht viel, sich rotzuschämen. Es nützt
nichts, und es schadet bloß, sich tausend Dinge vorzunehmen. Lasst das Programm und
bessert euch drauflos!“
Wenn ich dieses Gedicht lese, dann habe ich ein Gespräch vor Augen, das ich bei uns im
[ka:punkt] mit einem Menschen geführt habe, der sehr gelitten hat unter seiner
Vergangenheit . An dem, was war, gab es nichts zu rütteln, Vergangenes kann er nicht
ungeschehen machen. Aber die Gegenwart kann er gestalten, sich heute anders
entscheiden, kann Vertrauen schenken und Vergebung.
Dieser Blick auf das Heute hat ihm geholfen. Vielleicht, weil er den schweren Ballast der
Vergangenheit loslassen durfte und merkte: Dem Heute bin ich gewachsen. So kann
Veränderung gelingen - auch im neuen Jahr: in kleinen Schritten Tag für Tag etwas anders,
besser machen. Und die Klassiker der guten Vorsätze kommen so ebenfalls zum Zug: jeden
Tag entscheide ich, ob ich dieses Glas Wein trinke, dieses Stück Schokolade esse, mir diese
Stunde für meine Kinder nehme.
Papst Johannes 23. hat zu seinen Vorsätzen folgendes gesagt: „Etwas weniger essen als
bisher wird mir sicher guttun. Ich werde meine Portionen deshalb halbieren und in der Regel
weniger Wein trinken und diesen noch mit Wasser vermischt. Wenn ich darüber nachdenke,
habe ich den Eindruck, zu viel zu versprechen. Doch ich hoffe, dass der Herr mir hilft,
meinem Vorsatz treu zu bleiben, und dass er mir die Ausführung milde erscheinen lässt.“
Diese freundliche Behutsamkeit und Achtsamkeit wünsche ich jedem, der sich daran macht,
gute Vorsätze zu verwirklichen. Aber auch die Bescheidenheit der kleinen Schritte: heute,
nur heute nehme ich mir vor, etwas anders zu machen. So bessere ich mich drauflos: ohne
Programm aber aufmerksam im Hier und Jetzt.
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Donnerstag, 5. Januar - Binde deinen Karren an einen Stern
„Der Karren steckt ganz schön im Dreck“ Manchmal fühlt sich das Leben genauso an. Dann
ist jeder Schritt mühsam, kostet viel Kraft und es geht kaum vorwärts. Vielleicht hat Leonardo
da Vinci aus dieser Erfahrung heraus einen Satz gesagt, der mich schon lange fasziniert:
„Binde deinen Karren an einen Stern.“ Diese Aufforderung verbindet das Erdenschwere, das
Mühselige mit der Sehnsucht nach Leichtigkeit und nach dem, was größer ist als ich.
Manchmal möchten Menschen ihre Traurigkeit, ihre Erschöpfung, die Einsamkeit oder die
Schwäche an einen Stern hängen und wieder Licht sehen, herausgezogen werden aus dem
Sumpf.
Wenn ich abends in den Sternenhimmel gucke, dann empfinde ich immer eine große
Ehrfurcht vor der Größe des Universums. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie groß es ist,
was darin alles existiert und lebt und wie groß Gott sein muss, der all dieses erschaffen hat.
Der Blick in den Sternenhimmel zeigt mir, dass es viel mehr gibt, als ich mir denken
kann.
„Binde deinen Karren an einen Stern“. Ein Satz, der mir Mut macht, der mich aus meiner
Enge und Klebrigkeit hinaus führt in Weite, Freiheit und Licht. Ein Satz, der mir sagt: lass
dich von einer Kraft ziehen, die zwar in dieser Welt – aber nicht von dieser Welt ist. Ein
Hoffnungssatz. Mit ihm bekomme ich neue Zuversicht, dass die Gebeugten wieder aufrecht
gehen können, dass den Schwachen neue Kraft zuwächst und die Steckengebliebenen
wieder auf den Weg gebracht werden.
Ein Satz der mich darauf hinweist, dass es weit mehr Möglichkeiten gibt, als ich mir
vorstellen kann und dass es jemanden gibt, der all diese Möglichkeiten im Blick hat. Und bei
allem bin ich mir sicher, dass ich meinen Karren nicht allein aus dem Dreck ziehen muss.
Aus den biblischen Erzählungen erwächst das Vertrauen, dass Gott mitgeht und ziehen hilft;
dass er die Kraft gibt, den Karren zu bewegen, neue Wege einzuschlagen. Damals sind die
drei Weisen aus dem Morgenland losgegangen; der Weg war unbekannt und ungewiss. Aber
Sie hatten einen Stern als Begleiter und Wegweiser. Und: Sie sind angekommen in
Betlehem. „Binde deinen Karren an einen Stern“. Ich will es versuchen...
Freitag, 6. Januar – Sterndeuter
Heute bin ich ein wenig neidisch auf die Menschen in Baden-Württemberg, Bayern und in
Sachsen-Anhalt - denn die haben heute einen Feiertag: Hl. 3 Könige! Als Könige verkleidet
ziehen in diesen Tagen Kinder durch die Straßen. Nein, es ist nicht schon Fasching, die
Sternsinger sind unterwegs. Als die Könige Caspar, Melchior und Baltasar gehen die Kinder
in die Häuser, in die sie eingeladen werden.
Ich freue mich schon, denn auch zu uns in den [ka:punkt] kommen die Sternsinger heute. Sie
erzählen und singen von der Geburt Jesu und sie machen sozusagen als Sterndeuter
aufmerksam auf die Situation von Kindern in der Welt. In diesem Jahr steht die SternsingerAktion unter dem Motto: „Gemeinsam für Gottes Schöpfung – in Kenia und weltweit“. Die
kleinen Könige sammeln Geld, um Kindern zu helfen, die vom Klimawandel bedroht sind. Es
geht zum Beispiel um den Bau eines Wassertanks oder um die Einrichtung von mobilen
Grundschulen. Die Sternsinger heute gäbe es nicht, wäre da nicht die Erzählung von dem
besonderen Stern.
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Im Matthäusevangelium wird berichtet, dass zur Zeit der Geburt Jesu ein besonders heller
Stern am Himmel leuchtete. Drei Sterndeuter folgten ihm auf einem ungewissen Weg bis
nach Bethlehem. Und als sie in das Haus kamen, auf das der Stern hingewiesen hatte, da
wussten sie, sie haben den neuen König gefunden Jesus.
Woher, frage ich mich, wussten diese Sterndeuter das alles? Dieser Stern war für alle zu
sehen, doch seine Bedeutung konnten wohl nur sie erkennen. Nicht die Gebildeten, die
Schriftgelehrten erkennen die Bedeutung der Zeichen, nicht sie finden den Erlöser der Welt –
sondern die Sterndeuter. Sie sind offene, suchende Menschen, die sich leiten lassen von
dem, was ihnen begegnet. Die Schriftgelehrten meinten schon alles zu wissen, bewahrten
Ihren Schatz der Erkenntnis. Aber sie konnten nicht das Unerwartete erkennen.
Vielleicht ist das die Botschaft: wenn ich nichts Neues, Überraschendes mehr erwarte, dann
werde ich es auch nicht erkennen, wenn es mich trifft.
Die Sternsinger von heute wollen auch Sterndeuter sein: die Zeichen der Zeit sehen und
aufmerksam machen auf etwas, was wesentlich ist. In diesem Jahr ist es die Bedeutung des
Klimawandels für die Kinder in der Welt.
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