Hauptausgabe - Migros

LEBEN | MM1, 3.1.2017 | 87
Laden Sie
unliebsame
Gspänli nach
Hause ein?
www.migmag.ch/
gspaenli
Tipps
Was man tun
kann und
lassen sollte
Das Gspänli besser
kennenlernen:
Laden Sie das Kind
ein und nutzen Sie
die Chance, andere
Seiten an ihm zu
entdecken.
Eltern müssen die
Freunde ihrer Kinder
nicht unbedingt
mögen.
Die ideale Taktik:
Erziehung
Wenn das Gspänli nervt
Die besten Freunde unserer Kinder sind uns Eltern nicht immer sympathisch. Doch wie
sollen wir damit umgehen? Ist es klug, sich einzumischen?
Text: Claudia Langenegger
Bild: Adie Bush/Getty Images
D
avid (9) hat seit Kurzem
einen neuen Freund –
Timo (9). Davids Mutter
mag ihn nicht. «Er ist ein
Besserwisser und hat manchmal
einen Befehlston drauf», sagt sie.
«Ich fände es super, wenn er mehr
mit Luca spielen würde», sagt sie
zu ihrem Mann. Er findet aber:
«Lass ihn doch.» Luca ist der Nach­
barsbub mit den coolen Eltern,
zu denen sie einen guten Draht
haben. Davids Mutter hat das
Gefühl, dass sie ihren Sohn vor der
etwas überheblichen Art von Timo
schützen sollte, zweifelt aber,
ob sie etwas sagen soll.
«Passt ein Gspänli den Eltern
nicht, weil es beispielsweise oft
den Befehlston anschlägt, ist die
wichtigste Frage: Leidet das Kind
darunter oder nicht?», erklärt
Annette Cina (45), Fachpsycho­
login am Institut für Familien­
forschung in Freiburg. «Das Kind
wählt aber selbst, wen es zum
besten Freund hat. Eltern sollten
sich nicht einmischen.» Denn
vielleicht stört sich das Kind gar
nicht an dem Charakterzug, der
die Eltern nervt, und sieht ganz
andere Qualitäten in seinem
Freund. «Das Kind lernt so auch,
was ihm guttut und was nicht. Es
hat ein Lernfeld», sagt Cina.
Respekt ist wichtig
Es gibt immer einen Grund dafür,
wen ein Kind zum Freund oder
zur Freundin kürt. Etwa, weil das
Gspänli es beeindruckt, weil es
so mutig oder kreativ ist, die glei­
chen Interessen hat, weil es sich
bei ihm verstanden fühlt oder
das Gefühl gibt dazuzugehören.
Oder schlicht, weil das Kind einen
besten Freund haben will.
Eltern müssen ein Gspänli ihres
Kindes aber auch nicht rundum
super finden. «Das ist wohl oft
die Schwierigkeit der Eltern; sie
denken, dass sie dieses Kind dann
durchwegs sympathisch finden
müssen.» Und sind dann hilflos,
wenn dies nicht der Fall ist.
Eltern müssen ihre Sorgen
und Bedenken aber keineswegs
für sich behalten. «Am besten
fragt man das Kind selbst, wie es
ein bestimmtes Verhalten wie zum
Beispiel das Herumdirigieren
wahrnimmt», empfiehlt Psycho­
login Cina. So erfahren die Eltern,
wie das Kind damit umgeht.
Spricht man darüber, gibt dies den
Erwachsenen Sicherheit. Es kann
sein, dass es nur ihr eigenes Prob­
lem ist und nicht das des Kindes.
Wichtig ist der Respekt vor dem
anderen Kind. Zu schimpfen oder
gar eine Freundschaft zu verbieten,
ist kontraproduktiv und kann
schmerzhafte Folgen haben. Dann
treffen sich die Kinder nämlich
heimlich, oder aber es trifft der
schlimmste aller Fälle ein: Das
Kind verliert seinen Freund und
hat gar keinen mehr. MM
Zeigen Sie Interesse
und versuchen Sie
herauszufinden,
warum Ihrem Kind
diese Freundschaft
wichtig ist. Auf diese
Weise lernen Sie
auch Ihr eigenes
Kind noch besser
kennen.
Die Freundschaften
Ihrer Kinder bieten
ein Übungs- und
Lernfeld für alle –
auch für später,
wenn es um Partnerschaften der
Kinder geht.
Nicht einmischen:
Überlassen Sie die
Entscheidung,
wen es zum Freund
haben will, grundsätzlich Ihrem Kind.
Äussern Sie Ihrem
Kind gegenüber
nicht, dass Sie der
Meinung sind, es
habe den falschen
Freund.
Benimmt sich das
Gspänli ungezogen
und stiftet Ihr Kind
dazu an, etwas
anzustellen, gilt:
Greifen Sie ein
und stellen Sie die
Regeln klar.