Freizeitsport 39 Lohnt sich die Flucht in die Wärme für Hobbyläufer? Sportberatung Paolo Colombani Läufer buchen Trainings im Süden, um dem Winter zu entkommen. Das lässt die Form ansteigen, birgt aber auch Gefahren. Von Robert Peterhans Ausschreibungen für Laufferien in den Win termonaten weisen beim ersten Betrachten viele Gemeinsamkeiten auf. Reiseziele sind Komforthotels auf Mittelmeerinseln, wo konstant milde Temperaturen und abwechs lungsreiche Laufstrecken locken. Und nebst einem grossen Sportprogramm wird viel Geselligkeit unter Gleichgesinnten in Aus sicht gestellt. Doch es gibt auch klare Unter schiede, die bei der Suche nach dem indi viduell passenden Veranstalter helfen. Die wichtigste Orientierung bieten die zur Aus wahl stehenden Leistungsgruppen. Der Blick auf drei Beispiele zeigt die Band breite. So ist unter den sechs Teams von Laufferien.ch im Nordosten Mallorcas eines für Einsteiger reserviert. Zusätzlich stehen den insgesamt 90 bis 120 Teilnehmern sepa rate Klassen für Nordic Walking zur Verfü gung. «Früher hatten wir viele Cracks als Gäste, heute sprechen wir vor allem die Breite an», sagt der Firmengründer Heinz Schild zur Ausrichtung seines Angebots. An der ZypernLaufwoche von Albis Reisen nehmen jeweils rund 80 Hobbysport ler teil, die meist ein Wettkampfziel haben. Als Mindestanforderung werden 10 Kilome ter in maximal 65 Minuten vorausgesetzt; für die sechs vorgesehenen Gruppen sind Wochenumfänge zwischen 90 und 150 Kilo metern geplant. Verbissenheit soll aber nicht dominieren. «Unsere Haupttrainings sind erkundete Strecken von A nach B, auf denen wir Land und Leute kennenlernen und auch einmal ein Besuch in einer landestypischen Taverne zum Schluss des Trainings nicht fehlen darf», sagt Markus Roth. Der Inhaber von Albis Reisen ist selber ein begeisterter Hobbyläufer. Anita Weyermann führt ihre Laufferien auf Sardinien ab zwölf Teilnehmern durch. Die ehemalige Spitzenläuferin und ausgebildete Expertin für Erwachsenensport lässt die Interessenten mit der Anmeldung einen Fra gebogen ausfüllen, um anhand der Antwor ten das Leitungsteam und die Gruppen zusammenzustellen. «Spass steht im Vorder grund», sagt Weyermann, «es sind Laufferien und keine Trainingslager.» Die Reiseveranstalter bieten auf ihren Websites transparente und vertiefte Informa tionen, die sich bis hin zum PreisLeistungs Verhältnis gut untereinander vergleichen lassen. «Mehr als Laufen» lautet das allge meine Motto. So bilden Referate und Work shops rund um das liebste Hobby Standard leistungen. Feedbacks von erfahrenen Läu fern seien für sie das wichtigste Kriterium gewesen, um sich bei der grossen Auswahl der Anbieter zu entscheiden, erzählt Giulia Hossmann. Die selbständige Physiothera Stimmt es, dass man beim Sporttreiben im Winter mehr Kalorien verbraucht als im Sommer? Tanja M.; Wädenswil A Einheitstenue, forsches Tempo: Ambitionierte Läufergruppe im Trainingslager auf Mallorca. peutin wurde in ihren ersten Laufferien vom Sportvirus infiziert und ist vom Gast zur Lauftrainerin und Leiterin geworden. Der Austausch unter Sportlern, die neuen Inputs in Bezug auf Lauftechnik, Beweglichkeit, Kraft und Trainingsgestaltung sowie die Stimmung ergeben ein Package, das Hoss mann als ideale Saisonvorbereitung dient. Die Option, einmal mehr als nur Freizeit sportler zu sein, birgt aber auch die Risiken der Unvernunft. Zwar ist überall ein Ruhetag vorgesehen. Dennoch trainiert man deutlich mehr als im Alltag, wo kaum einer an sechs Tagen in der Woche Sport treibt – und dies zum Teil zweimal täglich, wie es die Grund struktur in den Laufferien ermöglicht. «Man macht eigentlich zu viel in dieser Woche», sagt Anita Weyermann. Und Markus Roth merkt an, dass er den Ruhetag stets deutlich mit einer LaufverbotsTafel markiere. Aktiv ferien, aus denen man müde oder verletzt zurückkehrt, behält man in schlechter Erinnerung. Verhindern lassen sich solche schlechten Erfahrungen, indem man auch in der Gruppe aufs eigene Körpergefühl hört und sich nicht mitreissen oder überreden lässt, wenn man eigentlich eine Pause ein ziehen möchte. Ein Gruppenzwang besteht zumindest auf dem Papier nicht. Sämtliche Veranstalter bauen ihre Programme modul artig auf, so dass man nach seinen persön lichen Möglichkeiten und Vorlieben wählen und sich beteiligen kann. Sportmuffel werden ebenfalls angespro chen: Wer mit seinem Partner oder seiner Partnerin mitmachen möchte, aber nicht an den Trainingseinheiten interessiert ist, kann bei vielen Organisatoren zu einem vergüns tigten Preis als Begleitperson teilnehmen. Der Anteil an Stammgästen ist bei lang jährigen Anbietern gross. Neue Gesichter sind jedoch immer mit von der Partie, so dass man jederzeit unkompliziert Anschluss findet. «Laufen ist zwar ein Individualsport, aber in den Laufferien kann man von der Gruppe profitieren», weist Heinz Schild auf die motivierenden Aspekte des Trainings unter Gleichgesinnten hin. Für eingefleischte Einzelgänger haben Gruppenferien aber doch eher einen Experimentiercharakter. Und nicht vorgesehen als Teilnehmer sind Kinder. Das gemeinsame Sporttreiben bleibt für Familien eine Frage der privaten Organisation. Trail-Running in Südafrika Frauenlauftage auf Mallorca Ferien und Wettkampf Südafrika gilt unter Spitzensportlern schon länger als Hotspot für die Flucht aus dem Schweizer Winter, vor allem Leichtathleten und Radfahrer nutzen die Vorteile. Bici Abenteuerreisen bietet in Südafrika neu TrailRunning für Breitensportler an. Die beiden 14tägigen Reisen im Frühjahr 2017 sind für deutlich grössere Budgets als klassi sche Laufferien südlich der Alpen konzipiert, dafür gibt es neben Sport auch den Besuch einer Township, Weindegustationen sowie ShoppingMöglichkeiten. Als Verlängerung kann eine Safari gebucht werden. Die selbständige Bewegungstrainerin Simone Hertenstein bietet vom 30. April bis 4. Mai 2017 erstmals Frauenlauftage auf Mallorca an. Als Unterkunft dient eine Finca in einem landschaftlich reizvollen, aber touristisch wenig bekannten Teil der Insel. «Ich spreche mit diesen Lauftagen alle Frauen an, die gerne eine Auszeit an der Wärme mit Erholung und Bewegung verbin den wollen», sagt Hertenstein. Nebst dem Laufen stehen den Teilnehmerinnen Stand upPaddeln, Schwimmen und Biken als sportliche Tätigkeiten zur Auswahl. Markus Ryffel und sein Team bieten vom 26. März bis 3. April 2017 Laufferien an der Costa Calida im Südosten der spanischen Mittelmeerküste. Am zweitletzten Tag haben die Teilnehmer die Möglichkeit, am weltweit ältesten Halbmarathon in Elche teilzunehmen, an dem jeweils rund 2000 Läufer mitrennen. Wer nicht im Wettkampffieber ist, muss aber nicht mit machen; alle Inhalte der Aktivwoche sind freiwillig. Die Mindestanforderung von 30 Minuten lockerem Joggen spricht eine grosse Zielgruppe an. Robert Peterhans Anbieter, die mehr als nur Training versprechen n Weihnachten und Neujahr steht oft üppiges Essen auf dem Pro gramm. Spätes tens am 2.Januar meldet sich aber das über die Feiertage verdrängte Gewissen, die Suche nach der nächsten Diät beginnt. Die zusätzlichen Pfunde auf den Rippen sollen wieder runter – und wenn Sporttreiben in der Winterwelt mehr Kalorien verbraucht, umso besser. Die Sache mit dem Kalorien verbrauch und den Speckröll chen ist aber komplex. Sehr komplex. Ein ganzer Wissen schaftszweig befasst sich damit, und dieser hat selbst nach über 100 Jahren Forschung noch nicht alle Fragen eindeutig beantwor tet. Ob Sporttreiben in der Kälte mehr Kalorien verbraucht als bei höheren Temperaturen, gehört zu diesen Fragen. Die normale Körpertempera tur liegt bei rund 37 Grad, und jede Abweichung davon führt zu einer entsprechenden Reaktion des Körpers. Steigt die Tempera tur an, erfolgt die Kühlung durch Verdunstung des Schweisses von der Hautoberfläche. Sinkt die Körpertemperatur, beginnen die Muskeln zu zittern. Oder wir bewegen uns. Beides verbraucht Kalorien, und daher hört man immer wieder, dass Sporttreiben oder andere körperliche Aktivi tät in der Kälte den Kalorienver brauch erhöhten. Regelmässigen Sport in der Kälte betreiben wir aber meist gut verpackt. Und selbst wenn wir dabei nur leicht bekleidet wären, so gäbe es kaum Muskel zittern. Die Wärmebildung durch die körperliche Aktivität verhin dert in der Regel eine Abkühlung der Körpertemperatur. Der Kalo rienverbrauch wird daher nicht durch Muskelzittern erhöht, und auch ein Abkühlen von expo nierten Hautstellen wie Ohren oder Hände führt nicht zu einem grösseren Kalorienverbrauch. Es bleibt somit die Frage, ob in der winterlichen Kälte auch ohne Muskelzittern ein Mehrver brauch an Kalorien erfolgt. Viel Forschung dazu gibt es nicht, und die Ergebnisse liefern kein einheitliches Bild. In einer sol chen Situation geht man daher generell davon aus, dass ein all fälliger Unterschied nicht beson ders gross oder relevant ist. In unserem Fall gälte eine allfällige Erhöhung des Kalorien verbrauchs als praktisch ver nachlässigbar. Entsprechend wurde in der jüngsten der Stu dien zum Sporttreiben in der Kälte nach einer Stunde joggen bei Temperaturen von 0 Grad oder 22 Grad sogar der exakt gleiche Kalorienverbrauch gemessen. Sporttreiben im Winter ist weder besser noch schlechter als im Sommer. Viel relevanter ist, dass man überhaupt regelmässig Sport treibt. In diesem Sinne: Terminplaner starten und Zeit für Sport oder andere Aktivitäten gleich bis Ende Jahr einplanen! Paolo Colombani ist Ernährungswissenschafter. Nach fast 20 Jahren Forschung an der ETH Zürich arbeitet er jetzt als Selbständiger. Fragen an: [email protected]
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