ANODISCHE OXYDATION DES FORMALDEHYDS 335 Über die anodische Oxydation des Formaldehyds in alkalischer Lösung Von HERBERT H O Y E R Aus dem Physikalisch-chemischen Institut der Universität Leipzig ( Z . N a t u r f o r s c h g . 4 a, 335—337 [1949]; e i n g e g a n g e n a m 1. O k t o b e r 1948) Es wird der Nachweis geführt, daß der hei der Elektrolyse formaldehydhaltiger alkalischer Lösungen anodisch entwickelte Wasserstoff ausschließlich aus CH-Bindungen stammt. Z u diesem Zweck wurde eine Lösung von schwerer Natronlauge NaOD (0,79-n.), die in bezug auf leichten Formaldehyd HCHO 10,6-proz. war, elektrolysiert und der anodische Wasserstoff mit einer Wärmeleitfähigkeitsmethode auf seine Isotopenzusammensetzung hin analysiert. Dabei wurde gefunden, daß an der Anode ausschließlich leichter Wasserstoff auftrat. "T 7 o n E. M ü l l e r und H o c h s t e t t e r 1 wurde V die ungewöhnliche Tatsache beobachtet, daß sich die elektrochemische Oxydation von Formaldehyd in alkalischer L ö s u n g unter anodischer Entwicklung von Wasserstoff abspielen kann, der unter gewissen experimentellen Bedingungen nur wenig durch andere Gase (Sauerstoff, Kohlenoxyd) verunreinigt ist. Die Wasserstoffentwncklung kommt durch die Reaktion 2 H C H O + 2 OH' + 2 F = HO + 2 H C O , H (1) zustande 2 , die zwar die einzige wasserstoffliefernde, aber nicht die einzige Anodenreaktion überhaupt ist, wie schon das Auftreten von Kohlenoxyd und Sauerstoff an der A n o d e beweist 1 ' 3 . Es spielen vielmehr auch die folgenden Reaktionen eine Rolle: H C H O + 2 OH' + 2 F = H H C H O + 4 0 H ' + 4 F 3 H H C H 0 + = 2 0 2 + 0 + H C 0 2 H C 0 2 , , (2) (3) 2 0 H ' + 2 F = 2 H A 0 + C 0 , (4) 4 0 H ' + 4 F = 2 H 2 0 + 0 (5) 2 . Die prozentuale Beteiligung dieser einzelnen Reaktionen am Geschehen im Anodenraum hängt vom Anodenmaterial, von der Stromdichte, dem p H und dem Anodenpotential ab 3 . Die vorliegende Arbeit befaßt sich ausschließlich mit der Reaktion (1), und zwar mit der bisher noch nicht beantworteten Frage, woher der anodisch entwickelte Wasserstoff stammt, ob er aus den CH-Bindungen des Formaldehyds oder irgendwelcher CH-haltiger Reaktionsprodukte dieses Stoffes direkt ausgestoßen wird, oder ob sich 1 E. M ü l l e r u. H o c h s t e t t e r , Z. Elektrochem. angew. physik. Chem. 20, 367 [1914]. 2 E. M ü l l e r u. T a k e g a m i , Z. Elektrochem. angew. physik. Chem. 34, 704 [1928]. in dem entwickelten Wasserstoff Atome nachweisen lassen, die den Ionen oder Molekülen des Lösungsmittels entstammen. Durch die Anwendung der Wasserstoffisotope ließ sich der Herkunftsort des entwickelten Wasserstoffs ermitteln. Es wurde dabei so vorgegangen, daß eine Lösung von leichtem Formaldehyd in schwerer Natronlauge elektrolysiert und das an der Anode entwickelte Gas mit Hilfe einer Wärmeleitfähigkeitsmethode auf seine isotopische Zusammensetzung hin analysiert wurde, wobei sich herausstellte», daß sich in diesem Gas keine schweren Wasserstoffatome befanden, daß der anodisch entwickelte Wasserstoff also aus CH-Bindungen stammte. Im einzelnen wurde in folgender Weise fahren: ver- Um eine möglichst große Schärfe der Aussagen in bezug auf die Beteiligung von Atomen aus dem Lösungsmittel oder aus dem Formaldehyd an der Zusammensetzung des anodischen Wasserstoffs zu erreichen, ist bei gegebener analytischer Genauigkeit der Wärmeleitfähigkeitsmethode ein möglichst großerUnterschied in der Isotopenkonzentration der Natronlauge und des Formaldehydwasserstoffs erforderlich.. Das Einbringen von anderem leichten Wasserstoff, außer dem des Formaldehyds, in das zu elektrolysierende System wurde daher vermieden, indem für die Herstellung der Formaldehydlösung nicht von käuflichem Formalin, sondern von Paraformaldehyd ausgegangen wurde. Der Paraformaldehyd wurde zunächst mehrere Stunden lang in der evakuierten Trockenpistole bei der Temperatur des siedenden Monochlorbenzols (131,5 ° C ) getrocknet, wobei ein Teil des' Paraformaldehyds in den Chlorealciumraum der Pistole sublimierte. Der getrocknete Paraformaldehyd wurde dann in einer kleinen Glasapparatur erhitzt; die entstehenden Dämpfe wurden durch einen Strom ge3 H i c k l i n g don] 1943, 90. u. R o d w e l l , J. ehern. Soc. [Lon- Unauthenticated Download Date | 1/8/17 3:16 PM 336 ANODISCHE OXYDATION trockneten Stickstoffs in eine eisgekühlte Vorlage geschleppt 4 , die 10 cm3 schweres Wasser (99,53% D) enthielt. Die Analyse der entstandenen Lösung nach der Wasserstoffsuperoxydmethode ergab einen Gehalt von 22% Formaldehyd. Schwere Natronlauge wurde durch Reaktion von 10 cm3 schwerem Wasser mit 0,348 g Natriumdraht in einem eisgekühlten Quarzgefäß, durch das ein Stickstoffstrom ging, gewonnen. Unmittelbar vor Beginn der Elektrolyse wurde die schwere Natronlauge mit IF zum Vakuum der Formaldehydlösung gemischt (10 cm3 Lauge, 9,3 cm3 Formaldehydlösung). Die Mischung war in bezug auf die Lauge etwa 0,79-n., in bezug auf den Formaldehyd 10,6-proz. Die Deuteriuinkonzentration des schweren Wassers kann durch Isotopenaustausch mit den adsorbierten Wassermolekülen der Elektrolysiereinrichtung nur unwesentlich geringer geworden sein. Das Elektrolysiergefäß ist in Abb. 1 dargestellt. Eine Fritte trennte Kathoden- und Anodenraum. An die Anode reichte eine Luggin-Kapillare heran, die über ein Gefäß mit 3,5-m. IvCl-Lösung die Verbindung zu einer Normalelektrode herstellte. Mit Hilfe dieser Anordnung wurden unter Benutzung eines Kompen4 Fr. A u e r b a c h , Arb. kaiserl. Gesundheitsamt 22. 584 [1904]. 5 F r e d e n h a g e n u. B o n h o e f f e r , Z. physik. Chem., Abt. A 181, 379 [1938], DES FORMALDEHYDS sators Messungen zur Orientierung über die Lage des Anodenpotentials während des elektrochemischen Prozesses durchgeführt. Als Anode diente ein versilbertes Platinblech. Der Silberniederschlag hatte keine glatte Oberfläche, war aber nicht schwammig, sondern grobkristallin. Die Höhe der Anode betrug 11 mm, ihre Länge 17 mm. Die Kathode bestand aus einem Platinblechstreifen, der um einen großen Teil des Frittenumfanges herumgelegt war. Sie hatte eine Länge von 56 mm und eine Breite von 3 mm. Uber die Wege durch die Hähne I, II und III wurde vor Beginn der Elektrolyse die Flüssigkeit angesaugt. Der Kathodenraum war von einem Glasgefäß umgeben, durch das Thermostatenwasser floß, dessen Temperatur zwischen 5 ° C und 6 ° C schwankte. Durch die Wahl einer so niedrigen Temperatur ist beabsichtigt, die Cannizzaro-Reaktion zu hemmen, obwohl durch den mäßigen Ablauf dieses Prozesses keine Komplikation der experimentellen Bedingungen zu erwarten ist, da bei der Dismutation des Aldehyds kein Isotopenaustausch zwischen dem Wasser und den CH-Bindungen der organischen Stoffe erfolgt, die in der Reaktionsgleichung der Cannizzaro-Reaktion auftreten 5 - 6 . Nach den Arbeiten von E. M ü l l e r 1 - 2 und von H i c k 1 i n g und R o d w e 11 3 findet eine Abspaltung von Wasserstoff aus den Reaktionsprodukten der Dismutation des Formaldehyds unter den gewählten Bedingungen offenbar auch nicht statt. Es ist jedenfalls nichts beobachtet worden, was für eine solche Abspaltung spräche. Ein Irrtum über den Herkunftsort leichter oder schwerer Wasserstoffatome kann durch den Ablauf der Cannizzaro-Reaktion also nicht entstehen. In diesem Zusammenhang muß noch erwähnt werden, da Ts auch in der neutralen wäßrigen Lösung des Formaldehyds mit D 2 0 als Lösungsmittel, die zuerst hergestellt worden war, kein Austausch erfolgt 7 . Für die Wahl des Anodenmaterials waren folgende Gesichtspunkte maßgebend: An Silberanoden findet die interessierende Anodenreaktion leicht und mit guter Stromausbeute statt 3 . Ferner ist nicht zu befürchten, daß am Silber unter den Bedingungen der Elektrolyse ein Isotopenaustausch zwischen dem entwickelten Wasserstoff, wenn er sich in molekularem Zustand befindet, und den Wassermolekülen eintritt, da nach den Ergebnissen von H i r o t a und H o r i u t i 8 Silber kein guter Katalysator für diese Austauschreaktion ist, im Gegensatz zu Platin. Uber Katalyse des Austauschs zwischen Wasserstoffatomen und Wasser am Silber ist nichts bekannt. Ohne Katalyse erfolgt dieser Austausch nicht ohne weiteres 7 . Als Spannungsquelle für die Elektrolyse dienten zwei in Reihe geschaltete Bleisammler, ohne Zwischenschaltung eines Widerstandes. Während einer Beobachtungsdauer von 110 Min. stieg das Anodenpotential (bezogen auf die Normalwasserstoffelek« M ü n z b e r g , Z. physik. Chem., Abt. B 31, 18 [1936]. 7 W i r t z u. B o n h o e f f e r , Z. physik. Chem., Abt. B. 32. 108 [1936]. 8 II i r o t a u. H o r i u t i , Sei. Pap. Inst, physic, chem. Res. 30, 151 11936], Unauthenticated Download Date | 1/8/17 3:16 PM KATALYTISCHE SPALTUNG trode) von — 0,088 Volt auf — 0,050 Volt. Es zeigte schnelle Schwankungen um etwa 3/iooo Volt. Die mittlere Stromdichte an der Anode betrug 5,35 mA (Abweichungen von diesem Wert kleiner als 3 % ) . Um Störungen durch leichtes Wasser, das etwa der Anode noch anhaften könnte, sicher zu vermeiden, wurde der erste Teil des anodisch entwickelten Wasserstoffs verworfen. Dasjenige Gas, welches sich dann entwickelte, wurde in einem evakuierten Kolben aufgefangen und nach der Mikrowärmeleitfähigkeitsmethode von F a r k a s 9 analysiert. Der Aufbau der Analyseapparatur erfolgte im allgemeinen nach den Angaben von F a r k a s 9 und von W i r t z 10. Es wurde eine Meßgenauigkeit von etwa 0,8% erreicht. Für die Analyse des entwickelten Gases wurden zwei Messungen ausgeführt, die beide Widerstandswerte lieferten, welche innerhalb der angegebenen Grenze unter dem Widerstandswerte für reinen leichten Wasserstoff lagen. An der Anode wurde also nur leichter Wasserstoff entwickelt. Dieser Befund beweist, daß das entwickelte Gas ausschließlich aus dem 9 A. F a r k a s , Z. physik. Chem., Abt. B 22, 344 [1933]; A. u. L. F a r k a s , Proe. Roy. Soc. [London], Ser. A 144, 467 [1934]. K. W i r t z , Z. physik. Chem., Abt. B 32, 334 [1936]. 11 H. W i e 1 a n d u. H. W i n g 1 e r , Liebigs Ann. Chem. 431, 301 [1923]. DES ÄTHYLCHLORIDS 337 Formaldehyd oder aus den CH-Bindungen irgendwelcher Reaktionsprodukte dieser Substanz (etwa aus Dioxymethylperoxyd, wie es sich bei der Reaktion zwischen Hydroperoxyd und Formaldehyd bildet 1 1 ), sicher aber nicht aus den Wassermolekülen oder den Hydroxylionen stammt. Ü b e r den M e c h a n i s m u s der R e a k t i o n d e s F o r m a l d e h y d s , die z u r anodischen W a s s e r s t o f f entwicklung führt, existiert eine T h e o r i e v o n H i c k 1 i n g 1 2 . D i e I s o t o p e n z u s a m m e n s e t z u n g des anodisch entwickelten W a s s e r s t o f f s ist mit der Hicklingschen A u f f a s s u n g vereinbar, daß sich an der A n o d e intermediär H y d r o p e r o x y d bildet, w a s sich aus dem V e r g l e i c h des hier erhaltenen R e s u l tats mit den Ergebnissen von W i r t z und B o n h o e f f e r 7 über die Reaktion z w i s c h e n F o r m a l d e h y d und H y d r o p e r o x y d ergibt. Hrn. Prof. B o n h o e f f e r danke ich für sein Interesse an dieser Arbeit, Frl. S. N e n s und Frl. M. P a t z a k für ihre Hilfe beim Experimentieren. 12 Da Erich M ü l l e r bei einem Erklärungsversuch fünfwertigen Kohlenstoff benutzt, was den gesamten Erfahrungen der organischen Chemie widerspricht, braucht auf seine Vorstellungen nicht eingegangen zu werden. Neuere Messungen der katalytischen Spaltung des Äthylchlorids zur Prüfung des Zusammenhanges zwischen Aktivierungswärme und Aktivität VON ERIKA CREMER u n d RUDOLF BALDT Aus dem Physikalisch-chemischen Institut der Universität Innsbruck (Z. N a t u r f o r s c h g . 4 a. 337—241 [1940]: e i n g e g a n g e n a m 22. N o v e m b e r 1948) 1. Es werden neuere Messungen der katalytischen Spaltung des Äthylchlorids mitgeteilt an den Katalysatoren PbCl 2 , BaCl 2 , CoCl,, NiCl 2 , CaCl 2 und CdCl 2 . 2. Die Katalysatoren wurden bei verschiedenen Temperaturen zwischen 600 ° K und 900 ° K vorbehandelt, wobei sich vielfach ein linearer Anstieg der Aktivierungswärme mit dieser Vorbehandlungstemperatur zeigte. 3.An CaCl 2 , PbCl 2 , BaCl 2 und CdCl 2 wurde die Abhängigkeit der Umsatzgeschwindigkeit vom Druck des Äthylchlorids geprüft und für den anfänglichen Umsatz ( < 5 0 % ) eine Reaktion nach 1. Ordnung gefunden. 4. Es werden ferner einige Messungen über die Sedimentierungsgeschwindigkeit der untersuchten BaCl 2 - und NiCl 2 -Katalysatoren mitgeteilt. 5. Die gefundenen Aktivierungswärmen bewegen sich zwischen 12 und 42 kcal/Mol. In dem ganzen Intervall gilt die bereits früher aufgezeigte Gesetzmäßigkeit zwischen Aktivierungswärme und Aktivität. E s w u r d e n bereits an anderer Stelle 1 Ergebnisse mitgeteilt, die bei der U n t e r s u c h u n g der Spal- tung v o n Ä t h y l c h l o r i d an Chloriden erhalten w o r - 1 E. C r e m e r , Experientia 4, 9, 349 [1948]; Colloque sur la Liaison Chimique, Paris 1948, vgl. auch Österr. Chemiker-Ztg. 49, 1 [1948]. den waren und zu einer besonderen V o r s t e l l u n g über den M e c h a n i s m u s von heterogenen U m w a n d lungen an Kontakten geführt hatten. In dieser Arbeit soll nun unter V e r z i c h t auf die theoretische Behandlung n u r eine a u s f ü h r l i c h e D a r s t e l l u n g der experimentellen T a t s a c h e n gegeben w e r d e n . Unauthenticated Download Date | 1/8/17 3:16 PM
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