Viel Leistung aus drei Zylindern

Technik
TOP AGRARPRAXISTEST
Viel Leistung aus
drei Zylindern
Mit der 5600er-Baureihe schickt MF eine überarbeitete
Generation der 5400er-Serie ins Rennen. top agrar-Südplus
hat zwei Traktoren des 5610 getestet.
K
raftstoffsparende Motoren sind
das Gebot der Stunde. Heute
leisten bereits vier Zylinder
­
rund 150 PS. Kein Wunder, dass auch
3-Zylinder-Motoren wieder „salonfähig“ werden, mit denen nun schon über
100 PS Motorleistung möglich sind.
Wie im neuen MF 5600. In diesem
Modell werden AGCO Power Aggregate
verbaut, die schon im 200er-Fendt im
Einsatz sind. Die 5600er-Baureihe deckt
einen Bereich von 85 bis 105 PS Maximalleistung ab und holt dabei die Kraft
aus einem AGCO-Sisu 3-Zylindermotor.
Die Abgasnorm Tier 4 wird durch
eine externe Abgasrückführung und
einen wartungsfreien Diesel-Oxidationskatalysator erfüllt. Die Harnstofflösung AdBlue wird nicht benötigt. Trotz
all der zusätzlichen Technik konnte die
Freisichtmotorhaube beibehalten werden, die Sicht nach vorne ist nach wie
vor top! Mit der Motorleistung waren
wir sehr zufrieden. Der 3-Zylinder ist
zwar im unteren Drehzahlbereich
nicht gerade „bissig“, taut aber mit steigender Drehzahl richtig auf. Das extrem leise Motorgeräusch in der Kabine
erweckte anfangs das Gefühl, der Traktor würde nicht richtig auf Leistung gehen. Erst der Blick auf Drehzahlmesser
und Tacho zeigten, dass alles normal
läuft. Beim Leistungstest konnten wir
eine maximale Leistung von 84 PS bei
1 999 U/min an der Zapfwelle abnehmen.
Kabinenfederung ein Muss: D
ie neue
Kabine, die aus der 7600er-Serie
stammt, ist nicht nur extrem leise – bei
Transportarbeiten haben wir 72 dB gemessen – sie bietet auch viel Platz und
Komfort. Als Wunschausrüstung ist
eine mechanische Kabinenfederung erhältlich.
Für den Test standen uns zwei baugleiche Maschinen zur Verfügung, eine davon mit eben dieser Federung. Extreme
Zum Vergleich hatten wir zwei gleiche Maschinen im Test, eine mit Kabinenfederung.
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Wendigkeit wird meist durch sehr
kurze Radstände erzielt und das geht
immer auf Kosten des Fahrkomforts.
Die hier verbaute Kabinenfederung erfüllt ihren Zweck und schluckt sämtliche Schläge des Fahrwerks. Auf sie
sollte man auf keinen Fall verzichten.
Neben dem praktischen Beifahrersitz mit Sicherheitsgurt ist uns auch der
großzügige Einstellbereich am Lenkrad
aufgefallen. Höhe und Neigungswinkel
sind stufenlos zu verstellen. Mehrere,
zum Teil verschließbare Ablagefächer
sorgen für die richtige Ordnung in der
Kabine. Ein Fach ist sogar an die Klimaanlage angeschlossen. So bleiben
Getränk und Brotzeit immer frisch, super Lösung!
Das Visio-Glasdach der Kabine ermöglicht beim Arbeiten mit dem Frontlader auch bei gehobener Schwinge eine
„entspannte“ Sicht auf das Ladewerkzeug. Ein Testtraktor war mit einem
hauseigenen MF 946 Frontlader ausgestattet, der von Quicke produziert wird.
Das An- und Abbauen des Laders
dauert nur wenige Minuten. Durch die
Freisichtmotorhaube gelingt das Einfahren in die Laderschwinge problemlos. Mit einem Multikuppler werden
Hydraulik und Elektrik in einem Ar-
Der Beifahrersitz hat einen Gurt.
Die neue Kabine stammt aus der 7 600er-Serie und bietet viel Komfort, wenn sie die mechanische Federung hat.
beitsgang verbunden. Mit dem Lock &
Go-System verriegelt sich der Lader
nun automatisch in der Konsole, ohne
dass der Fahrer absteigen muss. Lediglich die Abstellstützen müssen noch
eingeklappt werden.
Bedient wird der Lader mit dem
Multifunktions-Joystick. Weil er als
Kreuzsteuerhebel ausgeführt ist, kann
man damit zwei zusätzliche Hydraulik-Steuerkreise vorne an der Geräteaufnahme elektrisch schalten. Wir hatten
ein „Kroko“ zum Mistladen im Einsatz.
Perfektioniert wird der Joystick
durch die Möglichkeit, auch Fahrtrichtung sowie Gang und Gruppe per
Knopfdruck zu wechseln. So steuert die
rechte Hand alle Funktionen, die zum
Laden notwendig sind. Neu ist auch die
Funktion „Kuppeln mit dem Bremspedal“. Durch Umstellung im Terminal
wird mit einem Fuß gebremst und zugleich ausgekuppelt. Zusammengefasst
kann man vom perfekten Frontladertraktor sprechen, der dem Komfort eines Radladers sehr nahe kommt.
Komplizierte Programmierung: Das
vielfach erprobte Dyna-4-Getriebe ist
auch in dieser Serie wieder im Einsatz.
Wir kennen die Technik bereits aus vo-
rangegangenen Praxistests und waren
stets zufrieden. Doch dieses Mal bereitete sie uns etwas Kopfzerbrechen:
Speziell bei Arbeiten auf dem Hof war
es immer wieder notwendig, den
„Startgang“ neu festzulegen.
Hier ist jene Getriebeprogrammierung gemeint, mit der der Traktor beim
Fahrtrichtungswechsel losfährt. Um
den richtigen Gang zu wählen, muss
man das Kupplungspedal durchtreten,
den PowerControl-Hebel am Lenkrad
auf Plus oder Minus stellen und den
T-Hebel in der rechten Konsole voroder zurückdrücken.
Die Einstellungen sind dabei am kleinen Terminal im Armaturenbrett grafisch dargestellt. Aus unserer Sicht ein
komplizierter Vorgang, der von ungeübten Fahrern schwer nachvollziehbar
ist. Hier gibt es sicher eine einfachere
Lösung!
Ist die Einstellung erst erledigt, ist
das Fahren kinderleicht: Je nach Bedarf
können Gang und Gruppen mit dem
T-Hebel oder mit dem PowerControl-Hebel links an der Lenksäule geschaltet werden.
Eine neue Automatikfunktion ermöglicht sogar das Fahren ohne manuellen Schaltvorgang. Über die Betäti-
gung des Gaspedals beschleunigt der
MF und schaltet selbstständig wie bei
einem stufenlosen Getriebe rauf und
runter.
Die zwei Hydraulikpumpen für Steuerventile und Hubwerk lassen sich
per Knopfdruck kombinieren und liefern dann satte 100 Liter Durchflussmenge. In Kombination mit dem Frontlader wirklich ein Hit, da auch bei
schweren Lasten sehr zügig gearbeitet
In der Seitenkonsole sind unter anderem
vier Steuergeräte und der Multifunktions-Joystick angeordnet.
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Technik
Technische
Daten
Motor:
Fotos: Schieder, Schuller
Die Fronthydraulik ist sehr nahe an die
Vorderachse gebaut.
3-Zylinder AGCO POWER Motor
mit 3,3 Liter Hubraum und Common-Rail-Technologie, max. Leistung (ISO 14396) 105 PS/78 kW;
Abgasnorm Tier 4, Emissionsreduzierung durch externe Abgasrückführung (EGR) und Diesel-Oxidationskatalysator (DOC)
Getriebe:
Dyna-4 Automatikgetriebe mit
16 Vor- und Rückwärtsgängen,
Wendegetriebe mit Power Shuttle
Das Visio-Glasdach ermöglicht auch...
werden kann! Aber auch an den Steuerventilen am Heck kann dann bei Bedarf volle Leistung abgerufen werden.
Die extrem kompakte Ventilanordnung am Heck ist etwas unglücklich.
Denn bei Verwendung eines hydraulischen Oberlenkers kann es vorkommen, dass dieser bei vollem Aushub in
Kontakt mit der Zuleitung für die
Fronthydraulik kommt und diese
schlimmstenfalls abdrückt, wie uns ein
Landwirt berichtet hat. Die oben erwähnte Fronthydraulik kann man vom
Schnell gelesen
• In den MF 5608 bis 5610
sind AGCO Power Aggregate
mit 3 Zylindern zwischen
85 und 105 PS verbaut.
• Die neue Kabine ist leise und
bietet viel Platz und Komfort.
• Mit dem Joystick lassen sich
über den Frontlader hinaus
zwei weitere HydraulikSteuerkreise vorne an der
Geräteaufnahme schalten.
• Eine neue Automatikfunktion
ermöglicht das Fahren ohne
manuellen Schaltvorgang.
• Die Werkzeugbox ist ver-
steckt und nur mit dem
Startschlüssel zu öffnen.
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... bei hoch gehobener Schwinge gute
Sicht auf das Ladewerkzeug.
Zapfwelle:
Fahrersitz aus direkt am Heck mechanisch sperren.
Das Lecköl-Sammelsystem hat den
Praxistest nicht unbeschadet überstanden. Einige der instabilen Kunststoffteile sind dabei zu Bruch bzw. verloren
gegangen.
Die farbliche Kennzeichnung bzw.
Zuordnung der Anschlüsse zu den
mechanischen Steuergeräten war etwas
irreführend, da sie nicht zusammenpassten. Für vier Steuerkreise standen
sechs Farben zur Auswahl, das könnte
man aus unserer Sicht kostengünstig
vereinfachen.
Das stabil ausgeführte Hubwerk
kann an beiden Kotflügeln bedient
werden. Die Arbeitsbeleuchtung des
MF 5610 ließ keine Wünsche offen, An-
Abmessung:
Plus & Minus
++Kabinenfederung
++Sicht auf Frontgeräte
++Steuerhebel für Frontlader
++Power Shuttle mit Lastschaltfunktion
--Kennzeichnung der Hydraulikanschlüsse
--hydraulischer Oberlenker drückt
auf Leitungen
--Getriebeprogrammierung
Heck: 540/540Eco/1000
Front: 1000
Höhe: 2,74 m, (Slimline Flachdach:
2,61 m), Länge: 4,25 m, Radstand:
2,46 m, gemess. Wendekreis: 7,9 m
Listenpreis (ohne MwSt.):
Grund-/Testgerät: 74 692 €/97 693 €
Zusatzausstattung: Komfort-Paket,
Frontlader, Fronthydraulik, Frontzapfwelle, Druckluftbremsanlage
zahl und Verstellmöglichkeiten der
leistungsstarken Strahler sind optimal.
Einfache Wartung: Die Wartung geht
einfach von der Hand: Der Getriebeölstand wird per Schauglas am Heck,
links neben dem Zapfwellenstummel
kontrolliert. Die einteilige Motorhaube
kann in zwei Etappen ganz nach oben
geschwenkt werden, Filter und Ölmaßstab sind dann leicht zu erreichen.
Die Kühler sind bei den 5600ern
starr verbaut, jedoch mit breitem Zwischenraum. Dadurch kann hier gut mit
der Druckluftpistole gereinigt werden.
Eine Werkzeugbox ist unter dem
rechten Aufstieg „versteckt“. Sie ist
zwar lobenswerterweise mit einem
Schloss gesichert. Allerdings benötigt
man zum Öffnen immer den Startschlüssel. Das hat uns im Alltag nicht
wirklich gefallen.
Gerhard Schieder, Georg Schuller