Evangelische Hoffnungskirchengemeinde Berlin-Pankow PREDIGT im Gottesdienst am 25.12.2016 in der Hoffnungskirche (Textgrundlage: Mi 5,1-4a) von Pfarrer Matthias Motter Liebe Gemeinde, Bethlehem – dieses Schild, das dort steht, [das am Heiligabend beim Krippenspiel im Altarraum steht] gibt es schon viele Jahre. Alle Jahre wieder weist es beim Krippenspiel den Königen den Weg in diesen Ort, der so besonders ist. Für unsere Ohren jedenfalls. Bethlehem – zumindest, wer die Erzählung aus dem Lukasevangelium nicht zum ersten Mal hört, der wird mit dem Ortsnamen Bethlehem unausweichlich die Geburt Jesu verbinden. So sehr ist Bethlehem mit dieser biblischen Geschichte verbunden, dass manche erstaunt sind, dass es diesen Ort wirklich oder zumindest noch immer gibt – diesen Ort ein paar Kilometer südlich von Jerusalem. Heute trennt eine Mauer – doppelt so hoch wie die Berliner Mauer – die beiden Orte Jerusalem und Bethlehem. Eine Mauer, die von Gewalt und Hass zeugt in einer seit Jahrzehnten unfriedlichen Region. Keine Spur der Idylle weihnachtlicher BethlehemVorstellungen. Ein Ort, abgehängt, isoliert und zum Gefängnis für die Bewohner geworden wie viele andere Orte in der Region auch. Interessiert eigentlich niemanden. Ein uninteressanter Ort war Bethlehem auch zur Zeit des Propheten Micha viele Jahrhunderte vor der Geburt Jesu. Jerusalem, ja, das war die große Stadt, dort war der Tempel, dort saß der König in seinem Palast, dort waren Glanz und Macht. Aber Bethlehem? Ein Dorf, wie viele andere. Nun gut, es gibt da diese Geschichten. Zwei Geschichten, in denen dieses unbedeutende Örtchen mal aus der Bedeutungslosigkeit hinausgetreten war. Einmal als Ort der Trauer und einmal als Ort der Freude. In Bethlehem hatte einst Jakob, der Stammvater des Volkes Israel begraben, was ihm das Liebste war auf Erden: Rahel, seine Frau, die Mutter des Joseph und Benjamin. Dann wurde der kleine Ort wieder vergessen, bis auf höchst merkwürdige Weise ein kleiner Junge, der jüngste, unbedeutendste unter den vielen starken Söhnen eines gewissen Isai aus Bethlehem, ein Junge mit Namen David, ein Hirtenjunge, von Gott – so erzählt es die Geschichte in der Bibel – zum König über das Volk Israel bestimmt. David wurde König – und Jerusalem wurde die Davidstadt mit Palast und später auch Tempel. Für Bethlehem interessierte sich keiner mehr. Bis der Prophet Micha kam. Mitten in den Wirren einer durch innere und äußere Krisen bedrohten Zeit – der unseren vielleicht gar nicht so unähnlich – tritt Micha ins Licht der Öffentlichkeit und redet im Namen Gottes über Bethlehem. Während die Herrschenden meinten, mit ihrer Macht, mit ihren Waffen und Sicherheitskräften alles in den Griff zu bekommen, wagt es der Prophet im Namen Gottes diese Sicherheit in Frage zu stellen. Ein schreckliches Ende wird das nehmen – warnt der Prophet Micha. Aber – weil Gott kein Gott der Vernichtung ist, sondern ein Gott der Gnade – verkündet er die Hoffnung. Es wird eine andere Macht kommen, sagt Micha – aus Bethlehem. Und du, Bethlehem Efrata, die du klein bist unter den Tausenden in Juda, aus dir soll mir der kommen, der in Israel Herr sei, dessen Ausgang von Anfang und von Ewigkeit her gewesen ist. Es wird einer kommen, der anders herrscht – und der wird aus Bethlehem kommen. Und das nehmt als Zeichen: Bethlehem, das mag euch unbedeutend vorkommen. Und genau das ist es: Gottes Macht ist nicht eine Macht wie die der Herrschenden und Machtheischenden, eine Macht, die auf Gewalt und Abschottung setzt. Er wird auftreten und sie weiden in der Kraft des HERRN […] Und sie werden sicher wohnen; […] Und er wird der Friede sein. Was für ein unerhörtes Gegenbild gegen alle Erfahrung dieser Welt bis heute entwirft hier der Prophet Micha. Er kündigt uns den einen an, der die Macht hat und doch nicht regiert, wie die Mächtigen dieser Welt es mit den Machtmitteln Gewalt, Ausgrenzung und Unterdrückung zu oft tun. Es ist geradezu ein Gegenkönig der Niedrigkeit, der hier geboren wird im unbedeutenden Örtchen Bethlehem. Ein Hirte, einer, der ganz für die Seinen da ist. Er wird sie weiden in der Kraft des HERRN […] Und sie werden sicher wohnen; […] Und er wird der Friede sein. Fürchtet euch nicht – und: Friede auf Erden. In der Weihnachtsgeschichte im Lukas-Evangelium nehmen die Engel auf dem Feld bei Bethlehem die Friedensbotschaft neu auf. Und es ist wohl gerade in diesen Tagen in vielen Herzen eine große, manchmal geradezu schmerzhafte Sehnsucht nach Frieden da. Und die Botschaft des Micha ist genauso wie die Botschaft der Engel beides: Auftrag und Zusage. Friede auf Erden – es ist auch an uns, diese Worte nicht verklingen zu lassen gerade in diesen Tagen. Auch wenn es viel Kraft kostet, schockiert und wütend angesichts von Gewalt und Hass sich nun nicht auf dieselben Wege des Unfriedens zu begeben. Wir dürfen aber nicht zulassen, dass Hass und Gewalt in unserer Welt das Sagen behalten. Aber wir müssen auch nicht allein den Frieden schaffen. Friede auf Erden – das ist die befreiende und tröstende Zusage Gottes, dass alle Gewalt und aller Unfrieden vor Gott nicht das letzte Wort haben. Und er wird der Friede sein, sagt der Prophet Micha. Der, dessen Geburt in Bethlehem wir jetzt wieder feiern, der, der scheinbar der Gewalt und dem Hass am Kreuz erlegen ist und am Ende doch lebt – der sagt es den Seinen, der sagt es uns immer wieder: Fürchtet euch nicht! Gottes Macht reicht weiter als ihr denkt. Mit der Geburt in Bethlehem hat keiner gerechnet. Mit dem Ostermorgen auch nicht. Aber jetzt dürfen wir es glauben: Gottes Lebens- und Friedensmacht reicht immer noch weiter. Amen. Es gilt das gesprochene Wort. (Diese Predigt ist in einigen Teilen an eine wunderbare Predigt des damaligen Pfarrers am Herforder Münster, Dr. Hans-Detlef Hoffmann, vom 25.12.1985 angelehnt.)
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