Einheit - Institut für Recht der Wirtschaft, Ordinariat für Privat

KONZERNRECHT
Universität Wien
Institut für Recht der Wirtschaft
Mag. Dr. Christian Knauder
DLA Piper Weiss-Tessbach
Rechtsanwälte GmbH
Konzernspezifische Besonderheiten der
Unternehmensorganisation
Satzungsmäßige Grundlagen der Konzernbildung
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Eine ins Auge gefasste Konzernbildung betrifft die Grundordnung der Gesellschaft:
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Gesellschaften sind prinzipiell so angelegt, dass sie ihre eigenen Interessen selbständig verfolgen → unabhängig von der
rechtlichen Grundlage der Konzernherrschaft stellt sich daher sowohl bezüglich der Vertragskonzerne als auch in Bezug auf
faktische Konzerne die grundlegende Frage nach den Grenzen zulässiger Konzernherrschaft und ihrer Verankerung in der
Organisation des einzelnen Konzernunternehmens
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So macht es einen erheblichen Unterschied, ob man ausschließlich eigene Interessen selbständig verfolgt oder ob man darüber
hinaus die Aufgabe übernimmt, übergeordnete Interessen Dritter bzw eines Unternehmensverbundes (mit) wahrzunehmen und
dafür sorgen zu müssen, dass fremde Vorstellungen und Direktiven in der eigenen Organisation durchgesetzt werden können
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Zu überlegen ist, wie weit sich ein rechtlich selbständiges Unternehmen (vertraglich) der wirtschaftlichen Fremdbestimmung
durch die Konzernspitze unterwerfen darf bzw inwiefern es überhaupt zulässig ist, ein Rechtssubjekt fremden Zielsetzungen
unterzuordnen
Konzernklauseln → durch die beabsichtigte Begründung einheitlicher Leitung und die damit einhergehende
Einflussnahme auf die Autonomie der Konzerngesellschaften kann folglich die Anpassung des jeweiligen
satzungsmäßigen Unternehmenszwecks bzw -gegenstandes notwendig werden
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Absichtsklauseln
Beteiligungsklauseln
einfache Konzernklausel
qualifizierte Konzernklausel
Satzungsänderungen durch Konzernklauseln, die nicht schon in der ursprünglichen Satzung (bzw Gesellschaftsvertrag) enthalten sind → Beachtung folgender Aspekte
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Minderheitenschutz
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gesellschaftsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz, Nachteilsausgleich
Gläubigerschutz
Konzernspezifische Besonderheiten der
Unternehmensorganisation
Vertragskonzernrecht im Aktiengesetz → Unternehmensverträge
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Arten von Unternehmensverträgen → vgl § 238 AktG
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Beherrschungsvertrag
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Gewinngemeinschaft und Gewinnabführungsvertrag
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Betriebspacht-, Betriebsüberlassungs- und Betriebsführungsvertrag
Abschluss von Unternehmensverträgen
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§ 238 AktG stellt klar, dass Unternehmensverträge unter bestimmten Voraussetzungen nicht vom Vorstand allein
abgeschlossen werden dürfen, sondern vielmehr die Zustimmung der Hauptversammlung erforderlich ist
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der Beschluss bedarf der ¾-Mehrheit des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals, wobei aber die Satzung
diese Mehrheit durch eine größere Kapitalmehrheit ersetzen und zusätzlich noch andere Erfordernisse aufstellen darf
(§ 238 Abs 3 AktG); zudem wird bei Bestehen von Vorzugsaktien ein Sonderbeschluss der Vorzugsaktionäre iSd § 221
Abs 3 AktG in Betracht zu ziehen sein
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der Hauptversammlungsbeschluss ist nicht nur für das Innenverhältnis beachtlich → dem Vorstand fehlt in den von
dieser Bestimmung erfassten Fällen vielmehr die ausschließliche Vertretungsbefugnis (beschränkte
Vertretungsbefugnis des Vorstandes); auch nach außen hin wird der durch die vertretungsbefugten Organe
abzuschließende Unternehmensvertrag erst mit Zustimmung der Hauptversammlung wirksam
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uU liegen die Voraussetzungen für ein Stimmverbot nach § 125 AktG vor; falls etwa ein Unternehmensvertrag darauf
hinausläuft, einen Aktionär zu entlasten oder von einer Verpflichtung zu befreien
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die Gefahr des Insichgeschäfts gilt es insofern nicht aus den Augen zu verlieren, als auch Vertragskonzerne nicht ohne
besondere wirtschaftliche und sonstige Beziehungen zwischen den Vertragspartnern entstehen; zu denken ist ua an
personelle Verflechtungen zwischen den Gesellschaften (zB Personalunionen im Vorstandsbereich)
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die Frage der Anfechtbarkeit des Zustimmungsbeschlusses der Hauptversammlung stellt sich insb bei einem Verstoß
gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, das Verbot der Verfolgung gesellschaftsfremder Sondervorteile oder die
gesellschaftsrechtlichen Treuepflichten
Konzernspezifische Besonderheiten der
Unternehmensorganisation
Faktischer Konzern
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das Kriterium der Beteiligung als Anknüpfungspunkt → wer die auf Grundlage der Beteiligung
beruhende Konzernvermutung nicht hinreichend widerlegt, gilt als konzernbeteiligt
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im Vordergrund steht dabei nicht die Frage nach dem Ob, sondern die Bestimmung von Umfang,
Reichweite und Nebenbedingungen der jeweils zulässigen Leitungsmacht → Berücksichtigung der
Interessen der (Minderheits-)Gesellschafter als auch der Gläubiger
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Konzerneingangskontrolle
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Konzerneingangsschutz auf der Ebene der Obergesellschaft betrifft in erster Linie die Bindung an den
Unternehmensgegenstand → der Erwerb von Beteiligungen bzw die Übernahme von Geschäftsführungen
müssen im Hinblick auf ihre Zulässigkeit nach hL und Rsp unter Konkretisierung des Geschäftsfeldes in die
Satzung aufgenommen werden
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die Notwendigkeit eines Konzerneingangsschutzes auf der Ebene der Untergesellschaft folgt nicht zuletzt
daraus, dass die Begründung eines Abhängigkeits- oder Konzernverhältnisses im Grundsatz ohne weiteres
zulässig ist
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umso nachlässiger erscheint, dass insb in den Fällen faktischer Begründung von Abhängigkeits- und
Konzernverhältnissen beim Konzerneingangsschutz lediglich auf das Instrument der gesellschaftsrechtlichen
Treuepflicht und den Gleichbehandlungsgrundsatz abgestellt wird → konkrete Ansatzpunkte sind insb die
materielle Beschlusskontrolle sowie ein weit verstandenes Wettbewerbsverbot
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wollen die Gesellschafter einen besseren Schutz, müssen sie durch privatautonome Gestaltung vorsorgen, zB
durch entsprechende Satzungsgestaltung, Stimmbindungsverträge, Vorkaufsrechte, Aufgriffs- und
Andienungsrechte (Call- und Put-Optionen)
Spezifische Kontrollmechanismen → Austrittsrecht nach ÜbG, Vinkulierungsklauseln, materielle
Beschlusskontrolle, Wettbewerbsverbot
Konzernspezifische Besonderheiten der
Unternehmensorganisation
Faktischer Konzern
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Konzernleitungs- bzw Konzernzustandskontrolle
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aus den verschiedenen Vorkehrungen der sog Konzernbildungskontrolle darf nicht geschlossen werden, dass
sich der Schutz der Interessen der Gesellschaft und ihrer (Minderheits-)Gesellschafter bei bestehender
Abhängigkeit erübrigt
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Immerhin hat die Ausübung von Leitungsmacht durch einen beherrschenden Gesellschafter sowohl Vor- als
auch Nachteile zur Folge
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zum einen kann die Konzernbildungskontrolle nicht in allen Fällen der Begründung einer beherrschenden
Stellung eingreifen
zum anderen kann die Abhängigkeitsbegründung im Einzelfall sachlich gerechtfertigt oder von der Zustimmung
der Minderheit getragen sein
ein wesentlicher Vorteil ist darin zu sehen, dass von einem beherrschenden Gesellschafter aus Sicht der übrigen
Anteilsinhaber und der Gläubiger erwartet werden kann, dass er das Verhalten der geschäftsführenden Organe
im eigenen Interesse überwacht
der Nachteil liegt in der Gefahr des Missbrauchs der Leitungsmacht durch den beherrschenden Gesellschafter
erforderlicher Schutz vor einem beherrschenden Gesellschafter → aus den allgemeinen gesellschafts-, insb
aktienrechtlichen Vorschriften werden daher eine Reihe von Rechtsfolgen zur Abwehr von Konzerngefahren
abgeleitet
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Ausgangspunkt → zentrale Regelungen iZm Rechtsgeschäften zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern, dem
Erwerb und der Veräußerung eigener Aktien, verdeckten Gewinnausschüttungen, der Kapitalerhöhung mit
Bezugsrechtsausschluss, Vermögensübertragungen etc
daraus resultieren ua das Verbot der Einlagenrückgewähr iVm dem Gleichbehandlungsgrundsatz sowie
Beschränkungen der vermögensrechtlichen Zugriffe der Aktionäre auf Dividendenausschüttungen und
Substanzauskehr bei Kapitalherabsetzung und Liquidation
aus dem Zusammenspiel vom Verbot des Zugriffs auf die Einlagen (Verbot der Einlagenrückgewähr) und dem
Gleichbehandlungsgrundsatz wiederum wird letztlich das Verbot der Nachteilszufügung im Konzern abgeleitet