„Oh du fröhliche“: Wald im Wandel

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Wald & Jagd
BAUERNBLATT | 24. Dezember 2016 ■
Jahreswechsel im Forst
„Oh du fröhliche“: Wald im Wandel
Jahreswechsel im Wald – Zeit, die
Ärmel aufzukrempeln, die Motorsäge oder den Harvester zu betanken und zur Holzernte zu schreiten. Aber auch Zeit, zurückzublicken, nach vorne zu schauen und
Pläne für kommende Generationen
zu schmieden.
Ob Landwirt mit einigen Hektar
bäuerlichen Privatwaldes, Bewirtschafter schleswig-holsteinischer
Gutswälder, Beauftragter für den
örtlichen Stadtwald oder Forstwirt
in den Landesforsten, die Herausforderungen der Waldbauer sind
gleich. Was mögen die Märkte der
Zukunft fordern? Kommt der Klimawandel? Werden die frisch gepflanzten Buchen und Eichen den
Kampf ums Licht gegen die Brombeeren gewinnen? Bleibt genug
Zeit für die Pflege der neuen Pflanzung, für Zäunung oder den Einzelstammschutz? Pflanzen für die Zukunft ist von vielen Fragen abhängig – auch oder gerade im waldarmen Schleswig-Holstein (10 %
der Fläche). Und mitunter bewegt
der Wald mit seinen Bewohnern
und Bäumen auch die Gemüter
der Öffentlichkeit. So müssen sich
etwa Waldkindergärten in schleswig-holsteinischen Wäldern mit einem komplizierten Baurecht herumschlagen oder gar weichen, weil
es keine verbindliche Sonderregelung für einen trockenen Unterschlupf für die Kinder im Wald gibt.
Anderenorts möchten Naturschüt-
Forstwirtschaftsmeister und Ausbilder Ralf Soltau (54, v. li.) hielt mit den Nachwuchsforstwirten Max-Oliver Timmermann (18) aus Ratzeburg, Marino-Jaque Wischofsky (18) aus Groß Buchwald, Lorenz Kruse (20) aus Stocksee,
Maximilian Mader (20) aus Hamburg und Marcel Crochard (32) aus Fahrenkrug Rückschau im Segeberger Forst.
zer eigentlich auch ganz gern noch
der letzten Fichte oder Lärche den
Garaus im deutschen Wald machen,
ist Migration hier doch gar nicht so
gern gesehen. Forstwirte sehen
das gelassener. Trotz der mitunter
Erntezeit im Nadelholz. Wo der Harvester nicht hinkommt
oder unwirtschaftlich ist, bleibt es bei Handarbeit, zeigt
­Marino-Jaque Wischofsky (18) aus Groß Buchwald beim Fällen einer Randkiefer.
durchaus emotionalen Diskussion
um deren Sein oder Nichtsein haben Nadelhölzer wie Fichte, Küsten- und Weißtanne oder Douglasie ihren Platz in schleswig-holsteinischen Wäldern, denn Lärche und
Douglasie liefern bestes Bauholz.
Die langnadeligen Kiefern bedienen wie kaum eine andere Baumart Möbelbaubetriebe – kaum ein
Kinderzimmer, in dem nicht ein Kiefernschrank gestanden hat.
Unter den Weihnachtsbäumen hat eindeutig die Nordmanntanne den Platz der „Diva“ eingenommen. Direkt aus dem Wald stammen allerdings die wenigsten Bäume. Die Regel sind
Sonderkulturen, sagen Lorenz Kruse (20, li.) aus Stocksee und Maximilian Mader (20) aus
Hamburg.
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■ BAUERNBLATT | 24. Dezember 2016
Die Fichte ist Baum des
Jahres 2017
Lobgesang auf Fichte und andere Nadelträger? „Keineswegs“,
meinte Forstausbilder Ralf Soltau
aus den schleswig-holsteinischen
Landesforsten jetzt beim Besuch
im Ricklinger Forst und ist sich mit
seinen Auszubildenden zum Forstwirt einig, dass die Nadelhölzer
durchaus ihren verdienten Platz
im Wald haben.
Auch wenn in den Landesforsten
keine Fichten mehr nachgepflanzt
werden und dafür neben den
Laubbäumen Nadelhölzer wie Küsten- und Weißtanne oder Douglasien ihren Weg in die Wälder finden, hat besonders die Fichte ihren
mitunter schlechten Ruf wenig verdient, meint der Forstnachwuchs.
Immerhin ist die Fichte zum Baum
del an ihren einstigen Monokulturen nagen. In Deutschland dürfte
die Zukunft der wenig anpassungsfähigen Fichte voraussichtlich besiegelt sein. Und selbst als Weihnachtsbaum hat sie ausgedient.
Den Rang, so die Ricklinger Auszubildenden, hat ihr längst die Nordmanntanne (Abies nordmanniana)
abgelaufen. Allerdings stammen
die begehrten Weihnachtsbäume, die auch auf vielen landwirtschaftlichen Höfen für ein Zubrot
sorgen, aus Sonderkulturen, die eigens hierfür angelegt wurden, und
kaum einmal aus den Wäldern. Für
die jungen Forstwirte heißt all das,
sich im Wandel der Zeit ganz anderen Herausforderungen zustellen.
„Wir pflanzen heute im Frühjahr
und Herbst für kommende Generationen“, sagen die jungen Forstwirte von morgen. Der Umbau der
Wälder ist in vollem
Gange. Dort, wo Harvester und Motorsäge oder Sturm und
Windbruch im Fichteneinerlei aufgeräumt
und geerntet haben,
werden heute Eichen, Buchen, Eschen
und andere Laubbäume für eine gesunde
und widerstandsfähige Misch­waldbildung
gepflanzt.
Winterzeit
ist Erntezeit
Jetzt im Dezember
ist Erntezeit im Wald.
Der Einschlag hat dieses Jahr früh begonAuch wenn Borkenkäfer, Sturm und Klimawandel nen, berichten die
ihr ständig den Garaus machen wollen: „Die F­ ichte Auszubildenden aus
ist viel besser als ihr Ruf“, weiß Marcel Crochard den Landesforsten.
(32) aus Fahrenkrug. Immerhin hat sie es 2017 aufs Milde und verregnete
Podest zum „Baum des Jahres“ geschafft.
Winter haben in den
letzten Jahren imdes Jahres 2017 gekürt worden. mer wieder für Probleme bei der
Grund genug, einmal mehr hin- Holzernte gesorgt. Deswegen sind
zuschauen. Unter den Zeichen des Mann und Gerät dieses Jahr früher
drohenden Klimawandels zählt die ausgerückt und haben mit dem
Fichte allerdings zu den Verlierern Laubholzschnitt bereits zeitig im
in norddeutschen Wäldern. Anders Herbst begonnen. Damit könnte
sieht das in skandinavischen Wäl- der Haupteinschlag auch Anfang
dern aus, wo sich die Fichte den März rechtzeitig zum Beginn der
Raum mit Birken, Kiefern oder As- Brut- und Setzzeit erledigt sein, erpen teilt. Allerdings dürfte beson- klärte Ausbilder Ralf Soltau. „Gut
ders der Klimawandel auch dort in so“, meinten die Auszubildenden,
den kommenden Jahrzehnten Wir- denn neben der Holzernte und
kung zeigen.
der Pflanzung neuer Bäume gibt
„Oh du fröhliche“, klang es einst es auch so genug zu tun im Wald.
aus den Stuben unterm Weih- Naturschutzarbeiten wie etwa die
nachtsbaum. Ob sie ausgedient Wiedervernässung von forstlichen
hat, die „gute alte Fichte“? Immer- Randwiesen oder Auwäldern, der
hin kann sie nichts dafür, dass Bor- Bau jagdlicher Einrichtungen oder
kenkäfer, Stürme und Klimawan- die Vorbereitung und Begleitung
Douglasie, Kiefer, Lärche oder Weißtanne und Fichte haben ebenso ihren
Wert wie begehrte und favorisierte Laubbaumarten, sagen die angehenden
Forstwirte Max-Oliver Timmermann (18) aus Ratzeburg und Lorenz ­Kruse
(20) aus Stocksee.
spätherbstlicher Drückjagden auf
Hirsch und Sau, die Aufgaben
sind vielfältig, erklärten die jungen Waldbauer, die wie Generationen vor ihnen ernten, was andere
Waldbewirtschafter gepflanzt haben. „Eines bleibt bei alldem jedenfalls nicht auf der Strecke“, meinte
Marcel Crochard (32) aus Fahrenkrug: „Respekt und ein wenig Ehrfurcht, denn immerhin stehen mitunter 100 und weit mehr Jahre vor
dir, die du gleich zu Fall bringst.“
Was sie sich wünschen, beim Gespräch und kleinen Streifzug durch
das Thema Waldwirtschaft am Lagerfeuer mit leise vor sich hinköchelndem Wildgulaschtopf im Rick-
linger Forst? Auf jeden Fall viel frische Luft, den Geruch von frisch
geschlagenem Holz und den Erhalt eines Arbeitsplatzes, den sie
auf keinen Fall mit einem Büro tauschen wollen.
Wer das spannende Arbeitsfeld
der Forstwirte teilen will, sollte sich
jetzt bewerben, empfiehlt Ausbilder Ralf Soltau. Informationen zur
Ausbildung oder Praktika gibt es
unter: www.forst-sh.de. Auch die
Landwirtschaftskammer als Ausbildungsberatung freut sich über
neue Arbeitskräfte im Wald. Ansprechpartner ist Dr. Jörg Hittenbek, erreichbar unter Tel.: 0 45 5195 98 23. Ralf Seiler, freier Autor
Sauen brechen und wühlen im Boden und bereiten so Saatbetten im Wald.
Daneben vertilgen sie Schadinsekten und deren Raupen und betätigen sich
so als natürliche Waldarbeiter. Unter Fichten- und Tannengrün suchen sie
gern Deckung. Eicheln und Bucheckern sind willkommenes Herbst- und
­Winterfutter. Fotos: Ralf Seiler