Die Bürger werden sich damit nicht abfinden

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FREITAG, 30. DEZEMBER 2016 | SEITE 13
„Die Bürger werden sich damit nicht abfinden“
Die Torgauer Zeitung im Gespräch mit Nordsachsens Landrat Kai Emanuel
TORGAU/NORDSACHSEN. Zwischen den
Jahren, also in der Zeit zwischen Weihnachten und Silvester, herrscht in vielen
Büros und Amtsstuben beschauliche Ruhe.
Seit 2008 fällt in diese Tag aber auch der
Termin, an dem sich Landrat und TZ zu einem ausführlichen Gespräch treffen. In
diesem Jahr ging es um die Folgen des
Terrorismus, Bürgerbeteiligung, die Bundestagswahl und die Tücken der Politik.
Gleich zu Beginn ging es allerdings um
eine Partei.
Als Landrat nimmt Kai
Emanuel ganz unterschiedliche Aufgaben
wahr. Er ist offizieller
Empfänger von
Fördermittelbescheiden (im großen Bild
spricht er deshalb mit
Staatssekretär Stefan
Brangs),…
Wenn Sie auf 2017 und die Bundestagswahl in diesem Jahr schauen: Haben Sie
ein gutes oder ein schlechtes Gefühlt dabei?
Das Gefühl ist das Eine. Wichtiger ist die
Positionierung. Man geht in eine Wahl rein
und stellt seine Strategien dar. Die Strategien, die die meisten Parteien bringen,
sind für die Bevölkerung schwer zu verstehen. Es wäre gut, wenn diese Strategien und Positionen noch klarer formuliert
würden und beispielsweise auch der Sicherheitsgedanke dort Niederschlag findet.
TZ: Seit Sie als Parteiloser für die CDU
als Landratskandidat angetreten und gewählt worden sind, steht die Frage im
Raum: Wann tritt Kai Emanuel in die CDU
ein? Oder sind Sie es schon?
Kai Emanuel: Nein, ich bin bisher nicht in
die CDU eingetreten und in meiner Wahrnehmung, auch im Umgang mit jenen, die
diese Frage am ehesten stellen könnten,
steht diese Frage auch nicht so zentral.
2017 steht die Bundestagswahl an, es
wäre ein Zeichen…
Es wäre nicht richtig, eine solche Entscheidung an Ereignissen oder Terminen fest zu machen. Jede Gruppierung und Partei hat bestimmte
Schwerpunkte, die man mit seinen eigenen abgleicht und sich fragt: Finde
ich mich da wieder? Im Herzen bin ich
ein konservativer Mensch, finde mich in
vielem wieder, doch die Wertevermittlung
ist mir wichtig und das braucht nicht zwingend das Parteibuch. Wichtiger ist die
konstruktive und zielorientierte Zusammenarbeit mit den Akteuren vor Ort. Und
das klappt sehr gut!
Wir leben in bewegten Zeiten. Terrorismus ist auch in unserem Land angekommen. Wirkt sich das auf das Tagwerk eines Landrats aus?
Natürlich überlegt man und fragt sich, was
man ändern kann, wo man die Situation
verbessern kann. Ich sehe meine Aufgabe
darin, für einen sachlichen Umgang in und
mit diesen „bewegten Zeiten“ zu werben.
Ein Blick in die Geschichtsbücher zeigt,
dass in der Vergangenheit oft über bewegte Zeiten gesprochen und geschrieben
wurde. Konkret sind es aber nicht viele
Stellschrauben, die wir als Kommunen hier
haben.
Welche sind das denn, mit denen man beispielsweise die Sicherheit im Landkreis
verbessert?
Für Sicherheit ist in unserem Land an erster Stelle die Polizei verantwortlich. Die
Gespräche mit der Polizei sind sehr interessant und zeigen, dass wir gemeinsam
Strategien entwickeln müssen. Es wäre
populistischer Quatsch, wenn ich mich als
Landrat hinstellen und verkünden würde,
dass ich jetzt die Bürger schütze. Das geht
nicht direkt und nicht auf diese Art. Wir
müssen jetzt die Anschläge analysieren,
die Denkmuster verstehen, erkennen, was
die Attentäter eigentlich wollen. Und diese Analysen laufen.
Blicken wir auf 2017, ein Jahr voller
Großveranstaltungen – auch in unserer
Region. Haben die aktuellen Entwicklungen auch Einfluss auf die Planungen dieser Veranstaltungen?
Ein Reformationsjubiläum ohne Nordsachsen, undenkbar! Auch wenn eine von vier
großen Nationalen Ausstellungen bereits
2015 stattfand, so heißt das nicht, dass
2017 in Nordsachsen nichts mehr stattfände. Wir haben sehr viele Veranstaltungen
in vielen Gemeinden des Landkreises. Die
Veranstaltungen, die wir hier haben, halte ich unter Sicherheitsaspekten für überschaubar. Der Kollege in Wittenberg hat
mit seinem Kirchentag und 300 000 Gästen sicher ganz andere Schweißperlen auf
der Stirn. Dort sind wir auch eingebunden
– er hat um Amtshilfe gebeten –, denn der
logistische Aufwand ist enorm.
Auf welche nordsächsische Veranstaltung
im Reformationsjahr freuen Sie sich besonders?
Ich denke es ist wichtig, dass sich unsere
Gäste hier wohlfühlen. Was ich besonders
im Blick habe, ist der Tag des offenen
Denkmals am 11. September. Dann ist der
Ministerpräsident hier, um den Tag sachsenweit und gleichzeitig die Kurfürstlichen
Gemächer zu eröffnen. Und das Highlight
wäre, wenn wir dann schon Weltkulturerbe sind, oder zumindest eine Tendenz dahin erkennbar ist.
Das Schloss und die Kurfürstlichen Gemächer standen in den vergangenen Jahren
in ganz enger Verbindung mit dem ehemaligen Dezernenten Horst Winkler. Die
Stelle ist in der Ausschreibung. Ist aus Ihrer Sicht eine Kontinuität in der Schlossentwicklung aber wünschenswert?
Die Kontinuität ist auf jeden Fall da. Herr
Winkler hat ja auch nicht alles alleine gemacht Da steht ja immer auch ein Amt dahinter. Und da stehen Bauingenieure dahinter, die auch weiterhin diese Aufgaben
bearbeiten. Natürlich muss das Ganze vom
Leiter positiv begleitet werden – doch da
Interessante Idee. Aber nochmal, kann
Politik langfristig ohne dieses Internet
funktionieren?
Ignorieren geht nicht. Man muss damit
umgehen können. Man darf es aber nicht
überbewerten. Wer meldet sich dort zu einem Thema? Meistens doch Menschen,
die ein Problem vortragen. Und manchmal
hat man das Gefühl, dass eine sachliche
Debatte gar nicht gewollt ist.
…Gesprächspartner für die
Medien (wie hier mit TZ-Chefredakteur Sebastian Stöber)…
…Vorsitzender des Jugendhilfeausschusses (wie hier mit
Ex-Sozialdezernent Günter Sirrenberg,…
habe ich keine Bedenken. Allein schon
deshalb, weil ich es auch so sehe. Und zur
Kontinuität gehört verstärkt in den kommenden Jahren das sanierte Schloss mit
noch mehr Inhalten zu entwickeln, wobei
der Kulturbereich von Frau Schladitz eine
immer größere Rolle spielen muss. Hierbei haben wir mit der Stadt, aber auch mit
dem Schlösserland starke Partner. Nicht
zu vergessen die Staatlichen Kunstsammlungen, deren Handschrift auch zukünftig
massgeblich erkennbar sein wird.
Verfolgt man die sozialen Ausschüsse des
Kreistags, ist das oft alarmierend. Die Sozialarbeit stößt an ihre Kapazitätsgrenzen. Mehr Fälle, härtere Fälle, gerade,
wenn es um Kinder geht. Wie kann man
diese Situation verbessern, woher soll das
Geld dafür kommen?
„Das zu verkünden, wäre
populistischer Quatsch!“
Geld allein ist keine Lösung. Wir müssen
Kindern, die aus benachteiligten Verhältnissen kommen, die Chance geben, unsere Gesellschaft als lohnenswert, die Teilhabe daran als erstrebenswert zu empfinden. In diese Richtung geht ja auch die
Schulsozialarbeit, die jetzt nochmal mit einer Richtlinie unterstützt wird. Da hätten
wir uns allerdings noch eine klarere Formulierung bezüglich der Nachhaltigkeit
gewünscht. Es nützt wieder nichts, eine
Förderrichtlinie für zwei Jahre zu formulieren.
Warum?
Was soll ich mit 20 Stellen, wenn ich nicht
weiß, wie es nach zwei Jahren weitergeht?
Da muss ich doch jetzt schon hindenken.
Wenn ich gute Leute haben möchte, muss
ich denen eine Perspektive geben.
Offenbar hören die, die die Gesetze und
Richtlinien erarbeiten, nicht auf die, die
sie vor Ort umsetzen und den direkten
Kontakt zu den Bürgern haben. Warum?
Das müssen Sie in Dresden fragen. Die
Hinweise des Sächsischen Landkreistages
waren eindeutig! Dann wird gesagt, es
könnte am Haushaltsrecht liegen, weil wir
nur einen Zwei-Jahres-Haushalt haben
und uns nicht darüber hinaus binden wollen. Denn dafür bräuchte es eine andere
Grundlage, zu der man aber nicht bereit
ist… da gibt es sicherlich Gründe und man
müsste die Landtagsabgeordneten fragen,
warum es so ist. Ich verstehe auch die
„Gaben“ nicht, die aus Berlin angekündigt werden mit der Änderung des Unterhaltsvorschusses. Vielleicht bin ich aber
auch nur zu sehr Verwaltungsmensch, der
in Abläufen und Prozessen denkt, aber wir
bauen da den nächsten Apparat auf, der
nicht sein müsste.
Mit dieser Sichtweise sind Sie durchaus
massenkompatibel.
Ich weiß nicht, warum gerade jetzt diese
Änderung kommen soll. Nach unseren Erkenntnissen, wird es bei den Menschen,
die mehr Geld aus dem Unterhaltsvorschuss bekommen, nicht automatisch auch
mehr Geld im Portemonnaie bedeuten,
weil es ja woanders wieder angerechnet
Sie plädieren für mehr Populismus?
Populismus? In der Bundestagswahl? Dafür sind doch andere zuständig.
Aber Sie sagten doch, die Botschaften der
Parteien sind zu kompliziert, um sie zu
verstehen…
…nicht zu kompliziert…es gibt die Menschen, die sich für Politik interessieren und
zur Wahl gehen und es gibt sehr viele, die
ihr Wahlrecht passiv wahrnehmen, also
nicht zur Wahl gehen. Das kann man positiv als Zustimmung zur aktuellen Politik
interpretieren. Ich sehe aber die Gefahr,
dass es nicht so ist. Ich befürchte, dass die
Masse der Leute, die nicht wählen, die
Redner (wie hier beim Neujahrsempfang
2016), …
wird. Ich weiß nicht, warum man so ein Rechenspiel gerade Ende des Jahres 2016 anschiebt. Und das sind so die höheren Sachen, die ich nicht verstehe – um nochmal
auf die Frage nach dem CDU-Eintritt zurückzukommen. Manfred Rommel hat einmal sinngemäß gesagt, dass man zu seiner
politischen Meinung langfristig stehen sollte, auch wenn man damit langweilig wirkt.
Haben wir zu wenige Langweiler in der
Politik?
Ich war über den Leipziger OBM erstaunt,
der in der Debatte um den Unterhaltsvorschuss gefordert hat, den säumigen Elternteilen den Führerschein abzunehmen. Das
ging drei Tage durch die Medien, danach
war das Thema verschwunden. Sorry, aber
da halte ich es lieber mit Rommel.
Man kann das als Spaß betreiben. Was Ministerin Manuela Schwesig bei der Goldenen Henne abgelassen hat, war aus meiner Sicht untragbar. Wenn Politik ihren Erfolg darin bemisst, möglichst oft in Satiresendungen verrissen zu werden und in
den Tageszeitungen mit bahnbrechenden
Ideen zu erscheinen, dann ist Politiker tatsächlich ein Schimpfwort. Man denkt doch
am Ende eines Jahres darüber nach, was
man erreicht hat. Muss da wirklich ganz
oben stehen: Fünf mal Heuteshow? Ich
meine, die Menschen können das sehr gut
einordnen und erwarten abrechenbare Ergebnisse von der Politik.
Nochmal zurück zu den Schulen. Im länd„Ich weiß nicht, warum diese Änderung
gerade jetzt kommen soll.“
lichen Raum gehen die Lehrer aus und inzwischen sind die Eintrittsschranken
niedriger denn je.
Wir reden über Millionen-Bildungspakete, über Angestelltenverhältnisse und Beschäftigtenzahlen, aber nicht über Inhalte. Aber genau darum müsste es gehen.
Ging es doch in diesem Jahr, beim Bürgerdialog in Torgau.
Die Sächsische Kultusministerin sagte an
dem Abend, es war eine gute Veranstaltung. Ich habe ihr gesagt, dass in Torgau
gefühlt 70 Prozent Lehrer an der Diskussion teilgenommen haben. Das hätten die
auch in der Dienstzeit tun können. Es
wurden Zettel ausgefüllt, in Boxen eingeworfen und sicherlich sind diese Zettel im
Kultusministerium auch ausgewertet worden. Aber das wurde nie öffentlich ausgewertet.
Das neue Schulgesetz gibt es noch nicht.
Was sagt uns das Ganze über das aktuelle Verhältnis zwischen Bürgern und Politik?
Ein Feigenblatt: Es wird eine Bürgerbeteiligung geboten, alle dürfen mal mitreden
und ihren Senf dazu geben. Und am
Schluss wird dann doch das gemacht…
…was im Landtag mehrheitsfähig ist.
So könnte man es formulieren. Obwohl ja
auch das gerade nicht so recht zu funktionieren scheint und der Schwarze Peter
zwischen den Koalitionspartnern hin und her geschoben wird.
Zurück nach Nordsachsen. Was steht
denn bei Ihnen 2016 auf der politischen
Haben-Seite?
Das sind immer Sachen, die wirken, keine plötzlichen Ereignisse, die auftauchen
und abgehakt werden. Für mich war 2016
wichtig, dass wir das Abfall-Thema in Delitzsch lösen konnten. Dann ist es gelungen, das Thema Flüchtlinge durch den engagierten Einsatz unserer Mitarbeiter in
den Griff zu bekommen.
Zählen Sie die Fördermittelbescheide für
den Breitband-Internetausbau nicht zu
den Erfolgen 2016?
Wir sprachen von abrechenbaren! Noch
spürt der Bürger nichts davon, schließlich
sind es nur Zwischenschritte und keiner
hat auf Grund unserer bisherigen Arbeit
auch nur ein Bit schneller im Haus. Wenn
wir die Ausschreibungen durchhaben und
die Bagger rollen, dann glaube ich daran.
Einen Fördermittelbescheid zu bekommen, bedeutet erstmal, dass man den Antrag sauber ausgefüllt hat. Wir sitzen jetzt
an der Terminschiene und wissen, dass
2017 noch nicht gebuddelt wird.
Solange laufen die Ausschreibungsverfahren? Ist das optimal gelöst?
Die einfache Lösung wäre sicherlich gewesen, die Telekom nicht zu privatisieren
und die Versorgung mit ihren Leistungen
als staatliche Aufgabe zu betrachten. Jetzt
gibt es aber verschiedene Anbieter und
deshalb muss ich ausschreiben. Auch
wenn ich weiß, dass es bei diesen Umfängen kaum jemanden gibt, der auch anbieten kann. Aber das Verfahren steht. Ich
finde den Rückblick auf 2011 interessant.
Da gab es schon einmal viel Geld für den
Internetausbau. Damals wurde auf 2Mbit
ausgebaut. Vor fünf Jahren. Wo stehen wir
heute schon, wo stehen wir in fünf Jahren?
Brauchen wir dann überhaupt noch Glasfasern? Gibt es dann ganz andere Technologien. Müssen wir jetzt 107 Millionen
Euro in der Erde verbuddeln, um in fünf
Jahren zu sagen: Schön, dass es drin ist?
Sollte man so denken, oder hemmt das
nicht vielmehr?
Man sollte in die Zukunft denken. Die zugesagten Mittel sind Obergrenzen und
keiner verlangt von uns, diese auf Teufel
komm raus auszuschöpfen. Gerade unter
dem Aspekt, dass die zehn Prozent Eigenmittel immer noch eine riesige Last für die
Kommunen darstellen. Mir wäre es deshalb lieber, wir setzen nur ein Zehntel des
Geldes ein und bekommen zeitnah eine
Verbesserung der Anschlüsse, als mit dem
jetzigen Stand zu planen und in zehn Jahren eine Technologie zu haben, die dann
schon wieder überholt ist.
Sind Verwaltungen zu langsam für Innovationen?
Ein Beispiel aus meinem alten Aufgabengebiet: die Doppik, also das käufmännische Rechnen, kommt aus der Verwaltungswissenschaft. 1993 wurde damit be-
gonnen, dass auf Kommunen anzuwenden. Bis
2004 hat es gedauert, bis
die Innenministerkonferenz einen Beschluss gefasst hat und 2014 haben
wir es als Kommune einführen müssen. Das zeigt,
wie langsam Veränderungen passieren. Da muss
schon lange vorher darü- …oder Sportler (wie hier beim Handball-Pfingstturnier des
Fotos: TZ/Archiv / Landratsamt
ber nachgedacht werden, SV Roland Belgern).
ob es langfristig Sinn
macht, in diese Richtung zu laufen.
Richtung nicht versteht, die momentan gefahren wird. Und wenn es dort keine klaUnd, ist es die richtige Richtung?
ren Aussagen gibt, gehen diese Menschen
Ja. Wir sind jetzt beim Modell der Bürger- dann doch zur Wahl und entscheiden sich
kommune, mit diesem Dienstleistungsge- für die, die scheinbar klare Aussagen brindanken, den Bürgern Leistungen anzubie- gen. Die also, die nur populistisch sind:
ten. Die Bürger können mitreden – wir re- Probleme beschreiben, aber die Lösungen
den über Bürgerhaushalte und Bürgerbe- eh nicht umsetzen können, die sie anbrinteiligung, siehe Stuttgart 21. Da laufen gen. Man kann über die Anschläge nicht
kontroverse Diskussionen.
einfach so hinweggehen und sagen: Das
ist jetzt so, damit müssen wir leben. Mit
dieser Aussage werden sich unsere Bür„Es ist sicherlich schön, wenn sich der
ger nicht abfinden.
Bürger beteiligen kann…“
Das Thema Sicherheit wird im Bundestagswahlkampf also ganz oben stehen?
Wäre ein Bürgerhaushalt etwas für Eine flächendeckende Videoüberwachung
Nordsachsen?
für unseren Landkreis hielte ich jetzt für
Das wäre nicht zielführend. Ich kenne das etwas übertrieben. Aber wir brauchen klaaus der Stadt Halle. Da kann man eintra- re Aussagen, was mit denen passiert, die
gen, was man möchte und hat dann eine hier straffällig werden, wir wird mit denen
Reihe von Schiebern, mit denen man re- umgegangen! Und wenn man dann im
gelt, wo das Geld herkommen soll. Was Fernsehen Demonstrationen in Tunesien
nützt es denn, beim Bürgermeister den nach dem Motto sieht: Die wollen wir auch
Schieber ganz nach unten zu ziehen, um nicht wiederhaben…ja wer denn dann?
einen neuen Spielplatz zu finanzieren? Die müssen doch nicht zu uns. Das fand
Man hat dem Bürger das Gefühl gegeben, ich erstaunlich. Sind wir für die Resozialidass er mitreden kann. Kann er aber nicht sierung dieser Menschen zuständig, oder
wirklich.
doch Tunesien. Sollte man sich nicht mal
zusammensetzen und das klären?
Sind das Placebos?
Es ist sicherlich schön, wenn man die Bür- Das Thema Videoüberwachung steht im
ger beteiligen kann. Aber ich denke, da- Raum. Was denken Sie, wie viel Freiheit
für haben wir die gewählten Stadt- und sind die Menschen bereit aufzugeben, um
Gemeinderäte, den Kreistag. Diese vor- sich sicher zu fühlen?
handenen Instrumente kann man doch Geben wir die Freiheit auf? Wenn wir mit
nutzen, um seine Themen dort anzubrin- Kreditkarte bezahlen, wird das gespeigen. Ich muss doch kein zweites Bürger- chert; unsere Handys klinken sich in jede
Funkzelle ein – es können doch schon jetzt
beteiligungssystem daneben aufbauen.
Profile von uns allen erstellt werden. VieGerade soziale Netzwerke schaffen neue le machen sich persönlich und freiwillig in
Möglichkeiten, sich an Vorgängen zu be- den sozialen Medien und der vernetzten
teiligen.
Welt zum gläsernen Mensch indem die
Wenn das System mit den Ortschafts-, Häkchen im Smartphone wie die Kreuze
Stadt- und Gemeinderäten funktioniert, auf dem Lottoschein gesetzt werden. Es
wenn sich dort Leute engagieren, die für stellt sich doch nur noch die Frage, ob wir
ihren Ort eintreten, die dort bekannt sind den nächsten Schritt gehen wollen. Es
– dann sind das die Menschen, zu denen mag abgedroschen klingen, aber wer
man auch hingeht, wenn es ein Problem nichts zu verbergen hat… Natürlich sollgibt. Nur wenn es zu dieser Kette kein ten Schranken eingebaut werden. Aber
Vertrauen mehr gibt, dann entwickelt sich die Antwort darauf, was man braucht und
etwas anderes nebenher.
was man nicht braucht, sollte man die Sicherheitskräfte geben lassen und nicht die
Muss sich die Politik nicht mit dem Ge- Datenschützer.
danken vertraut machen, dass die neuen
Gespräch: Sebastian Stöber
technischen Möglichkeiten Teil der politischen Prozesse werden?
Wollen wir dann vor Entscheidungen
[email protected]
nachschauen, wie viele Likes ein VorTelefon 03421 721022
schlag hat?