Blick zu den Sternen - Neue Zürcher Zeitung

riesigen Kugelwand 'umschlossen, die sich um ihren Mittelpunkt, eben die Erde, drehe. An der Innenseite dieser Schale
Die alten Astronomen lehrten, die Erde sei fest von einer
möglich sein, die kompakte Wand tu durchstoßen und Einblick in die Welten außerhalb der Kugel zu erhalten.
zumindest theoretisch
seien die Sterne angeheftet. Es mußte
festgehalten.
phantasievoller
Zeichner aus dem IS. Jahrhundert hat diese Vorstellung in einem Holzschnitt
Em
Blick zu den Sternen
tp. Die Astronomie ist wohl die älteste Wissenschaft bei den Kulturvölkern der Erde. Sie befaßt sich
Bewegung, Beschaffenheit und Entwicklung.
mit der rSumlichen Anordnung der Himmelskörper, mit deren
Himmelserscheinungen sollen die Chinesen im 4. Jahrtausend
Die ersten systematischen Beobachtungen der
folgten Babylonier, Aegypter, Griechen und andere
vor unserer Zeitrechnung vorgenommen haben. Ihnen
Astrologie, e
d i aus der StelVölker und Kulturen. Damals machte man zwischen der Astronomie und der
lung der Planeten und des Tierkreises das Schicksal der Menschen ablesen will, keinen Unterschied. Die
Abbildung
Abbilduns
Astrolog des
Der bedeutendste Astronom und
(Abb. 1), ein
Altertums war Claudius Ptolemäus
Aegypter,
präzisierter
der im 2. Jahrhundert unserer
Zeitrechnung in Alexandrien lebte und arbeitete. Er
lehrte, die Erde e
r u h im Mittelpunkt der Welt und
werde von sieben Planeten umkreist, zu denen er
Hauptauch die Sonne und den Mond zählte. Sein
werk ist ein Handbuch .der Astronomie, das im
9. Jahrhundert ins Arabische, im 12. Jahrhundert ins
großer Wirkung
Lateinische übersetzt wurde. Von
Sternkunde war vielmehr die Dienerin der Sterndeutekunst; sie ist wohl aus dem Astralkult entstanden:
Aufgabe, mit der sich
man beobachtete die Gestirne, um aus ihnen den Willen der Götter zu erkennen, eine
Astrologie ist über e
d i Araber und das damals islamische
d i Priester befaßten. Die orientalische
meist e
Spanien und Süditalien in den christlichen Norden eingedrungen, und obwohl sie von der Kirche als
später durch neue Erkenntnisse revolutioTeufelswerk verdammt und das naturwissenschaftliche Denken
Sterndeurung.
niirt wurde, betitigten sich auch die großen Astronomen der Neuzeit in der Kunst der
war das cTetrabiblos», ein aus vier Büchern bed i Astrologie als Physik
stehendes Werk, in dem e
begründet wurde. Anderthalb Jahrtaudes Weltalls
d i Lehre des Ptolemäus für alle
sende lang war e
astrologische Werk
Astronomen verbindlich; auf das
d i Sterndeuter unserer Zeit noch immer
aber greifen e
zurück.
zu
Genauigkeit
Da die Astronomen, um eine erhöhte
erzielen, zusammenhängende Beobachhingsreihcn
größere und vor
aufstellen wollten, konstruierten sie
allem ortsfeste Geräte. So entstanden im 15. und
16. Jahrhundert in Europa die ersten Sternwarten,
d i Johannes Müller, der sich nach
unter ihnen Jene, e
Königsberg in Franken Regioseinem Geburtsort
'
Nürnberg errichtete (Abb. 2).
montanus nannte, in
Der Mathematiker und Astronom stellte fest, daß die
Ereignisse am Himmel mit den Berechnungen nicht
übereinstimmten; für diese Fehler machte er die
astronomischen Lehrbücher verantwortlich, in denen
Uebersetzungsfehlern wimes von Abschreibe- und
Neue Zürcher Zeitung vom 31.12.1960
melte, was eine einwandfreie Berechnung des Laufs
der Gestirne verunmöglichte. Regiomontanus beschäftigte sich mit der Beobachtung der Himmel*
körper und mit der Neuausgabe der Bücher. Er
richtete sich. eine eigene Druckerei ein; denn er
fühlte sich verpflichtet, den Druck, in dem
zahl-
ree i c h astronomische Zeichen und endlose Zahlentabellen vorkamen, selber zu überwachen. Die Erzeugnisse dieser Druckerei
wurden allum hoch geschätzt; großes Ansehen genossen besonders die
Abbildung
Kalender und jene Tafeln, Ephemeriden genannt,
von denen sich die Stellung der Planeten ablesen
liißt, was in erster Linie der Seefahrt nützlich war.
Nikolaus Kopernikus schuf in der ersten Hälfte
des 16. Jahrhunderts die Grundlagen für das heliozentrische Weltsystem. Fortan steht nicht mehr die
Erde, wie man jahrtausendelang gelehrt hatte, im
Mittelpunkt der Welt, sondern e
d i Sonne. Der
dänische Astronom Tycho Brahe (Abb. 3) suchte die
neuen Gedanken mit dem überlieferten Ptokniäischen Weltsystem zu vereinen, was ihm selbstverständlich nicht gelingen konnte. Um so größer ist
seine Bedeutung für die beobachtende Astronomie.
Der dSnische König Friedrich II. belehnte ihn mit der
Insel Hven, wo die Sternwarte Uranienborg entstand
Abbildung 4
ganz nahe
vor sich sah. Erschrocken rief es den
Vater, der nichts anderes mehr zu tun hatte, als die
beiden Linsen in eine Kartonröhre zu schieben, und
das Fernrohr war erfunden. Dies geschah im ersten
Dezennium des 17. Jahrhunderts. Die Röhren waren
bald ein gewinnbringender Handelsartikel. Galilei
vernahm von diesem Instrument, und es gelang ihm,
i
aus der Beschreibung das Fernrohr zu. konstruieren.
Er war wohl der erste, der ein solches Gerät auf die
Gestirne richtete; er entdeckte die Jupitermonde
PtoIemSus, und Galilei mußte die kopernikanische
Lehre <als absurd, philosophisch falsch und, weil
im Gegensatz zur Heiligen Schrift stehend,
und die Venusphasen, die als Beweis für die Richtigkeit der heliozentrischen Lehre des Kopernikus
gelten mußten. Im päpstlichen Rom allerdings
verteidigte man noch das geozentrische Weltsystem
des
ketzerisch» öffentlich abschwören. Das Weltsystem
des alten Ptolemäus aber war ins Wanken geraten,
und kein Machtsprach vermochte den endgültigen
Einsturz aufzuhalten.
und bald ein reger wissenschaftlicher Betrieb herrschte.
Nach dem Tod des Königs zwangen üble Machenschaffen den großen Astronomen, das Land zu ver-
Rudolf II. ernannte ihn mm kaiserlichen
Astronomen, und Tycho Brahe ließ sich in Prag
nieder, wo er eine Reihe tüchtiger Mitarbeiter um
sich versammelte, unter ihnen Johannes Kepler,
dessen Ruhm jenen des Meisten schon bald überlassen.
schatten sollte.
Den Ruf eines hervorragenden beobachtenden
Astronomen genoß um die Mitte des 17. Jahrhunderts
der Danziger Bierbrauer und Ratsherr Johannes
Hevelke, bekannter unter' seinem latinisierten Namen
Hevelius (Abb. 4). Er richtete sieh in seinem Haus
ein Observatorium ein, das er mit vielerlei Instrumenten, Dioptern, Quadranten und Rideruhren, ausstattete. Bald war die Astronomie seine Hauptbeschäftigung, und die beste Mitarbeiterin war seine
eigene Ehefrau. Vor der Stadt stellte er ein riesiges
Fernrohr auf (Abb. 5), das in seiner LEnge ISO Fuß
maß. Hevelius erkannte den Stern Alpha im Steinbock und den Stern 61 im Schwan als Doppelsterne
d i Mondtopographie auf.
und zeichnete e
Mit der Erfindung des Fernrohrs nahm die
beobachtende Astronomie einen mächtigen Aufschwung; denn es gelangen Entdeckungen am Firmament, dank denen sich die kopernikanische Theorie
erhärten ließ. Die Ehre, das Fernrohr erfunden zu,
haben, kommt indessen
dem großen Galileo
nicht
Galilei zu, auch wenn solches in vielen Büchern behauptet wird, sondern dem holländischen Brillenschleifer Lippershey von Middelburg auf der Insel
Weicheren. Eine hübsche, wenn auch kaum wahre
Geschiebte erzählt, das Kind dieses Brillenmachers
zufällig
habe einmal mit Linsen gespielt, wobei es
eine Konkavlinse in den aus einer Konvexlinse
durch beide
tretenden Strahlenkegel tauchte und
einen entfernten Gegenstand scheinbar
Linsen
Abbildunc
Neue Zürcher Zeitung vom 31.12.1960
förmlich