Die deutschsprachigen Frauenabteilungen der Division (D-A-CH) und der Fachbeirat „Sexueller Gewalt begegnen“ hatten zu einem Weiterbildungs-WE nach Mücke (bei Gießen) eingeladen, an dem knapp 40 Frauen und Männer teilnahmen. Thema: „Schutzraum Gemeinde – von Ohnmacht zu Reife“. Wen diese Thematik bisher nicht bewusst tangiert hat, man gar Unverständnis (bei den Verantwortlichen der eigenen Gemeinde) registriert, weil man sich für so ein Weiterbildungs-WE interessiert und anmeldet, dem mischt sich neben spannender Erwartung auch Unsicherheit und ein etwas flaues Gefühl dazu. Mehrere Tage n a c h diesem WE bin ich immer noch dabei, meine Gedanken und Gefühle zu ordnen und weiß eigentlich nicht, wie ich das zu Papier bringen soll, was mich bis ins Mark erschüttert hat. Ich bin in 3. Adventistengeneration mit und in der Gemeinde behütet aufgewachsen, habe 30 Jahre in einem Gemeindezentrum unserer Kirche gewohnt und in 50 Jahren eigener Gemeindezugehörigkeit Höhen und Tiefen, die ganze Bandbreite theologischer Facetten und religiöser Auswüchse – auch in der Familie -, erlebt. Ich war 10 Jahre Gemeindeleiterin, ja wurde selbst mit Mobbing und psychischer Gewalt von Predigern konfrontiert, habe also kein verklärtes Bild vom Adventismus und bin sensibel, realistisch und kritisch genug. Aber was uns vom Fachbeirat an diesem WE an realen und im wahrsten Sinne „nackten“ Tatsachen vor Augen geführt wurde, stellt alles bisher Erlebte in den Schatten. Für mich ist dabei eine Menge „Putz“ von der Gemeindefassade gefallen und es ist vor allem unfassbar und nicht nachvollziehbar, wie „nachsichtig“ Gemeinden mit überführten Tätern umgehen. Dabei wurde vor 40 Jahren schon aus der Gemeinde ausgeschlossen – ohne seelsorgerliches Gespräch! -, wenn 2 junge Leute nur zusammen wohnten, ohne verheiratet zu sein … – heute ist das anders. Ebenfalls schockiert mich die gestörte Eigenwahrnehmung und fromme Arroganz der Täter. Ist d a s Geist und Gemeinde Jesu? Niemals! Es war sehr gut und hilfreich, zu erfahren und zu erleben, mit welcher wirklichen Fachkompetenz der Beirat ausgestattet ist und agiert. Da bin ich stolz auf unsere Kirche, dass sie dem furchtbaren Geschehen im Verborgenen mancher Familie und Gemeinde konsequent entgegentritt und dafür sorgt, Unrecht schonungslos aufzudecken, den traumatisierten Opfern aber auch Entlastung und den nötigen Schutzraum bietet, in dem sie ein Stück Therapie und Heilung erfahren können. Die 7 Mitglieder dieses Fachbeirates haben unseren größten Respekt, dass sie sich diesen furchtbaren Tatsachen und den Traumata und Lebensschicksalen der Opfer aussetzen und bedürfen unserer besonderen Fürbitte, dass sie befähigt bleiben, ihnen ein Stück Würde, Lebensmut und Hoffnung wiederzugeben. Die Sensibilität des Fachbeirates haben wir selbst an diesem Wochenende erfahren dürfen, indem wir durch die gezielte Programm- und Themengestaltung- bzw. Hinführung durch die Referenten auf die Konfrontation mit den wirklich harten Tatsachen vorbereitet wurden. Ich bin davon überzeugt, dass es immer noch Gemeinden und Adventisten gibt, die sexuelle Gewalt in der Adventgemeinde für unmöglich halten und dies als erfundene Geschichten abtun. Meine – bereits verstorbenen - Eltern hätten mich vor 5 Jahren auch als Lügnerin hingestellt, wenn ich so eine Möglichkeit nur angedeutet hätte …. Es ist darum so sehr wichtig, Gemeinden und Geschwister zu sensibilisieren, aufeinander zu achten und vor allem eine Atmosphäre zu schaffen, wo Vertrauen und Offenheit zu Hause sind, wo Kinder und Jugendliche stark und selbstbewusst sein dürfen, ernst genommen werden und so den Anfängen wehren können. Das Printmaterial zum Thema sollte in allen Gemeinden bekannt sein bzw. bekannt gemacht werden, auch wenn es – vor allem bei den älteren Geschwistern – die heile und fromme Fassade von Adventgemeinde beschmutzt und beschädigt. Willkommen in der Realität unseres Lebens. Es macht mich traurig, Gemeinde so auch wahrnehmen zu müssen, wie an diesem erlebten Wochenende, aber es tröstet mich, dass Gott seine Gemeinde baut und seine „Bauleute“ befähigt, aus ihr auch einen Schutzraum für traumatisierte, verängstigte und missbrauchte Menschen zu machen. Bauen wir daran mit und nehmen wir sie wahr! Hannelore Jersch – Gemeinde Friedensau
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