Mehr Sicherheit im Dauerwald

Forstmagazin
Mehr Sicherheit
im Dauerwald
Der Förster der Stadt Bad Windsheim hat Konsequenzen
aus den häufigen Kalamitäten gezogen: Mit neuen
Konzepten nach altem Vorbild will Sven Finnberg stabile
Bestände schaffen.
Fichten Anfang des 20. Jahrhunderts.
Auch im Stadtwald von Bad Windsheim verabschiedete man sich damals
von den bewährten Prinzipien der klassischen Forstwirtschaft und konzentrierte sich auf die ertragreichen, modernen Nadelwälder.
Schwere Sturmschäden: Zwar hat es
im Forst immer Kalamitäten gegeben,
doch die aktuellen Probleme begannen
1990 mit dem verheerenden Sturm
Wiebke, fünf Jahre bevor Finnberg 1995
das Revier in Bad Windsheim übernahm: „Der Sturm riss die ersten großen Löcher in die Fichtenaltbestände.
Hohe Stammzahlen und große Vorräte
waren damals die Strategie.“ Bei jedem
Förster Sven Finnberg (links) und sein Kollege Maximilian Hetzer.
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Fotos: Höner
E
igentlich mache ich heute nicht
viel anderes als einer meiner Vorgänger Ende des 19. Jahrhunderts.“
So fasst Sven Finnberg die Ideen seines
Waldbaukonzepts zusammen. Wir besuchen den Förster der mittelfränkischen Stadt Bad Windsheim im Schussbachwald, einem Teil seines 1 500 ha
großen Reviers. Zusammen mit Maximilian Hetzer, einem jungen Förster
aus dem Ort, der in dem Revier quasi
groß geworden ist, zeigt uns Finnberg
die Ergebnisse der neuen – traditionellen – Ideen.
Wie viele Förster in der Region war
Sven Finnberg über Jahre gezwungen,
auf aktuelle Kalamitäten zu reagieren.
Einer der Gründe war der Siegeszug der
weiteren Sturm wurden die Löcher
größer. Am Saum entstanden Schäden
durch Sonnenbrände, und auch der
Borkenkäfer freute sich über mehr
Wärme. Direkt zu seinem Einstand
1995 musste sich Finnberg mit den Folgen eines Gewittersturms auseinandersetzen und 8 000 fm vermarkten. Das
war für ihn der Auftakt: „In den Folgejahren haben wir eigentlich immer nur
aufgeräumt.“ Zufälliger Einschlag (ZE)
durch Wind oder Käfer war die Regel.
Erst seit 2011 kann Förster Finnberg
normale Hiebe ausführen.
Ein wichtiger Auslöser ist seiner Ansicht nach der Klimawandel. Seit 1990
ist die Jahresdurchschnitts-Temperatur
in der Region um 1 °C angestiegen. Deshalb beschäftigt sich Sven Finnberg intensiv damit, waldbauliche Antworten
auf diese neuen Herausforderungen zu
finden.
Ein ganz zentraler Punkt ist der
schrittweise Umbau der Bestände. Zunächst hat sich der Förster um die Feinerschließung gekümmert. Die anschlie-
ßenden Hiebsmaßnahmen führt er mit
Fingerspitzengefühl durch, vor allem in
Fichtenaltbeständen. Er richtet sich dabei nach dem Femelprinzip: In unregelmäßigen Abständen werden auf kleinen Parzellen die ersten Bäume entnommen und Licht in den Bestand
gebracht. Hier setzen die Bad Windsheimer dann auf den Voranbau, vor allem mit den Schattbaumarten Buche
und Tanne. Bei stärkerem Lichteinfall
werden auch Douglasien gepflanzt.
Gezielte Eingriffe. N
ach und nach
werden rund um die ersten Parzellen
herum weitere Altbäume entfernt
(Rändelungshieb) und der Voranbau
weiter vorangetrieben. Das stellt höhere Anforderungen an den Einschlag,
den hier übrigens eigene Mitarbeiter erledigen (der Stadtwald beschäftigt einen Forstwirtschaftsmeister, zwei
Forstwirte und einen Azubi). Beim
Hieb kommt es darauf an, den Bestand
so weit wie möglich zu schonen. Deshalb kommt kein Harvester zum Ein-
satz. Denn der fällt die Bäume mit dem
Wipfel von der Gasse weg. In Bad
Windsheim ist die bevorzugte Fällrichtung hin zur Gasse, sodass der Wipfel
möglichst hier landet. Die Stämme
werden dann vorsichtig per Seil bzw.
Kranschlepper gerückt. Nach dem
Zopfen (ca. 11 cm) vermarktet Sven
Finnberg das Wipfelholz übrigens recht
erfolgreich an Brennholz-Selbstwerber.
Ziel seiner Femelstrategie ist ein stabiler, sich stetig verjüngender Dauerwald. Hier sind unterschiedliche Baumarten und Altersstufen kleinflächig
vermischt. Die beiden Förster zeigen
uns Bestände, in denen das Konzept
gut sichtbar wird. Neben den gepflanzten Arten des Voranbaus haben sich
weitere Baumarten in Naturverjüngung angesiedelt: Fichte, Lärche, Kiefer,
Esche und weitere. Finnberg und Hetzer schätzen, dass auf diesen Flächen
mittlerweile 10 bis 15 unterschiedliche
Baumarten wachsen. Grundsätzlich ist
jede willkommen. Wann immer möglich, bleibt auch die früher so oft ge-
schmähte Birke stehen. Auf Kahlflächen nach Käfer oder Sturm bringt sie
nützlichen Schatten. Später lässt sie
sich gut als Brennholz vermarkten. Und
Sven Finnberg hat bereits bei vielen
Birken eine Wertastung durchgeführt
– das helle Holz ist vor allem im Saunabau gefragt.
Finnberg sieht in der bunten Mischung die passende Antwort auf die
häufigeren Kalamitäten: „Wir streuen
damit das Risiko. Wenn eine Baumart
ausfällt, haben wir immer noch reichlich Alternativen. Außerdem ist durch
die Mischung der Bestände der Befallsdruck, z.B. durch Insekten, geringer als
in artenreinen Beständen.“ Natürlich
sind einheitliche Fichten einfacher zu
vermarkten. Aber wie viele Fichtenbestände erreichen heute wirklich noch
ihre Hiebsreife? Für Sven Finnberg
kommt es nicht auf den maximalen
Umsatz einer einzelnen Fläche an. Er
findet den stabilen Ertrag des Gesamtbetriebes über die Jahre wichtiger.
Mittlerweile wurden im Wald der
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Die Maßnahmen
zeigen Wirkung:
Unter dem Schirm
des Altbestands
wächst die Naturverjüngung. In den Bad
Windsheimer
Beständen hat man
keine „Fernsicht“
mehr.
Stadt Bad Windsheim rund 320 ha nach
diesem Konzept vorausverjüngt. Im
Dauerwald gibt es auch Platz für Baumriesen. Buchen über 80 cm BHD und
Eichen mit mehr als 1 m Durchmesser
werden hier nicht mehr gefällt.
Zwar setzt der Förster auf die Kräfte
der Natur, aber ohne forstliches Geschick geht es nicht. Großen Wert legt
das Revier auf die passenden Pflanzen.
Nach den großen Stürmen – vor allem
Wiebke – war zu viel minderwertiges
Pflanzgut auf den Markt gekommen,
die Folgen sieht man heute überall.
Auch im Bad Windsheimer Stadtwald.
Wie in anderen Wäldern gibt es auch
in den Beständen von Bad Windsheim
Versuchsflächen mit unterschiedlichen
Herkünften. Die Flächen werden vom
Bayerischen Amt für forstliche Saatund Pflanzenzucht, Treisendorf, betreut. Zurzeit wachsen hier Tannenherkünfte aus der Schweiz, dem Bayerischen Wald, Bulgarien und aus Mittelfranken (Forchheim und Steigerwald).
Dabei geht es vor allem um die Längentriebe. Das gleiche wurde bereits auch
mit Wald- und Schwarzkiefer (sowie
Weißtanne) gemacht. Für Sven Finnberg sind die Versuchsflächen eine
wichtige Informationsquelle.
beit seines Vorgängers Ende des 19.
Jahrhunderts. Und natürlich fördern
sie so intensiv wie möglich die Naturverjüngung.
Das geht natürlich nur durch eine intensive Bejagung des Rehwilds. Im
Schussbachwald kümmern sich die
Förster Finnberg und Hetzer selbst um
den Wildbestand. Die fünf weiteren
Reviere werden verpachtet. Bei der Verpachtung der Jagdreviere orientieren
sich Förster und Stadt am Rosenheimer
Modell. Der Kern der Idee ist mit dem
Satz „Wald vor Wild“ auf den Punkt gebracht. Im Revier muss eine Naturverjüngung ohne Zaun möglich sein – der
Zaun wird als waldbauliche Sackgasse
Eigene Wildlinge: W
ann immer mög-
• Die Waldarbeiter brauchen
lich, verwenden die Bad Windsheimer
eigene Wildlinge. Buchenpflanzen gewinnen die Forstprofis mittlerweile
komplett aus eigenen Beständen. Dabei
profitiert Finnberg von der guten Ar18 top agrar
Schnell gelesen
• Der Förster von Bad Winds-
heim baut die Bestände
schrittweise um.
• Femelhiebe bringen Licht
in die Bestände und fördern
die Naturverjüngung.
• Ziel sind möglichst gemisch-
te, stabile Dauerwald-Bestände.
viel Fingerspitzengefühl beim
Einschlag der Einzelbäume.
• Eine intensive Bejagung ist
wichtige Grundlage für den
Erfolg.
angesehen. Die Baumarten, die vor allem verjüngt werden sollen, werden im
Pachtvertrag festgehalten. Für Schäden
haftet der Pächter. Einen zusätzlichen
Anreiz schafft dabei das Prinzip: „Pacht
billig – Wildschaden teuer.“
Die Auswirkungen des Wildbestands
werden durch das Vegetations- bzw. Verbissgutachten beurteilt. Alle drei Jahre
prüft das staatliche Forstamt in Bayern
stichpunktartig Verbiss, Fegeschäden
und Naturverjüngung und spricht eine
Empfehlung für die Bejagung aus.
Ganz einfach ist die Rehwildjagd in
den Bad Windsheimer Wäldern mittlerweile nicht mehr. Denn durch den
Voranbau bzw. das Dauerwaldprinzip
sind die Bestände ab Anfang/Mitte Mai
so dicht, dass eine klassische Ansitzjagd kaum noch möglich ist. Das Rehwild kann hier meist nur noch mit
recht aufwendigen Drückjagden zur
Strecke gebracht werden. Sven Finnberg würde sich eine Vorverlegung des
Jagdtermins auf den ersten April wünschen – ist aber in diesem Punkt weniger optimistisch.
Finnberg ist mit Leib und Seele Förster, das sei der schönste Job der Welt,
sagt er aus tiefer Überzeugung bei unserer Rundfahrt durch sein Revier. Das
hat sein Vorgänger Ende des 19. Jahrhunderts vor dem Einzug der gleichförmigen Fichtenbestände vermutlich genauso gesagt und würde sich heute
wahrscheinlich über die Rückkehr zu
seinen Tugenden freuen.
Guido Höner