So finden Familienunternehmen neue Talente | KPMG Klardenker

So inden Familienunternehmen neue Talente
Keyfacts
- Betriebe müssen sich um Talente bewerben
- Attraktive Karrierepfade sind gefragt
- Zusatzleistungen werden immer wichtiger
19. Dezember 2016
Für kleinere und mittelständische Betriebe und Familienunternehmen im ländlichen Raum, die
zwar wirtschaftlich erfolgreich, aber weniger bekannt sind, ist es besonders herausfordernd,
freie Stellen mit geeigneten Kandidaten zu besetzen. Aktuellen Schätzungen zufolge sind rund
360.000 Stellen vakant. Manch ein Familienunternehmen denkt daher bereits über einen
Standortwechsel nach. Vor kurzem zog beispielsweise ein Teil der Berner-Gruppe von
Künzelsau nach Köln. Auch Prothesenhersteller Otto Bock wechselte mit Teilen der Firma vom
niedersächsischen Duderstadt ins rund 300 Kilometer entfernte Berlin.
Nutzen, was familiengeführte Unternehmen stark macht
Ist die Abwanderung von Familienunternehmen in die Städte die einzige Antwort im Kampf um
Talente? Ich glaube nicht. Inhabergeführte Betriebe sollten sich vielmehr auf ihre Stärken
besinnen – dazu gehören kurze Entscheidungswege, regionale Verankerung,
Vertrauenswürdigkeit, persönliches Engagement sowie eine größere Nähe zum Mitarbeiter.
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Viele mittelständische Betriebe setzen sich aktuell verstärkt mit dem Status
„Familienunternehmen“ als Markenbestandteil auseinander und haben begonnen, diesen
stärker in ihre Markenführung zu integrieren. Gerade die jungen Nachwuchsunternehmer sehen
es laut einer aktuellen Studie als wichtig für das Employer Branding an, die mit
Familienunternehmen assoziierten Vorteile stärker an aktuelle und künftige Mitarbeiter zu
kommunizieren. Die spezifischen Vorteile eines Familienunternehmens in den Mittelpunkt zu
stellen, ist für mich ein ganz wichtiger Punkt bei der Ansprache neuer Mitarbeiter.
Sichtbarkeit in den sozialen Medien
Vielen Familienunternehmen ist klar, dass sich der Arbeitsmarkt verändert hat: Heute müssen
sich Firmen um Talente bewerben, nicht umgekehrt. Erfolgreich sind Familienunternehmen,
denen es gelingt, ihr Aufgaben- und Tätigkeitsprofil in den sozialen Medien und Netzwerken so
anschaulich wie möglich darzustellen. „Lebendig, warmherzig, familiär“ und „äußerst innovativ“
– so beschreibt der Ludwigsburger Automobilzulieferer Mann + Hummel die Inhalte auf seinem
Unternehmensblog. Hier können Mitarbeiter ihre Erfolgsgeschichten erzählen und spannende
Details aus ihrer Karriere teilen. Wenn ein Student von seinem Auslandssemester in Australien
im Rahmen seines dualen Studiums berichtet, oder wenn ein Produktmanager Einblicke aus
seinem Arbeitsalltag in Dubai gewährt, werden Karrierewege konkret und die Mentalität eines
internationalen Unternehmens mit schwäbischen Wurzeln emotional greifbar.
Mann + Hummel versuchen über ihren Corporate Blog auch, jungen Frauen die Scheu vor
technikaffinen Themen zu nehmen. Unter dem Hashtag #FrauenUndTechnik sammelt das
Familienunternehmen interne und externe Erfolgsbeispiele, die belegen, dass
Softwareentwicklung und Elektrotechnik per se keine Männerdomäne mehr sind. Einen
anderen Ansatz hat der Messgerätehersteller Testo gewählt. Seit vielen Jahren engagiert sich
das Familienunternehmen aus Lenzkirchen im Hochschwarzwald an Schulen in der Region,
um Jugendlichen Perspektiven im Bereich Technik aufzuzeigen und sie für eine Ausbildung
oder ein Studium bei Testo zu gewinnen.
Massage inklusive
Das Familienunternehmen hat jedoch erkannt, dass es seine Nachfrage nach Ingenieuren und
Fachkräften wie Vertriebs- und Marketingspezialisten nicht allein aus der Region abdecken
kann. Die Konsequenzen, die Testo daraus zieht: „stärkerer Aufwand beim Recruiting“ und
„systematisches Arbeitgeber-Branding“. Wer aus der Masse hervorstechen will, muss seinen
Mitarbeitern mehr bieten: Von fachlicher Weiterqualifizierung und der Möglichkeit, sich aus den
Großraumbüros in separate Stillarbeitsräume zurückzuziehen, bis hin zu Masseuren, die nach
Dienstschluss die müden Mitarbeiter wieder locker machen – der Messgerätehersteller lässt
sich einiges einfallen, um seine Attraktivität bei Mitarbeitern und Bewerbern zu steigern.
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Anforderungen einer neuen Generation
Um den Anforderungen junger Mitarbeiter gerecht zu werden, gilt es aber auch, deren
Lebensmodell zu verstehen und die Rahmenbedingungen daran auszurichten. Dazu gehört die
Vereinbarkeit von Beruf und Freizeit. Hier können Familienunternehmen durch
arbeitsplatznahes Wohnen, hauseigene Kinderbetreuung und flexible Arbeitszeiten punkten.
Die Lage auf dem Land hat aber auch zu Folge, dass die Beschäftigungsmöglichkeiten im
nahen Umkreis begrenzt sein können – ein Hindernis für junge Paare, bei denen beide Partner
Karriere machen möchten. Hier können sich Familienunternehmen von Universitäten
abschauen, wie man Spitzenkräfte anlockt. Immer mehr deutsche Hochschulen bieten mit
einem Dual Career Service Unterstützung bei der Jobsuche für die Partner von
Nachwuchsakademikern. Ein Modell, das sich auch für Familienunternehmen lohnen könnte –
mit dem Potenzial, nicht nur eine, sondern zwei hochqualifizierte Spitzenkräfte zu gewinnen.
Gestaltungsspielraum und Verantwortung
Wo andere traditionelle Werte und Wir-Gefühl mühsam inszenieren müssen, haben
inhabergeführte Unternehmen einen natürlichen Vorsprung: Mit ihren vergleichsweisen flachen
Hierarchien und den weniger bürokratischen Prozessen punkten Familienunternehmen
gegenüber anonymen Großkonzernen. Junge Nachwuchskräfte können schneller selber
gestalten und bereits in jungen Jahren Verantwortung übernehmen. Familiengeführte Firmen,
die attraktive Karrierepfade mit breiten Entwicklungs- und Gestaltungsmöglichkeiten anbieten –
über Funktions-, Abteilungs- und Ländergrenzen hinweg – haben gute Chancen, interessante
Kandidaten zu finden und erfolgreich an sich zu binden.
Mitarbeiter am Erfolg beteiligen
Um Mitarbeiter zu motivieren und sie langfristig zu halten, beteiligt der Mähdrescher-Hersteller
Claas mit Hauptsitz im westfälischen Harsewinkel seine Mitarbeiter am Erfolg des
Unternehmens. Dies führt zu einer Unternehmenskultur, in der sich die Beschäftigten mit ihren
Ideen und Initiativen einbringen können. Im Wettbewerb um Zusatzleistungen wie
Firmenwagen oder Boni, mit denen Großunternehmen locken, lohnt es sich für
Familienunternehmen noch stärker, auf kompetitive Vergütungsstrukturen zu setzen. Neben der
fixen Entlohnung sind variable Anteile ein Weg, um Mitarbeiter leistungs- und erfolgsabhängig
zu vergüten – und sie mit der Gesamtperformance des Unternehmens zu verknüpfen.
Optimierungspotenziale aufdecken
Gerade für kleinere Familienunternehmen sind viele der aufgezählten Strategien und
Maßnahmen in der Praxis nicht so einfach zu realisieren. Hier können wir als strategische
Berater helfen, Optimierungspotenziale zu identifizieren und passgenaue Lösungen zu
entwickeln.
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Wie Sie sehen: Es gibt eine Reihe von Möglichkeiten, wie Unternehmen High Potentials auf
sich aufmerksam machen und binden können – auch ohne ihren Standort in eine der großen
Metropolregionen zu verlegen. Wenn es mittelständischen Betrieben und Familienunternehmen
gelingt, ihre Stärken mit attraktiven Konditionen zu verbinden, werden sie für Nachwuchstalente
interessante Arbeitgeber sein.
Zusammengefasst
»Viele mittelständische Betriebe setzen sich aktuell verstärkt mit dem Status
„Familienunternehmen“ als Markenbestandteil auseinander und haben begonnen, diesen stärker
in ihre Markenführung zu integrieren.«
Vielen Familienunternehmen ist klar, dass sich der Arbeitsmarkt verändert hat: Heute müssen sich
Firmen um Talente bewerben, nicht umgekehrt. Erfolgreich sind Familienunternehmen, denen es gelingt,
ihr Aufgaben- und Tätigkeitsprofil in den sozialen Medien und Netzwerken so anschaulich wie möglich
darzustellen. Um den Anforderungen junger Mitarbeiter gerecht zu werden, gilt es aber auch, deren
Lebensmodell zu verstehen und die Rahmenbedingungen daran auszurichten. Wenn es mittelständischen
Betrieben und Familienunternehmen gelingt, ihre Stärken mit attraktiven Konditionen zu verbinden, werden
sie für Nachwuchstalente interessante Arbeitgeber sein.
Anna Seifert
Manager, Consulting
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