SEITE EINS JAHRESAUSBLICK 2017 Im Zeichen der Wahlen Rebecca Beerheide in Blick zurück: In den vergangen drei Jahren sind 24 Gesetze mit gesundheitspolitischen Inhalten in den parlamentarischen Beratungen diskutiert, verändert und davon 21 abgestimmt worden. Noch drei Vorhaben sollen in den ersten Monaten des neuen Jahres abgeschlossen werden – dann beginnt die Wahlkampfphase, die das Land in der konstruktiven parlamentarischen Arbeit lähmen wird. Drei Landtagswahlen – 26. März im Saarland, 7. Mai in Schleswig-Holstein und 14. Mai in Nordrhein-Westfalen – sowie die Bundespräsidentenwahl am 12. Februar und schließlich Mitte September die Bundestagswahl werden Debatten um politische Positionen und vermeintlich „einfache“ Lösungen in einer komplexen Welt weiter anheizen. Ob sich dabei die klügsten Gedanken und Köpfe durchsetzen, wird leider täglich ungewisser. Das Ergebnis der Bundestagswahl 2017 wird dem Bundestag ein ganz neues Gesicht geben: Ab Ende September gibt es voraussichtlich mit sieben Parteien ein sehr vielfältiges Meinungsspektrum im Parlament. Das bringt mehr Lautstärke in den Politikbetrieb. Alte Gewissheiten, auch die aus dem Gesundheitswesen, werden mehr und mehr hinterfragt werden: Muss sich Versorgung an die Lebensgewohnheiten der Menschen anpassen? Wie schnell können Sektorengrenzen zwischen der ambulanten und stationären Medizin eingerissen werden? Wenn die Partei „Alternative für Deutschland“ in den Bundestag einzieht, wird sich der Politikbetrieb auch auf solche Fragen einstellen müssen: „Warum gibt es eigentlich Kassenärztliche Vereinigungen und seit wann ist der Arzt ein freier Beruf?“ Die Evergreen-Debatte um die Einführung der Bürgerversicherung schreibt die SPD wieder auf die Wahlplakate. Die Finanzsituation der Krankenkassen verschlechtert sich wohl erst 2018, das Wahljahr bleibt von Hiobsbotschaften über höhere Beitragssätze verschont. Interessant wird, welches gesundheitspolitische Personal die Richtung bestimmen wird – die Reihen in der großen Koalition haben sich besonders bei der CDU ausgedünnt. 2017 wird ein Jahr, in dem sich die gemeinsame Selbstverwaltung von Ärzten und Krankenkassen zügig und gründlich um die Umsetzung vieler Gesetzesvorhaben kümmern muss. Sie sollte der Politik zeigen, E Deutsches Ärzteblatt | Jg. 113 | Heft 51–52 | 26. Dezember 2016 dass sie es kann – aber auch klar artikulieren, wo der Schwarze Peter nicht bei Ärzten, Kliniken und Kassen abgelegt werden darf: Bei vielen Vorhaben, die im Gemeinsamen Bundesausschuss abgearbeitet werden sollten, werden die Kämpfe ausgetragen, bei denen sich die Gesundheitspolitiker nicht zu einer Grundsatzentscheidung durchringen konnten: Welche Versorgungsebene soll den Vorrang haben? Diese Auseinandersetzung wird heftiger werden – spätestens dann, wenn die Bundesländer beginnen müssen, Abteilungen in Krankenhäusern aufgrund ihrer Qualitätsmängel zu schließen. Auch die ärztliche Selbstverwaltung steht vor Herausforderungen: Wunden, die die Querelen in der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) in den vergangenen 24 Monaten gerissen haben, müssen geheilt werden. Die KBV-Vorstandswahl am 3. März kann ein Schritt dahin sein. Auch bei der Bundesärztekammer stehen die Verhandlungen zur Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) vor einer entscheidenden Zeit, der 120. Ärztetag in Freiburg soll im Mai über das Verhandlungsergebnis debattieren können. Die Ärzteschaft sollte sich zügig für dieses Wahljahr auf eine gute und vor allem gemeinsame Strategie einigen. Denn auf jeder politischen Agenda steht eine sehr große Idee, die Versorgung und Vergütung umkrempeln wird: Ein integriertes Vergütungssystem, das die Sektorengrenzen einreißen soll. Daher braucht es besonders jetzt eine starke Selbstverwaltung als Gegengewicht zur Politik. Rebecca Beerheide Ressortleiterin Politische Redaktion A 2347
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