Berliner Koalitionsvereinbarung

21.12.2016
Berliner Koalitionsvereinbarung –
Themen für die Projektentwicklung im Städtebau
Executive Summary
> Bei dem ausnahmslos anzuwendenden „Berliner
Modell“ sollen künftig mindestens 30% der
Wohnflächen eines Vorhabens als mietpreis- und
belegungsgebunden vereinbart werden.
> Die Instrumente des besonderen Städtebaurechts
sollen stärker dazu genutzt werden, Bodenspekulationen, „Luxussanierungen“ und „Verdrängung“
zu verhindern.
> Die Anforderungen an Abstandsflächen und die
Barrierefreiheit von Gebäuden sollen weiter verschärft und die Geltungsdauer von Baugenehmigungen verkürzt werden.
I. Die Koalitionsvereinbarung
Am 08.12.2016 wurde die Koalitionsvereinbarung
für die Legislaturperiode 2016 – 2021 von SPD, DIE
LINKE und BÜNDNIS 90/Die Grünen unterzeichnet.
Die für Projektentwickler im Städtebau wichtigen
Themen finden sich in den Abschnitten „Bezahlbares Wohnen für alle“ (im Folgenden zitiert als „I.“)
und „Stadtentwicklung in Berlin – Intelligent, nachhaltig und partizipativ“ („II.“).
sowie
Verkehr
sollen
weitergeführt
werden
(II. 54 ff.). Zusätzlich werden neue Stadtentwicklungspläne für Grüne und Soziale Infrastruktur
(II. 62 ff.) und ein Hochhausentwicklungsplan aufgestellt (II. 76 ff.).
Schließlich sollen die Integrierten Stadtentwicklungskonzepte (ISEK) überprüft und aktualisiert
und die Städtebauförderung daran ausgerichtet
werden. Der Schwerpunkt der Städtebauförderung
soll aufgrund des großen Bedarfs weiterhin auf der
öffentlichen Infrastruktur und öffentlichen Gebäuden liegen (II. 103 ff.).
2. Flächennutzungsplan
Der Flächennutzungsplan, aus dem die Bebauungspläne zu entwickeln sind, soll zügig an die Leitlinien
der Berlin Strategie 2030, die 2014 vom Senat als
Leitbild für die wachsende Stadt verabschiedet wurde, und an die Vorgaben der Stadtentwicklungspläne angepasst werden (II. 68 ff.).
3. Bebauungspläne
An Stadtentwicklungsplänen als Grundlage für die
weitere städtebauliche Planung (§ 4 Abs. 1 S. 3
Gesetz zur Ausführung des Baugesetzbuchs (AGBauGB)) wird festgehalten. Diese sind daher bei der
Schaffung von Planungsrecht für Vorhaben frühzeitig zu beachten.
Die Aufstellung von Bebauungsplänen soll als
„Regelinstrument“ dienen, um städtebauliche Qualität zu sichern und die Regeln des „Berliner Modells
der kooperativen Baulandentwicklung“ anzuwenden
(II. 88 ff.). Daher ist zu erwarten, dass unbeplante
Innenbereiche mittelfristig überplant werden und
somit künftig weniger „Spielraum“ für die Zulässigkeit von Vorhaben, als bislang in Gebieten nach
§ 34 BauGB, besteht. Aufgrund des Grundsatzes
der Planerforderlichkeit (§ 1 Abs. 3 S. 1 BauGB)
bedarf die Aufstellung eines Bebauungsplanes allerdings immer noch einer städtebaulichen Rechtfertigung im konkreten Fall.
Der Stadtentwicklungsplan Wohnen soll Anfang
2017 fortgeschrieben werden und als Basis zur Ermittlung und laufenden Aktualisierung von Wohnungsbaupotentialen dienen (I. 305 ff.). Auch die
Stadtentwicklungspläne Industrie und Gewerbe
Beabsichtigt ist, den Baunutzungsplan von 1958/
1960 sukzessive durch Bebauungspläne zu ersetzen
(II. 70 f.). Eine vollständige Aufhebung des Baunutzungsplanes ist jedoch bislang nicht vorgesehen.
Dies hätte den Vorteil, dass sich die Zulässigkeit
II. Themen für die Projektentwicklung
1. Planungskonzepte für die Stadtentwicklung
1
Berliner KoaV – Die wichtigsten Änderungen für die Projektentwicklung
von Vorhaben im Gebiet des Baunutzungsplanes bis
zum
Erlass
eines
Bebauungsplanes
nach
§ 34 BauGB richten würde.
4. Berliner Modell der kooperativen Baulandentwicklung – städtebauliche Verträge
Das Berliner Modell der kooperativen Baulandentwicklung soll ausnahmslos angewendet werden.
Neu ist, dass künftig mindestens 30% der Wohnfläche eines Vorhabens als mietpreis- und belegungsgebunden vereinbart werden soll, davon mindestens 25% für besondere Bedarfsgruppen und Transferleistungsbezieher (I. 46 ff.). Bisher beträgt der
verbindliche Anteil der mietpreis- und belegungsgebundenen Wohnungen lediglich 25%. Besonders zu
beachten ist also, dass sich die Quote künftig –
statt auf die Gesamtzahl der zu errichtenden
Wohnungen – auf die Wohnfläche bezieht. Die neuen Regelungen werden nach ihrem Inkrafttreten
– wie in der Vergangenheit auch – noch auf Bebauungspläne Anwendung finden, deren Offenlage
(§ 3 Abs. 2 BauGB) nicht beendet ist. Daher
empfiehlt es sich, die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung schnellstmöglich durchzuführen.
Zudem sollen nun die Kontrolle von Mietpreis- und
Belegungsbindungen intensiviert und Verstöße
sanktioniert werden (I. 177 f.).
In Bezug auf die Wohnraumförderung ist vorgesehen, die zu fördernde Anzahl von neuen Wohnungen zu erhöhen und die Modernisierung von Wohnungen stärker finanziell zu unterstützen. Die Mittel
sollen vorrangig den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften, Genossenschaften und sozial orientierten Bauträgern zugute kommen und sind an
eine möglichst langfristige Bindung zu knüpfen.
Effiziente Grundrisse und weniger Wohnflächenverbrauch pro Person sollen im Fördersystem honoriert werden (I. 313 ff.).
5. Besonderes Städtebaurecht
Die Instrumente des besonderen Städtebaurechts
(§§ 136 ff. BauGB, u.a. also das Sanierungsrecht)
sollen stärker dazu genutzt werden, Bodenspekulationen, „Luxussanierungen“ und „Verdrängung“ zu
verhindern und eine soziale und nachhaltige
Bodennutzung zu ermöglichen.
Dabei sollen insbesondere Entwicklungsgebiete für
neue Wohnungsbaustandorte und zur Sicherung der
sozialen und funktionalen Mischung ausgewiesen
werden (§§ 165 ff. BauGB). Flankierend hierzu ist
geplant, Maßnahmen auf Bundesebene zu initiieren,
GSK Update / 21.12.2016
um
Bodenspekulationen
entgegenzutreten
(I. 20 ff.). Mittelfristig ist auf Bundesebene die Einführung eines „Innenentwicklungsmaßnahmegebietes“ geplant, das Maßnahmen zur Baulückenschließung, Aktivierung von Brachflächen und
Nachverdichtung sowie zur Umwidmung von nicht
mehr benötigten Gewerbeimmobilien vorsieht. In
einem Entwicklungsmaßnahmegebiet sind nach
§ 166 Abs. 3 BauGB Enteignungen zur Durchführung der Entwicklung zulässig.
Um (Wohnungs-)Mieter zu schützen, will die Koalition die Ausweisung von sozialen Erhaltungsgebieten (sog. „Milieuschutz“, § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
BauGB) unterstützen (I. 101 ff.). Auch soll der
Schutz von Kleingewerbe und sozialen Einrichtungen in soziale Erhaltungsverordnungen einbezogen
werden (I. 414 ff.).
Zur Definierung von „Quartieren“ nach besonderem
Städtebaurecht soll als Gebietsentwicklungsziel
künftig auch die energetische Sanierung bei
Warmmietenneutralität bestimmt und bei Bedarf ein
Sozialplan (§ 180 BauGB) erstellt werden
(I. 108 ff.).
Es ist vorgesehen, dass Berlin verstärkt seine durch
das Baugesetzbuch gewährleisteten Vorkaufsrechte
nutzt. Zu diesem Zweck sollen gezielt Vorkaufsrechts-Verordnungen erlassen werden (§ 25 Abs. 1
S. 1 BauGB). Dabei ist ein Vorrang des Ankaufs
zugunsten von städtischen Wohnungsbaugesellschaften geplant (I. 114 ff.). Zur Schaffung zusätzlicher Vorkaufsrechte und zur Kaufpreisprüfung
sollen neue Sanierungsgebiete (§ 142 Abs. 1
BauGB) festgesetzt werden (II. 136 ff.).
Projektentwickler sollten sich daher frühzeitig informieren, ob für geplante Vorhaben Bindungen
nach besonderem Städtebaurecht vorgesehen sind,
die zu baulichen Einschränkungen, zusätzlichen
Kosten oder erschwerten Verkaufsmöglichkeiten
führen können.
6. Quartiersentwicklungen
Für den Neubau und die Erweiterung von Quartieren ist die Erstellung einer verbindlichen Leitlinie
geplant, die insbesondere folgende Ziele vorsehen
soll: Enge Verknüpfung mit benachbarten Gebieten;
möglichst kleinteilige Grundstücksparzellierung und
Mischung mit gewerblichen, sozialen und kulturellen
Nutzungen, insbesondere in den Erdgeschosszonen;
grün geprägte Quartiere mit geringer Bodenversiegelung, Dach- und Fassadenbegrünung (II. 163 ff.).
2
Berliner KoaV – Die wichtigsten Änderungen für die Projektentwicklung
7. Bauordnung für Berlin
Am 01.01.2017 tritt eine Änderung der Berliner
Bauordnung in Kraft (siehe dazu das GSK Update:
Neue Berliner Bauordnung – Die wichtigsten Änderungen vom 06.07.2016). Der Koalitionsvertrag
sieht eine erneute Novelle der Bauordnung vor. Als
Ziele ausgewiesen sind eine stärkere Begrünung
von Grundstücken und Gebäuden, der erhöhte Einsatz recyclingfähiger Baustoffe, eine Vereinfachung
der Genehmigung von Holzbauten, eine Genehmigungspflicht von Baubeseitigungen und ein schärferes
Verunstaltungsverbot.
Während
die
am
01.01.2017 in Kraft tretende Änderung der Bauordnung Erleichterungen in Bezug auf die Abstandsflächen (§ 6 BauO Bln) enthält, soll nach dem Koalitionsvertrag eine Abstandsfläche von 0,5 mal
Gebäudehöhe – statt bislang 0,4 mal Wandhöhe –
einzuhalten sein. Eine Nachverdichtung wird
dadurch erschwert. Weiter verschärft werden sollen
auch die Anforderungen an die Barrierefreiheit in
öffentlichen Gebäuden und im Wohnungsbau.
Zudem ist vorgesehen, die Geltungsdauer von Baugenehmigungen weiter zu verkürzen (I. 78 ff.).
8. Zweckentfremdungsverbot
Das Gesetz zum Verbot der Zweckentfremdung soll
weiter verschärft und in Bezug auf Abriss, angemessenen Ersatzwohnraum, Leerstand, Trägerwohnungen, Zweitwohnungen, Urlaubsvermietung und
Sanktionen überarbeitet werden (I. 95 ff.).
9. Denkmalschutz
Eigentümer von Denkmälern sollen stärker in die
Pflicht genommen werden: Zum einen ist vorgesehen, Eigentümern Pflegepläne zum Erhalt der
Denkmale aufzuerlegen. Zum anderen sollen –
wenn Käufer ein Denkmal aus öffentlicher Hand
erwerben – Bauverpflichtungen und eine denkmalverträgliche Bewirtschaftung vereinbart und Grundschuldbelastungen ausgeschlossen werden (II. 313
ff.). Beim Erwerb von Denkmälern sollten daher von
vornherein finanzielle Mehrbelastungen eingeplant
werden.
10. Öffentlichkeitsbeteiligung
Der Koalitionsvertrag sieht die Erstellung von
Berliner Leitlinien für die Beteiligung durch Bürger,
Politik und Verwaltung vor, durch die Strukturen
und Prozesse der Bürgerbeteiligung gestärkt wer-
GSK Update / 21.12.2016
den sollen. Verfahren sollen niedrigschwelliger,
flexibler und repräsentativer sein.
Auf einer Vorhabenplattform (mein.berlin.de) sollen
in Zukunft alle planerischen Vorhaben auf Landesund Bezirksebene mit einer Projektbeschreibung
und alle öffentlichen Beteiligungsverfahren veröffentlicht werden (II. 9 ff.). Die verbindliche zusätzliche Nutzung des Internets bei der Öffentlichkeitsbeteiligung ist ohnehin im Rahmen der BauGB/BauNVO-Novelle vorgesehen (siehe dazu das GSK
Update: Das „Urbane Gebiet“ – Ein neuer Baugebietstyp erleichtert dichtes Bauen mit hohem
Wohnanteil vom 16.08.2016). Am 30.11.2016 wurde der Gesetzentwurf im Kabinett beschlossen. Zur
Umsetzung von Bürgerbeteiligungen soll eine Änderung des AGBauGB geprüft werden (II. 25 ff.).
Öffentliche Unternehmen und Träger – insbesondere die städtischen Wohnungsbaugesellschaften –
sollen künftig in Vorbildfunktion bei Bauvorhaben
eine angemessene Bürgerbeteiligung durchführen
(I. 285 ff.). Allgemeine Regelungen zur Nachbarbeteiligung im Rahmen von Baugenehmigungsverfahren sind bereits in der am 01.01.2017 in Kraft tretenden Änderung der Bauordnung enthalten
(§ 70 BauO Bln n.F.).
III. Fazit
Die geplanten Änderungen werden bei der Projektentwicklung frühzeitig bedacht werden müssen.
Notwendige, vom Land Berlin zu leistende Mindestvoraussetzung für die Umsetzbarkeit der beschriebenen Themen ist allerdings eine moderne Verwaltung mit ausreichenden und motivierten Mitarbeitern. Es bleibt abzuwarten, ob dies – wie ebenfalls
im Koalitionsvertrag vorgesehen – in den nächsten
fünf Jahren sichergestellt wird.
Dr. Jan Kehrberg
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
Standort Berlin
[email protected]
Dr. Frank-Florian Seifert
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Verwaltungsrecht
Standort Berlin
[email protected]
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