// Strategie und Personal Antrieb von innen Die Effizienz oder die Qualität der Produkte zu verbessern ist nicht nur Aufgabe des Managements. Der Input von Mitarbeitern ist mindestens ebenso wertvoll. Von Jens Kemle FÜR EINE Kapazitätserhöhung reicht es manchmal schon aus, genau hinzusehen. Uwe Suerbier, der als Dienstleister im Drahtwerk Elisental W. Erdmann in Neuenrade bei Dortmund arbeitet, fiel auf, dass neben den Gestellen, in denen die Drahtspulen geglüht werden, noch ziemlich viel Platz im Ofen ungenutzt 14 M A R K T u n d M I T T E L S TA N D bleibt. Über das interne betriebliche Vorschlagswesen seines Arbeitgebers schlug der 52-Jährige vor, die Gestelle leicht zu verkürzen. Das Ergebnis: Statt der zwei Gestelle mit 800 Kilogramm Spulen passen nun vier Gestelle mit insgesamt 1.600 Kilogramm in den Glühofen. Die Verdopplung der Glühkapazitäten war letztlich nur eine Frage von wenigen Zentimetern. Es sind oft Kleinigkeiten, sie sich in der Summe groß auswirken. Das Beispiel der Drahtspulen zeigt auch: Für die besten Ideen braucht es meiste keine hochbezahlten Berater. „Gerade die eigenen Mitarbeiter kennen die Abläufe im Unternehmen aus der täglichen Praxis am besten und wissen, wo es hakt“, sagt Hans-Dieter Schat, Wirtschaftswissenschaftler an der FOM Hochschule >> 12-01 // Dez 2016-Jan 2017 Strategie und Personal >> für Oekonomie und Management in Frankfurt am Main. Mittelständler können diese Potentiale mit einem betrieblichen Vorschlagswesen (BVW) oder durch einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP) heben (siehe Kasten unten). Laut einer Studie der IHK Kassel sind BVW- und KVPAnsätze im produzierenden Gewerbe am weitesten verbreitet. „Rund 55 Prozent der Industrieunternehmen betreiben bereits ein Ideenmanagement“, schätzt Michael Dietzsch vom Technologie Transfer Netzwerk Hessen. Nachholbedarf sieht er noch in den Branchen Energieversorgung und Dienstleistungen. Aus 29 werden 520 // Für den Gabelstapleranbaugeräte-Hersteller Meyer aus Salzgitter, der mit rund 150 Mitarbeitern Klein- und Einzelserien fertigt, standen eine bessere Qualität und eine höhere Kundenzufriedenheit im Fokus, als er vor mehr als 15 Jahren ein strukturiertes Ideenmanagement (IM) einführte. Die Folge: Die Zahl der eingereichten Vorschläge schoss von zuvor 29 auf fast 520 im Topjahr 2006. „Viermal im Jahr gibt es bei uns die Möglichkeit, eine Prämie zu bekommen“, sagt Andreas Wunsch, Leiter des Qualitätsmanagements bei Meyer. So landen etwa alle Vorschläge des Jahres in einer Weihnachtstombola. Die drei Gewinner erhalten Prämien in Höhe von insgesamt 5.000 Euro. „Wenn wir durch den Vorschlag jährlich mehr als 2.500 Euro einsparen, bekommt der Einreicher zudem eine Prämie in Höhe von 20 Prozent der Einsparung im ersten Jahr“, erklärt Wunsch. Fünfstellige Einsparung // Ob BVW oder KVP – in der Praxis kombinieren die meisten Unternehmen die beiden BVW oder KVP: Wo liegen die Unterschiede? Betriebliches Vorschlagswesen (BVW) >> Das Optimierungssystem beruht auf der freiwilligen Initiative der Mitarbeiter. >> Verbesserungsvorschläge werden spontan geäußert und außerhalb der Arbeitszeit entwickelt. >> Die Ideen betreffen sowohl kleine wie auch große Verbesserungen, betriebsübergreifend über alle Abteilungen hinweg. >> Die Einreichung und die Umsetzung der Vorschläge erfolgen unbürokratisch und transparent. >> Gute Ideen werden mit Geldprämien honoriert. Kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP) >> Teil des betrieblichen Qualitätsmanagements >> Die Optimierungen betreffen vor allem technische Einrichtungen und den Arbeitsablauf. >> Die Verbesserungen erfolgen permanent in kleinen und kleinsten Schritten. >> Der Ablauf ist vorgegeben und strukturiert und umfasst bis zu zwölf Einzelschritte. Er wird vor der Umsetzung in Workshops erarbeitet. >> Die Erarbeitung von Verbesserungsvorschlägen erfolgt in einzelnen Teams, die sich auf ihre Abteilung beschränken. >> Die Geschäftsleitung ermächtigt die Teams zur direkten Umsetzung der Ideen und stellt dafür die notwendigen Ressourcen zur Verfügung. >> In der Regel wirkt auch der Betriebsrat aktiv mit. >> Gute Ideen werden mit wenigen Ausnahmen mit Prämien honoriert. Quellen: Hans-Dieter Schat, Markt und Mittelstand 16 M A R K T u n d M I T T E L S TA N D Foto: Klauke Gruppe // Daniela Karstens, Ideenmanagerin bei Klauke Konzepte. „Entscheidend ist, dass das Hinterfragen von Abläufen als wertvoll angesehen wird – und nicht als Eingeständnis von Fehlern“, empfiehlt Christian Flick, Autor des Buches „Betriebliche Verbesserungsprojekte als Erfolgsfaktor im Mittelstand“. Darin listet er 123 Best-Practice-Beispiele auf, mit denen sich Kosten senken oder die Effizienz steigern lassen. Ab einer Größe von etwa 100 Mitarbeitern oder mehreren Standorten ist es sinnvoll, eine Software für das Einreichen und Bearbeiten der Verbesserungsvorschläge einzusetzen. „Wir sind an drei Standorten tätig, da kann es vorkommen, dass eine Idee schon woanders umgesetzt wurde“, sagt Daniela Karstens. Per Computer verteilt die Ideenmanagerin bei dem Automobilzulieferer Klauke in Remscheid die Vorschläge an die Leiter der verschiedenen Fachabteilungen, die die Ideen dann begutachten. ROI zeigt Wirksamkeit // „Anschließend findet ein persönliches Gespräch mit dem Einreicher statt. Darin geht es um die Gründe für die Nichtumsetzung oder um die Realisierung und die Höhe der Prämie“, erläutert Karstens das weitere Vorgehen. Im vergangenen Jahr haben die rund 530 Klauke-Mitarbeiter insgesamt 334 Vorschläge eingereicht. Die 140 Mitarbeiter des Drahtwerks Elisental in Neuenrade haben 2015 sogar 308 Vorschläge gemacht. Nichtrechenbare Vorschläge ohne messbare Einspa- 12-01 // Dez 2016-Jan 2017 rung werden gestaffelt mit Prämien in Höhe von 60, 100 und 180 Euro belohnt. Für rechenbare Vorschläge erhält der Ideengeber 10 Prozent der Ersparnis. Über die Wirksamkeit von Verbesserungsvorschlägen geben Benchmarks wie der Return of Investment (ROI) Auskunft. „Die Mittelständler kommen meist auf einen Wert von 1:2 oder 1:3“, hat Wirtschaftsprofessor Hans-Dieter Schat errechnet. Das bedeutet: Jedem eingesetzten Euro Kosten stehen zwei bis drei Euro erreichbare Mehreinnahmen gegenüber. Exklusiv für „Markt und Mittelstand“ hat der IM-Experte erhoben, wie kreativ und ideenreich die deutschen Arbeitnehmer sind. „Im Mittelstand werden rund 2,5 Ideen pro Mitarbeiter und Jahr eingereicht. Bei größeren Unternehmen ist es nur gut eine Drittel Idee pro Mitarbeiter.“ Allerdings ist die rechenbare Einsparung pro Mitarbeiter und Jahr im Mittelstand mit 300 Euro geringer als bei den großen Unternehmen mit 550 Euro. „Dieser Skaleneffekt resultiert meist aus der höheren Stückzahl, die gefertigt wird“, sagt Schat. 80 Prozent aller Mittelständler nutzen das Ideenmanagement, um Einsparpotentiale zu identifizieren, die Effizienz zu erhöhen – und damit ihre Wirtschaftlichkeit zu steigern. Bei jedem fünften Unternehmen jedoch werden die Vorschläge der Mitarbeiter zwar gesammelt und belohnt – oft aber nicht im Betrieb umgesetzt. „Eine solche Schweigeprämie führt dazu, dass das Ideenmanagement stirbt“, kritisiert Schat. Erreichbar ab 5:30 Uhr // Aber selbst wenn es eine lebhafte Ideenkultur gibt, lässt die Dynamik der eingereichten Verbesserungsvorschläge mit der Zeit oft nach. Entscheidend ist es deshalb, das Vorschlagswesen attraktiv zu halten. So organisiert Daniela Karstens vom Automobilzulieferer Klauke etwa dreimal im Jahr einen Ideen- und Innovationstag, zusätzlich schafft sie durch Verlosungen und Give-aways regelmäßig neue Anreize. Für alle nicht umsetzbaren Vorschläge gibt es eine Trostprämie in Höhe von 30 Euro: „So geht keiner leer aus“, sagt Karstens. 12-01 // Dez 2016-Jan 2017 Das Erfolgsrezept von Sylvia Renda vom Drahtwerk Elisental lautet: Präsenz. Bereits um 5:30 Uhr fängt sie an zu arbeiten. „Unsere Nachtschicht endet um 6 Uhr, und auch für diese Mitarbeiter will ich als Ansprechpartnerin da sein“, sagt die Ideenmanagerin. Damit das Thema sichtbar bleibt, wird jeder Mitarbeiter in der Gehaltsabrechnung über den Stand seiner Vorschläge informiert. Jede Idee bekommt eine Laufnummer, sobald sie in ein spezielles IT-Programm eingepflegt wurde. Die besten Ideen werden einmal im Quartal prämiert, und am Jahresende wird unter allen eine Reise nach Spanien verlost. Alle Unternehmen, die ein erfolgreiches Ideenmanagement aufgebaut haben, sind sich einig, dass der Erfolg von der intensiven personellen Betreuung abhängt. Denn die Motivation aufrechtzuerhalten und Ideen strukturiert zu prüfen und umzusetzen ist sehr zeitaufwendig. „Nebenbei lässt sich das nicht organisieren“, weiß Andreas Wunsch vom Gabelstapler-Zulieferer Meyer. Bei Klauke wurde deshalb aus der Teilzeitstelle des Ideenmanagers eine volle gemacht: „Nur so ergibt es meiner Ansicht nach Sinn – anders geht es nicht“, sagt Daniela Karstens. Doch ob Sach- oder Geldprämien die beste Motivation sind, um Mitarbeiter zu Vorschlägen zu animieren, ist umstritten. „Wenn ich einen besonders tollen Vorschlag bekomme, geht unser Geschäftsführer mit dem Mitarbeiter zum Essen“, erzählt Daniela Karstens: „Dass sich der Chef Zeit für die Mitarbeiter nimmt, kommt gut an.“ Highlight ist zum Jahresende die Prämierung der innovativsten Abteilung. „Im vergangenen Jahr haben wir eine Blockhütte gemietet, und der Geschäftsführer stand für die Mitarbeiter am Grill“, berichtet die Ideenchefin weiter. Eigene Inhouse-Schulung // Ein Mittelständler, der nicht namentlich genannt werden möchte, hat Prämien sogar komplett abgeschafft. Stattdessen schult er seine Mitarbeiter in KVP-Seminaren in der Theorie des japanischen KaizenGurus Taiichi Ohno und diskutiert regelmäßig die Verbesserungsideen im Team. Mit Erfolg: Die Maschinenrüstzeiten konnten etwa auf ein Drittel reduziert und im Produktionsablauf erheblich Zeit eingespart werden. Das alte Prämiensystem vermisse keiner, heißt es aus dem Maschinenbauunternehmen. Der Antrieb von innen funktioniere bestens. „Wenn die Leute verstanden haben, dass sie ihren Arbeitsplatz in eigener Verantwortung verbessern können, ist das die größte Motivation“, lautet das Fazit. << [email protected] M A R K T u n d M I T T E L S TA N D 17
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