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Honigtot
Originalausgabe erschienen 2014 unter dem Titel "Honigtot", 480 Seiten.ISBN: 3-492-30725-6.
Kurzgefasst:
Wie weit geht eine Mutter, um ihre Kinder zu retten? Wie weit geht eine Tochter, um
ihren Vater zu rächen? Wie kann eine tiefe, alles verzehrende Liebe die Generationen
überdauern und alte Wunden heilen? Als sich die junge Felicity auf die Suche nach
ihrer Mutter macht, stößt sie dabei auf ein quälendes Geheimnis ihrer
Familiengeschichte. Ihre Nachforschungen führen sie nach Rom, zurück in das
dunkelste Kapitel unserer Vergangenheit und zum dramatischen Schicksal ihrer
Urgroßmutter Elisabeth und deren Tochter Deborah während des Dritten Reichs. Ein
Netz aus Liebe, Schuld und Sühne umfing beide Frauen und warf über Generationen
einen Schatten auf Felicitys eigenes Leben.
Das meint Histo-Couch.de:
"Temporeicher Roman mit einigen Stolpersteinen"
von
Eine junge Frau begibt sich auf die Suche nach ihrer Mutter, die plötzlich
verschwunden ist. In einem Hotel in Rom findet Felicity ihre Mutter schließlich
inmitten von alten Zeitungsausschnitten. Dies ist im Großen und Ganzen die in der
Gegenwart angesiedelte Rahmenhandlung des Romans Honigtot von Hanni Münzer.
Danach taucht die Geschichte ab in die frühen 1920er Jahre. Im Mittelpunkt stehen
zunächst die gefeierte Sängerin Elisabeth und ihr Ehemann Gustav, ein jüdischer Arzt,
der seine junge Ehefrau vergöttert. Das Glück des Paares erlebt einen Höhepunkt, als
Tochter Deborah geboren wird. Obwohl die Zeiten schlechter werden, scheint die
Familie in einem Kokon zu leben. Zwar begegnet Elisabeth dem jungen, aufstrebenden
Hitler, der von der Münchner Gesellschaft, in der sich Elisabeth bewegt, gefördert
wird. Doch vermögen weder sie noch ihr Mann dem ehrgeizigen und selbstbezogenen
Adolf Hitler viel abzugewinnen. Als sie erkennen, dass die Nazis das Land langsam in
ihrem Würgegriff haben, planen die Eheleute, sich ins Ausland abzusetzen. Doch
immer wieder verhindern schicksalshafte Momente die Ausreise.
Als es doch so weit ist, dass die Familie zu der inzwischen auch das Wölfchen
hinzugekommen ist nach England ausreisen will, verschwindet Gustav spurlos.
© 2016 Literatur-Couch Medien GmbH & Co. KG
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Elisabeth versucht verzweifelt, heraus zu finden, was mit Gustav geschehen ist und
reist nach Berlin. Dort begegnet sie dem Hitler-Gefolgsmann Albrecht Brunnmann, in
den sie sich schließlich verliebt. Denn er verheißt Stärke in einer Zeit, in der alles um
sie herum ins Wanken gerät. Nach Elisabeths frühem Tod übernimmt Deborah die
tragende Rolle im Roman und im Leben des Stiefvaters. Die junge Frau, der eine
große Karriere als Musikerin und Sängerin bevor steht, verliebt sich nicht nur in ihren
Stiefvater, sie ist auch vom luxuriösen und ausschweifenden Leben geblendet.
Deborah, die als sanftes Mädchen galt, erweist sich bald als eine Frau mit intensiven
Gefühlen, die auch bereit ist, mit allen Mitteln zu kämpfen.
Manchmal übers Ziel hinaus
Die Geschichte hat viel Potenzial: zwei halbjüdische Kinder entgehen dem Holocaust,
weil deren Mutter, eine gefeierte Sängerin, sich mit einem SS-Mann einlässt. Die
Gefahr für die Kinder flammt erneut auf, als die Mutter stirbt. Hanni Münzer vermag
einen Teil dieses Potenzials abzurufen. Sie zeigt eindrücklich auf, wie sich die
Gesellschaft langsam aus einem Taumel von Lebenshunger in eine Atmosphäre von
Angst und Misstrauen bewegt, wie Menschen ihre Freunde plötzlich nicht mehr
kennen, weil sie der falschen Religion angehören. Und auch, wie Willkür und
Menschenverachtung legitimiert werden. In vielen Szenen kommt die allumfassende
Macht der Nazis auf eine sehr subtile Weise zum Ausdruck, so etwa in Berlin, als es
Elisabeth nur über Umwege gelingt, mit ihrem im Ausland lebenden Schwager zu
telefonieren. Leider aber schießt die Autorin immer wieder auch über das Ziel hinaus,
dies besonders bei der Figurenzeichnung.
Starke Veränderungen
Die beiden Protagonistinnen Elisabeth und Deborah sind in ihrer ganzen Art sehr
starken Veränderungen unterworfen. Die naive in einigen Szenen gar etwas
dümmlich erscheinende Sängerin entwickelt plötzlich unerwartete Stärke und
großen Durchhaltewillen, nur um wieder in die alte Rolle zurückzufallen und sich
einem Mann anzuvertrauen, der alle Werte, an die sie mit ihrem über alles geliebten
Gustav geglaubt hatte, mit den Füssen tritt. Obwohl Brunnmann in dem man
mühelos die Züge von Adolf Eichmann erkennen kann für die Macht stand, die ihren
Mann Gustav auf dem Gewissen hatte, ließ sie sich vollständig auf ihn ein und störte
sich auch nicht dran, dass er die einstigen Besitztümer des verschwundenen
Ehemanns als sein Gut betrachtete. Diese Naivität steht im Widerspruch zur Rolle, die
Elisabeth im Roman mehrfach einnimmt. Es ist aber nicht nur die Mutter, sondern
auch die Tochter Deborah, die eine unglaubliche Entwicklung durch macht. Vom sich
ritzendenden, unter einem massiven Trauma leidenden Teenager wird Deborah
innerhalb kurzer Zeit zu einer selbstverliebten Luxus-Frau, die in sexueller Hinsicht
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ihre Grenzen erkundet. Da passt jedoch das Bild der liebenden Schwester, die alles
tun würde, um den kleinen Bruder Wolfgang zu schützen, einen hinkenden Halbjuden,
der ohne die schützende Hand Brunnmanns keine Chance auf ein Überleben gehabt
hätte.
Schwieriges Konstrukt
In ihrem Bemühen, möglichst viele der bekannten historischen Figuren in ihren
Roman einzubauen, schafft Hanni Münzer ein schwieriges Konstrukt, das
zwangsläufig dazu führen muss, größere und kleinere Schnitzer zu offenbaren. Selbst
wenn man sich vor Augen führt, dass es sich hier um eine Fiktion handelt, dürfte
beispielsweise vielen der Umgang mit den höchst vertraulichen Protokollen von
Wannsee etwas sauer aufstoßen. Zu den Punkten, die unverdaulich sind, gehören auch
eine unerwartete Genesung von einer Querschnittslähmung und andere zumindest
abenteuerliche Entwicklungen.
Hanni Münzer legt einen Roman vor, mit dem man sich einfach auseinander setzen
muss. Dass sie dabei einerseits sehr tief in die Kiste der bekannten Persönlichkeiten
als Protagonisten greift und andererseits einige trendige Aspekte beimischt, nimmt
der Geschichte einen Teil des Besonderen , mit dem sie ansonsten aufwarten könnte.
So ist Honigtot ein zwar interessanter und abwechslungsreicher Roman, er hält aber
einige geschichtliche, medizinische und menschliche Fallstricke bereit, die den
Genuss etwas eintrüben.
Sie finden diesen Text online unter www.histo-couch.de/hanni-muenzer-honigtot.html
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