Brief DE

Frau
Bundesrätin Simonetta Sommaruga
Vorsteherin EJPD
3003 Bern
[email protected]
Bern, 20. Dezember 2016
Änderung des Obligationenrechts (Auftragsrecht): Revision Kündigungsfristen
Sehr geehrte Frau Bundesrätin Sommaruga
Die FMH dankt für den Einbezug ins Vernehmlassungsverfahren. Sie nimmt nach Anhörung aller in
der Ärztekammer vertretenen Organisationen wie folgt Stellung:
Gestützt auf Art. 404 OR kann heute ein Auftragsverhältnis von beiden Parteien jederzeit widerrufen
oder gekündigt werden. Dieses jederzeitige Beendigungsrecht ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts heute zwingendes Recht und muss so bleiben.
Nach Auffassung der FMH würde die Möglichkeit zur Wegbedingung des jederzeitigen Widerrufsoder Kündigungsrecht unter Beibehaltung eines bloss einseitigen jederzeitigen Kündigungsrechts des
Patienten der Arzt-Patientenbeziehung nicht gerecht. Das Bundesgericht begründet den zwingenden
Charakter des jederzeitigen Kündigungsrechts mit dem persönlichen Vertrauensverhältnis, das dem
Auftrag zugrunde liege. Dem Bundesgericht ist zuzustimmen: Es hat keinen Sinn, „den Vertrag noch
aufrechterhalten zu wollen, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien zerstört ist.“ Unter
ärztetypischen Auftragsverhältnissen, bei welchen ein besonderes Vertrauensverhältnis besteht, ist
die jederzeitige gegenseitige Beendigungsmöglichkeit sachgerecht und notwendig.
Gemäss Adolf Laufs, einem der Nestoren des Arztrechts in Deutschland, gehört zu den wichtigsten
Merkmalen des freien Berufs
„… ein Mass grundsätzlich-ethischer Berufsauffassung (Berufsethos), ein Mass entsprechender persönlicher wie sachlicher Berufsunabhängigkeit, ein Mass besonderer Verantwortung
für die Allgemeinheit sowie ein spezifisches Vertrauensverhältnis zum Mandanten.“ 1
1
Adolf Laufs in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, München 1999, S. 13.
Änderung des Obligationenrechts (Auftragsrecht): Revision Kündigungsfristen
Vertrauensverhältnis zum Mandanten, nicht Vertrauen des Mandanten – dies ist kein Verschreiber.
Das gegenseitige Vertrauen ist in der Medizin Voraussetzung für eine tragfähige ArztPatientenbeziehung. Das jederzeitige gegenseitige Kündigungsrecht ist damit für das ArztPatientenverhältnis und für die korrekte ärztliche Berufsausübung von zentraler Bedeutung. Das Gesetz soll deshalb auch in Zukunft das jederzeitige gegenseitige Kündigungsrecht im Auftragsrecht
sicherstellen. Dies wäre mit der vorgesehenen Möglichkeit der Wegbedingung nicht mehr gegeben.
Die FMH kann sich nur dann mit einer Revision einverstanden erklären, wenn das Gesetz für
die Arzt-Patientenbeziehung auch in Zukunft das jederzeitige gegenseitige Kündigungsrecht
sicherstellt.
Die FMH dankt für die Berücksichtigung ihrer Anliegen.
Freundliche Grüsse
Dr. med. Jürg Schlup
Präsident
Anne-Geneviève Bütikofer
Generalsekretärin
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