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Melken
Schneller Alleskönner
oder teurer Modetrend?
Swing Over-Melkstände stehen für schnelles Melken mit einfacher Technik,
geringen Kosten und hohem Ausmelkgrad. Die Realität sieht jedoch oft ganz anders aus.
Eine Analyse von Melktechnikberater Dr. Dirk Hömberg, Münster.
T
raut man einigen Verkäufern und
Beratern, sind Swing Over-Melkanlagen „einfach genial“ und ihren Konkurrenten meilenweit überlegen. Denn angeblich vereinen sie die
Vorteile der anderen Melkstände, ohne
deren Nachteile aufzuweisen. So soll
Swing Over ähnlich hohe Durchsätze
wie Melkkarusselle erzielen. Und das
zu Kosten von Gruppenmelkständen
(Fischgräte, Side-by-Side). Denen sollen
sie nicht nur durch schnelleres, sondern
auch schonenderes Melken mit vollständiger Euterleerung überlegen sein.
Doch stimmen diese vollmundigen
Versprechen?
Mehr Kühe pro Melkzeug:Der augen-
fälligste Unterschied von Swing Over
zu herkömmlichen Melkstandanlagen
besteht darin, dass sich zwei gegenüberliegende Melkplätze ein Melkzeug tei-
len. Dieses wird abwechselnd auf beiden Seiten der Melkgrube genutzt. Im
einfachsten Fall sind die Melkzeuge lediglich über Schlauchstutzen mit der
mittig über der Melkgrube angebrachten Melkleitung verbunden und werden
zwischen den gegenüberliegenden
Standplätzen hin und her „geschaukelt“
(daher der Name Swing Over).
In Deutschland und den Nachbarländern sind Swing Over-Anlagen jedoch
meist mit speziellen Schwenkarmen
ausgerüstet. Diese tragen die Melkzeuge
und sollen zudem verhindern, dass die
langen Milchschläuche die Sammelstücke und somit die Melkbecher nach unten ziehen oder verdrehen. Das gelingt
aber oft nicht, sodass einzelne Euterviertel wesentlich langsamer und unvollständiger ausgemolken werden.
Wesentlicher Vorteil der beidseitigen
Nutzung der Melkzeuge ist die höhere
Großer Nachteil von Swing Over: Die Melkstände müssen deutlich größer sein, um die
gleiche Durchsatzleistung wie ein Gruppenmelkstand zu erreichen.
R 30
top agrar 1/2015
Auslastung. So können bei Swing Over
ca. 6,0 Kühe pro Melkzeug und Stunde
gemolken werden, während es in herkömmlichen Fischgräten-Melkständen
nur ca. 5,0 und in Karussellen je nach
Drehgeschwindigkeit bzw. „Totraum“
(Ein- und Ausgang) sogar nur 4,0 bis 4,5
Kühe pro Melkzeug und Stunde sind.
Die höhere Auslastung bedeutet wiederum, dass (bei jeweils gleich schneller
Arbeitsroutine) in Swing Over-Anlagen
weniger Melkzeuge benötigt werden
als in konventionellen Melkständen.
Daraus ergibt sich zunächst ein Kostenvorteil von 20 % und mehr.
Größerer Platzbedarf:Diesem steht je-
doch ein gewaltiger Nachteil gegenüber:
Im Vergleich zu herkömmlichen Gruppenmelkständen ist der Platzbedarf je
Melkzeug doppelt so hoch. Das hat zur
Folge, dass ein Swing Over-Melkstand
zwangsläufig deutlich größer sein muss
als ein Gruppenmelkstand mit gleicher
Durchsatzleistung.
Geht man z. B. davon aus, dass für einen Durchsatz von ca. 80 Kühen pro
Stunde in einem Swing 
Over-Melkstand 13 
Melkzeuge benötigt werden, bedeutet dies, dass der Melkstand
26 
Plätze aufweisen muss. Der herkömmliche Fischgrätenmelkstand benötigt für diesen Durchsatz zwar 16 Melkzeuge, allerdings auch nur 16 Plätze.
Im klimatisch milden Ursprungsgebiet der Swing Over-Anlagen (Neuseeland, Irland, Südwestengland) oder in
gut erhaltenen Altgebäuden mag der
unterschiedliche Platzbedarf von untergeordneter Bedeutung sein. In den
meisten mitteleuropäischen Ländern
hat er jedoch zur Folge, dass die theoretischen Kostenvorteile von Swing Over
nicht nur aufgezehrt, sondern ins Gegenteil gedreht werden. Dies gilt insbesondere, wenn man die hohen Kosten
für das zusätzliche Melkstandgerüst
und die bei uns üblichen Schwenkarme
berücksichtigt (Übersicht). Zwar sollten
Fotos: Werkbilder
In Swing Over-Melkständen teilen sich die gegenüberliegenden Melkplätze ein Melkzeug. Das steigert die Auslastung.
auch herkömmliche Melkstandanlagen
mit Schlauchführungsarmen ausgestattet sein. Doch deren Gesamtkosten liegen trotz der höheren Anzahl an Melkzeugen wegen des wesentlich einfacheren Aufbaus deutlich unter denen für
Schwenkarme.
Kaum schnelleres Melken:Eine wei-
tere Eigenart von Swing Over ist deren
angeblich besonders zeitsparender Arbeitsablauf.
Pro Person und Stunde lassen sich
demnach bequem mindestens 100 Kühe
melken. Begründet wird dies im Wesentlichen damit, dass die Kühe den
Melkstand, ähnlich wie in Melkkarussellen, absolut selbstständig betreten
und verlassen würden. Hingegen sei bei
konventionellen Gruppenständen stets
zeitraubendes Antreiben notwendig.
Diese Argumentation verkennt jedoch, dass der größte „Zeitfresser“ beim
Melken nicht das Antreiben von Kühen
im Melkstand ist, sondern das Hereinholen von Kühen. Und dieses lässt sich
auch in Betrieben mit konventionellen
Melkständen durch einen Vorwarteraum mit Treiber automatisieren (vgl.
top agrar 11/2013). Rüstet man einen solchen Melkstand zudem mit beweglichen Brustrohren („Schnellaustrieb“)
aus, fällt der Arbeitszeitbedarf für den
Tierwechsel kaum noch ins Gewicht.
Ein weiteres Argument für das ver-
meintlich schnellere Melken ist, dass in
Swing 
Over-Anlagen alle Euter auf
einer Seite des Melkstands schon einmal in einer zügigen „Fließband-Routine“ vorbereitet werden können, während die Melkzeuge noch auf der gegenüberliegenden Seite im Einsatz sind.
Eine solche Verfahrensweise ist jedoch
auch in konventionellen Melkanlagen
möglich.
Und zudem lässt sich sogar Arbeitszeit sparen, wenn man die Kühe nicht
zweimal aufsucht, sondern Eutervorbereitung und Ansetzen direkt nachein-
ander erledigt. Bei vollwertigen (zeitgesteuerten) Stimulationsautomaten ist
dies auch ohne negative Auswirkungen
auf die Milchabgabe möglich (siehe Kasten auf Seite R 32).
Unter dem Strich bestehen also hinsichtlich des Arbeitszeitbedarfs zwischen Swing Over-Anlagen und konventionellen Melkstandanlagen keine
gravierenden Unterschiede. Das zeigte
sich u. a. auch in wissenschaftlichen
Vergleichsstudien.
Diese ergaben für britische Fischgräten- und Swing Over-Anlagen einen an-
Kosten der Melkanlagen im Vergleich (€, netto)
FGM 2 x 81)
SWO 13/262)
Differenz
Melkzeuge mit Abnahme
24 024
19 520
-4 504 (-18,7 %)
Weitere Melktechnik3)
19 012
17 947
-1 065 (-5,6 %)
Standgerüst
9 019
12 957
3 938 (+43,7 %)
Zwischensumme
52 055
50 424
-1 631 (-3,1 %)
Schwenkarme
8 397
8 397
Melkanlage insgesamt
52 055
58 821
6 766 (+13,0 %)
Gebäude4)
33 306
46 410
13 104 (+39,3 %)
Endsumme
85 361
105 231
19 870 (+23,3 %)
1) Fischgrätenmelkstand mit 16 Melkzeugen und 16 Stellplätzen; 2) Swing Over-Melkstand mit 13 Melkzeugen und 26 Standplätzen; 3) Vakuumpumpe, Rohrleitungen,
Endeinheit; Milchpumpe; Elektronik, Zubehör; 4) Melkraum ohne Milchlager und Technikräume; Fläche: 61m2 (FGM) bzw. 85 m2 (SWO) Quelle: Dr. Hömberg, 10/2014
Durch die Schwenkarme und die höheren Gebäudekosten sind Swing Over-Melkstände teurer als Fischgräten-Melkstände.
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R 31
Melken
Negativ-Beispiel 1:
Die Milchschläuche
hängen an einem
nahezu rechtwinkligen Bogen. Das
stört den Milchfluss.
Fotos: Dr. Hömberg
nähernd gleichen Arbeitszeitbedarf von
39,6 bzw. 37,2 Sekunden pro Kuh. Der
Leistungsunterschied betrug demnach
nur etwas mehr als 6 %.
Über fünfmal so hoch waren hingegen die Unterschiede zu deutschen
Swing Over-Anlagen. Den dort üblichen Arbeitszeitbedarf unterboten die
britischen Betriebe um ca. ein Drittel.
Und das nicht nur wegen des in Britannien geringeren Leerlaufs, sondern insbesondere auch wegen des annähernd
vollständigen Verzichts auf die in
Deutschland praktizierte Eutervorbereitung und Ausmelkkontrolle.
Die betriebsspezifischen Rahmenbedingungen und Arbeitsweisen haben
also für den Zeitbedarf wesentlich größere Bedeutung als die Anlagenvariante.
Studien der Landesforschungsanstalt
Mecklenburg-Vorpommern bestätigen
das.
Dass in der Praxis oft ein anderer Eindruck entsteht, liegt daran, dass unterschiedliche Melkanlagen häufig auch
mit unterschiedlichen Rahmenbedingungen verbunden sind. Nicht selten
werden hier „Äpfel mit Birnen“ verglichen, z. B. der alte, direkt im verwinkelten Stall gelegene Melkstand mit dem
neuen Melkstand, dessen hohe Leistung
erst durch Vorwarteraum, automatischen Kuhtreiber und gerade Laufwege
ermöglicht wird.
Noch deutlicher weichen Versprechen und Realität bei der Einleitung
und Vollständigkeit der Milchabgabe
voneinander ab.
Anrüsten wichtig:Die Hersteller er-
zählen oft, dass in Swing Over-Anlagen
auf jegliche Stimulation verzichtet werden könne. Ursache sei, dass die Euter
schon vorbereitet werden können, während die Melkzeuge noch auf der gegenüberliegenden Melkstandseite im Einsatz sind. Und die Wartezeit bis zum
Freiwerden der Melkzeuge vollende
dann das Anrüsten.
Missachtet wird dabei, dass die Ausschüttung des für die Milchabgabe un-
verzichtbaren Hormons Oxytocin nicht
durch Warten, sondern ausschließlich
durch Berührungsreize an den Zitzenspitzen erfolgt. Zudem haben übermäßig lange Wartezeiten äußerst negative
Einflüsse auf die Milchabgabe (vgl. Kasten unten).
Diese Wartezeiten treten auf, wenn
die Melkdauer der Milchkühe einer
Gruppe stark variiert. Dies ist in
Deutschland eher der Fall als in Neuseeland und Irland. Denn dort sind
Milchleistung und Melkdauer in der
Herde wegen der saisonalen Blockabkalbung homogener.
Stimulation: Kurze Massage und lange
Wartezeiten sind schädlich
Voraussetzung vollwertiger Stimulation ist eine ausreichend lange Zitzenmassage, gefolgt von begrenzter
Wartezeit. Das zeigte sich u.a. in Studien der Universität Bern. Diese bestätigen frühere Erkenntnisse, dass
die Oxytocin-Ausschüttung ausschließlich durch Berührungsreize an
den Zitzenspitzen erfolgt. Neu ist
allerdings, dass man nicht alle Kühe
eine Minute lang anrüsten muss.
Vielmehr reicht eine zeitlich limitierte Zitzenmassage. Wie lange diese
und die anschließende Wartezeit sein
müssen, richtet sich danach, wie voll
das Euter ist.
Weniger als 15 Sekunden ununterbrochener, manueller Eutervorbereitung dürfen es selbst bei stark gefüllten Eutern (Hochleistungskühe am
Beginn der Laktationsperiode) nicht
R 32
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sein. Denn dies ist die minimale Zeitspanne, bis die Oxytocin-Ausschüttung beginnt. Je nach Grad der Euterfüllung dauert es unterschiedlich
lange, bis die Milch „einschießt“. Bei
einem prall gefüllten Euter kann die
Alveolarmilch schon 15 bis 25 Sekunden nach Beginn der Oxytocin-Ausschüttung (also 30 bis 45 Sekunden
nach Beginn der Eutervorbereitung)
in den Zisternen angekommen sein.
Befindet sich nur wenig Milch im Euter (z. B. am Ende der Laktationsperiode), kann diese Zeitspanne mehr als
1,5 Minuten betragen.
Daneben ist zu berücksichtigen,
dass Oxytocin sehr schnell wieder
abgebaut wird, wenn die Stimulationsreize enden. Und zwar umso
schneller, je kürzer die Stimulation
war. Mithin darf die Wartezeit nicht
länger als 45 Sekunden sein, wenn
zuvor nur eine kurze Eutervorbereitung erfolgte. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass die Eutervorbereitung deutlich länger sein muss, wenn
wegen geringer Euterfüllung eine
lange Wartezeit nötig ist (z. B. 30 Sekunden bei 60 Sekunden Wartezeit).
Wesentlich länger als eine Minute
sollte die Wartezeit keinesfalls sein.
Denn dann kommt es unabhängig
von der vorhergehenden Stimulationsdauer unweigerlich zu einem
deutlichen Rückgang des OxytocinSpiegels mit starker Beeinträchtigung
des folgenden Melkvorgangs. Verhindern lässt sich dies am besten durch
zeitgesteuerte Stimulations-Automaten mit tierindividueller Stimulationsdauer. Diese sollten auch bei
Swing Over Standard sein!
Negativ-Beispiel 2:
Die Milchleitung
liegt oberhalb des
Auslaufs des
Milchmengenmessgerätes. Der
Verbindungsschlauch steigt an.
Dementsprechend weisen Studien aus
Bayern und Mecklenburg-Vorpommern
für Swing Over-Anlagen vermehrt die
untrüglichen Anzeichen unzureichender Stimulation nach, sogenannte „Bimodalitäten“. In Bayern trat ein solcher
Einbruch der Milchflusskurve nach Abmelken der Zisternenmilch besonders
bei potenziell leichtmelkenden Kühen
auf. Hier war der Anteil sichtbarer Stimulationsmängel knapp 1,5-mal so hoch
wie in konventionellen Melkständen.
Milchfluss und Ausmelkgrad:Ebenfalls falsch ist die häufig zu hörende Behauptung, dass der Ausmelkgrad bei
Swing Over generell besser sei als in
konventionellen Melkanlagen. Verantwortlich für diesen angeblichen Vorteil
sei im Wesentlichen die Gleichtaktpulsation in vielen Swing Over-Anlagen.
Die Gleichtaktpulsation ist in Melkanlagen mit obenliegender Milchleitung
zwar tatsächlich grundsätzlich vorteilhaft. Denn im Normalfall bewirkt sie,
dass die im Melkzeug während der
Saugphasen auftretenden „milchflussabhängigen Vakuumverluste“ deutlich
geringer sind als bei Wechseltaktpulsation (vgl. top agrar 2/2006). Und das ist
wiederum eine unverzichtbare Voraussetzung für zügiges Melken und damit
auch für eine vollständige Milchejektion, also vollständige Entleerung des
Milchbildungsgewebes.
Trotzdem sind in vielen Swing
Over-Melkanlagen die Euter nicht besser, sondern teils sogar schlechter ausgemolken als in Melkanlagen mit untenliegenden Milchleitungen. Denn häufig
werden die potenziellen Vorteile des
Systems durch gravierende Fehler bei
dessen Ausgestaltung und Montage zunichte gemacht. Nicht selten sind die
Vakuumverhältnisse bei Swing Over so-
Melken
Kühe (über 7 000 kg/Jahr) mit einem
Rückgang von knapp 10 bzw. gut 7 % am
meisten.
STANDP UNKT
Schluss mit den
Mythen über Swing Over!
Melkberater
Dr. Dirk
Hömberg
Swing Over-Melkanlagen ermöglichen bei fachgerechter Auslegung und Montage zwar ein zügiges und weitgehend schonendes
Melken mit normalem Ausmelkgrad.
Die beste oder gar einzige Möglichkeit für zeitsparendes Melken sind
sie jedoch nicht!
Vielmehr sind sie unter mitteleuropäischen Rahmenbedingungen
(Klima, Baupreise) wegen ihres großen Platzbedarfs meist deutlich teurer als konventionelle Gruppenstände. Hinzu kommen teils Probleme durch unterschiedlich schnell
melkende Kühe und unvollständiges
Ausmelken. Beides tritt besonders
bei ganzjähriger Abkalbung bzw. hohen Milchleistungen (über 7 000 kg
gar deutlich schlechter als in alten Anbindeställen!
Das behindert den Milchfluss zwischen Euter und Milchleitung. Das hat
wiederum zur Folge, dass die für Melkgeschwindigkeit und Ausmelkgrad so
schädlichen „milchflussabhängigen Vakuumverluste“ kaum noch geringer sind
als bei Wechseltaktpulsation und wesentlich höher als möglich. Die häufigsten Fehler sind:
• Übermäßig lange Milchschläuche
(mehr als 3 m) wegen zu breiter Melkstandgruben.
• Scharfe Bögen (mehr als 45°) der an
den Schwenkarmen angebrachten
„Milchrohre“.
• Strömungstechnisch schlecht konstruierte Milchmengen-Messgeräte mit
Engstellen und/oder stark geboge-
R 34
top agrar 1/2015
pro Jahr) auf. Daher ist es nicht verwunderlich, dass doppelseitig bestückte Melkstände aktuell und in
absehbarer Zukunft weltweit die
größte Verbreitung haben.
Auch hinsichtlich der Geschwindigkeit und Vollständigkeit der
Milchabgabe hat Swing Over keine
systematischen Vorteile. Die hormonelle Regulation und die Auswirkung
der Euteranatomie sind unabhängig
von der Melkanlagen-Variante. Daher kann man es durchaus als Märchen einstufen, dass Kühe in Swing
Over-Melkanlagen selbst bei noch so
kurzer Eutervorbereitung durch
die folgende Wartezeit ausreichend
angerüstet würden. Ebenso stimmt
es nicht, dass der Ausmelkgrad bei
Swing Over generell überlegen sei
und dass es hier keine nennenswerten Nachgemelke gäbe.
Oft ist sogar das Gegenteil der Fall:
Denn bei Auslegung und Montage
zahlreicher Swing Over-Melkanlagen
werden einfachste strömungstechnische Grundregeln nicht beachtet.
Dann sind die Vakuumverhältnisse
während des Melkens deutlich
schlechter als in alten Anbindeställen. Man kann zwar noch immer
melken. Jedoch nur mit geringen
Milchflussraten und erhöhten, oft
nicht erkannten Restmilchmengen.
nem Ein- beziehungsweise Auslauf.
• Zu geringer Innendurchmesser der
langen Milchschläuche (mehr als
16 mm).
• Zu kleine oder auch zu große Sammelstücke (weniger als 200 bzw. mehr
als 300 ml).
• Milchleitung zu weit oben oder sogar
oberhalb der Milchmengenmessgeräte
angebracht.
Wie stark solche Fehler die Milchabgabe beeinträchtigen, haben umfangreiche Studien der LfL Bayern nachgewiesen. Diese ergaben für Swing Over-Anlagen im Vergleich zu konventionellen
Melkständen einen signifikant geringeren Spitzen- und Durchschnittsmilchfluss samt entsprechend längerer Melkdauer. Auch hier litten die potenziell
leichtmelkenden bzw. hochleistenden
Nachgemelke bleiben.Zusätzlich zum
unvollständig ausgemolkenen Milchbildungsgewebe sind auch bei Swing Over
oft genug beachtliche Nachgemelke
festzustellen. Deren Menge ist vielfach
weit höher als anatomisch begründet
(max. ca. 1 kg) und für Milchleistung
und Eutergesundheit unkritisch (0,3
bis 0,5 kg).
Es gibt viele Gründe für dieses Manko.
Neben unzureichender Stimulation
bzw. zu langen Wartezeiten, zu engen
oder zu weiten Zitzengummis und ungenügender Führung der langen Milchschläuche kommt hier erneut das Melkzeugvakuum ins Spiel. Dieses steigt bei
nachlassendem Milchfluss oft auf deutlich über 40 kPa, da das Anlagenvakuum
zum vermeintlichen Ausgleich hoher
milchflussabhängiger Vakuumverluste
auf bis zu 50 kPa erhöht wurde.
Das somit am Ende des Melkens überhöhte Melkzeugvakuum hat nicht nur
eine Schädigung des Zitzengewebes zur
Folge. Es führt zudem trotz teilweise
schwerer Melkzeuge dazu, dass sich die
Melkbecher verfrüht an den Zitzen
nach oben saugen und diese regelrecht
einschnüren. Häufig saugen sich die
Melkbecher derart stark am Euterboden
fest, dass ein maschinelles Nachmelken (Hinunterdrücken der Melkzeuge)
kaum bzw. nur noch mit sehr großer
Anstrengung möglich ist. Weil der
Milchfluss ausbleibt, denkt man, dass
die Euter leer seien. Tatsächlich enthalten sie jedoch noch reichlich Milch.
Das Versiegen des Milchflusses ist somit nicht immer gleichbedeutend mit
leeren Eutern!
Schnell gelesen
• Swing Over genießt den Ruf
des günstigen, schnellen und
besseren Melkens.
• Die Melkzeug-Auslastung ist
im Vergleich zu klassischen
Melkständen höher.
• Aber Swing Over-Anlagen
müssen für den gleichen
Durchsatz deutlich größer
sein. Das macht sie teurer.
• Auch beim Milchfluss und
Ausmelkgrad gibt es keine
Vorteile gegenüber normalen
Gruppenmelkständen.
• Kaufinteressenten sollten sich
deshalb gezielt informieren.