Ein Mercedes-Ponton Wintermärchen

Ein Mercedes-Ponton Wintermärchen
Es begab sich anno 2016 im späten Oktober, als schon die ersten Lebkuchen in den Supermärkten
vom kommenden Weihnachtsfest kündeten. Ein Engel aus dem niederbayrischen Ort Herzen, nein
nicht ganz, Gerzen heißt der Ort, rief an und erzählte von Scheunen voll von Pontons und einer
Heckflosse. Einige Wochen später, das Radio spielte schon durchgehend Weihnachtslieder, bevorzugt
„Last Christmas“ von der Gruppe „Wham“, öffneten wir das 16. Adventstürchen, bzw. das
Scheunentor. Das Lied von „Wham“ dürfte nie in den Radios der dort stehenden Pontons nie
gedudelt haben, denn die TÜV-Stempel waren von 1975, wohingegen „Wham“ erst 1986 auf ihren
„Rentenversicherungssong“, den Gema-Gebühren sei Dank, gekommen sind. Sicher glaubt „Wham“
seitdem an den Weihnachtsmann und auch an Norbert-„die-Rente-ist-sicher“-Blüm.
Ein malerischer Anblick bot uns die Scheune, wohin uns der Stern (auf dem Sprinter-Kühlergrill)
geleitet hatte: Da lag das Christuskind in Form eines Pontons in der Wiege und Maria und Josef,
natürlich auch in Form von Pontons, standen daneben. Die Himmelschöre erhoben sich und, ich
glaube die Weihnachtslieder benebeln meine Sinne, das Triumvirat fragte uns nach
„Schraubenschlüssel, Luft für die Reifen und neue Batterien“. Der staubgraue Esel in Form einer
Heckflosse wieherte und nickte mit dem Kopf.
Nun zurück ins wahre Leben. Da standen wir nun, der Erfahrung mit solchen Dingen sei Dank, mit
schwerem Bergegerät in Form von Lada, Sprinter und MB 100 samt zwei Anhängern, um die 40 Jahre
gelagerten Benze aus der Scheune zu „befreien“. Dicht an dicht geparkt, war die erste Hürde, wieder
Luft auf die Reifen zu bekommen. Also abgetaucht in die Spalten in denen der Staub von über 40
Jahren als „Gleitmittel“ half, die Ventilkappen zu erreichen. Manche so fest, dass die Zange zum
Einsatz kommen musste.
Hätten wir die Autos auf platten Rädern rausgezerrt, wären sicher die Ventile in die Felgen gerutscht.
So hatten wir mit Gottes vorweihnachtlichem Segen das Glück, alle 16 Räder wieder mit Luft befüllt
zu bekommen. Und die Schläuche hielten die Luft auch noch den ganzen Tag bis die Autos dann
endlich verladen waren. Ein wahres Wunder!
Nun war also Luft in den Reifen des „Vierergeschwaders“. Wir versuchten uns an dem Ponton
namens „Jesus“ der Dritte, aus der Sternenmitte. Aber er düste nicht im Sauseschritt, wie es die Band
„DÖF“ , steht für Deutsch-Österreichisches-Feingefühl, gesungen hat. Mit viel russischer Gewalt und
dem auf Untersetzung samt Sperre geschaltetem Lada zogen wir an und brachten den „JesusPonton“ immerhin soweit aus der Reihe, dass man die Türen öffnen konnte.
Vier Bremsspuren zeugten von blockierten Bremsen oder festem Motor mit Gang drin. Es waren die
Bremsen. Also haben wir im Laufe des Tages vierzehn Mal aufgebockt, den 10kg-Vorschlaghammer
bemüht und die Bremstrommeln abgezogen. Jedes Mal fielen uns die Bremsbeläge entgegen, die sich
vom Träger über die Jahre gelöst hatten.
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Danach rollten die Pontons so gut, daß es viel Feingefühl bedurfte, um beim rausziehen im Gefälle
die staubigen Benze nicht ins Heck vom Lada krachen zu lassen. Und als wäre Gottes Segen mit uns,
öffnete sich die Wolkendecke gegen 14 Uhr und beschien die Szenerie.
Der Rest war dann Routine. Gestärkt durch „Manna“ in Form einer nach dieser Maloche im Staub
besonders gut schmeckenden Gulaschsuppe, von der Verkäuferin höchstpersönlich zubereitet, luden
wir zwei Fahrzeuge auf die Anhänger und zogen sie in die rund 80km entfernte Ponton Manufaktur
nach Hallbergmoos. Gegen 17 Uhr dieselbe Tour noch einmal und alle vier Sternenkreuzer waren mit
100km/h über die Autobahn gefahren (worden). Um 22 Uhr ging dann ein nicht ganz normaler ZwölfStunden-Vorweihnachtstag zu Ende. Und es werden im neuen Jahr noch viele Stunden vergehen, bis
alle Teile sortiert und eingeordnet sind, um anderen Pontons in treuer Nächstenliebe, zu weiterem
Leben zu verhelfen.
Organspenderausweise fanden wir bei allen an den Unterboden geklebt, denn 40 Jahre Scheune
schaffen jede Substanz. Längsträger sind bei allen Fahrzeugen Fehlanzeige. Asche zu Asche, Staub zu
Staub. So endet 2016 und es klingen die frohen Lieder.
Friedliche Weihnachtsfeiertage und ein glückliches Jahr 2017 wünscht:
Thomas Hanna
Dezember 2016