Das Jagdrecht NRW Überblick und aktuelle Entwicklungen Rechtsanwältin und Notarin Klaudia Hugenberg Justitiarin des Landesjagdverbandes NRW, Hermannstr. 57, 32756 Detmold 1 Was hat sich geändert? Landesjagdgesetz vom 12. Mai 2015 – LJG-NRW Landesjagdgesetzdurchführungsverordnung – DVO LJG-NRW Landesjagdzeitenverordnung – LJZeitVO Jagdabgabeverordnung – JAbgVO Landesforstgesetz – LFoG 2 Wann sind die Änderungen in Kraft getreten? Landesjagdgesetz am 28. Mai 2015 (Ausnahme: Verbot bleihaltiger Büchsenmunition erst am 01.04.2016 bzw. 01.04.2018 bei Kleinkaliberpatronen) DVO LJG-NRW, LJZeitVO und JAbgVO jeweils am 29. Mai 2015 Landesforstgesetz am 28. Mai 2015 3 Neue Zielvorgabe / „Präambel“ in § 1 Abs. 2 LJG : eine Jagd, die Wild „aus vernünftigem Grund“ nutzt Aufgabe der Jagdgesetzgebung ist es, mit der Konturierung des „Jagdwesens“ gemäß Art. 72 Abs. 3 Nr. 1 GG abzugrenzen: den Bereich der legitimen eigentumsrechtlich geschützten Jagdausübung den Bereich des strafrechtlich relevanten Tötens von Tieren ohne vernünftigen Grund im Sinne des§ 17 TierSchG. So hat beispielsweise das OVG Schleswig-Holstein mit Urteil vom 12.8.2004 Az. 1 KN 27/03 ausgeführt „Ein naturschutzrechtlich anzuerkennender vernünftiger Grund ist bei der Bejagung wilder und nach Jagdrecht jagdbarer Tiere gegeben.“ 4 Ziel ist eine Jagd, die Wild „aus vernünftigem Grund“ nutzt der nun kodifizierte Begriff des „vernünftigen Grundes“ bedeutet Rechtsunsicherheit in der Jagdpraxis: Wer definiert den „vernünftigen Grund“, muss er mit einer Nutzung und wenn ja mit welcher Nutzung zusammenhängen? Kann ein vernünftiger Grund im Sinne des§ 17 Abs. 1 TierSchG verneint werden, obwohl alle Bestimmungen des Jagdgesetzes eingehalten werden, mit der Folge, dass sich strafbar macht, wer Wild z.B. in großer Menge oder „für die Tonne“ erlegt? Droht in gleicher Weise eine Ordnungswidrigkeit nach § 18 Abs. 1 Nr. 5 TierSchG, weil die Tötung dann nicht mehr „im Rahmen weidgerechter Ausübung der Jagd“ im Sinne des § 4 Abs. 1 S. 2 TierSchG stattfindet? 5 Tierartenkatalog stark reduziert Nur noch 29 Tierarten unterliegen in NRW dem Jagdrecht Haarwild: Wisent, Rotwild, Damwild, Sikawild, Rehwild, Muffelwild, Schwarzwild, Feldhasen, Wildkaninchen, Steinmarder, Iltis, Hermelin, Dachs, Fuchs, Waschbär, Marderhund, Mink. 6 Tierartenkatalog stark reduziert Federwild: Rebhuhn, Fasan, Wildtruthahn, Ringeltaube, Grau-, Kanada- und Nilgans, Stockente, Rabenkrähen, Elster, Höckerschwan, Waldschnepfe Bsp. Herausnahme der Türkentaube: Eigentumsrechtlich nicht gerechtfertigt und damit verfassungswidrig: Herauslösung aus der privaten Eigentumsordnung dürfte nur zulässig sein, wenn ein reales Nutzungsinteresse des Eigentümers nicht mehr besteht oder die verfolgten Gemeinwohlziele bei fortbestehendem Nutzungsinteresse nicht mehr durch Regelungen des „Wie“ erreicht werden können. 4.858 erlegte Türkentauben in 2009/2010 in NRW und der Schutz vor Wildschäden und Seuchenübertragung stehen einer vermeintlichen „Seltenheit“ bei einem unstreitigen Status „nicht gefährdet“ gegenüber! 7 Tierartenkatalog stark reduziert Konsequenz: Alle aus dem Wildkatalog herausgefallenen Tiere unterliegen nur noch dem allgemeinen, besonderen oder strengen Artenschutz! Daher: Aufsuchen, Nachstellen, Fangen, Erlegen oder Aneignen (§ 1 Abs. 4 u. 5 BJG) für den Jagdausübungsberechtigten verboten. Problem: tierschutzrechtliches Verschlechterungsverbot (Art. 20 a GG): - - keine Wild- und Biotophege mehr, § 1 Abs. 2 BJG - - keine Verhinderung von vermeidbaren Schmerzen und Leiden, § 22 a BJG, Wildfolge §29 LJG NRW - kein Schutz über die „scharfe“ Schutznorm Wilderei, § 292 StGB - Störungsverbot in Zufluchts-, Nist- und Brutstätten, §19 a BJagdG 8 Neue Jagd- und Schonzeiten ganzjährige Vollschonung für Waldschnepfe bis Ende 2020 durch § 2 Nr. 1 LJZeitVO (bislang auch in NRW Jagdzeit vom 16.10. bis 15.01. nach§ 1 Abs. 1 Nr. 23 BJagdzeitenV) Argument Gesetzgeber: „Waldschnepfe verbleibt im Jagdrecht, da Hegemaßnahmen auf lange Sicht eine Bestandsverbesserung erwarten lassen und sie potentiell einer Nutzung unterliegt.“ Aber Vollschonung, weil angeblich „selten“. Feststellungsklage (§ 43 II VwGO) gegen die Vollschonung gegen das Land: Überschreitung der VO-Ermächtigung § 24 Abs. 1a LJG NW, denn letztere setzt tatbestandlich voraus, dass es aus Gründen der Hege erforderlich ist, die Jagdzeit aufzuheben. Es fehlt aber 9 an plausibler Begründung / jeglichem Nachweis der „Seltenheit“. Schießleistungsnachweis Gemäß §§ 17 a Abs. 3 LJG , 34 DVO LJG ist nun Voraussetzung für die Teilnahme an einer Bewegungsjagd auf Schalenwild der Nachweis einer besonderen Schießfertigkeit, der nicht älter als ein Jahr sein darf. Absatz 2: „Bewegungsjagden sind alle Jagden, bei denen das Wild gezielt beunruhigt und den Schützen zugetrieben wird.“ Es begeht eine Ordnungswidrigkeit, wer in NRW an einer Bewegungsjagd teilnimmt, ohne über einen aktuellen Nachweis zu verfügen, § 55 Abs. 1 Nr. 9 LJG 10 Schießleistungsnachweis Disziplinen: je drei Schüsse mit schwarzwildtauglichem Kaliber - stehend freihändig – flüchtiger Überläufer - stehend freihändig – lfd. Keiler angehalten - sitzend aufgelegt – lfd. Keiler angehalten Mindesttrefferzahl: - 50 von 90 Ringen (Schießstand) 5 von 9 Gesamttrefferpunkten (Schießkino) 11 Schießleistungsnachweis Problem: Gesetzgebungskompetenz des Landes? - Art. 72 Abs. 3 Nr. 1 GG ordnet das Recht der Jagdscheine dem sogenannten „abweichungsfesten Kern“ der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes zu. - Der Bund regelt in § 15 BJG die persönlichen Voraussetzungen für die Jagdausübung, nämlich die Jägerprüfungsinhalte einschließlich der Schießleistungsanforderungen. Mit dem Prüfungszeugnis kann der Jagdschein gelöst werden, der zur Jagdausübung in ganz Deutschland berechtigt, wie aus§16 Abs. 3 BJG folgt - Ein Jungjäger z.B. aus Hamburg kann nun in NRW nicht ohne weiteres an einer Bewegungsjagd auf Schalenwild teilnehmen !? 12 Schießleistungsnachweis - Allgemeine Feststellungsklage vor dem VG Arnsberg erhoben: VG hält (Beschluss vom 23.05.16 Az. 8 K 3614/15) §17 a Abs. 3 S. 1 LJG für verfassungswidrig, hat das Verfahren ausgesetzt und im Wege der sogenannten Richtervorlage nach Art. 100 GG die Frage der Vereinbarkeit mit Art. 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GG dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt - Individualverfassungsbeschwerde am 11.5.2016 eingelegt (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG); Beschwer für Jagdscheininhaber unmittelbar und gegenwärtig; Subsidiaritätsgrundsatz: Vorabbefassung der Fachgerichte zur Klärung der Tatsachen- und Rechtsgrundlagen hier wohl nicht zumutbar, da reine verfassungsrechtliche Fragestellung; die Notwendigkeit einer fachgerichtlichen Aufklärung ist nicht ersichtlich 13 Fangjagd Fangjagd darf nun nur von Revierjägern, best. Jagdaufsehern oder von Personen ausgeübt werden, die an einem von MKULNV anerkannten Ausbildungslehrgang teilgenommen haben, §29 DVO LJG. ohne Kurs keine Fangjagd in NRW, obwohl der Bund in § 15 BJG als Jägerprüfungsinhalt auch den Jagdbetrieb abdeckt; Art. 72 Abs. 3 Nr. 1 GG greift auch hier, das Recht der Jagdscheine gehört dem sogenannten „abweichungsfesten Kern“ an. Aus§ 1 Abs. 4BJG folgt, wer den Jagdschein hat, darf auch Wild fangen. Jede Falle ist mit einem elektronischen Fangmeldesystem auszustatten, Ausnahme: Funkloch 14 Fangjagd Verbot der Totschlagfallen Dem ist entgegenzuhalten: Das international renommierte Fur Institute of Canada hat auf Initiative des Deutschen Jagdverbands (DJV) das Eiabzugseisen (38 Zentimeter Bügelweite) und den Kleinen Schwanenhals (46 Zentimeter Bügelweite) getestet und kommt zu dem Ergebnis, dass diese Fallen die hohen internationalen Standards für eine humane Fangjagd (AIHTS) erfüllen. Dem Test lagen der Fang von Baum- und Fichtenmarder zugrunde. Da der Steinmarder im AIHTS-Katalog (noch) nicht geführt wird, bestätigt ein Gutachten des Thünen-Institut für Waldökologie in Eberswalde, dass die Fangkriterien dieser beiden Fallen ebenso auf Steinmarder übertragbar sind. 15 bleifreie Büchsenmunition Seit 1. April 2016 generelles Verbot bleihaltiger Büchsenmunition oder Flintenlaufgeschosse, bleihaltige Kleinkalibermunition (Kal. 5,6) hat noch Übergangsfrist bis 31. März 2018, Munitionsrestbestände können danach nur auf dem Schießstand oder in anderen Bundesländern aufgebraucht werden, Besitz bleihaltiger Büchsenmunition bleibt auch nach dem 1.4.2016 waffenrechtlich erlaubt, Verwendung bleihaltiger Schrotmunition wie bisher zulässig, mit Ausnahme an und über Gewässern 16 bleifreie Büchsenmunition Zu dieser Regelung sind zwei Individualverfassungsbeschwerden am 11.05.16 und am 13.05.16 in Karlsruhe erhoben worden: Die Streitfrage ist, ob Art. 73 Abs. 1 Nr. 12 GG mit seiner ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz für das Waffen- und Sprengstoffrecht anwendbar ist oder ob nicht der Schwerpunkt der Verbotsregelung eher das Jagdwesen (Art. 74 Abs. 1 Nr. 28 GG) betrifft, das die Länder abweichend regeln können, indem munitionsrechtliche Vorgaben für die Jagdausübung erlassen; waffenrechtlich bleibt die Bleimunition immerhin zulässig 17 Neue Jagdverbote Verbot der Verwendung elektrischen Stroms zum Anlocken von Wild, so ist auch ein batteriebetriebenes Taubenkarussell nicht mehr erlaubt. Ein mechanisch betriebenes Karussell wäre statthaft. Verbot mit den grundrechtlichen Freiheitsrechten Art. 2 Abs. 1, Art. 14 GG, Art. 4 Abs. 1 LVerf. NRW sowie Art. 12 GG vereinbar? verfassungsrechtliche Grundregel ist hier verletzt: nicht die Freiheitsausübung, sondern deren gesetzliche Beschränkung ist zu rechtfertigen; eine Rechtfertigung steht weder im Gesetz noch in der Gesetzesbegründung! Willkürliches Verbot ? Auch hierzu am 11.05.2016 Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe erhoben 18 Neue Jagdverbote Generelles Katzenabschussverbot, Verstöße können als OWi gem. § 55 Abs. 2 Nr. 1 LJG oder als Straftat gem. § 17 TierSchG geahndet werden Achtung: Jagdscheinverlust droht! Gefangene Katzen sind beim örtlichen Ordnungsamt (Fundbehörde) abzugeben. Vgl. Beschluss (Einstweilige Anordnung) VG Münster Az 1 L 1290/15; bestätigt durch Beschluss des OVG NRW vom 01.08.2016 Az 5 B 1265/15 19 Kirren von Schwarzwild, §28 DVO LJG Das Kirren von Schwarzwild ist weiterhin ganzjährig erlaubt, maximale Kirrmenge je Kirrstelle ½ Liter, max. 1 Kirrstelle je angefangene 100 ha Jagdfläche, Kirrstellen sind zuvor der Unteren Jagdbehörde anzumelden: „unter Beifügung eines Lageplanes im Maßstab von 1:5.000 oder 1:10.000 und im WGS 84 Koordinatensystem nach Längenund Breitengrad jeweils in Grad und Bogenminuten mit drei Dezimalstellen“. Eingriffe in Eigentums- und Handlungsfreiheit durch hinreichend tragfähige Gemeinwohlgründe legitimiert? 20 Sonstige wichtige Neuerungen Mindestpachtdauer für Hoch- und Niederwildreviere von 9 auf 5 Jahre reduziert; offener Widerspruch zu dem vom Landesgesetzgeber selbst gesetzten Anspruch, „einen Paradigmenwechsel hin zur Nachhaltigkeit ein(zu)leiten…“ Der KFZ-Führer hat einen Wildunfall mit Schalenwild unverzüglich einer Polizeidienststelle anzuzeigen, er begeht sonst eine Owi nach § 55 Abs. 2 Nr. 4b LJG NW. Kompetenz des 21 Landesgesetzgebers ? Sonstige wichtige Neuerungen Jagdbeschränkungen und Jagdverbote jetzt nicht nur in Naturschutzgebieten, sondern auch in Vogelschutzgebieten (VS-Gebieten) und Flora-Fauna-HabitatGebieten (FFH-Gebieten) durch Naturschutzbehörden möglich, wobei sich Art und Umfang nach dem jeweiligen Schutzzweck zu richten haben. Landesnaturschutzgesetz !? - Wildnisentwicklungsgebiete - Fehlende Unberührtheitsklausel für die ordnungsgemäße Jagdausübung 22 Sonstige wichtige Neuerungen Anmeldefristen für Wild- und Jagdschäden von einer auf zwei Wochen ab Kenntnis oder Möglichkeit zur Kenntnisnahme verlängert. Problem: Gesetzgebungskompetenz des Landes insoweit? - Recht der Wildschadenshaftung historisch dem BGB zugeordnet (§ 835 a. F. BGB), auch derzeitige BGH-Rechtsprechung (4.3.10 Az. III ZR 233/09) spricht für abweichungsfeste Gesetzgebungsbefugnis des Bundes ? - oder Teil des Jagdwesens nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 28 GG, womit Länder abweichen dürften? 23 Sonstige wichtige Neuerungen Forstrechtliches Betretungsverbot auf Ansitzeinrichtungen beschränkt, sonstige jagdliche Einrichtungen, z. B. Wildäcker, Kirrungen, Fangplätze etc. dürfen jetzt betreten werden. Arg. des Gesetzgebers: Waldbesucher könnten sie nicht als solche erkennen, deswegen liefen Betretungsverbote leer und zufällig als verbotswidrig erkannte und betretene Kirrungen würden zu Gegenanzeigen führen (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 LJG NW). Diese seien unhaltbar und erschweren anlassbezogene Kontrollen der Behörden, die auch auf Hinweise der Bevölkerung angewiesen seien. (??) Reduzierung der Höhe der Jagdabgabe wurde ebenso abgelehnt wie eine Mitwirkung der Jägerschaft bei der Entscheidung über die konkrete 24 Mittelverwendung. Volksinitiative (neben Volksbegehren, Volksentscheid seit dem 30.12.2011 erleichtert) Ziel: Befassung des Landtags mit einem politischen Sachthema oder Gesetzentwurf Voraussetzung: Unterzeichnung durch mindestens 0,5 Prozent der stimmberechtigten Deutschen in NRW (ca. 66.000 Unterschriften). Am 6.10.2016 erfolgte die Übergabe von rund 120.000 Unterschriften an die Landtagspräsidentin; Gelegenheit zur Darstellung der Kritikpunkte im zuständigen Ausschuss im Januar 2017 und Befassung des Plenums im Februar /März 2017 25 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit ! 26
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