2. PREIS | Natur- und Technikwissenschaften Blinde wieder sehen lassen Moleküle könnten als Lichtschalter degenerative Netzhauterkrankungen stoppen Beim Zeitunglesen verschwimmen die Zeilen, Fliesenfugen im Badezimmer wirken schief: Typische Anzeichen einer alters bedingten »Makuladegeneration« (AMD ). Allein in Deutschland leiden ca. 4,5 Millionen Menschen an dieser Netzhauterkran kung. Dabei können die lichtempfindlichen Photorezeptorzel len im Auge Lichtreize immer schlechter verarbeiten. Medizi nisch lässt sich der Verlust der Sehkraft bisher nicht verhindern, höchstens hinauszögern. Deshalb arbeiten weltweit Forscher gruppen daran, erblindeten Menschen ihr Sehvermögen zu rückzugeben. Zum Beispiel könnten Mikrochips auf der Netz haut einfallendes Licht in elektrische Signale umwandeln und an das Gehirn weiterleiten. Auch die Gentherapie durch das Einsetzen von lichtsensitiven Proteinen in die Netzhaut gilt als ein vielversprechender Ansatz. Die Biochemikerin Laura Laprell beschäftigte sich in ihrer Dissertation mit einem rein pharmakologischen Ansatz. Nach Verlust der lichtsensitiven Fotorezeptorzellen im Auge bleibt die restliche Struktur der Netzhaut bei vielen Patienten noch sehr lange erhalten. Diesen Umstand kann man sich zunutze machen, indem man die verbliebenen, eigentlich blinden Ner venzellen der Netzhaut künstlich aktiviert. Kleine lichtschalt bare Moleküle, sogenannte photochemische Schalter, sollen dabei die »blinden« Fotorezeptoren überbrücken. Diese Schal ter reagieren auf bestimmte Wellenlängen von Licht und ver ändern so ihre Gestalt. Blaues Licht macht einen geraden, lan gen Schalter zu einem abgewinkelten. Grünes Licht oder einfach nur das Ausschalten des Lichts macht ihn wieder gerade. Nur in einem der beiden möglichen Zustände aktiviert der Schalter die Nervenzelle. Durch einfaches An- und Aus schalten von Licht lassen sich so die Nervenzellen reversibel und schnell ein- und ausschalten. Dieses Prinzip bietet nicht nur Potenzial, die Netzhaut zu erneuern, sondern auch in der Krebstherapie und der Neurobiologie könnten die Schalter An wendung finden. Die ersten vielversprechenden Versuche mit den MolekülLichtschaltern gab es vor allem auf Zellebene und in einem frühen Stadium bei lebenden Mäusen. Nun sollen weitere vor klinische Tierversuche die Wirksamkeit bestätigen, bevor der Wirkstoff an blinden Patienten getestet werden kann. Sollte der weitere Weg dieser Forschung erfolgreich sein, könnte Mil lionen Menschen weltweit das Sehvermögen zurückgegeben und ihnen somit ein eigenständiges Leben ermöglicht werden. Laura Laprell (30) studierte von 2006 bis 2011 Biochemie an der GoetheUniversität in Frankfurt am Main. Danach promovierte sie an der Ludwig- Maximilians-Universität in München. Zurzeit ist sie Postdoctoral Researcher an der University of Washington in Seattle, USA. Dort forscht sie aktuell weiter an ihrem Dissertationsthema. Beitragstitel Blinde wieder sehen lassen Dr. Laura Laprell Promotion an der Ludwig-Maximilians-Universität München University of Washington, Seattle, USA E-Mail [email protected] 15
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