Protest gegen Sammelabschiebungen

Ost oder West?
VIKTOR KOROTAYEV/REUTERS
Der Afghanistan-Krieg brachte die
US-Armee und den Internationalen
Währungsfonds nach Zentralasien.
Der Einfluss anderer Mächte konnte
zurückgedrängt werden, doch Beijing und Moskau sind längst wieder
präsent. Von David X. Noack
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Kontrollmacht
Löschbehörde
Prügelfreiheit
Festtag
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Die Bundeswehr setzt sich im Nahen
Osten fest – zur »Entlastung«
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Parlament beglückt AKW-Betreiber
mit Übernahme der finanziellen
Risiken um strahlenden Müll
Feuer und
Flamme für
den König
Gentechnik: Monsanto
siegt vor EU-Gericht
I
n Spanien sorgt symbolischer
Protest gegen die Monarchie für
Aufregung und beschäftigt die
Justiz. Am Montag hatte die Polizei
fünf Politiker der Linkspartei CUP
(Kandidatur der Volkseinheit) festgenommen, weil sie während einer
Demonstration anlässlich des katalanischen Nationalfeiertags am 11. September in Barcelona Bilder von König
Felipe VI. verbrannt hatten. Daneben
ging auch eine Kopie der spanischen
Verfassung in Flammen auf. Die CUP
tritt für die Unabhängigkeit Kataloniens von Spanien ein. Die Festnahme
der Politiker erfolgte, nachdem diese
vor Gericht die Aussage verweigert
hatten. Einer Institution, die die »katalanischen Länder« erpressen solle,
werde man »nicht gehorchen«, hieß
es seitens der Verhafteten.
Das Verbrennen von Königsbildern gilt in Spanien nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs als »schwere Beleidigung der
Krone« und somit als eine Straftat.
Artikel 490.3 des spanischen Strafgesetzbuches sieht für solche Vergehen
Haftstrafen von bis zu sechs Monaten
vor.
Auch wenn bislang noch niemand
tatsächlich wegen Majestätsbeleidigung ein halbes Jahr ins Gefängnis
gesteckt wurde, sorgt die Affäre um
die CUP-Politiker nun für eine Solidaritätswelle. Seit Mittwoch kursiert
im Internet ein Video, in dem Josep Garganté und Maria Rovira, zwei
Kommunalpolitiker der CUP in Barcelona, mit einem Papierschneider
und einem Foto Felipes den Einsatz
der Guillotine gegen den König nachspielen. Schon zuvor hatten Mireia
Vehí und Eulàlia Reguant, die für
die CUP im katalanischen Parlament
sitzen, bei einer Pressekonferenz vor
den versammelten Journalisten Bilder des Monarchen zerrissen.
In Andalusien solidarisierte sich
der Sprecher der Landarbeiterge-
werkschaft SAT, Óscar Reina, mit
den in Katalonien verfolgten, indem
er sich beim Zerfetzen eines Fotos
des Königs filmen ließ und die Aufnahme mit der Botschaft im Internet veröffentlichte: »Niemand hat
diesen Herrn gewählt. Wir wollen
entscheiden. Wir wollen Demokratie
und nicht die Diktatur des Kapitals
und der Bourbonen.« In Manresa bei
Barcelona zogen rund 100 Menschen
in einem Demonstrationszug vor die
örtliche Wache der paramilitärischen
»Guardia Civil«, um ebenfalls Bilder
des Monarchen zu verbrennen. Íñigo
Errejón, der politische Sekretär der
Linkspartei Podemos, twitterte an die
Verhafteten gerichtet: »Ihr seid nicht
alleine!«
In Spanien konnten die Bürger
nach dem Ende der Diktatur Francisco Francos nie über ihre Staatsform
entscheiden. Die Republik war durch
den Putsch 1936 und den nachfolgenden Krieg durch die Faschisten
zerstört worden, Franco selbst setzte
Juan Carlos, Felipes Vater, als König
ein.
Der CUP geht es allerdings nicht
nur um die spanische Monarchie. Die
Partei setzt sich für ein eigenständiges sozialistisches Katalonien ein
und will zusammen mit bürgerlichen
Parteien ein Referendum über die
Unabhängigkeit durchsetzen, das im
kommenden Jahr stattfinden soll. Die
spanische Linke lehnt zwar zumeist
die Abspaltung der Katalanen ab, unterstützt aber deren Recht, das selbst
zu entscheiden. Ganz anders die spanische Zentralmacht. Am Mittwoch
erklärte der Oberste Gerichtshof in
Madrid einen Beschluss des katalanischen Parlaments für ungültig, in
dem für Herbst 2017 eine Volksabstimmung angesetzt worden war.
Schon vor zwei Jahren hatte Madrid
auf diesem Wege ein rechtsverbindliches Referendum in Katalonien verhindert.
Protest gegen Sammelabschiebungen
34 abgelehnte Asylbewerber in Afghanistan angekommen. Bundeswehr-Einsatz verlängert
D
ie Bundeswehr wird auch
künftig in Afghanistan bleiben. Bis zu 980 deutsche
Soldaten sind für ein weiteres Jahr im
Rahmen des NATO-Einsatzes »Resolute Support« am Hindukusch stationiert. Eine Mehrheit der Bundestagsabgeordneten stimmte am Donnerstag abend für eine Verlängerung des
entsprechenden Mandats. Ungeachtet
der Fortdauer des Krieges hat Bundesinnenminister Thomas de Maizière
(CDU) die erste Sammelabschiebung
abgelehnter afghanischer Asylbewerber am Mittwoch abend verteidigt.
»Solche Rückführungsaktionen sind
richtig und notwendig«, sagte de Maizière gestern in Berlin. Der nächste
Abschiebeflug in das Land am Hindukusch soll nach Angaben aus Kabul
bereits in wenigen Wochen starten.
Am Flughafen in Frankfurt am
Main protestierten mehrere Hundert
Demonstranten gegen die Abschiebung. Die Chartermaschine mit 34 afghanischen Männern an Bord war hier
gestartet und am Donnerstag morgen
in Kabul gelandet. Viele der betroffenen Flüchtlinge waren wütend. Babur
Sedik erzählte, er habe vier Jahre in
Deutschland verbracht, sei aber nie
über Flüchtlingsheime oder Lager
hinausgekommen. Er wisse nicht, wie
es jetzt weitergehe. Rahmat Khan, der
aus der umkämpften ostafghanischen
Provinz Paktia geflohen war, sagte,
dorthin könne er nicht wieder zurück.
Überall seien die Taliban. Er habe
fünf Jahre in Deutschland verbracht
und die Sprache gelernt.
Ursprünglich sollten 50 Afghanen
abgeschoben werden. Einige seien jedoch vorher untergetaucht, sagte de
Maizière. »Das ist besonders ärgerlich, das muss Konsequenzen haben.«
Das Bundesverfassungsgericht stoppte die Ausweisung eines 29jährigen
aus Hamburg aus Gesundheitsgründen. Die Menschenrechtsbeauftragte
der Bundesregierung, Bärbel Kofler
(SPD), ging auf Distanz zu de Maizière. »Ich habe bisher keinen Bericht
gesehen, der mir den Eindruck vermittelt, es gebe in Afghanistan sichere
Regionen«, sagte Kofler der Augsburger Allgemeinen. Die am Mittwoch
Abgeschobenen kamen aus BadenWürttemberg, Bayern, Hamburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen und dem
Saarland. (AFP/dpa/jW)
QUIQUE GARCIA/DPA - BILDFUNK
Josep Garganté am Montag in Barcelona
Hollande fordert weniger
Sanktionen für Athen
EPA/JULIEN WARNAND/DPA-BILDFUNK
In Spanien geht die Justiz gegen
Politiker vor, die aus Protest gegen
die Monarchie Bilder von Felipe VI.
verbrannt oder zerrissen haben.
Von Carmela Negrete
Luxemburg. Verbraucherschützer
sind mit einer Klage gegen die Zulassung einer genmanipulierten Sojasorte des Saatgutkonzerns Monsanto gescheitert. Die EU-Kommission durfte dem US-Konzern
erlauben, Futter- und Lebensmittel
auf den Markt zu bringen, die die
Gensojabohnen enthalten, wie das
EU-Gericht am Donnerstag in Luxemburg entschied. Geklagt hatten
drei deutsche Nichtregierungsorganisationen. Grundlage für die
Zulassung war eine Einschätzung
der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit: Diese hatte
festgestellt, dass die MonsantoSojabohne die Gesundheit von
Menschen und Tieren oder die
Umwelt nicht mehr gefährde als
eine herkömmliche Sojabohne.
Den Klägern sei es nicht gelungen,
Zweifel an dieser Feststellung zu
wecken, entschied das EU-Gericht.
(Az. T-177/13) (dpa/jW)
Brüssel. Der französische Präsident François Hollande hat die
Entscheidung der Euro-Gruppe
kritisiert, keine Schritte zur Schuldenerleichterung für Griechenland
einzuleiten. Er sei dafür, Athen
»würdig« zu behandeln, sagte
Hollande am Donnerstag bei
seiner Ankunft beim Brüsseler
EU-Gipfel. Es komme nicht in
Frage, »nochmals zusätzliche Anstrengungen von Griechenland zu
verlangen«. Ähnlich äußerte sich
zuvor der französische Finanzminister Michel Sapin. Er erinnerte
daran, dass die günstigeren Bedingungen für die Tilgung an »keinerlei Bedingung« geknüpft seien.
Auf Druck Deutschlands hatten die
Gläubiger die schon bewilligten
kurzfristigen Schuldenerleichterungen ausgesetzt. Am Freitag
empfängt Bundeskanzlerin Angela
Merkel (CDU) den griechischen
Ministerpräsidenten Alexis Tsipras
im Kanzleramt in Berlin. (AFP/jW)
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