Deutscher AnwaltSpiegel

3 // Kartellrecht/E-Commerce
Deutscher AnwaltSpiegel
Ausgabe 25 // 14. Dezember 2016
Rasantes Wachstum und mögliche Wettbewerbseinschränkungen
Im Blickpunkt: Der Zwischenbericht zur kartellrechtlichen Sektoruntersuchung der EU-Kommission im E-Commerce
© Poike/iStock/Thinkstock/Getty Images
Von Dr. Sebastian Hack
Die EU-Kommission will Verbrauchern und Unternehmen einen besseren Zugang zu Waren und Dienstleistungen verschaffen
Die Bedeutung des elektronischen Handels in der EU ist
groß. 2015 haben mehr als die Hälfte aller erwachsenen
EU-Bürger Verbrauchsgüter oder Dienstleistungen im
Internet bestellt, in einigen Mitgliedstaaten sogar mehr
als 80 Prozent. Erhebliche Barrieren im digitalen Binnenmarkt bleiben allerdings weiterhin bestehen – das zeigt
der Zwischenbericht zur kartellrechtlichen Sektoruntersuchung E-Commerce der EU-Kommission.
Wettbewerbsrechtliche Bedenken
im E-Commerce
Die Untersuchung wurde im Mai 2015 im Rahmen der
Strategie für einen digitalen Binnenmarkt eingeleitet
und betrifft die Bereiche E-Commerce mit Verbrauchsgütern und mit digitalen Inhalten. Im Zuge der Untersuchung wurden knapp 1.800 Unternehmen befragt und
rund 8.000 Vertriebsvereinbarungen gesichtet.
Mit ihrer Strategie für einen digitalen Binnenmarkt
verfolgt die EU-Kommission insbesondere das Ziel, Verbrauchern und Unternehmen einen besseren Zugang zu
Waren und Dienstleistungen zu verschaffen. Die Sektoruntersuchung soll die Vorschläge für Richtlinien und Verordnungen in diesem Bereich ergänzen und aufzeigen,
ob im E-Commerce innerhalb der EU Anlass zu wettbewerbsrechtlichen Bedenken besteht. Der Zwischenbericht stellt insbesondere die erhobenen Daten dar. Die
wettbewerbsrechtliche Beurteilung ist nur sekundär
und eher vage.
Hersteller beschränken Verkauf
Der Bericht zeigt, dass der elektronische Handel sowohl
für Verbraucher als auch für Unternehmer an Bedeutung
gewonnen hat. So haben 2015 mehr als die Hälfte aller
erwachsenen EU-Bürger Verbrauchsgüter oder Dienstleistungen im Internet bestellt, in einigen Mitgliedstaaten sogar mehr als 80 Prozent. Der grenzüberschreitende
Onlinehandel wird trotz des Anstiegs von E-Commerce
in der Union weiterhin nur begrenzt betrieben. Von nahezu 50 Prozent der Unionsbevölkerung, die im Jahr 2014
online einkauften, erwarben nur 15 Prozent Waren oder
Dienstleistungen von einem in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Händler.
Aus dem Zwischenbericht geht hervor, dass bestimmte Geschäftspraktiken den Wettbewerb im Internet 
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beschränken können. Weit verbreitet sind selektive Vertriebssysteme, bei denen die Produkte ausschließlich
von ausgewählten Vertragshändlern verkauft werden
dürfen. Außerdem nehmen Hersteller immer häufiger
vertragliche Verkaufsbeschränkungen in Vertriebsvereinbarungen vor.
Demnach erhalten mehr als 40 Prozent der Einzelhändler Preisempfehlungen oder sogar Preisvorgaben
von Herstellern. Während unverbindliche Preisempfehlungen grundsätzlich nicht gegen EU-Kartellrecht
verstoßen, ist ein Verstoß bei einer verbindlichen Preisvorgabe wahrscheinlich. Die Kommission deutet im
­Zwischenbericht an, einzelne Vereinbarungen im Nachgang der Sektoruntersuchung genauer untersuchen zu
wollen.
„Hersteller reagieren auf den
wachsenden E-Commerce mit
dem zunehmenden Gebrauch oder
der Verschärfung von bestehenden
selektiven Vertriebssystemen.“
Nahezu 10 Prozent aller befragten Einzelhändler
geben außerdem an, dass ihnen die Übersendung von
Angeboten an Preisvergleichswebsites untersagt ist,
was die EU-Kommission unter wettbewerbsrechtlichen
Gesichtspunkten kritisch bewertet. In gleicher Höhe
geben Einzelhändler an, auch im grenzüberschreitenden Verkauf beschränkt zu sein. Viele dieser Beschrän-
kungen könnten sich laut EU-Kommission in (zu erwartenden) Bußgeldverfahren als kartellrechtswidrig
erweisen.
Hersteller reagieren auf den wachsenden E-Commerce mit dem zunehmenden Gebrauch oder der Verschärfung von bestehenden selektiven Vertriebssystemen. Dies gehe in einigen Fällen über das hinaus, was
wettbewerbsrechtlich zulässig sein kann. Unternehmen
sollten daher genau überprüfen, ob im Einzelfall ein selektives Vertriebssystem gerechtfertigt ist und die darin
vorgesehenen Vorgaben den kartellrechtlichen Maßstäben standhalten, insbesondere im Hinblick auf etwaige
Onlinevertriebsbeschränkungen.
Zusätzlich geben nahezu 20 Prozent aller befragten
Einzelhändler an, einer vertraglichen Beschränkung in
Bezug auf den Verkauf auf Onlinemarktplätzen zu unterliegen, wobei in Deutschland der Anteil mit 32 Prozent
am höchsten ist. Die Ergebnisse der Befragung fallen im
Hinblick auf den Gebrauch von Marktplätzen und vergleichbaren Plattformen in den Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich aus. In Deutschland verkaufen 62 Prozent
der Einzelhändler über Marktplätze, wobei die Werte in
Großbritannien mit 43 Prozent und in Polen mit lediglich
36 Prozent vergleichsweise gering sind.
Die kartellrechtliche Zulässigkeit von Onlineplattformverboten hat nicht nur in Deutschland in den
vergangenen Jahren Kartellbehörden und Gerichte beschäftigt. Solche Vereinbarungen werden laut Zwischenbericht von der EU-Kommission nicht als Kernbeschränkungen im Sinne der Gruppenfreistellungsverordnung
für vertikale Vereinbarungen (Vertikal-GVO) angesehen.
Plattformverbote seien dennoch nicht grundsätzlich als
zulässig einzuordnen. Derzeit ist neben dem Bundes-
gerichtshof (BGH) auch der Europäische Gerichtshof
(EuGH) mit dieser Frage beschäftigt, so dass voraussichtlich im kommenden Jahr eine Klärung zumindest einiger
wesentlicher Fragen zur Zulässigkeit von Plattformverboten zu erwarten ist.
Komplexe Lizenzvereinbarungen
Zweiter Schwerpunkt des Zwischenberichts ist das Verhältnis von Onlinehandel und digitalen Inhalten. Dabei
untersucht die EU-Kommission insbesondere die Auswirkungen der derzeitigen Lizenzierungspraxis auf den
Wettbewerb und das sogenannte Geoblocking bei digitalen Inhalten. Als potentiell wettbewerbsschädigende
Komponenten von Lizenzvereinbarungen wurden das
„Bundling“ von Produkten, die Dauer einer Vereinbarung sowie das Geoblocking herausgearbeitet. Ebenso
wie manche Zahlungsmechanismen (insbesondere Flatrates) seien diese dazu geeignet, Markteintritte von
Wettbewerbern zu erschweren.
Bereits nach den ersten, im März 2016 veröffentlichten Ergebnissen zum Sektorbericht ist Geoblocking in
der EU weit verbreitet. Demnach beschränken mehr als
70 Prozent der Rechteinhaber ihre Lizenzvereinbarungen auf das Gebiet eines einzigen Mitgliedstaates, so
dass der Zugang für Nutzer aus anderen Mitgliedstaaten (vor allem im Bereich von TV-Serien, Filmen, Sport
und Musik) gesperrt ist. Die EU-Kommission vertrat
bereits in der Vergangenheit die Ansicht, dass Vereinbarungen über Geoblocking häufig als wettbewerbswidrig einzustufen seien. Die wettbewerbsrechtliche
Beurteilung der Fälle zu „digitalen Inhalten“ und insbesondere diesbezüglichen Lizenzvereinbarungen ist als
sehr vielschichtig einzuordnen. Bei den auf die Sek- 
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toruntersuchung folgenden Bußgeldverfahren werde
es sich demnach um aufwendige, einzelfallspezifische
Verfahren handeln.
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Untersuchung als Grundlage für Bußgelder
Insofern wird die EU-Kommission die Sektoruntersuchung nicht nur als Grundlage für Legislativvorschläge
nutzen, sondern auch für die Einleitung von Bußgeldverfahren. Daher sollten Unternehmen ihre eigenen
Praktiken kritisch hinterfragen, um Bußgeldern und
nachfolgenden Schadensersatzklagen vorzubeugen.
Die Veröffentlichung des Abschlussberichts hat die EUKommission für die erste Jahreshälfte 2017 angekündigt.
Trotz des erheblichen Umfangs des Zwischenberichts
bleibt mit Spannung zu erwarten, ob weitere wettbewerbsrechtliche Einordnungen erfolgen.
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EU and data protection law – EU law –
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Dr. Sebastian Hack,
Rechtsanwalt, Senior Associate, Osborne Clarke,
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