Postvertriebsstück • Deutsche Post AG „Entgelt bezahlt“ 12 dbb magazin Dezember 2016 – 67. Jahrgang Zollhundeschule Bleckede: Seite 4 < Die Supernasen Seite 20 < Bund-LänderFinanzausgleich: Alles unklar interview: Jean-Claude Juncker, Präsident der EU-Kommission dbb Personalmangel im öffentlichen Dienst: << Schwerpunkt: Zoll und Finanzpolitik Nicht kleckern, klotzen! aktuell << interview: Jean-Claude Juncker, Präsident der EU-Kommission 4 Versorgungsbericht der Bundes regierung: Fakten statt Vorurteile 6 << Jobcenter: Einheitliche Bezahlung für gleiche Arbeit 8 << Demografie-Kongress: Von Integrationszielen weit entfernt 9 << Einkommensrunde 2017: Beschäftigte erwarten Einkommensplus 10 << Demo in Magdeburg: Mehr Personal und gerechte Bezahlung 12 << Gewalt gegen Beschäftigte: Traurige Realität << 4 10 13 < < fokus << reportage Zollhundeschule Bleckede: Die Supernasen 14 analyse Bund-Länder-Finanzausgleich: Alles unklar 20 << dbb akademie 22 < < spezial << die andere meinung Bundesfernstraßen: Privatisierung um jeden Preis? 24 << service Der Fall des Monats 25 14 20 << << vorgestellt Zollkriminalamt26 << dbb jugend 28 << nachgefragt Rita Pawelski, Bundeswahlbeauf tragte für die Sozialwahlen 30 << Verstärkung für „Die Unverzichtbaren“ 31 << dbb bundesfrauenvertretung Über Geld spricht man 32 Impressum: Herausgeber: Bundesleitung des dbb beamtenbund und tarifunion – Fried richstraße 169, 10117 Berlin. Telefon: 030.4081-40. Telefax: 030.4081-5599. Internet: www.dbb.de. E-Mail: [email protected]. Leitende Redakteurin: Christine Bonath (cri). Redaktion: Jan Brenner (br) sowie Michael Eufinger (ef), Britta Ibald (iba), Andreas Krause (ak), Cornelia Krüger (cok), Birgit Strahlendorff (bas), Dr. Walter Schmitz (sm), Sylvia Zapf (sz). Redaktionsschluss am 10. jeden Monats. Namensbeiträge stellen in jedem Falle nur die Meinung des Verfassers dar. Titelbild: © Britta Ibald. Bezugsbedingungen: Die Zeitschrift für Beamte, Angestellte und Arbeiter erscheint zehnmal im Jahr. Für Mitglieder einer Mitgliedsgewerkschaft des dbb ist der Verkaufspreis durch den Mitgliedsbeitrag abgegolten. Nichtmitglieder bestellen schriftlich beim dbb verlag. Inlandsbezugspreis: Jahresabonnement 34,90 € zzgl. 5,00 € Versandkosten, inkl. MwSt., Mindestlaufzeit 1 Jahr. Einzelheft 3,90 € zzgl. 1,00 € Versandkosten, inkl. MwSt. Abonnementkündigungen müssen bis zum 1. Dezember beim dbb verlag eingegangen sein, ansonsten verlängert sich der Bezug um ein weiteres Kalenderjahr. Verlag: dbb verlag gmbh. Internet: www.dbbverlag.de. E-Mail: [email protected]. Verlagsort und Bestellanschrift: Friedrichstraße 165, 10117 Berlin. Telefon: 030.7261917-0. Telefax: 030.7261917-40. Versandort: Geldern. Herstellung: L.N. Schaffrath GmbH & Co. KG DruckMedien, Marktweg 42–50, 47608 Geldern. Layout: Dominik Allartz. Gestaltung: Benjamin Pohlmann. Anzeigen: dbb verlag gmbh, Mediacenter, Dechenstraße 15 a, 40878 Ratingen. Telefon: 02102.74023-0. Telefax: 02102.74023-99. E-Mail: [email protected]. Anzeigenleitung: Petra Opitz-Hannen, Telefon: 02102.74023-715. Anzeigenverkauf: Panagiotis Chrissovergis, Telefon: 02102.74023-714. An zeigendisposition: Britta Urbanski, Telefon: 02102.74023-712. Anzeigentarif Nr. 58, gültig ab 1.10.2016. Druckauflage: 598.746 (IVW 3/2016). Anzeigenschluss: 6 Wochen vor Erscheinen. Gedruckt auf Papier aus elementar-chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird der Einfachheit halber nur die männliche Form verwendet. Sämtliche Personen- und Berufsbezeichnungen gelten jedoch gleichermaßen für alle Geschlechter. ISSN 0941-8156 28 34 _0ZY57_IVW LOGO-frei.pdf; s1; (53.55 x 51.43 mm); 20.May 2016 13:58:47; PDF-CMYK ab 150dpi für Prinergy; L. N. Schaffrath DruckMedien 40 << Drei Fragen an Dr. Christina Boll, Forschungsdirektorin am Hambur gischen WeltWirtschaftsInstitut 34 << europa Populistische Tendenzen: Positive Anreize gegen Hetzer setzen 35 << dbb vorsorgewerk < < finale << online40 << mitgliedsgewerkschaften42 << kulisse47 38 > dbb magazin | Dezember 2016 3 in eigener sache © Sh ut te r 81 / Fo to l ia Die Stimmen, die vor den Folgen des eklatanten Personalmangels im öffentlichen Dienst warnen, mehren sich. Soeben vorgelegte Zahlen belegen, dass die Bürgerinnen und Bürger das nach Jahren rigiden Stellenabbaus klaffende Personalloch bereits an allen Ecken und Enden zu spüren bekommen: bei Einsätzen der Polizei, in den Klassenzimmern der Schulen, bei der Kinderbetreuung in den Kitas, in Bürger- und Finanzämtern. Von aktuell 110 000 Fachkräften, die gebraucht werden, spricht der Finanzexperte Dr. Dieter Vesper, der im Auftrag des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) die Personalsituation im öffentlichen Dienst unter die Lupe genommen hat. Hinzu kommen demnach nochmals 115 000 Stellen, die jedes Jahr aus Altersgründen neu besetzt werden müssen. Das deckt sich mit Erhebungen, auf die der dbb bereits zu Jahresbeginn 2016 hingewiesen hatte und die auf Angaben seiner Mitgliedsgewerkschaften fußen. Demnach bräuchte der Staat über 200 000 Mitarbeiter mehr, um langfristig in der Lage zu sein, alle anstehenden Aufgaben zu erfüllen und seine Dienstleistungen in der erforderlichen und von den Menschen gewünschten Qualität zu garantieren. Klaus Dauderstädt, der dbb Bundesvorsitzende, räumte ein, dass erste Maßnahmen ergriffen worden sind, um die Situation zu entspannen. „Aber unser Appell, die Beschäftigten im öffentlichen Dienst, die trotz der enormen Belastungen eine großartige Arbeit leisten, mit diesem Problem nicht länger allein zu lassen, hat bislang leider kein ausreichendes Echo gefunden. Hier darf nicht länger gekleckert, es muss geklotzt werden“, machte der dbb Chef klar. Auch Vesper konstatierte, dass die Folgen der langjährigen Schrumpfkur im öffentlichen Dienst trotz Personalaufstockungen seit 2008 längst nicht überwunden seien: Für den Zeitraum zwischen 2002 und 2015 sei ein Minus von 4,8 Prozent zu verzeichnen. Besonders drastisch sei der Personalabbau auf Bundesebene, wo es 2005 noch 531 000 Stellen gab, 2015 aber nur noch 468 000 – ein Rückgang um fast zwölf Prozent. Gefordert ist die Politik, und die Marschrichtung muss heißen: Personallücke schließen! < < dbb Jean-Claude Juncker, Präsident der EU-Kommission: Eine gute Verwaltung ist ein wesentlicher Standort- und Wettbewerbsvorteil dbb magazin Was erwarten Sie von Deutschland? Was muss die Bundesregierung tun, damit es mit Europa wieder vorwärtsgeht?“ << interview 4 Juncker Die Bundesregierung tut bereits sehr viel, damit es mit Europa vorwärts geht. In allem Handeln der Bundeskanzlerin Angela Merkel spiegelt sich die Einsicht wider, dass viele der Herausforderungen, vor denen wir stehen, nur gemeinsam zu meistern sind. Kein Mitgliedsland allein – so groß es auch sein mag – kann Fragen der Migration, Sicherheit oder des Klimawandels im Alleingang lösen. In diesem Sinne haben wir auch in der Flüchtlingskrise Hand in Hand daran gearbeitet, für europäische Werte einzustehen und gemeinsame Lösungen zu finden. Dadurch konnten wir beispielsweise in einer Rekordzeit von neun Monaten einen europäischen Grenz- und Küstenschutz einrichten. In anderen Politikbereichen, wie dem der Energieunion oder der Kapitalmarktunion, können wir unser gemeinsames Potenzial noch besser ausschöpfen. So wie wir die Geldpolitik für den Euroraum als Ganzen steuern, sollten wir darüber hinaus auch die Finanzpolitik als Ganzes gestalten. Es liegt auf der Hand, dass wir unsere wirtschaftliche Erholung besser unterstützen können, wenn wir die Finanzpolitik enger koordinieren. Das heißt konkret: Diejenigen Mitgliedstaaten, die es sich leisten können, müssen mehr investieren, während diejenigen, die weniger haushalts- > dbb magazin | Dezember 2016 politischen Spielraum haben, Reformen und eine wachstumsfreundliche Haushaltskonsolidierung durchführen sollten. Wir unterstützen diese Bemühungen auch von europäischer Ebene mit der Investitionsoffensive. Diese hat bereits 138,3 Milliarden Euro an neuen Investitionen mobilisie- als Vorbild für zukünftige, verbindliche Verwaltungsstandards in den EU-Mitgliedstaaten oder was muss sonst getan werden? << Juncker In den vergangenen Jahren sind die Verwaltungen auf der Objektivität, Begründungspflicht und Datenschutz verankert, wird nicht nur in Beitrittsverhandlungen deutlich. Wir arbeiten außerdem zusammen mit den Mitgliedstaaten daran, unnötige Bürokratie- und Verwaltungslasten sowie schwerfällige und langwierige Ge nehmigungsverfahren zu entschlacken. Es ist in unser aller Interesse, dass Investitionshemmnisse beseitigt werden, sei es im Insolvenzrecht oder bei der Vergabe öffentlicher Aufträge. Darauf achten wir übrigens besonders als Teil des Europäischen Semesters und somit im Rahmen unserer wirtschaftlichen Koordinierung. Eine gute Verwaltung – also Beamte wie Sie – sind ein wesentlicher Standort- und Wettbewerbsvorteil. << © Factio popularis Europaea << < < Jean-Claude Juncker ren können und wird rund 290 000 kleinen Unternehmen und Start-ups Zugang zu Finanzierung verschaffen. << dbb magazin Wie bürgerfreundlich ist die EU-Verwaltung heute? Für die Verwaltung der Europäischen Union gilt bereits seit 2001 ein „Kodex für gute Verwaltungspraxis“. Eignet sich der Kodex nationalen wie auf der europäischen Ebene bürgerfreundlicher geworden. Wenn es beispielsweise um Transparenz geht, hat uns das Internet sehr geholfen, weil es den Bürgern dank neuer technischer Möglichkeiten ganz ungeahnte Einsicht- und Mitwirkungsmöglichkeiten eröffnet. Wie wichtig der von Ihnen angesprochene Kodex ist, der nach wie vor aktuelle Prinzipien wie dbb magazin Aus Sicht der Kommission gibt es Fortschritte bei der Bekämpfung der hohen Jugendarbeitslosigkeit in Europa, vor allem wegen der EU-Jugendgarantie, nach der allen Menschen unter 25 Jahren mithilfe europäischer Finanzmittel ein Praktikums-, Ausbildungs- oder Arbeitsplatz angeboten werden soll. Gleichwohl liegt die Jugendarbeitslosigkeit in einigen Ländern noch immer bei weit über 40 Prozent, im EU-Durchschnitt bei besorgniserregenden 18,6 Prozent. Welche zusätzlichen Maßnahmen könnten zur Senkung der Jugendarbeitslosigkeit bei tragen? << Juncker Ich kann und werde nicht akzeptieren, dass die Millennium-Generation möglicherwei- dbb Am wichtigsten aber ist es, Arbeitsplätze und Wachstum zu schaffen. Das ist das Ziel, auf das die zehn Prioritäten meines Arbeitsprogramms ausgerichtet sind; darum geht es vom Investitionsplan über den Ausbau der Energieunion bis hin zum Digitalen Binnenmarkt. Gerade in Zeiten, in denen die Digitalisierung unsere gesamte Arbeitswelt umkrempeln wird, müssen wir Ideen und Innovationen fördern und damit Chancen und Arbeitsplätze schaffen, die zukunftsorientiert sind. Europas Kapital sind seine jungen Menschen und ihre Ideen. << dbb magazin Wie kann die Dublin-Verordnung an die Herausforderung dauerhaft hoher Zuwanderungszahlen nach Europa << Juncker Es ist eine Frage der Solidarität, dass nicht allein die Position auf der Landkarte darüber bestimmen darf, dass die Verantwortung für gemeinsame Grenzen oder für Flüchtlinge allein bei einem Land bleibt. Wir wollen mit Vorschlägen zur EU-weiten Harmonisierung der Asylbedingungen das EU-Asylrecht reformieren und damit die Voraussetzungen für eine humanere, gerechtere, kohärentere und wirksamere europäische Asylpolitik schaffen. Diese Reform gewährleistet Großzügigkeit gegenüber besonders gefährdeten Personengruppen, die tatsächlich internationalen Schutz benötigen, und ein strenges Vorgehen gegen möglichen Missbrauch, wobei die Grundrechte immer geachtet werden. Unsere Vorschläge zur Reform des Dublin-Systems wollen so unter anderem sicherstellen, dass die Flüchtlinge grundsätzlich solidarischer zwischen den Mitgliedstaaten verteilt werden. Es bleibt zwar dabei, dass zunächst das EU-Land, auf dessen Boden der Flüchtling ankommt, die Verantwortung übernimmt. Wenn allerdings eine gewisse Schwelle überschritten ist und ein Mitgliedstaat – gemessen an seiner Größe und seinem relativen Wohlstand – einem unverhältnismäßigen Druck ausgesetzt ist, soll automatisch ein Fairness-Mechanismus greifen, der die Flüchtlinge auf die anderen Länder verteilt. Außerdem wollen wir die Asylverfahren und -normen in den Mitgliedstaaten harmonieren. Das trägt auch dazu bei, Asylshopping und Sekundärwanderungen zu verhindern. Mehr Solidarität und mehr Klarheit sind sowohl im Sinne aller Mitgliedstaaten als auch im Sinne derjenigen, die bei uns Zuflucht suchen. << dbb magazin Die geplanten Freihandelsabkommen TTIP und CETA erhitzen die Gemüter: Welchen Einfluss hätten die Verträge nach derzeitigem Stand auf die Arbeitnehmerrechte? Würden durch sie Privatisierungen und Eingriffe in die öffentliche Daseinsfürsorge befördert? << Juncker CETA, das Abkommen mit Kanada, ist das beste Abkommen, das wir je ausgehandelt haben – und das würde ich natürlich nicht sagen, wenn ich nicht genau wüsste, dass wir den Bedenken der Europäer Rechnung getragen haben. Mit CETA setzen wir höchste Standards im Bereich der Lebensmittelsicherheit, beim Gesundheits- und Datenschutz sowie für die Produktsicherheit. Ent- gegen anderer Darstellungen bleiben die europäischen Standards ebenso erhalten, wenn es um Arbeitnehmerrechte geht. Das Abkommen stellt sicher, dass wirtschaftliche Vorteile nicht auf Kosten der Demokratie, des Umweltschutzes oder der öffentlichen Daseinsvorsorge gehen. CETA verpflichtet nicht zur Privatisierung oder Deregulierung öffentlicher Dienstleistungen wie der Wasserversorgung oder der Bildung. Darüber können die Mitgliedsländer weiterhin selbst entscheiden. Wir haben alles dafür getan, auf die Bedenken der Menschen einzugehen – das war und ist mir besonders wichtig. Mit Kanada haben wir einen wichtigen Verbündeten gefunden, um unsere europäischen Standards weltweit zu etablieren. CETA ist jetzt der wegweisende Goldstandard für alle weiteren Handelsabkommen. << Jean-Claude Juncker ... ... Jahrgang 1954, wurde im luxemburgischen Redingen geboren. 1974 bis 1979 studierte er Rechtswissenschaften an der Universität Straßburg und erhielt 1980 die Zulassung als Rechtsanwalt, übte diesen Beruf jedoch nie aus, da er von Beginn an eine Karriere als Berufspolitiker anstrebte. 1982 wurde Juncker, der 1974 der Christlich Sozialen Volkspartei (CSV) beigetreten war. zum Staatssekretär für Arbeit und soziale Sicherheit ernannt und übte dieses Amt bis 1984 aus. 1984 wurde er zum Arbeitsminister gewählt und fungierte zugleich als beigeordneter Minister mit Zuständigkeit für den Haushalt. Von 1984 bis 1994 war er Finanzminister und Arbeitsminister und von 2009 bis 2013 luxemburgischer Premierminister sowie von 2004 bis 2013 Vorsitzender der Eurogruppe. Im Jahre 2014 wurde Jean-Caude Juncker zum Präsidenten der Europäischen Kommission gewählt. > dbb magazin | Dezember 2016 5 interview Wir haben beispielsweise die von Ihnen angesprochene EUJugendgarantie verbessert. Mehr als neun Millionen junge Menschen haben bereits von dem Programm profitiert und so einen Arbeitsplatz, ein Praktikum oder eine Ausbildungsstelle erhalten. Zusätzlich zu Erasmus Plus, das nicht nur Studenten, sondern auch jungen Berufstätigen offensteht, haben wir einen Europäischen Solidaritätskorps vorgeschlagen. Damit ermöglichen wir es jungen Menschen, sich als Freiwillige in Krisensituationen – wie der Flüchtlingskrise oder wie nach dem Erdbeben in Italien – zu engagieren. Damit können die jungen Menschen sich nicht nur persönlich weiterentwickeln und wichtige berufliche wie persönliche Erfahrungen sammeln, sondern auch europäische Solidarität leben. angepasst werden? Worin bestehen aus Ihrer Sicht die Eckpunkte einer gemeinsamen europäischen Flüchtlingspolitik? © david plas photographer se die erste seit 70 Jahren ist, der es schlechter geht als ihren Eltern. Auch wenn es in erster Linie Aufgabe der nationalen Regierungen ist, dagegen zu steuern, tun wir von europäischer Seite aus alles, um sie zu unterstützen. © Minerva Studio / Fotolia dbb Versorgungsbericht der Bundesregierung: diskussionen über die Finanzierbarkeit der Beamtenver sorgung die Faktenlage außer Acht lassen. Fakten statt Vorurteile Der dbb hat die turnusgemäße Vorlage des aktuellen Versorgungsberichts der Bundesregierung begrüßt. „Die seit 1996 regelmäßig erscheinenden Berichte bieten anstelle von Vorurteilen Fakten in Sachen Pensionen“, sagte dbb Vize und Beamtenvorstand Hans-Ulrich Benra am 8. November 2016 in Berlin. berufspolitik 6 „Die Versorgungsberichte sind erforderlich und wichtig, um alle Beteiligten und Betroffenen objektiv und sachbezogen über die wichtigsten Grundlagen, Veränderungen und Herausforderungen des eigenständigen Alterssicherungssystems der Beamten zu informieren“, so Benra beim Beteiligungsgespräch zum Sechsten Versorgungsbericht der Bundesregierung. Das Zahlenwerk zeigt, „dass der seit Jahrzehnten betriebene erhebliche Personalabbau des Bundes, der moderate Anstieg der beamtenrechtlichen Versorgungsbezüge insbesondere in den Jahren ab 1999, die laufende wirkungsgleiche Übertragung von Reformmaßnahmen aus der gesetzlichen Rentenversicherung und die Bildung der Versorgungsrück lagen seit 1998 im Bereich des Bundes in erheblichem Maße dazu beigetragen haben, den Anstieg der Versorgungausgaben zu dämpfen, sodass das prognostische Ergebnis in weiten Bereichen sogar unterhalb früherer Vorhersagen liegt“, fasste Benra zusammen. „Hinzu kommt, dass durch die Einrichtung eines kapitalgedeckten Versorgungsfonds für ab 2007 berufene Beamte weitere Vorsorge betrieben wurde, was sich weiter entlastend auf die zukünftigen Haushalte auswirken wird.“ Die Analyse des dbb zeige im Einzelnen, so Benra: > dbb magazin | Dezember 2016 >>Der Anteil der Personalausgaben an den Gesamtausgaben des Bundes ist in den letzten Jahren erheblich auf deutlich unter 10 Prozent gesunken. >>Das Niveau der Versorgungsausgaben des Bundes bleibt stabil und ist zukünftig – insbesondere aufgrund des Rückgangs im Bereich Bahn/ Post – insgesamt leicht rückläufig. >>Sowohl der prozentuale Anteil der Versorgungskosten an den Steuereinnahmen (Versorgungs-Steuer-Quote) als auch in Bezug auf das Bruttoinlandsprodukt (Versorgungsquote) ist relativ konstant und zeigt die Tragfähigkeit und Finanzierbarkeit des Systems der Beamtenversorgung auf. >>Die Zahl der Ruhestandseintritte wegen Dienstunfähigkeit ist in den letzten Jahren zurückgegangen, während das durchschnittliche Ruhestandseintrittsalter spürbar angestiegen ist. >>Die durchschnittlichen Ruhe gehaltssätze sowohl der Bestandspensionäre als auch der Versorgungsneuzugänge sind durch die allgemeine Niveauabflachung einerseits und durch die Zunahme von Teilzeitbeschäftigungszeiten andererseits signifikant zurückgegangen. >>Die Versorgungsausgaben des Bundes sind mit der Versorgungsrücklage und dem Versorgungsfonds des Bundes zu einem laufend ansteigenden Anteil nachhaltig ausfinanziert und generationengerecht veranschlagt. Aus einer zunächst zu erreichenden teilweisen Kapitaldeckung soll und wird auf diese Weise langsam eine überwiegende Kapitaldeckung zukünftiger Versorgungsausgaben werden. „All dies belegt, dass die regelmäßig in der Öffentlichkeit geführten Vergleichs- und Neid- Ein behaupteter aktueller Nachholbedarf gegenüber der gesetzlichen Rentenversicherung im Hinblick auf weitere Reformmaßnahmen ist nicht angezeigt und wäre vielmehr eine überproportionale Belastung von Beamten gegenüber anderen Beschäftigtengruppen“, unterstrich der dbb Vize und forderte: „Diese Tatsachen sollten auch vonseiten des Dienstherrn Bundesrepublik Deutschland öffentlich deutlicher betont werden, um die regelmäßige und häufig unvollständig und einseitig geführte Debatte über die Ausgabenentwicklung beamtenrechtlicher Versorgungssysteme – auch auf politischer Ebene – zu versachlichen.“ << Demografie: Pflegezeiten bei der Bundesagentur für Arbeit In einer alternden Gesellschaft wachsen die Herausforderungen durch pflegebedürftige Angehörige. Nicht immer ist ein Pflegeheim eine gangbare Option. Vielfach findet Pflege daher in den eigenen vier Wänden statt und wird von Partnern oder Kindern übernommen. Wenn man das Leben in verschiedene Phasen teilen müsste, ist dies eine weitere, bei der es auf alternsgerechtes Arbeiten ankommt. Eine Lösung könnte die Einrichtung von Langzeitkonten sein, aus denen die Zeiten bei Bedarf entnommen werden können. Doch die wenigsten Mitarbeiter nutzen die Möglichkeiten zum Ansparen der Arbeitszeit. Die Gründe sind vielfältig und reichen von der Ungewissheit, ob und wie das angesparte Guthaben später genutzt werden könnte, über nicht anfallende Mehrarbeit oder fehlenden zeitlichen Spielraum. Aber selbst bei perfekten Rahmenbedingungen steht fest: Pflegebedürftigkeit ist nichts, was sich planen lässt. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) geht in ihrer Dienstvereinbarung seit Juni 2016 einen Weg, der die Regelungen der gesetzlichen Freistellungsmöglichkeiten nach dem Pflegezeit- und Familienpflegezeitgesetz erweitert. Die BA geht in Vorleistung und lässt auf dem Arbeitszeitkonto Negativguthaben zu, die erst später wieder aufgefüllt werden müssen. Die Beschäftigten können also Zeiten entnehmen, die noch gar nicht angespart sind, vergleichbar mit einem zinsfreien Arbeitszeitdarlehen. Begrenzt wird die Zeitschuld auf 900 Stunden. Nach erfolgter Freistellung muss die Zeit nachgearbeitet werden. Damit es nicht zur Selbstüberforderung kommt, können pro Jahr nur 200 Stunden zurückgezahlt werden. Das ist immer noch sehr viel. Darum bietet die BA die Möglichkeit, nach der Pflegefreistellung auf Teilzeit zu gehen und so die Stunden über Einkommenseinbußen wieder aufzufüllen. dbb Jobcenter: Die Organisation der Jobcenter verursacht per manente Ungerechtigkeiten für die dort arbeitenden Beschäftigten. Denn es handelt sich in der Regel um gemeinsame Einrichtungen der Bundesagentur für Arbeit und einer Kommune. Beide stellen dafür Personal, bezahlen aber unterschiedlich. In der Folge gibt es zwischen Kolleginnen und Kollegen mit den gleichen Tätigkeiten enorme Gehaltsunterschiede von bis zu 500 Euro pro Monat. eben der Bundesagentur für N Arbeit und den Kommunen seien auch Bundesländer betroffen, da in den Stadtstaaten teilweise nach dem TV-L (Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder) bezahlt würde. „Solange eine Einigung mit diesen Tarifpartnern auf sich warten lässt, droht ein Flickenteppich mit regionalen Notlösungen.“ < < Uwe Lehmensiek, Vorsitzender der Arbeitsgruppe der Jobcenter Personalräte, und die Bundesvorsitzenden von dbb und ver.di, Klaus Dauderstädt und Frank Bsirske, diskutierten unter Moderation von Klaus Kipke (von links). Wie eine solche Übergangsregelung aussehen könne, zeige ein Beispiel aus einem Jobcenter in Nordrhein-Westfalen: Mit Zustimmung des Personalrates bekämen dort Leistungsund Unterhaltssachbearbeiter sowie Teamleiter aus der Kommune eine Zulage. Für die einzelnen Beschäftigten bedeute Gesprächsrunde im Bundeskanzleramt: Integration Geflüchteter verbessern Die Rahmenbedingungen für die Integration der nach Deutschland geflüchteten Menschen müssen weiter verbessert werden. Dies war auch ein Thema der fünften Gesprächsrunde von Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Vertretern der bei der Flüchtlingsaufnahme engagierten Verbände und gesellschaftlichen Gruppen am 3. November 2016 im Bundeskanzleramt in Berlin. © Frank Gärtner / Fotolia berufspolitik 8 Das sagte dbb Chef Klaus Dauderstädt am 9. November 2016 in Berlin. Der dbb fordert daher eine tarifvertrag liche Lösung, um diesen Zustand zu beenden. „Wir rufen die beteiligten Arbeitgeber auf, sich schnell mit uns an einen Tisch zu setzen“, forderte Dauderstädt auf einer Diskussionsveranstaltung der Jobcenter-Personalräte. © dbb Einheitliche Bezahlung für gleiche Arbeit > dbb magazin | Dezember 2016 Ein Problem bei der Integration in den Arbeitsmarkt – auch im öffentlichen Dienst – seien mangelnde Zugangsvoraussetzungen, sowohl sprachlich als auch fachlich, machte der dbb Bundesvorsitzende Klaus Dauderstädt in der Unterredung deutlich. Als wichtiger Arbeitgeber in der Bundesrepublik dürfe der öffentliche Sektor nicht tabu für Menschen mit Migrationshintergrund sein, so Dauderstädt. Angesichts der nicht niedrigen Zugangshürden für eine Berufsausbildung im öffentlichen Dienst habe der dbb Tarifgespräche mit dem Bund und der Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände aufgenommen, um Rahmenbedingungen dies eine monatliche Gehaltsaufbesserung von bis zu 500 Euro. „Das Beispiel zeigt, dass die Arbeitgeber offenbar die Handlungsnotwendigkeit anerkennen. Langfristig führt kein Weg an einer dauerhaften tarifvertraglichen Lösung vorbei“, so der dbb Bundesvorsitzende. für Förderprogramme bei Asylberechtigten und Flüchtlingen festzulegen. An deren Ende sollen die Teilnehmer befähigt sein, eine entsprechende Ausbildung zu starten. „Auf diese Weise tragen die Sozialpartner dazu bei, die schwierigen Etappen für eine erfolgreiche berufliche Integration zu erleichtern“, erklärte der dbb Chef. Die Zugangszahlen Geflüchteter waren von 90 000 im Januar 2016 auf zuletzt 13 000 gesunken. Für das BAMF (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) informierte FrankJürgen Weise über eine Erledigung von über 700 000 Fällen mit einer inzwischen akzeptablen Bearbeitungsdauer von etwa eineinhalb Monaten. Allerdings seien dazu über 115 000 Verwaltungsgerichtsverfahren anhängig. dbb Demografie-Kongress: Von Integrationszielen noch weit entfernt strukturiert“, stellte Silberbach fest und machte zugleich deutlich, dass vor allem die Kommunen noch mehr Unterstüt- © Jan Brenner Zwar seien bereits große Erfolge in diesem Bereich zu verzeichnen, aber „wir haben das anfängliche Chaos gerade mal < < Als Teilnehmer der Podiumsdiskussion über „Integrationsstrategien in Bund, Ländern und Kommunen“ machte sich der stellvertretende dbb Bundesvorsitzende und Chef der komba gewerkschaft, Ulrich Silberbach (Mitte), stark für weiteren Personalaufwuchs in den Kommunen: Dort werde schließlich der Mammutanteil der Integrationsarbeit geleistet. zung brauchen. „Die Städte und Gemeinden sind die Letzten in der Kette, sie leisten den Mammutanteil der Integrationsarbeit“, betonte der dbb Vize. Hier mache sich nun der rigide Personalabbau der vergangenen Jahrzehnte besonders sträflich bemerkbar. „Wir brauchen, damit die gesellschaftliche Integration gelingt, noch weiteren Personalaufwuchs.“ Silberbach kritisierte zudem, dass der öffentliche Dienst lange Zeit öffentlich „schlechtgeredet“ worden sei. Dies erschwere nun die dringend notwendige Gewinnung und Qualifizierung motivierter Menschen. „Und die fehlen uns an allen Ecken – in der Kinderbetreuung und den Schulen, in der Sozialen Arbeit, um nur diese Bereiche zu nennen“, so Silberbach. Der Bund habe bereits eine Menge getan, um die Herausforderung der Integra tion zu meistern. „Aber wir sehen die Länder in der Pflicht. Bei ihnen bleibt zu viel an den klebrigen Fingern hängen, was die Kommunen dringend bräuchten“, kritisierte der komba Bundesvorsitzende. Er Nationaler IT-Gipfel: Verwaltungen an Digitalisierung beteiligen Die Beschäftigten in den öffentlichen Verwaltungen müssen angemessen an allen Prozessen im Zusammenhang mit der Digitalisierung beteiligt werden. Das hat der stellvertretende Bundesvorsitzende und Fachvorstand Beamtenpolitik des dbb, Hans-Ulrich Benra, am 17. November 2016 auf dem Nationalen IT-Gipfel in Saar brücken deutlich gemacht. „Nur, wenn die Mitarbeiter mitgestalten können und dafür auch entsprechend qualifiziert werden, sind die dringend notwendigen Fortschritte bei der Digita lisierung der Verwaltung zu erreichen“, so Benra. Zudem müssten die Beschäftigungs- bedingungen an die neuen Erfordernisse angepasst und ein moderner Gesundheitsschutz nicht nur angestrebt, sondern gesichert werden. „Modernisierung 4.0 mit Beteiligung 1.0 – das kann nicht gelingen“, verdeutlichte Benra die Haltung des dbb. Dem dbb, so Benra weiter, gehe es um die Akzeptanz warnte davor, die Diskussion „allzu theoretisch zu führen“. So sei die Unterbringung der Geflüchteten noch immer nicht ausreichend gut geregelt, vielen der betroffenen Menschen fehle eine sinnvolle Beschäftigung. „Hier müssen wir noch schneller als bisher vorankommen“, mahnte Silberbach. Er forderte auch mehr Anerkennung für die Kolleginnen und Kollegen vor Ort, die bei den unterschiedlichen Integrationsaufgaben „einen tollen Job“ machten. Bereits am Vortag hatte der Vorsitzende der dbb bundes seniorenvertretung, Wolfgang Speck, auf dem DemografieKongress altersgerechtes Wohnen als eine Herausforderung bezeichnet, der sich die Kommunen immer aktiver stellen müssen, um dem demogra fischen Wandel Rechnung zu tragen. Neben baulichen und infrastrukturellen Aspekten müsse dabei auch das Sicherheitsempfinden der älteren Generation stärker in den Blick rücken. von E-Government bei Bürgern und Beschäftigten gleichermaßen. „Wer Systeme an den Menschen vorbei plant, ihre berechtigten Bedürfnisse nicht ernst nimmt, wird scheitern.“ Der 10. Nationale IT-Gipfel stand unter dem Motto „Lernen und Handeln in der digitalen Welt“. Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft waren in Saarbrücken zusammengekommen, um Projekte dazu anzustoßen. > dbb magazin | Dezember 2016 9 berufspolitik Die Integration der nach Deutschland geflüchteten Menschen ist eine langfristige Aufgabe, die nur von Bund, Ländern und Kommunen gemeinsam gelöst werden kann. „Wir sind vom Erreichen der Integrationsziele noch weit entfernt“, konstatierte der dbb Vize und Chef der komba gewerkschaft, Ulrich Silberbach, am 9. November 2016 auf dem 11. Demografie-Kongress Best Age des Behörden Spiegel in Berlin. dbb Einkommensrunde 2017: Landesbeschäftigte erwarten Einkommensplus © Friedhelm Windmüller tarifpolitik 10 Ende Oktober 2016 startete der dbb die Branchentage zur Einkommens runde 2017 für die Beschäftigten der Länder. Um ihre Erfahrungen und Erwartungen in die anstehenden Verhandlungen mit der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) einzubringen, versammelten sich dbb Mitglieder aus verschiedenen Sparten des öffentlichen Dienstes bundesweit zu Diskussionsveranstaltungen rund um die Einkommensrunde 2017. Einig sind sich alle in einem zentralen Punkt: Ein kräftiges Einkommensplus muss her. < < Stellvertretend für alle Kolleginnen und Kollegen im Bild, die bisher auf den Branchentagen mitdiskutiert haben: Teilnehmer des Branchentages in Baiersbronn mit dbb Tarifchef Willi Russ (Mitte) Straßenwärter aus ganz Mecklenburg-Vorpommern kamen am 27. Oktober 2016 in Rostock zusammen. „Der Job bei den Straßen- und Autobahnmeistereien birgt viele Gefahren. Immer wieder verunglücken Kolleginnen und Kollegen beim Einsatz für die sichere Fahrt von Bürgerinnen und Bürgern“, sagte Willi Russ, Zweiter Vorsitzender und Fachvorstand Tarifpolitik des dbb, > dbb magazin | Dezember 2016 der die Tarifverhandlungen mit der TdL für den dbb führen wird, bei der Eröffnung der bundesweiten Veranstaltungsreihe. „Deshalb formulieren die Beschäftigten ihre Forderung nach Teilhabe an der guten Wirtschaftslage sehr selbstbewusst. Nicht nur, weil ihre Leistung das rechtfertigt. Sondern auch, um den Berufszweig für den Nachwuchs attraktiver zu machen, damit Arbeitsverdich- tung und Überalterung die Situation nicht noch weiter verschlimmern.“ Die endgültige Forderung an die Arbeitgeber würden die dbb Gremien zwar erst im Dezember beschließen, aber es sei bereits klar geworden, dass die Länder „deutlich in das Personal investieren“ müssten. Siegfried Damm, Bundesvorsitzender der VDStra.-Fachge- werkschaft der Straßen- und Verkehrsbeschäftigten, machte deutlich, dass auch jenseits der Tarifverhandlungen viel politischer Handlungsbedarf bestehe: „Bisher werden die Autobahnen im Auftrag des Bundes von den Ländern verwaltet. Im Zuge der Neuordnung des Länderfinanzausgleichs hat sich der Bund jedoch mehr Kompetenzen gesichert, dem Vernehmen nach soll eine privatrechtlich organisierte Infrastrukturgesellschaft entstehen. Hier sagen wir ganz klar: An den Beschäftigten vorbei darf es keine Umstrukturierung geben – von irgendwelchen Verschlechterungen bei den Arbeitsbedingungen ganz zu schweigen.“ << Lehrerberufe müssen attraktiver werden Beim dbb Branchentag am 8. November 2016 in Neubrandenburg brachten Lehrkräfte ihre Forderungen zu Gehör. Für Russ steht hier die Fortentwicklung der Entgeltordnung im Vordergrund: „Die Lehrkräfte haben seit etwas über einem Jahr ihre eigene Entgeltund Eingruppierungssystematik. Wir erwarten, dass weitere Verbesserungen vereinbart werden, um den Lehrerberuf attraktiver zu machen. Es gilt, die Entgeltordnung für Lehrkräfte sowohl im Sinne der Beschäftigten als auch der gesellschaftlichen Anforderungen zukunftssicher weiterzuentwickeln. Die Lehrkräfte machen überall einen tollen Job – das gehört anerkannt und verdient Wertschätzung.“ Der Landesvorsitzende des dbb mecklenburg-vorpommern, Dietmar Knecht, machte deutlich, dass ein Tarifergebnis vor dbb allem dazu taugen müsse, das gesamte Personal zu motivieren: „Die neue Landesregierung hat im Koalitionsvertrag die Chance auf positive Impulse für den öffentlichen Dienst vertan.“ Er bemängelte die Vorwegnahme des Tarifergebnisses im Land, nach der Beamte ab 1. Juli kommenden Jahres 1,75 Prozent mehr Einkommen erhalten sollen. „Kommt in der Länderrunde mehr heraus, muss der Dienstherr nachbessern!“ In diesem Zusammenhang forderte Knecht die Rückkehr zu den Regelungen aus 2009 und 2011. Damals war es gelungen, das Tarifergebnis wirkungsgleich auf die Beamten zu übertragen. „Haushaltstricks mit Besoldung und Versorgung auf dem Rücken der Beamten müssen ein für alle Mal der Vergangenheit angehören“, so Knecht. Michael Blanck, Landesvorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) in Mecklenburg-Vorpommern, sagte: „Die Arbeitsbedingungen müssen insgesamt attraktiver gestaltet werden, damit wir ausreichend junge Lehrerinnen und Lehrer in die Schulen bekommen. Aber vor allem auch die älteren Kolleginnen und Kollegen dürfen nicht vergessen werden, die in Mecklenburg-Vorpommern über viele Jahre zwangsweise in Teilzeit arbeiten mussten.“ << Polizei unter großer Belastung Kolleginnen und Kollegen aus der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) debattierten am 15. November 2016 in Baiersbronn-Obertal. „Die hohe Verantwortung und die noch höhere Arbeitsbelastung von Polizistinnen und Polizisten sind für jedermann sichtbar. Was die Kolleginnen und Kollegen an den verschiedensten Schauplätzen tagtäglich im Dienste von Sicherheit und Ordnung für die Bürger leisten, geht oft bis an die physische und psychische Belastungs- grenze. Überstundenberge als Folge mangelnder Personalverstärkung sind zum Alltag geworden. Verbale Beschimpfungen und tätliche Angriffe auf Polizisten nehmen zu. Und selbst die technische Ausrüstung hinkt den Erfordernissen hinterher. Es ist völlig klar: Für ihre dennoch verlässlichen Leistungen erwarten die Kolleginnen und Kollegen zu Recht ein kräftiges Einkommensplus. Das könnte im Übrigen auch dazu beitragen, den Polizeidienst attraktiver für junge Menschen zu machen – und die werden dringend gebraucht“, fasste Willi Russ die Stimmungslage zusammen. Dass die Landespolizei dringend und möglichst rasch personelle Verstärkung benötigt, unterstrich auch Manfred Riehl, Mitglied der DPolG-Tarifkommission. So könne auch in Baden-Württemberg eine Wachpolizei wie in Berlin, Hamburg und Hessen im Objektschutz zum Einsatz kommen und so zur Entlastung der Kolleginnen und Kollegen im Vollzug beitragen. Allerdings müssten Einkommensunterschiede, wie es sie – trotz des annähernd gleichen Aufgabenspektrums – in diesen Ländern gebe, in Baden-Württemberg von vornherein vermieden werden, mahnte Riehl: „Sicherheit ist bekanntlich nicht zum Billigtarif zu haben.“ Zudem gebe es neben der Forderung einer linearen Entgeltsteigerung vor allem angesichts stressiger Schichtdienste viel Zustimmung für den Wunsch nach Erhöhung der allgemeinen Zeitzuschläge, so für Überstunden, Nacht- und Sonntagsarbeit. << Info Weitere Branchentage finden bis zur Forderungsfindung am 14. Dezember 2016 in Langenhagen, Leipzig, Stuttgart, Düsseldorf, Gelnhausen und Nürnberg statt. > dbb magazin | Dezember 2016 © Friedhelm Windmüller dbb Demonstration in Magdeburg: < < Klare Botschaft: Siegfried Eckert, DPolG Sachsen-Anhalt, Karl-Heinz Leverkus, stellvertretender Vor sitzender der dbb Bundestarifkommission, Wolfgang Ladebeck, Vorsitzender des dbb sachsenanhalt, Thomas Eigenthaler, dbb Vize und Bundesvorsitzender der Deutschen Steuer-Gewerkschaft DSTG, Rainer Wendt, Bundesvor sitzender der Deutschen Polizei gewerkschaft DPolG, und Maik Wagner, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Sozialversicherung GdS (von links), führten den Zug der Demonstranten an. Mehr Personal und gerechte Bezahlung berufspolitik 12 Mit einem Protestmarsch durch die Magdeburger Innenstadt und einer anschließenden Kundgebung vor dem Landtag haben am 28. Oktober 2016 mehrere hundert Beschäftigte des öffentlichen Dienstes in Sachsen-Anhalt gegen sich weiter verschlechternde Arbeitsbedingungen, gegen eine unzureichende Personalausstattung und für eine gerechte Bezahlung demonstriert. „Der von der Landesregierung beschlossene und jetzt im Landtag beratene Gesetzentwurf zur Herstellung einer verfassungsgemäßen Besoldung entspricht ganz und gar nicht unseren Vorstellungen“, kritisierte Wolfgang Ladebeck, Vorsitzender des dbb sachsen-anhalt. „Die Nachzahlungen an die Beamtinnen und Beamten für die Ver- gangenheit sind zu niedrig.“ Neben einer fairen Bezahlung fordere der dbb eine Kurskorrektur in der Perso nalpolitik. „Die ist zwar mit dem Beschluss der Landesregierung, mehr Lehrer und Polizisten einzustellen, ein geleitet. Wir brauchen aber auch mehr Personal in den Fachverwaltungen“, so der dbb Landesvorsitzende. Die lautstarke Unterstützung der Demonstranten für seine Rede erhielt der Bundesvorsitzende der Deutschen SteuerGewerkschaft und stellvertretende dbb Bundesvorsitzende Thomas Eigenthaler. Er warf der Landesregierung vor, mit ihrer verfehlten Besoldungspolitik die Zeichen der Zeit nicht zu erkennen. Die Sparpolitik des Landes sei „ein Motivationskiller erster Ordnung und provoziert die Abwanderung des Nachwuchses in benachbarte Bundesländer“. Karl-Heinz Leverkus, stellvertretender Vorsitzender der dbb Bundestarifkommission, verurteilte, dass die Landes regierung die landesspezifischen Tarifverträge zur Teilzeit und Altersteilzeit nicht verlängern wolle. Diese seien bei den Beschäftigten auf hohe Akzeptanz gestoßen und eine gute Möglichkeit, die Arbeitskraft von Beschäftigten mit Rücksicht auf das Lebensalter und die private Situation zu erhalten und zu fördern. „Deshalb brauchen wir rechtssichere und einheitliche Regelungen“, machte Leverkus deutlich. Rainer Wendt, Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, kritisierte die trotz bundesweit gleicher Arbeit unterschiedliche – und vielerorts schlechte – Besoldung in den einzelnen Bundesländern. „Wir werden für eine gerechte und faire Bezahlung lautstark eintreten. Die Demonstration heute in Magdeburg ist nur der Anfang“, so der DPolG-Chef. Arbeitszeitreport: Leistungsfördernde Gestaltung von Arbeitszeit Gute Beschäftigungs- und Einkommensbedingungen sind im öffentlichen Dienst unverzichtbar. Das macht der stellvertretende dbb Bundesvorsitzende Ulrich Silberbach im „Behörden Spiegel“ (Ausgabe November 2016) mit Blick auf den Arbeitszeitreport 2016 deutlich. In dem von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) vorgelegten > dbb magazin | Dezember 2016 Bericht kommt der öffentliche Dienst nicht gut weg: Der Anteil derjenigen, die mehr als zehn Überstunden pro Woche haben, ist mit elf Prozent bei der öffentlichen Hand am höchsten, auch bei der Sonntagsarbeit ist der öffentliche Dienst (mit 32 Prozent der Befragten) Spitzenreiter. Zudem geben 23 Prozent an, „wenig“ Einfluss auf ihren Urlaubszeitpunkt zu haben, und Beamte und Tarifbeschäftigte werden auch häufig im Privatleben beruflich kontaktiert (14 Prozent) – Werte, die sonst nur im Handwerk erreicht werden. Silberbach erklärte dazu, die besonders häufigen Diens- te am Wochenende sowie Bereitschaftsdienste bei Feuerwehr, Polizei oder in den Krankenhäusern zeigten, dass die Beschäftigten an 365 Tagen im Jahr rund um die Uhr für die Bevölkerung da sind. Damit würden Leistungswillen und -fähigkeit unterstrichen. „Das verdient besondere Anerkennung, aber nicht nur in Sonntagsreden, sondern auch im beruflichen Alltag.“ Erwerbstätigenversicherung: © BillionPhotos.com / Fotolia dbb Ein Verlustgeschäft Die Abschaffung der eigenständigen Beamtenversorgung sei „zum einen nicht mit der verfassungsmäßigen Ordnung des Grundgesetzes vereinbar. Zum anderen würden sich Hoffnungen auf Einsparungen nicht erfüllen.“ Überlegungen, die bestehenden Altersversorgungssysteme in Deutschland im Sinne einer „Volksversicherung“ zu vereinheitlichen, würden seit Jahrzehnten angestellt. Die Beamtenversorgung sei aber im Gegensatz zur gesetzlichen Rentenversicherung keine klassische Versicherung, sondern Ausdruck der Alimentations- pflicht des Dienstherrn gegenüber seinen Beamten. „Sie ist kein besonderes Privileg, sondern Gegenleistung für die Verpflichtung des Beamten zur hoheitlichen Tätigkeit und für die besonderen Pflichten, die sich aus seinem Dienst- und Treueverhältnis ergeben“, so Dauderstädt. „Diese ‚Geschäftsgrundlage‘ mit Verfassungsrang ist Ausdruck eines funktionalen gesellschaftlichen Bedürfnisses: Der Staat muss Tag und Nacht handlungsfähig bleiben und den Bürgern gegenüber dafür einstehen, dass wichtige Einrichtungen und Leistungen verlässlich, nach rechtstaatlichen Gewalt gegen Beschäftigte: Traurige Realität Physische und psychische G ewalt gegen Beschäftigte ist traurige Realität in viel zu vielen Bereichen des öffentlichen Dienstes. © Tik oA ram yan Das hat der dbb Bundesvorsitzende Klaus Dauderstädt am 15. November 2016 in Berlin mit Blick auf eine von der dbb Mitgliedsgewerkschaft Verband Bildung und Erziehung (VBE) beauftragte forsa-Umfrage unter Lehrkräften festgestellt. / Fotolia Die Ergebnisse zeigten deutlich, dass Übergriffe keine Seltenheit sind. „Das bestätigt leider unsere Erfahrungen aus anderen Arbeitsbereichen. Wir begrüßen die Umfrage daher ausdrücklich, weil damit sowohl quantitativ als auch qualitativ ein wichtiger Beitrag für die weitere Debatte über Ge- Grundsätzen, und dauerhaft – also auch streikfrei! – zur Verfügung stehen.“ Neben den verfassungsrecht lichen Problemen würde sich eine Erwerbstätigenversicherung auch nicht rechnen, machte Dauderstädt deutlich: Wenn Beamte in eine gesetzliche Rentenversicherung ein bezogen würden, müssten die Dienstherren, entsprechende Arbeitgeberbeiträge tragen und zugleich die Bruttobezüge der Beamten mit Blick auf eine Beitragspflicht angehoben werden. Erschwerend käme hinzu, dass entsprechend den Regelungen für die Angestellten des öffentlichen Dienstes eine Vollversorgung gewährleistet und damit neben der Rente eine zusätzliche betriebliche Altersvorsorge aufgebaut werden müsste. Dies wären „erhebliche finanzi- walt gegen Beschäftigte im öffentlichen Dienst geleistet wird“, so Dauderstädt zu der VBE-Untersuchung. 55 Prozent der befragten Lehrkräfte sagten demnach, dass es an ihrer Schule in den letzten fünf Jahren Fälle gab, in denen Lehrkräfte direkt beschimpft, bedroht, beleidigt, gemobbt oder belästigt wurden. Von Fällen, in denen Lehrkräfte im gleichen Zeitraum sogar körperlich angegriffen wurden, wussten 21 Prozent zu berichten. Neue Ausprägungen der Gewalt sind demnach ebenfalls auf dem Vormarsch: 77 Prozent der Befragten sehen eine Zunahme von Formen des Mobbings über das Internet. „Solche und ähnliche Berichte erhalten wir von Kolleginnen und Kollegen aus zahlreichen elle Aufwendungen, für die die Haushalte aller Gebietskörperschaften keinen Raum haben“, sagte der dbb Chef. Das Einheitsmodell würde zudem nicht die Frage der vorhandenen Versorgungsempfänger und der versorgungs nahen Jahrgänge lösen, für die ein verfassungsrechtlich gebotener Besitzstandschutz erfüllt werden müsste. Auch aus rentenpolitischer Sicht machten solche Überlegungen keinen Sinn: Die Beamten, die heute zusätzliche Rentenbeiträge einzahlen würden, erhielten mit Erreichen des Rentenalters auch Ansprüche auf Rentenzahlungen. Dauderstädt: „Die Zahl der Rentner und damit auch der Beitragssatz zur Rentenversicherung läge noch höher, als es der demografische Wandel in Zukunft ohnehin erwarten lässt. Bessere Nachhaltigkeit? Fehlanzeige.“ Bereichen des öffentlichen Dienstes“, sagte der dbb Chef. Für Polizei- und Rettungskräfte gehörten sie ohnehin schon länger zum harten Berufsalltag. Aber auch in vielen anderen Bereichen wie beispielsweise Jobcentern, Finanz- und Bürgerämtern oder eben Schulen nähmen die Fälle in den letzten Jahren zu. Dauderstädt: „Die Dienstherren müssen handeln. Gewalt gegen Beschäftigte darf kein Tabu sein und muss systematisch erfasst werden. Die Prävention durch Fortbildungen und bauliche Maßnahmen ist zu verbessern. Für den Fall der Fälle sollten Verhaltensregeln entwickelt werden, nach denen sich die Betroffenen richten können. Und im Nachhinein ist natürlich eine angemessene Betreuung sicherzustellen.“ > dbb magazin | Dezember 2016 13 berufspolitik Die Einbeziehung von Beamten in eine sogenannte Erwerbstätigenversicherung wäre ein Verlustgeschäft für alle Beteiligten. Das hat der dbb Bundesvorsitzende Klaus Dauderstädt in einem Kommentar für die SPD-Zeitung „vorwärts“ (Ausgabe Dezember 2016) erneut klargestellt. dbb Zollhundeschule Bleckede: Die Supernasen > dbb magazin | Dezember 2016 © Alterfalter / Fotolia Die A30 bei Osnabrück, Abfahrt Gildehaus: Zwei Zoll beamte des Hauptzollamts Osnabrück kontrollieren am Abend ein aus Richtung Niederlande kommendes Fahrzeug. Der Mann am Steuer gibt an, dort seine Freundin besucht zu haben. Bei der Durchsicht des Fahrzeugs stellen die Beamten außer einem Koffer mit sauberen Textilien keine weiteren Reiseutensilien oder Souvenirs fest, das macht sie stutzig. Sie wollen sich den Wagen näher ansehen und holen einen weiteren Kollegen zur Unterstützung: Kjell. Der Zollspürhund schnüffelt aufmerksam am und im Auto, interessiert sich besonders für den Boden hinter den Vordersitzen. Nach diesem entschei- © HZA Osnabrück reportage 14 Drogen, geschützte Arten und Produkte daraus, illegale Substanzen, Bargeld oder Tabak: Insgesamt etwa 400 Zollhunde spüren bundesweit Tag für Tag auf, was heimlich an Gesetz und Fiskus vorbei geschmuggelt werden soll. Die klugen Vierbeiner kommen als Spür- und Schutzhunde bei Kontrollen an Airports, Häfen, Grenzen, in Unternehmen und Wohnungen oder auf der Straße zum Einsatz und haben regelmäßig den richtigen Riecher: Ohne die Supernasen auf vier Pfoten – amtlich: „Hilfsmittel der körperlichen Gewalt“ – würden Deutschlands größter Finanz- und Steuerbehörde jährlich unversteuerte, gefälschte oder illegale Waren im Millionenwert durch die Lappen gehen, Drogen unbemerkt auf den Markt gelangen und Schaden anrichten sowie geschützte Arten ungehemmt geschmuggelt werden. Die Zollhundeschule Bleckede (Niedersachsen) macht jährlich rund 150 Hunde mit ihren Führerinnen und Führern fit für diesen Dienst. < < Beeindruckende Bilanz: Jahr für Jahr erschnüffeln Zollhunde wie Kjell Hunderte Kilo Rauschgifte, Millionen unverzollter Zigaretten und größere Mengen Bargeld, stellen zahlreiche Verstöße gegen den Artenschutz sicher. denden Tipp der Spürnase im Staatsdienst nehmen sich die Beamten die Karosserie vor – und siehe da: Hinter den Hitzeschutzblechen ist durch ei- nen Schlitz ein kleines Paket zu sehen, umwickelt mit Folie! Mehr als ein Dutzend solcher Päckchen befördern die Zöllner aus dem Versteck, insge- samt zwei Kilo Heroin und mehr als fünf Kilo Haschisch, Drogen im Wert von über 150 000 Euro. Der Reisende wird festgenommen, das << Unverzichtbare Hilfsmittel gegen Schmuggel Eine Szene, die sich so oder ähnlich tagtäglich im Alltag des deutschen Zolls abspielt: Ob Fee am Frankfurter Flughafen 2,5 Kilo Koks im doppelten Kofferboden oder Artenschutzspürhund Uno eine illegale Lieferung mit Schildkrötenpanzern aus der Dominikanischen Republik sicherstellt, „Kollegin“ Ronja in Nürnberg den richtigen Riecher für 300 Stangen Schmuggelzigaretten (Steuerschaden: 11 300 Euro) hat oder Keano fünf Kilo Marihuana in einem Wagen auf der Autobahnrastanlage Garbsen-Süd entdeckt – die Arbeit der „Kollegen auf vier Pfoten“ ist und bleibt für die Kontrollbeamten ein „unverzichtbares Hilfsmittel im Kampf gegen den Schmuggel“. Sagt Zolloberamtsrätin Jennifer Egyptien, seit November 2015 Leiterin der Zollhundeschule im niedersächsischen Bleckede. Dort und im bayerischen Neuendettels au, Pendant für den süddeutschen Raum, werden jedes Jahr an die 150 Vierbeiner und ihre Führer für den Einsatz im Dienst der Zollverwaltung aus- und weitergebildet. „Wer einen ausgeprägten Spieltrieb hat, sich ohne Menschenscheu und sicher in der Umwelt bewegt, Treppen mutig erklimmen kann und auch bei plötzlichen und lauten Geräuschen nicht gleich die Flucht ergreift, hat gute Chancen auf eine Beschäftigung beim Zoll“, erklärt die Chefin der Hundeschule augenzwinkernd – gemeint sind natürlich die Hunde. Die Rasse spielt insbesondere bei den Spürhunden eine nachgeordnete Rolle, „das könnte auch ein Pudel sein, wenn die Voraussetzungen stimmen und er sich gut einfügt“, sagt Egyptien. „Wir prüfen sehr genau, welcher Hund zum Zoll und zu seinem künftigen Hundeführer passt – die beiden bleiben schließlich ein Leben lang zusammen, auch nach Feierabend. „Hund und Hundeführer müssen sich also gut verstehen, auch die Familie muss den Hund mögen“, denn in diesem Umfeld bleiben die Supernasen nicht nur während ihrer Dienstzeit, sondern auch im Ruhestand, für den der Staat seinen vierbeinigen Pensionären ein Pflegegeld zahlt und die Tierarztrechnungen übernimmt. << Tolles Spiel für die Tiere, Effizienz für Vater Staat Zwei, die sich gefunden haben und noch lange nicht ans Aufhören denken, sind Zollhundeführer Florian Grevinga vom Hauptzollamt Münster und seine Schäferhündin Fenja. Schon vor einiger Zeit haben die beiden in Bleckede die 18-wöchige Ausbildung im Zeitraum von rund eineinhalb Jahren zum „dualen Diensthund“ absolviert, Fenja ist Rauschgiftspür- < < Jennifer Egyptien leitet die Zollhundeschule in Bleckede seit November 2015. Die Expertise des „Regional Dog Training Center“ ist weit über Deutschlands Grenzen hinaus bekannt – regelmäßig kommen hier auch Kollegen ausländischer Zollbehörden zur Aus- und Weiterbildung. und Schutzhündin. Diesmal ist ein Update-Seminar angesagt und unter den prüfenden Blicken der beiden Ausbilder Michael Petran und Hans Kluck machen sich Fenja und ihr Führer bereit, ein Auto auf Drogen zu kontrollieren. Die Schäferhündin zittert am ganzen Leib vor Aufregung, kann es kaum erwarten loszulegen. „Für die Tiere ist ihr Job einfach ein tolles Spiel, was der eigentlichen genetischen Veranlagung von Hunden, gemeinsam im Rudel auf die Jagd gehen zu wollen, sehr nahe kommt“, erklärt Schulleiterin Egyptien. Entspre- chend freudig strebt Fenja Richtung Wagen, als Florian Grevinga endlich das Kommando gibt: „Such!“ Zügig dreht die Hündin eine Runde um das Auto, schnüffelt eifrig hin und her. An der Motorhaube stoppt Fenja plötzlich und steht stocksteif da. Hundeführer Grevinga öffnet die Haube und zieht einen Beutel Haschisch aus dem Motorraum. „Klick“, macht er mit einem Metallklicker in seiner Hosentasche – das konditionierte Zeichen für Fenja, dass sie alles richtiggemacht hat und dafür gleich eine Belohnung bekommen wird. „Ein- > dbb magazin | Dezember 2016 15 reportage ollfahndungsamt Essen überZ nimmt die weiteren Ermittlungen. © Britta Ibald (3) dbb © Britta Ibald (3) dbb < < „Einfrieren“: Fenja steht stocksteif vor der Motorhaube des Wagens und zeigt damit einen Fund an – Haschisch. < < Zollhundeführer Florian Grevinga und sein „dualer Diensthund“ Fenja: Die Schäferhündin arbeitet als Rauschgiftspür- und Schutzhündin. frieren“, nennen die Experten die Methode, mit der Fenja den Fund angezeigt hat und die seit einigen Jahren ausgebildet wird. „Es gilt, den fantastischen Geruchssinn und den natürlichen Spieltrieb des Hundes auszunutzen und zu fördern“, erläutert Schulchefin Jennifer Egyptien das Prinzip der Diensthunde-Ausbildung. „Wir spezialisieren die Hunde auf ein Themenfeld – Drogen, geschützte Tier- und Pflanzen- arten oder Tabak und Bargeld sind die häufigsten Einsatz bereiche.“ Nach dem gründlichen Training entgeht einem Zollhund dann nichts mehr, was er mit seinem geschärften Geruchssinn erschnüffelt. „Während ein Mensch in seiner Nase rund fünf Millionen Geruchszellen hat, sind es beim Hund um die 220 Millionen“, erklärt Egyptien die Höchst leistungen der Zoll-Spürnasen. Fenjas größter Fang im Dienst < < Belohnung: Ihren Erfolg darf Fenja mit einem ausgiebigen „Kampf“ um die Beißrolle feiern. bislang: 2,5 Kilo Kokain. Gut gelaunt tobt die Hündin mittlerweile mit ihrem Führer und balgt sich um eine Beißrolle: die Belohnung für die gelungene Übung. Dann geht es weiter im Programm. Mit Fenjas guter Laune ist es direkt wieder vorbei, weil ein Autofahrer, den sie mit Florian Grevinga kon trolliert, plötzlich auf ihren Partner losgeht. Die Hündin stellt sich drohend hin und spannt ihre Muskeln an, fixiert den Angreifer und versucht, ihn mit einem strengen Blick und hochgezogenen Lefzen zur Umkehr zu bewegen. Als der Mann trotzdem weiter zielstrebig auf den Zollbeamten zugeht, setzt Fenja zum Gegenangriff an: Wütend zeigt sie ihre Zähne, springt immer wieder auf den Autofahrer zu und bellt ihn ohrenbetäubend laut in Grund und Boden. „Das überzeugt schon die meisten“, nickt die Schulleiterin und lä© Zollhundeschule Bleckede (2) reportage 16 < < Bei der Ausbildung wird der natürliche Spieltrieb der Hunde genutzt, um sie mit ihrem fantastischen Geruchssinn auf ein Themenfeld zu spezialisieren. Drogen, geschützte Tier- und Pflanzenarten, Tabak und Bargeld sind die häufigsten Einsatzbereiche für die Spürnasen. > dbb magazin | Dezember 2016 reichlich Praxis stehen für die Zollhundeführer auch viele theoretische Inhalte auf dem Lehrplan – unter anderem Tierschutzrecht, Gesunderhaltung, Erste Hilfe am Hund und rechtmäßiger Einsatz eines Schutzhundes. Im nationalen und internationalen Vergleich schneidet die Bundeszollverwaltung qualitativ sehr gut ab und hat mit die kürzesten Ausbildungszeiten. Diesen Parametern steht die beeindruckende Aktivbilanz der Zoll hunde gegenüber: Jahr für Jahr erschnüffeln sie Hunderte Kilo Rauschgift, Millionen unverzollter Zigaretten und größere Mengen Bargeld, stellen diverse Verstöße gegen den Artenschutz sicher und sorgen – als ausgebildete Schutzhunde – tagtäglich für den Schutz der Kontrollbeamten. Ohne die Tiere würden die Zöllner keinesfalls dieselben Ergebnisse in der gleichen Zeit erzielen, die Behörde bräuchte deutlich mehr Personal. Da verwundert es schon ein wenig, dass die Leistungen der ZollhundeTeams keinerlei ausgewiesene Rolle in der offiziellen Jahresstatistik spielen. „Die Spür- und Schutzhunde sind ein wundervolles und hocheffektives In strument der Zollarbeit“, stellt Schulleiterin Jennifer Egyptien klar und wenn es nach ihr und ihren Kollegen ginge, könnten ruhig noch mehr der staatlichen Supernasen in den Dienst gestellt werden. Hohe Qualität, beein druckende Aktivbilanz Ein Beleg dafür, dass es durchaus noch Luft nach oben beim Einsatzpotenzial der Zollspürhunde gibt, ist Quitta. Unser „Prototyp“, meint Hundeführer Stephan Lawrenz trocken und grinst seine belgische Schäferhündin an, die ihn ruhig mit ihren großen braunen Augen beobachtet. Quitta ist als einziger Spürhund in Deutschland auf verbotene Dopingsubstanzen spezialisiert, nur sie kann diese besonderen Wirkstoffe aufspüren. Der illegale Verkauf von << Effektiv sind die Zollhunde allemal – nicht nur unter Präventionsgesichtspunkten. Ein Tier kostet im Ankauf bis zu 2 500 Euro und monatlich 120 Euro, der Zollhundeführer bekommt täglich 45 Minuten Pflegezeit gutgeschrieben. Die Ausbildung eines dualen Zollhundes dauert, aufgeteilt in Module, insgesamt 18, die eines reinen Spürhundes 13 Wochen. Neben << < < Fahrzeugkontrolle mit Schutzhund – noch ist Fenja friedlich, ... 17 reportage chelt wissend. Die Situation ist Dank Fenjas Einsatz nicht eskaliert, der Autofahrer befolgt die Ansagen von Florian Grevinga jetzt anstandslos. Ebenso anstandslos hatte Fenja ihre Verteidigung auf das Kommando ihres Führers hin abrupt abgebrochen und „Platz“ zu seinen Füßen gemacht. „In der Schutzhundausbildung lernen die Tiere, sich in verschiedensten Angriffsszenarien situativ selber einzusetzen oder per Signalwort durch den Zollhundeführer eingesetzt zu werden“, erläutert Ausbilder Michael Petran. Kollege Hans Kluck ergänzt: „Ganz wichtig ist in solchen Situationen der ex trem hohe Gehorsam der Hunde, denn sie müssen komplett durch den Zollhundeführer steuerbar sein und sich nach dem Abruf-Kommando sofort vom Gegenüber trennen. Das ist auch gesetzlich genauso vorgeschrieben. Ein Hund, der dieses Kriterium nicht erfüllt, kann nicht im Dienst eingesetzt werden.“ Eigentlich dienen die Schutzhunde vor allem der Eigensicherung der Beamten. „Aber die Komponente Prävention vor Eskalation ist gar nicht hoch genug einzuschätzen“, unterstreicht Schulchefin Egyptien: „Schon die bloße Präsenz eines ausgebildeten Schutzhundes wirkt fast immer deeskalierend. Und das vollkommen nonverbal – und zudem international verständlich, also in Zeiten der personellen Knappheit und einer verschärften Sicherheitslage ein sehr effektives Mittel.“ © Britta Ibald (3) dbb < < ... aber als der Autofahrer auf die Beamten losgeht, bellt sie ihn in Grund und Boden. Quitta: „Prototyp“ für Dopingsubstanzen < < Lage geklärt, Fenja macht „Platz“. > dbb magazin | Dezember 2016 dbb reportage 18 Weltzollorganisation, dem Bundeskriminalamt und dem Zollkriminalamt in Frankfurt am Main bei der konzertierten „Operation Pangea“ vor drei Jahren. Dank der Spürhündin konnten die Beamten täglich 150 Sendungen mehr kontrollieren als sonst und mit ihrem richtigen Riecher spürte Quitta zahlreiche verbotene Substanzen auf. << Potenziale nutzen, Wissen sichern „Toll, oder?!“ Zollhundeschulchefin Jennifer Egyptien ist stolz auf die Leistungen der Tiere, ihrer Führer und Ausbilder. „In diesem Zusammenspiel von Mensch und Tier liegt ein enormes Potenzial“, betont die Expertin und wirbt dafür, die Ressource Diensthund in der Zollverwaltung noch effektiver einzusetzen. In der Tat drängt sich Außenstehenden die Frage auf, warum es eigentlich keine bundesweiten Einsatzkonzepte für die Zollhunde gibt und warum die doch so offenkundig deeskalierende Schutzhund eigenschaft der Hunde nicht flächendeckender eingesetzt wird? << Die Zollhundeschule in Bleckede/Niedersachsen 1958 eröffnete der Zoll die Zollhundeschule in Bleckede. Aktuell arbeiten hier 23 Beschäftigte, darunter neben Leiterin Jennifer Egyptien neun hauptamtlich Lehrende. Auf der Agenda der Schule steht nicht nur die Ausbildung der Zollhundeteams im Norden Deutschlands, sondern ebenso die fachliche Betreuung der Zollhundetrainer, Eignungsüberprüfungen von Zollhunden und der fachliche Austausch mit anderen Behörden, die Diensthunde einsetzen. Hoch im Kurs steht die Schule auch bei den Kollegen der Zollfahndung, weil sie seit einigen Jahren das stark nachgefragte Training von „Verhalten beim Antreffen von Hunden im Einsatzgeschehen“ anbietet – bundesweit einmalig. Weil Aus- und Weiterbildung von Hund und Mensch mehrere Wochen in Anspruch nimmt, ist die Zollhundeschule Bleckede ein „Internatsbetrieb“ mit Unterkünften, eigenbetriebener Mensa sowie einem Casino. Für die Hunde stehen geräumige Zwinger zur Verfügung, die nach modernstem Standard artgerecht ausgestattet sind. Ebenso wie die Zollhundeschule in Neuendettelsau (Leitung: Zolloberamtsrätin Erika Hartmann) ist Bleckede zertifizierte Zollhundeschule der Weltzollorganisation (World Customs Organisation) und „Regional Dog Training Centre“ und wird regelmäßig von Kollegen ausländischer Partnerbehörden besucht. Die ausgezeichneten Rahmenbedingungen an den beiden Zollhundeschulen weiß auch die Bundespolizei zu schätzen, die die Standorte seit 1999 gemeinsam und in guter Zusammenarbeit mit der Zollverwaltung nutzt. > dbb magazin | Dezember 2016 © Britta Ibald Arzneimitteln, gerade über das Internet, ist für die Täter eine zunehmend lukrative Einnah mequelle, dort gibt es zwei stellige Zuwachsraten pro Jahr, belegen die einschlägigen Statistiken. Für die Verbraucher stellen gefälschte Arzneimittel nicht selten ein lebensbedrohliches Risiko dar, deswegen sind Ausbildung und Einsatz von Spürhunden wie etwa Quitta für den Dopingbereich von großer Bedeutung. Wie fit die achtjährige Hündin ist, zeigt sie in Bleckede auf dem Übungsdachboden, wo sie eine Reihe Gepäckschließfächer kontrolliert. Um auch die Spinte ganz oben zu erreichen, stellt sie sich immer wieder auf die Hinterbeine – und bleibt auf einmal starr in dieser aufrechten Position stehen. Ihre lange schwarze Schnauze liegt an einem der Schließfächer, ihr Schwanz bewegt sich kaum sichtbar hin und her. Erst als Lawrenz mit dem Klicker das Signal gibt, geht sie wieder auf alle Viere – und holt sich, nachdem Lawrenz eine Dose Testosteron in dem Fach sichergestellt hat, ihr Leckerli ab. Ihren ersten richtigen Einsatz hatte Quitta zusammen mit Interpol, der < < Deutschlandweit einmalig: Quitta, die belgische Schäferhündin von Zollhundeführer Stephan Lawrenz, der hauptamtlicher Ausbilder an der Zollhundeschule ist, kann verbotene Dopingsubstanzen aufspüren und war bereits mehrfach bei internationalen Kontrollaktionen mit Interpol und der Weltzollorganisation im Einsatz. Aktuelle Sorgen bereitet Egyptien und ihren Kollegen der vor allem demografisch bedingt drohende Wissensverlust im Bereich der Zollhunde. Derzeit sind drei Ausbilderstellen in Bleckede unbesetzt und im Vergleich mit anderen Bereichen der Zollverwaltung, aber auch den Polizeien, fällt dem Betrachter auf, dass in der Fläche die Verteilung der lokalen Teamtrainer denkbar knapp ist: Trainerpools wie etwa für Schießen und Sport gibt es im Diensthundewesen des Zolls nicht. Verschärft wird die Lage, insbesondere mit Blick auf den möglichen Berufsnachwuchs, durch strukturell bedingte Hemmnisse: Beim Zoll ist der Hundeführer anders als bei den Landespolizeien und der Bundespolizei kein eigener Dienstposten und zudem im mittleren Dienst verortet. „Das Interesse vieler junger Menschen mit überdurchschnittlich guten Schulabschlüssen an einer Ausbildung bei der Zollverwaltung mit speziellem Fokus auf eine spätere Verwendung als Zollhundeführer steigt konstant“, berichtet Jennifer Egyptien. Dass schlussendlich nicht alle von ihnen eine Laufbahn bei der deutschen Zollverwaltung ernsthaft ins Auge fassen, beweist ein Blick auf die allgemein bekannte geübte Praxis: Dem gehobenen Dienst wird keine Möglichkeit geboten, Zollhundeführer zu werden, und auch generell sind die Erfolgsaussichten sehr gering, überhaupt einen solchen Posten zu bekommen. Damit geht der Zollverwaltung sehr gut qualifizierter Berufsnachwuchs leider insgesamt verloren. Und wem der Nachwuchs fehlt, der kann auch kein Know-how weitergeben – so kann Wissensverlust ganz schnell zum Strategieproblem werden. An der spitzenmäßigen Leistungsfähigkeit des Deutschen Zolls ist indes noch nicht zu rütteln: Erneut belegte man in diesem Jahr den ersten Platz im „Logistics Performance Index“ der Weltbank, wozu die Bewertung in der Kategorie „Customs“, also die Leistungsfähigkeit des Zolls, maßgeblich beigetragen hat. Und ob es nun statistisch ausgewiesen ist oder nicht: Dass über 190 Millionen Zollabfertigungen pro Jahr in Deutschland schnell und reibungslos abgewickelt werden können und gleichzeitig eine effiziente Kontrolle des Warenverkehrs stattfindet, ist auch ein nicht zu vernachlässigender Verdienst aller Zollhundeteams in der Bundesrepu blik. Wau! Britta Ibald dbb Bürgerdialog: „Gut leben in Deutschland“: Worten müssen Taten folgen Der dbb hat die Vorlage des Abschlussberichts der Bundesregierung zum Bürgerdialog begrüßt und fordert nun konkrete Taten, die den Worten folgen müssten. Unter der Überschrift „Gut leben in Deutschland – was uns wichtig ist“ hatten Zehntausende Deutsche seit April 2015 in diversen Foren, Veranstaltungen, per Post, Mail und online über die Probleme, Herausforderungen und Zukunft des Lebens in der Bundesrepublik diskutiert. Dauderstädt. „Diese Erkenntnisse sind nichts anderes als der Beleg, dass ein funktionierender öffentlicher Dienst, insbesondere im Bereich der Sicherheit, aber auch im Erziehungs-, Bildungs- und Sozialsystem sowie in der Justiz und Verwaltung, ein Garant für dieses ‚Gut leben in Deutschland‘ ist“, betonte der dbb Chef. Daher habe „Nun liegt mit 333 Seiten Abschlussbericht ein substanzielles Stimmungsbild der Bevölkerung vor, aus dem sich ganz konkrete Handlungsempfehlungen für die Politik ableiten“, sagte der dbb Bundesvorsit zende Klaus Dauderstädt anlässlich der Verabschiedung des Berichts durch das Bundeskabinett am 26. Oktober 2016 in Berlin. „Worten müssen Taten folgen“, forderte der dbb Chef. „Zentrale Schlüsselthemen für die Deutschen sind Sicherheit und Frieden, vor allem im eigenen Land, und es ist ein groß artiges Ergebnis, dass sich die deutliche Mehrheit der Bevölkerung sicher fühlt, dass über 80 Prozent überhaupt nicht oder nur leicht beunruhigt sind, wenn es um die Gefahr geht, Opfer von Raub, Einbruch, Körperverletzung oder sexueller Belästigung zu werden“, so die Politik den ganz konkreten Auftrag, auch weiterhin für die Funktions- und Leistungsfähigkeit dieses wichtigen Standortfaktors zu sorgen, machte Dauderstädt deutlich. nn Selbst die Mitglieder des Bundeskabinetts hatten immer wieder das Gespräch mit den Bürgern gesucht. Auch dbb, dbb jugend und dbb bundesfrauenvertretung beteiligten sich mit drei Veranstaltungen mit über 100 Teilnehmern aus allen Bereichen des öffentlichen Dienstes an dem Dialogprozess. Die dbb jugend sieht sich durch die Ergebnisse des Bürgerdialogs in ihrer Forderung gestärkt, dass die Politik besonderes Augenmerk auf das Ausbildungsund Berufsleben der jungen Menschen in Deutschland legen muss. Aus Sicht der dbb bundesfrauenvertretung gehört zum guten Leben in Deutschland eine bessere Work-Life-Balance. << Webtipp Das Onlineportal der Bundesregierung zum Bericht: www.gut-leben-in-deutschland.de > dbb magazin | Dezember 2016 dbb Bund-Länder-Finanzausgleich: Alles unklar Mitte Oktober haben sich Bund und Länder nach jahrelangen Verhandlungen auf Eckpunkte für eine Neuordnung ihrer Finanzbeziehungen verständigt. Am Ende jubelten die Länder, konnten sie dem Bund doch weitreichende Zugeständnisse abringen. Dieser muss zukünftig mehr Geld geben. Doch der vermeintliche Sieg könnte teuer erkauft sein, denn im Gegenzug hat sich der Bund erweiterte Zuständigkeiten etwa im Straßenbau und der Steuerverwaltung gesichert. Welche Folgen das für die betroffenen Bereiche des öffentlichen Dienstes haben wird, ist noch völlig unklar. Die Ausgangslage: Die Einnahmen aus den drei derzeit einträglichsten Steuern, nämlich der Einkommen-, der Körperschaft- und der Umsatzsteuer, stehen anteilig dem Bund und den Ländern zu. Diese Steuern zählen daher zu den sogenannten Gemeinschaftssteuern. Das ist der „Kuchen“, den es zu verteilen gilt. Das Länderstück dieses Kuchens muss nun abermals zwischen den 16 Bundesländern aufgeteilt werden. Ziel ist, dass jedes Land ausreichend Mittel hat, um seine (grund)gesetzlich festgelegten Aufgaben zu erfüllen. < Der bisherige Finanzausgleich Die Einkommensteuererträge bekommt das Land, in dem der Steuerzahler lebt. Die Körperschaftsteuererträge bekommt das Land, in dem die besteuerte Leistung erbracht wurde. Drei Viertel der Umsatzsteuererträge werden entsprechend der Einwohnerzahlen verteilt. Schon durch diese erste Aufteilung ergeben sich sehr unterschiedliche Einnahmen der einzelnen Länder. Deshalb setzt hier nun der Finanzausgleich unter den Ländern – der sogenannte horizontale Finanzausgleich – ein. Dabei wird in einem ersten Schritt das verbleibende vierte Viertel der Umsatzsteuererträge an finanzschwache Länder verteilt. Das ist der sogenannte Umsatzsteuervorwegausgleich. Im zweiten Schritt des horizontalen Finanzausgleichs erfolgen nach einer komplexen Formel weitere Zahlungen der reicheren an die ärmeren Länder. Daher spricht man hier vom „Länderfinanzausgleich im engeren Sinne“. Nach dem horizontalen Finanzausgleich folgt der vertikale Finanzausgleich: Hier kommt der Bund ins Spiel. Von ihm erhalten die auch nach dem horizontalen Finanzausgleich finanzschwächeren Länder die sogenannten Bundesergänzungszuweisungen. Darüber hinaus können Länder unter bestimmten Voraussetzungen (etwa wegen „teilungsbedingter Sonderlasten“) auch noch Sonder-Bundesergänzungszuweisungen erhalten, die auch einen wesentlichen Teil des Solidarpaktes II ausmachen. < Webtipp Eckpunkte zur geplanten Neuordnung des Finanzausgleichs zwischen Bund und Ländern: https://goo.gl/UKDT4v Hintergrundinformationen zu den föderalen Finanzbeziehungen: https://goo.gl/bJk4a > dbb magazin | Dezember 2016 © Sliver / Fotolia analyse 20 Der bisherige Länderfinanz ausgleich war ein komplexes Monstrum. Die Verwirrung fängt schon bei der Benennung an, denn der Bund spielt schon lange eine wichtige Rolle im Finanzausgleich der Länder. Aber auch das mehrstufige Verfahren selbst ist äußerst komplex. dbb Neuordnung ab 2019 Diese Regelungen für den Länderfinanzausgleich laufen 2019 ebenso aus wie der ergänzende Solidarpakt II. Die Zeit für eine Neuordnung drängte also, zumal längst nicht mehr alle Beteiligten mit dem alten System zufrieden waren. Die Geberländer, etwa Bayern, mussten für ihren Geschmack zu viel geben – und klagten vor dem Bundesverfassungsgericht. Als Nehmerländer, etwa Bremen, im Laufe der Zeit keine SonderBundesergänzungszuweisungen mehr erhielten, waren sie ebenfalls unzufrieden – und klagten vor dem Bundesverfassungsgericht. Und was machen Länder, die sich untereinander nicht einigen können? Richtig: Sie fordern mehr Geld vom Bund. Und so einigten sich die Ministerpräsidenten auf einen gemeinsamen Vorschlag an Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble – und konnten sich damit nach veröffentlichter Lesart weitestgehend durchsetzen. Die zwischen Bund und Ländern am 14. Oktober 2016 vereinbarten Eckpunkte sehen vor, den Länderfinanzausgleich in seiner jetzigen Form abzuschaffen. Damit entfällt auch der Umsatzsteuervorwegausgleich. Der Länderanteil an der Umsatzsteuer wird grundsätzlich nach der Einwohnerzahl verteilt – allerdings modifiziert durch Zu- und Abschläge entsprechend der ebenfalls nach einer neuen Formel berechneten Finanzkraft. Im Ergebnis erfolgt der Finanzausgleich zukünftig im Wesentlichen bereits bei der Verteilung der Umsatzsteuererträge. Darüber hinaus wird der Bund zur Kasse gebeten: Auf insgesamt 9,5 Milliarden Euro sollen sich die diversen Sonderzahlungen summieren, die er dem Vernehmen nach künftig jährlich an die Länder überweisen muss. < Bund sichert sich Kompetenzen Im Gegenzug hat Finanzminister Wolfgang Schäuble dem Bund neue Zuständigkeiten gesichert. Die Länder wurden von den Medien zwar überwiegend als vermeintliche Gewinner der Neuregelung präsentiert, aber diese Lesart scheint sich doch sehr einseitig auf die zu zahlenden Beträge zu stützen. Schäuble gilt als ausgefuchster Politiker, der in langen Linien denkt. Daher ist es fraglich, ob ihm die neuen Kompetenzen für den Bund nicht – lapidar gesprochen – ein paar Milliarden wert waren. Zumal von den Sonderzahlungen des Bundes von 9,5 Milliarden Euro jährlich lediglich ein Anteil von 1,4 Milliarden dynamisiert werden soll, also im Lauf der Jahre bei steigenden Steuereinahmen automatisch wächst. Die Zeit wird zeigen, ob der Machtund Gestaltungsverlust die Länder auf Dauer nicht doch noch teuer zu stehen kommt. Denn die vom Bund gewonnenen Kompetenzen haben es in sich. Am augenfälligsten ist dabei die Absprache zur Gründung einer „unter staatlicher Regelung stehenden privatrechtlich organisierten Infrastrukturgesellschaft Verkehr“, wie es im Einigungspapier heißt. Ferner soll „das unveräußerliche Eigentum des Bundes an Autobahnen und Straßen im Grundgesetz festgeschrieben“ werden. Das ist umso bemerkenswerter, weil damit letzt- lich ein gegenteiliger Beschluss der Verkehrsministerkonferenz einkassiert wird. Wie die „In frastrukturgesellschaft Verkehr“ aussehen soll, ist indes noch völlig offen. Fraglich auch, ob damit – trotz anders anmutender Formulierungen – nicht weiteren vom Bundesrechnungshof bereits mehrfach kritisierten ÖPP-Projekten (Öffentlich-Private-Partnerschaften) der Weg bereitet wird. Genau das befürchten die dbb Fachgewerkschaften VDStra. und BTB; ebenso wie die bisher unabsehbaren Folgen für das Personal. Zwar heißt es in dem Papier, dass „die Interessen der Beschäftigten hinsichtlich Status, Arbeitsplatz und Arbeitsort beachtet werden“. Das aber ist als Formulierung viel zu ungenau, um den betroffenen Beschäftigten die Sorgen zu nehmen. Völlig zu Recht fordern VDStra. und BTB daher eine detaillierte Erklärung des Bundesverkehrsministers. Auch in anderen Bereichen hat der Bund neue Kompetenzen bekommen, die mindestens mittelbar Auswirkungen auf die Beschäftigten haben könnten. So sollen etwa die Onlineanwendungen der öffentlichen Verwaltung für alle Bürger und die Wirtschaft über ein zentrales Bundes-Bürgerportal er- reichbar gemacht werden. Auch die Länder hätten ihre Dienstleistungen darüber bereitzustellen. In der Steuerverwaltung wird der IT-Einsatz ebenfalls vereinheitlicht, der Bund erhält ein „erweitertes Weisungsrecht zur Gewährleistung gleicher Programmergebnisse und eines ausgewogenen Leistungsstandes“. Auch generell bekommt der Bund ein stärkeres allgemeines fachliches Weisungsrecht im Steuerbereich, soweit die Mehrheit der Länder nicht widerspricht. Welche Auswirkungen diese und die weiteren Vereinbarungen auf das Personal, insbesondere in den Landesfinanzbehörden, haben wird, dürfte sich erst nach der konkreten Umsetzung der beschlossenen Eckpunkte abzeichnen. < Ohne die Beschäftigten ist kein Staat zu machen „Mehr Transparenz und eine breitere öffentliche Debatte hätten den beteiligten Politikern gut zu Gesicht gestanden“, kommentierte der dbb Bundesvorsitzende Klaus Dauderstädt den Einigungsprozess. „Nun werden wir sehen, wie die vereinbarten Eckpunkte mit Leben gefüllt werden. Eine klare Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern ist natürlich zu begrüßen, aber es muss klar sein: Ohne die Beschäftigten ist kein Staat zu machen.“ ef < Infrastrukturgesellschaft Kurz vor Redaktionsschluss hat die dbb Bundesleitung ihre Posi tion zu der geplanten Infrastrukturgesellschaft des Bundes per Beschluss untermauert und konkretisiert. Für die Beschäftigten darf es demnach im Zuge der Veränderungen auf keinen Fall zu Verschlechterungen kommen. Dabei gehe es um den Status sowie Arbeitsplatz und Arbeitsort. Die Personalvertretungen sind einzubinden. Das unveräußerliche Eigentum des Bundes an Autobahnen et cetera soll grundgesetzlich festgeschrieben werden. > dbb magazin | Dezember 2016 21 analyse < Personalvertretungsrecht: Zukunft mitbestimmen akademie 22 Neue Gesetze und Erkenntnisse – wer im Personalvertretungsrecht am Ball bleiben will, muss sich fortbilden. Ob „alter Hase“ oder „junges Küken“: Für eine praxisnahe Personalratsarbeit ist Fortbildung unersetzlich, denn sie schafft die Basis für eine kompetente Interessenvertretung. Als Personalrat qualifiziert mitreden können und auf Augenhöhe verhandeln – das will gelernt sein. << Personalrat – immer eine Herausforderung 2016 war das Superjahr in Sachen Personalratswahlen: Beim Bund, in den Jobcentern und in insgesamt sechs Bundesländern wurden neue Personalräte und vielfach auch neue Jugend- und Auszubildendenvertretungen gewählt. Neben den wiedergewählten Personalräten sind ungefähr 85 Prozent neue Kolleginnen und Kollegen zum Personalrat gewählt worden, so die Einschätzung von Helmuth Wolf, verantwortlich für den Bereich Personalvertretungsrecht in der dbb akademie. „Für die dbb akademie sowie für unser sachkundiges und gut eingespieltes Dozententeam war das schon eine besondere Herausforderung: Kolleginnen und Kollegen aus den Dienststellen des Bundes und der Länder Bayern, Bremen, Hessen, Niedersachsen > dbb magazin | Dezember 2016 und Nordrhein-Westfalen haben ihren Schulungsbedarf angemeldet, um die für sie wichtigen Aufgaben rechts sicher und fachkompetent wahrnehmen zu können. Eine schwierige Aufgabe für die Dozenten – schließlich geht es darum, unterschiedliche Personalvertretungsgesetze, Hierarchieebenen von der Verwaltung eines Verfassungsorgans über Bundesund Länderministerien bis zur Samtgemeinde abzudecken.“ „Ein tolles Team!“, führt Wolf weiter aus, „aus gebuchte Veranstaltungen und zufriedene Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind der Lohn für die intensive Vorbereitung und Veranstaltungsdurchführung.“ << Mehr als Grundwissen Das Grundwissen für die Personalratstätigkeit haben sich nun viele der neu gewählten Personalräte angeeignet, jetzt geht es in die Praxis. „Auch wenn in den Grundschulungen viele wichtige Fragen für das neue Personalratsmitglied beantwortet worden sind, entwickelt sich das richtige Gespür für die Probleme der Beschäftigten und für den Umgang mit dem Dienstherrn erst allmählich“, so Wolf weiter. „Viele Fragen zu den einzelnen Sachverhalten ergeben sich erst in der laufenden Praxis, im täglichen Geschäft. Und dafür muss auch weitere Fachkompetenz aufgebaut werden.“ Tatsächlich unterliegt die Arbeit der Personalvertretung einem ständigen Wandel, viele über das reine Personalvertretungsgesetz hinausgehende Dinge gilt es zu beachten. Zur rechtssicheren und kompetenten Wahrnehmung der Beteiligungsrechte benötigen die Mitglieder der Personalvertretungen insbesondere auch über die Grundlagen des Personalvertretungsrechts hinausgehende vertiefende Kenntnisse. Die personalvertretungsrechtlichen Aspekte wie konkrete Beteiligungsrechte, Allgemeine Aufgaben, „Wächteramt“ und Recht und Billigkeit sind eine permanente Herausforderung. Erforderlich ist darüber hinaus auch ein Wissen über die anzuwendenden Begleitgesetze und Tarifverträge. Dazu gehören neben arbeitsrechtlichen Grundlagen auch Kenntnisse in den jeweiligen Tarifwerken, im Dienstrecht, im Arbeitsschutzrecht und vielen weiteren Bestimmungen. Auch sie unterliegen einem Wandel beziehungsweise einer Konkretisierung durch Rechtsprechung oder Rechtsänderungen. << Weitgefächertes Themenspektrum Ebenso wichtig ist es, die internen Handlungsabläufe in einem Personalratsgremium, die Fragen der täglichen Praxis und des Miteinanders vertiefend zu betrachten. Wie können beispielsweise Personalversammlungen erfolgreich gestaltet werden und wie lassen sich personalratsinterne Handlungsabläufe organisieren? Dazu gehört auch im Rahmen der Gestaltungsmöglichkeiten, Dienstvereinbarungen rechtssi- © Visual Concepts / Fotolia dbb < < Helmuth Wolf cher formulieren und zielgerichtet verhandeln zu können. Die Beschäftigten erwarten verständlicherweise von ihrem Personalrat ein ergebnisorientiertes Handeln. Personalratsarbeit beinhaltet daher nicht nur reine Rechtsanwendung, sondern verlangt auch Kenntnisse über die Regeln der Kommunikation und des Umgan- ges miteinander, vor allem in Konfliktsituationen. Die zu nehmende Abkehr vom hierarchischen Prinzip in der Personalführung des öffentlichen Dienstes verlangt nicht nur aufseiten der Dienststellenleitung, sondern auch von der Personalvertretung eine mehr partnerschaftliche, an zeitgemäßen Methoden des Personalmanagements orientierte Aufgabenwahrnehmung. << Fortbildung macht fit für die Amtsperiode „Wir machen Personalräte fit, ihre Aufgaben zu erfüllen. Wir können zwar nicht zaubern, aber viel durch passgenaue Fortbildung bewegen“, ist sich Wolf sicher. „Daher ist es unser Anliegen, gewählte Personalvertreter mit unserem Schulungsangebot durch die gesamte Amtszeit zu begleiten. Wir bilden mit unseren Seminaren das gesamte Wissensspektrum für die Personalratsarbeit ab.“ Gerne sind wir auch Partner in der Personalratsarbeit für weitere Themen in den Bereichen: >>Arbeits- und Tarifrecht >>Datenschutz >>Rechtliche Spezialthemen >>Gesundheitsmanagement >>Verwaltungsreform >>Informations- und Kommu nikationstechnik Unsere Veranstaltungen zum Personalvertretungsrecht bieten wir als offene Veranstaltungen im Jahresprogramm und als Inhouse-Schulungen an. Sollten Sie ein für Ihre Arbeit wichtiges Thema vermissen – wir bieten auch jederzeit individuelle Lösungen. Hier wie dort: Unsere Referenten verfügen über umfassende Kenntnisse und Erfahrungen. Ihre Fachbeiträge richten sich praxisbezogen und problemorientiert an den aktuellen Gegebenheiten aus. Nähere Informationen über unser Veranstaltungsspektrum finden Sie auf unserer Homepage www.dbbakademie.de. Ihre Ansprechpartner sind: Helmuth Wolf (Konzeption, Inhalte und Planung), Telefon 030.40816530, [email protected] Offene Seminare: Maria Herkenhöner (Orga nisation und Durchführung), Telefon 0228.8193171, m.herkenhoener@ dbbakademie.de Inhouse-Schulungen: Rita Genz (Organisation und Durchführung), Telefon 030.40816522, [email protected] 23 akademie © dbb dbb > dbb magazin | Dezember 2016 © thomaslerchphoto / Fotolia dbb Bundesfernstraßen – Abschied von der Auftragsverwaltung: Privatisierung um jeden Preis? Als der „Investitionsstau“ erfolgreich in die Schlagzeilen gebracht worden war und damit in die Köpfe vieler Bürger, hatten sie verloren. Denn wer war schuld an den bröckelnden Brücken und den löchrigen Straßen? Die Länder. Sie können es nicht – ein beliebter, wenn auch nicht immer belegbarer Spruch im politischen Berlin. Und so kam es, dass die Auftragsverwaltung bei den Bundesfernstraßen bald der Vergangenheit angehören wird. die andere meinung 24 Freilich ist die Verlagerung der Zuständigkeit für das Planen, Bauen und Erhalten von Fernstraßen von den Ländern zum Bund nur ein Mittel zum Zweck. Und der, das ist zuletzt immer deutlicher erkennbar geworden, läuft auf eines hinaus: die möglichst weitgehende Privatisierung der Autobahnen auch in Deutschland. Dem Bund ist gelungen, den Ländern ihre Aufgabe zu entwenden. In einem Koppelgeschäft im Zusammenhang mit der Neuordnung des Finanzausgleichs stimmten die Ministerpräsidenten im Oktober jener Grundgesetzänderung zu, die zum Aufbau einer eigenen Bundesverwaltung für die Fernstraßen führen wird. Völlig überzeugt davon waren und sind sie zwar nicht, aber sie gerieten in eine Erpressungs situation, die Bundesfinanz minister Wolfgang Schäuble, Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel und Verkehrsminister Alexander Dobrindt nun kaltschnäuzig ausnutzen. waltung wird freilich eine Doppelstruktur entstehen. Die Verantwortung für das Straßennetz wird geteilt – die Autobahnen beim Bund, der Rest bei den Ländern (und Kommunen). Was das für die Finanzierung bedeutet, kann man sich ausmalen. Dabei spricht nicht viel für eine Bundesverwaltung. Bei den Autobahnen geht es kaum noch um Neubau, um die Schließung von Lücken im Netz. Sondern um Ausbau und um Erhalt. Und das immer im Zusammenhang mit dem anliegenden Straßennetz. Während aber bisher die Landesverwaltungen darauf schauen konnten, dass Baumaßnahmen für Autobahnen, Bundesstraßen, Landesstraßen, Kreisstraßen, Ortsdurchfahrten einigermaßen koordiniert innerhalb einer Region verliefen, werden sich künftig bei vielen Maßnahmen eine Bundes- und eine Landesverwaltung absprechen müssen. Und die Bundesverwaltung wird mit 16 Regionalverwaltungen zu tun haben. Klingt das vernünftiger? Mit der Einführung einer zen tralisierten Fernstraßenver Aber der Politik in Berlin geht es eben weniger um das Verwal- > dbb magazin | Dezember 2016 ten der Fernstraßen als um deren Privatisierung. Zwar weisen alle Beteiligten das Ansinnen von sich, niemand wolle „jetzt“ eine Privatisierung. Aber der Boden wird bereitet, weil die Große Koalition die Zweidrittelmehrheit hat und die Länder in der Defensive sind. Dabei ist nicht entscheidend, ob die Gesellschaft, die der Bund gründen will, privatrechtlich organisiert wird oder öffentlich-rechtlich. Oder ob es möglich sein soll, Anteile an der Gesellschaft zu verkaufen. Mit einer eigenen Verwaltung wird es für den Bund einfacher, die Strategie der Vergabe von immer größeren Autobahnteilstücken an Private im Rahmen von öffentlich-privaten Partnerschaften (ÖPP) zu forcieren, die Dobrindt schon begonnen hat. So kommt das Autobahnnetz Stück für Stück an private Betreiber – für das halbe Dutzend großer Straßenbaukonzerne und Finanzinvestoren wie Versicherungen und Fondsanbieter eine feine Sache, erst recht, wenn die Pkw-Maut noch kommt, eine sichere, ergiebige Einnahmequelle in dem neuen System, das der Bund derzeit errichtet. Freilich sind die Finanzierungskosten von Privaten immer höher als die des Staates, und ihre Renditeerwartungen sind ebenfalls hoch. ÖPP sind daher oft kostenträchtiger als konventionell umgesetzte Projekte, worauf der Bundesrechnungshof gerade nochmals hingewiesen hat. Und ob mögliche Effizienzgewinne das ausgleichen, ist unsicher. Dass die Auftragsverwaltung besser gewesen ist als ihr Ruf, das wird in den Nachrufen und Rückblicken stehen – wenn man nach einigen Jahren mit der neuen Bundesautobahngesellschaft die Erfahrung gemacht haben wird, dass wenig oder nichts besser wurde, aber alles teurer. Noch wäre Zeit, sich anders zu besinnen – und zum Beispiel das Kompromissmodell der Verkehrsminister der Länder zu übernehmen, das dem Bund mehr Steuerungsmöglichkeiten einräumt. Aber wie es aussieht, will der Bund sein großes Zentralisierungsund Privatisierungsprojekt durchziehen. Albert Funk << Der Autor … … Jahrgang 1962, arbeitet als Korrespondent im Hauptstadtbüro des Berliner Tagesspiegels. Er ist Autor des verfassungshistorischen Überblicks „Kleine Geschichte des Föderalismus. Vom Fürstenbund zur Bundesrepublik“, erschienen bei Schöningh. Anmerkung der Redaktion Zum Redaktionsschluss wurde be kannt, dass Bundeswirtschaftsmi nister Sigmar Gabriel die Pläne zur Privatisierung der deutschen Auto bahnverwaltung vorerst gestoppt habe. Einem am 21. November 2016 erschienenen Pressebericht zufolge legte das Wirtschafsministerium Vor behalt gegen die für diese Privatisie rung vorgesehene Grundgesetzände rung ein. Gabriel, der sich mit dieser Entscheidung entschieden gegen die Pläne von Bundesfinanzminister Wolf gang Schäuble wendet, habe sich in der Ressortabstimmung vorbehalten, weitere Stellungnahmen abzugeben. << Info Der dbb gewährt den Einzelmitgliedern seiner Mitgliedsgewerkschaften berufsbezogenen Rechtsschutz. Pflichtverletzung: Disziplinarrechtliche Würdigung nicht zwingend Nicht jede Pflichtverletzung eines Beamten ist zwingend disziplinarrechtlich zu würdigen. In einem Rechtsschutzfall aus dem Bereich des Diszi plinarrechts vertrat das Dienstleistungszentrum Süd-West einen Kriminalbeamten. Der Beamte stand im Verdacht, gegen seinen unmit telbaren Vorgesetzten despektierliche Schreiben und E-Mails formuliert zu haben. Zudem soll er anlässlich einer dienstlich nicht veranlassten Fahrt aufgrund einer Ordnungswidrigkeit eines Verkehrsteilnehmers diesem gegenüber geäußert haben, „Sie sind krank“. Und schließlich ordnete er eine Durch suchungsmaßnahme gegen einen des Diebstahls Verdächtigen an und ließ diese durchführen. Diese Maßnahme war wegen einer lückenlosen Ob- Zuständig dafür sind die Juristen in den dbb Dienst leistungszentren in Berlin, Bonn, Hamburg, Nürnberg und Mannheim. Das dbb magazin dokumentiert den „Fall des Monats“. rechnet werden, ebenso wenig die beleidigende Äu ßerung an einen anderen Verkehrsteilnehmer, „Sie sind krank“. Strafrechtlich wurde dieses Verhalten als nicht nachweisbar strafwürdig eingestuft. Das Verwaltungs gericht Trier würde – selbst wenn die Äußerung so gefallen wäre, wie behauptet – hierin ein Spontanverhalten des Beamten sehen. Es handele sich um eine einmalige Entgleisung, die sowohl objektiv als auch subjektiv die Schwelle zu einem ahndungswürdigen Dienstvergehen nicht überschreite. Auch die unverhältnismäßige Durchsuchung bei einem Verdächtigen stelle ebenfalls keine ahndungswürdige Pflichtverletzung dar. Ein Beamter schulde lediglich eine „durchschnittliche Leistung“ und auch der fähigste Beamte servation des Verdächtigen unnötig gewesen. Der Dienstherr verhängte die Kürzung der Dienstbezüge um drei Prozent für die Dauer von 18 Monaten. Hiergegen wandte sich der betroffene Polizeibeamte mit Erfolg. Das Verwaltungsgericht Trier hob die Disziplinarverfügung mit Urteil vom 26. Juli 2016 (Az.: 3 K 695/16 DA) auf. Zur Begründung hieß es: Die despektierlichen Äußerungen gegenüber dem Vorgesetzten konnten nicht eindeutig dem betroffenen Beamten zuge- unterliege Schwankungen seiner Arbeitskraft. Ein einmaliges fahrlässiges Fehlverhalten könne nach Abwägung der Umstände des Einzelfalls nur im Ausnahmefall ein Dienstvergehen darstellen, nämlich wenn im Kernbereich der dem Beamten obliegenden Pflichten eine Tätigkeit in Rede steht, die wegen ihrer herausgehobenen Bedeutung erkennbar besonderer Sorgfalt bedarf (vgl. OVG RheinlandPfalz, Urteil vom 10. Mai 1999, Az.: 3 A 12725/08). Unter Anwendung dieser Maßstäbe lag kein das Disziplinarverfahren rechtfertigendes Verhalten des Beamten vor. ak Das schönste Titelbild 2016: Sie haben die Wahl! _0VJ74_dbb magazin_Januar_Februar 2016_S001.pdf; s1; (210.00 x 297.00 mm); 26.Jan 2016 15:55:12; PDF-CMYK ab 150dpi für Prinergy; L. N. Schaffrath DruckMedien dbb magazin 3 Januar/Februar 2016 – 67. Jahrgang _0YGF8_dbb magazin_April 2016_S001.pdf; s1; (210.00 x 297.00 mm); 29.Mar 2016 10:32:13; PDF-CMYK ab 150dpi für Prinergy; L. N. Schaffrath DruckMedien dbb magazin 4 März 2016 – 67. Jahrgang _0ZFI3_dbb magazin_Mai 2016_S001.pdf; s1; (210.00 x 297.00 mm); 02.May 2016 10:59:58; PDF-CMYK ab 150dpi für Prinergy; L. N. Schaffrath DruckMedien dbb magazin 5 April 2016 – 67. Jahrgang dbb Chef Klaus Dauderstädt, Willi Russ und Hans-Ulrich Benra Seite 12 < dbb Jahrestagung 2016: Herausforderung für die Demokratie – Politik contra Bürger? Arbeitsmarkt und Integration: Zukunft für alle Seite 4 < Interview: Detlef Scheele, BA-Vorstand für Arbeitsmarkt Seite 6 < Einkommensrunde 2016: Sechs Prozent sind konsequent Ausgabe 1/2 Ausgabe 3 9 Juli/August 2016 – 67. Jahrgang Zu kleine Schritte? Seite 4 < Interview: Kanzleramtsminister Peter Altmaier 6 Mai 2016 – 67. Jahrgang Seite 6 < Einkommensrunde 2016: September 2016 – 67. Jahrgang 10 dbb magazin Juni 2016 – 67. Jahrgang Ausbildung im öffentlichen Dienst: Seite 4 < Interview: Klaus Bouillon, Vorsitzender der Innenminister konferenz der Länder Seite 6 < Einkommensrunde 2016: 4,75 Prozent – vieles gestaltet – manches verhindert Volle Fahrt voraus? Seite 4 < Interview: Prof. Dr. Johanna Wanka, Bundes ministerin für Bildung und Forschung Seite 12 < Forum ÖFFENTLICHER DIENST: Zehn Jahre Föderalismusreform(en) Ausgabe 5 _131OQ_dbb magazin_Oktober 2016_S001.pdf; s1; (210.00 x 297.00 mm); 27.Sep 2016 13:36:51; PDF-CMYK ab 150dpi für Prinergy; L. N. Schaffrath DruckMedien dbb magazin Von Helfern zu Opfern? Auftakt in Potsdam Ausgabe 4 _12820_dbb magazin_September 2016_S001.pdf; s1; (210.00 x 297.00 mm); 29.Aug 2016 13:57:09; PDF-CMYK ab 150dpi für Prinergy; L. N. Schaffrath DruckMedien dbb magazin Migration und Integration: Postvertriebsstück • Deutsche Post AG „Entgelt bezahlt“ Interview: _11F3G_dbb magazin_Juli_August 2016_S001.pdf; s1; (210.00 x 297.00 mm); 21.Jul 2016 10:30:24; PDF-CMYK ab 150dpi für Prinergy; L. N. Schaffrath DruckMedien 7/8 dbb magazin Beschäftigte im öffentlichen Dienst: Seite 4 < Postvertriebsstück • Deutsche Post AG „Entgelt bezahlt“ Gefahr im laufenden Betrieb Postvertriebsstück • Deutsche Post AG „Entgelt bezahlt“ Postvertriebsstück • Deutsche Post AG „Entgelt bezahlt“ Personalmangel und Befristungen: _1047V_dbb magazin_Juni 2016_S001.pdf; s1; (210.00 x 297.00 mm); 27.May 2016 15:15:33; PDF-CMYK ab 150dpi für Prinergy; L. N. Schaffrath DruckMedien Postvertriebsstück • Deutsche Post AG „Entgelt bezahlt“ 1/2 _0XGNU_dbb magazin_März 2016_S001.pdf; s1; (210.00 x 297.00 mm); 26.Feb 2016 15:01:41; PDF-CMYK ab 150dpi für Prinergy; L. N. Schaffrath DruckMedien Ausgabe 6 _13YTI_dbb magazin_November 2016_S001.pdf; s1; (210.00 x 297.00 mm); 27.Oct 2016 16:27:44; PDF-CMYK ab 150dpi für Prinergy; L. N. Schaffrath DruckMedien dbb magazin Oktober 2016 – 67. Jahrgang 11 dbb magazin November 2016 – 67. Jahrgang 12 dbb magazin Dezember 2016 – 67. Jahrgang Behindertenpolitik: Ecken, Kanten, Stufen Seite 7 < Besoldung und Versorgung 2016: Zusagen werden eingehalten Ausgabe 7/8 Seite 4 < Interview: Verena Bentele, Behinderten beauftragte der Bundesregierung Seite 6 < Bürgerbefragung 2016: Starker Staat gefragt Ausgabe 9 11. dbb Medienkonferenz: Glaubwürdigkeit in Gefahr? Seite 8 < Fachgespräch im Bundestag: Beihilfesystem alternativlos Ausgabe 10 Seite 4 < Interview: Malu Dreyer, Vorsitzende der Rundfunkkommission der Länder Aufbruch ins Unbekannte Seite 9 < Änderung des Versorgungsrücklagegesetzes: Beamtenversorgung nachhaltig sichern Ausgabe 11 Seite 4 < Interview: Dr. Thomas de Maizière, Bundes minister des Innern Postvertriebsstück • Deutsche Post AG „Entgelt bezahlt“ Dr. Claudia Bogedan, Präsidentin der Kultusminister konferenz Postvertriebsstück • Deutsche Post AG „Entgelt bezahlt“ Flüchtlingsintegration: Seite 4 < Interview: Postvertriebsstück • Deutsche Post AG „Entgelt bezahlt“ Runter vom Elfenbeinturm Postvertriebsstück • Deutsche Post AG „Entgelt bezahlt“ Postvertriebsstück • Deutsche Post AG „Entgelt bezahlt“ Geisteswissenschaften: Zollhundeschule Bleckede: Seite 4 < Die Supernasen Seite 20 < interview: Jean-Claude Juncker, Präsident der EU-Kommission Auch 2016 hat sich die Redaktion bemüht, die Titelseiten der zehn Ausgaben des dbb magazins so ansprechend zu gestalten, dass sie das In teresse der Leserinnen und Leser auf sich ziehen. Jetzt haben Sie die Qual der Wahl: Welcher Titel hat Ihnen am besten gefallen? Nennen Sie uns unter dem Stichwort „dbb magazin“ bis zum 12. Januar 2017 Ihren Favoriten – und gewinnen Sie mit ein wenig Glück einen von drei Überraschungspreisen. Postanschrift: Redaktion dbb magazin, Friedrichstraße 169, 10117 Berlin; Fax: 030.40815599 oder E-Mail: [email protected]. Bund-LänderFinanzausgleich: Alles unklar Absender nicht vergessen! Ausgabe 12 > dbb magazin | Dezember 2016 25 service Der Fall des Monats Peter Atkins - Fotolia © Peter Atkins / Fotolia dbb dbb Zollkriminalamt: vorgestellt 26 Es ist erst ein paar Tage her, als der Zoll zu einem Medientermin einlud: 10 000 Flaschen „nicht genussfähigen Wodkas wegen 300-facher Überschreitung der zulässigen Menge an Methanol“ wurden in Bramsche nördlich von Osnabrück vernichtet. Die Ware stammte aus einer Sicherstellung im Zusammenhang mit einem umfangreichen Ermittlungsverfahren des Zolls. Daran beteiligt: das Zollfahndungsamt München. Es ist eines von acht dem Zollkriminalamt (ZKA) angeschlossenen Zollfahndungsämtern. Das Zollkriminalamt und die Zollfahndungsämter bilden gemeinsam den Zollfahndungsdienst. Das ZKA war bis zur Errichtung der Generalzolldirektion eine eigenständige Mittelbehörde. Seit dem 1. Januar 2016 wird es als funktionale Einheit im Verbund der bundesdeutschen Sicherheitsbehörden unter der Bezeichnung Direktion VIII/Zollkriminalamt innerhalb der Generalzolldirektion geführt. Seine Hauptaufgabe: die Bekämpfung mittlerer, schwerer und organisierter Zollkriminalität durchzuführen, zu koordinieren und zu unterstützen. „Die Zollfahndung ist die Kriminalpolizei des Zolls“, fasst Wolfgang Schmitz, stellvertretender Pressesprecher der Generalzolldirektion, Fachsprecher und Koordinator für den Zollfahndungsdienst, dessen breites Aufgabenspektrum zusammen. Dabei ist das Zollkriminalamt (ZKA) mit Sitz in Köln die Zen trale der Zollfahndung, wo die Fäden zusammenlaufen. Es koordiniert und lenkt auch die Ermittlungen der angeschlosse- > dbb magazin | Dezember 2016 nen Zollfahndungsämter in Berlin, Dresden, Essen, Frankfurt am Main, Hamburg, Hannover, München und Stuttgart. Insgesamt sind im ZKA und in den acht Ämtern 3 327 Mitarbeiter tätig. „Die Kolleginnen und Kollegen in den Zollfahndungsämtern leisten die Hauptermittlungsarbeit“, erläutert Schmitz. Das ZKA selbst ermittelt nur in besonders bedeutenden Fällen, etwa wenn es in der Exportkontrolle darum geht, die Ausfuhr von Giftgasanlagen oder atomwaffentauglichen Teilen aus deutscher Produktion in bestimmte Länder zu verhindern. Seit 2011 führt der Zollfahndungsdienst durchschnittlich 14 000 Ermittlungsverfahren pro Jahr in den Bereichen mittlere, schwere und organisierte Kriminalität, 2014 waren es sogar 14 657. << Im Einsatz gegen Organisierte Kriminalität Ein Arbeitsschwerpunkt des Zollfahndungsdienstes ist der Einsatz gegen die Organisierte < < Überwachungsmaßnahmen führen oft zum Erfolg. © ZKA (4) Zentrale für die Kriminalpolizei des Zolls Kriminalität (OK). „Dabei geht es um Aufdeckung und Zerschlagung organisierter Täterstrukturen“, macht Wolfgang Schmitz deutlich. Bis zu 100 Einzeltäter können solchen Gruppen angehören, die von einem Ziel geleitet sind: Gewinn- und Machtstreben. Sie planen ihre Straftaten mit hoher krimineller Energie, es geht um sämtliche strafrechtliche Delikte, etwa organisierten Zigarettenschmuggel, Geld wäsche, Alkoholschmuggel, Handel mit verbotenen Arzneimitteln. Rund 70 Ermittlungsverfahren jährlich betreffen den Bereich OK. „Das heißt, der dbb Angesichts der Tatsache, dass es zumeist um grenzüberschreitende Straftaten geht und „die Drahtzieher immer geschickter agieren“, wird internationale Zusammenarbeit gerade in diesem Bereich großgeschrieben. „Die Täter sind über Landesgrenzen hinweg vernetzt, also müssen wir dem auch bei unseren kriminaltaktischen Maßnahmen Rechnung tragen.“ Und je besser die internationale Zusammenarbeit aller zuständigen Behörden funktioniert, desto höher sind die Erfolgschancen. So werden Tätergruppen beispielsweise grenzüberschreitend observiert. Die Kooperation mit Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden endet dabei nicht an den Grenzen der Europäischen Union, sondern reicht weit über diesen „Tellerrand“ hinaus. Zudem sorgen 17 Zollverbindungsbeamte an europäischen Standorten sowie in China, Kolumbien, den USA und den Vereinigten Arabischen Emiraten dafür, dass die Kooperation vor Ort auf sicheren Fundamenten steht – etwa, wenn es um die Verfolgung von OK-Delikten in den Bereichen Rauschgift oder verbotene Arzneimittel geht. Mithilfe des zentralen Datensystems „Balkan-Info“ können beispielsweise sehr schnell verdächtige Lkw zur internationalen Fahndung ausgeschrieben werden. Auch im Bereich der Terrorismusbekämpfung läuft ein Erkenntnisaustausch schneller über Verbindungs beamte. Um doppelgleisige Ermittlungen zu vermeiden, haben Zoll und Polizei ihre Zusammenarbeit institutionalisiert. So wurde bereits 1970 die erste „Gemeinsame Ermittlungsgruppe Rauschgift“ (GER) in Hamburg gegründet. Das Ziel: fachliche Kompetenzen an einem Ort bündeln, Ermittlungen optimieren, Informationsverluste vermeiden, vorhandene Behördenstrukturen nutzen. Inzwischen arbeiten bundesweit 28 solcher GER. Auch bei Ermittlungen gegen Geldwäsche geht man diesen Weg. So wurde die erste „Gemeinsame Finanzermittlungsgruppe“ (GFG) in Wiesbaden, zu der Mitarbeiter des Zollkriminalamtes und er als einen der Aufgabenschwerpunkte den Kampf gegen illegale und gefälschte Arzneimittel an. Den Fahndern sei es gelungen, die sichergestellte Menge an Tabletten mit 3,9 Millionen Stück gegenüber 2014 annähernd zu vervierfachen, lobte der Minister. Die Zahl der Personen, gegen die der Zoll wegen Vergehen mit Medikamenten ermittelte, stieg von 3 100 (2014) auf 4 100 (2015). Wie bei Rausch- < < Schnelligkeit ist gefragt: Beamte im Einsatz. des Bundeskriminalamtes gehören, 1993 ins Leben gerufen, inzwischen gibt es weitere 16 GFG zwischen Zollfahndung und Länderpolizeien. Zudem werden im Rahmen einer „Europäischen Sicherheitsanalyse“ potenziell risikobehaftete Warensendungen mit Kontrollempfehlungen versehen und an die zuständigen Zollstellen innerhalb der EU weitergeleitet. So fließen aktuelle Trends und Hinweise ständig in diesen internationalen Analyseprozess ein und führen nicht nur zu Kontrollempfehlungen, sondern auch zu Ladeverboten für bestimmte Güter. Als Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble im April 2016 die Jahresbilanz der deutschen Zollverwaltung für das Jahr 2015 präsentierte, führte giften und Zigaretten gehe es den Fahndern auch in diesem Bereich, so macht Wolfgang Schmitz deutlich, nicht nur darum, Täter zu ermitteln und ihrer Bestrafung zuzuführen. „Vielmehr liegt uns hier auch der Schutz der Verbraucher besonders am Herzen.“ Leider würden die enormen gesundheitlichen Risiken, die mit solchen Produkten verbunden sind, allzu oft total unterschätzt. << Spezialeinheiten schützen Beamte „Gerade von OK-Tätern geht oft eine akute Gewaltbedrohung aus“, berichtet Schmitz weiter. Um dem wirksam zu begegnen, setzt der Zollfahndungsdienst Spezialeinheiten ein. Es gibt acht Observations- einheiten Zoll (OEZ) sowie die Zentrale Unterstützungsgruppe Zoll (ZUZ), die Schmitz als „GSG 9 des Zolls“ charakterisiert. Die ZUZ führt Zugriffsund Schutzmaßnahmen durch, bei denen besonders geschultes und ausgestattetes Personal notwendig ist. „Immer dann, wenn eine Gefahr für Leib und Leben der eingesetzten Zollbeamten besteht, wird die ZUZ gerufen“, sagt Schmitz. 50 Einsatzbeamte, in Köln stationiert, gewährleisten den Schutz von 40 000 Zollbeamten – und zwar bundesweit. 2015 bewältigten sie erfolgreich 85 Einsatzlagen. Auf traggeber der zentralen Unterstützungsgruppe sind meist Zollfahndungsämter oder Hauptzollämter, die bei ihren Ermittlungsverfahren Unterstützung brauchen. Meist geht es um die Durchsetzung strafprozessualer Maßnahmen gegen bewaffnete, gewaltbereite Täter. Haftbefehle vollstrecken, Durchsuchungen sichern oder auch die hochkomplexe Überwachung mit modernsten technischen Mitteln gehören zum Alltag von OEZ und ZUZ. Auch im Internet und dessen „Dunkelbereich“, dem Darknet, sind die Zollfahnder unterwegs. Auf diese Weise konnte beispielsweise der Lieferant der bei dem schrecklichen Amoklauf in München vom 22. Juli 2016 verwendeten Schusswaffe ermittelt werden. Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main – Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkri minalität – und das Zollfahndungsamt Frankfurt am Main nahmen den 31-jährigen Deutschen Mitte August in Marburg fest. Der Kontakt zwischen dem Waffenhändler und seinem Kunden war über einschlägige Foren im Darknet z ustande gekommen. Die Spezialisten der Observationseinheiten der Zollfahndung sowie der ZUZ sorgten im Auftrag der Frankfurter Zollfahnder während der geplanten Übergabe der Schusswaffe für eine sichere Festnahme. cok > dbb magazin | Dezember 2016 27 vorgestellt Zoll bearbeitet rund die Hälfte der bei den Bundesbehörden geführten Ermittlungsverfahren zur OK – und leistet so einen wichtigen Beitrag zur Inneren Sicherheit in Deutschland“, stellt Schmitz fest. dbb Parlamentarischer Abend der dbb jugend: Zehn Minuten für jeden Tisch Markus Klügel (3) Speeddating war angesagt beim Parlamentarischen Abend der dbb jugend Ende Oktober in Berlin: Die Nachwuchsgewerkschafter begrüßten hochrangige Parlamentarier zur angeregten Diskussion bei bester Stimmung. jugend 28 < < Ohne Adlerküken „Horst“, das Maskottchen der dbb jugend, kam auch der Chef der Jungen Union, Paul Ziemiak, nicht aus dem Speeddating heraus. Dafür sorgte dbbj-Chefin Sandra Kothe. < < Auf das Glöckchenklingeln genau zehn Minuten hatten die Abgeordneten, den jeweiligen Geprächspartnern aus den Reihen des dbb Bundesjugendausschusses ihre Positionen darzulegen. Danach mussten sie zum nächsten Tisch wechseln. Der Vorsitzende des Bundestagsinnenausschusses, Ansgar Heveling (CDU), und Barbara Woltmann (CDU), ebenfalls Mitglied des Innenausschusses, waren der Einladung ebenso gefolgt wie Junge-Union-Chef Paul Ziemiak, Kerstin Griese (SPD), die Vorsitzende des Aus- Beschäftigte des öffentlichen Dienstes. dbb jugend-Chefin Sandra Kothe erinnerte in ihrer Begrüßung an den tragischen Tod des bayerischen Polizeibeamten, der bei einem Einsatz tags zuvor von einem Anhänger der sogenannten „Reichsbürgerbewegung“ kaltblütig nie- schusses für Arbeit und Soziales, sowie Susanne Mittag (SPD), Polizeibeamtin mit 30 Jahren Berufserfahrung, die dem Innenausschuss angehört und zudem stellvertretende Vorsitzende des NSA-Untersuchungsausschusses ist. Jeweils zehn Minuten hatten die Abge- ordneten pro Tisch, an dem jeweils mehrere Gesprächspartner der dbb jugend – insgesamt 44 Mitglieder des Bundesjugendausschusses – saßen. Zentrales Thema war – aus traurigem aktuellen Anlass – die zunehmende Gewalt gegen dbb jugend magazin online „Von Wegläufern und Trebegängern“ titelt die DezemberAusgabe des dbb jugend magazin t@cker. „Das Jahr neigt sich dem Ende zu und so manchem ist vielleicht in der Tat zum Weglaufen angesichts der jüngsten Ereignisse insbesondere in der politischen Welt“, schreibt dbb jugend-Chefin Sandra Kothe im Editorial: „Nach wie vor erleben wir eine ernst zu nehmende terroristische Bedrohungslage, Terror und Bürgerkriege im arabischen Raum und auf dem afrikanischen Kontinent und eine Europäische Union, die spätestens seit dem Brexit angeschlagen und gespalten ist wie nie zuvor. Und zu guter (?) Letzt wird Donald Trump der nächste Präsident der USA – eine komplette „blackbox“, was die politischen Ziele und Instrumente angeht. Aber weglaufen? Ist nicht unser Ding. Im Gegenteil: noch mehr Gründe zu bleiben, laut und deutlich unsere Ausgabe dbb jugend magazin für junge 12 2016 leute im öff entlichen die nst Straßenso zialarbeit Berlin Von Weglä und Trebegufern ängern 16 2 “Die Unve rzichtbare n”: Bürg Neue Gesi erdialog: chter, neue Beru Worten müs fe sen Taten folge n 3 11 Weihnach tsge Frohes Fest ld: für alle? Hauptstad t: Unterweg s mit der Party-Tram Für Bauspar er fällt der Gabentisch Ihr könnt Euch näm lich zusätzlic zu Weihnachten üpp h über Ges ig chenke vom aus: Staat freu en. Seite 27 tacker_12_201 6.indd 1 20 UNICEF: Kinder sind die Hoffnung der Welt herausgeber: dbb jugend 16.11.2016 > dbb magazin | Dezember 2016 25 14:32:25 Meinung zu sagen, zu streiten und Kompromisse und Lösungen zu finden. Denn es lohnt sich, für unsere Werte zu kämpfen, jederzeit und an jedem Ort dieser Welt. In diesem Sinne wünscht Euch die Bundesjugendleitung einen schönen Dezember, besinnliche Weihnachten und einen guten Rutsch in ein hoffentlich gesundes, friedlicheres und erfreuliches neues Jahr!“ Der Dezember-t@cker handelt von den Herausforderungen der Straßensozialarbeit, beschäftigt sich mit dem Stand der Dinge in Sachen „Weihnachtsgeld“ (nicht für alle eine schöne Bescherung …) und stellt das UN-Kinderhilfswerk UNICEF vor, das in diesem Jahr seinen 70. Geburtstag feiert. t@cker lesen lohnt sich – also einfach direkt reinsurfen unter www.tacker-online.de! strafen aus. Außerdem solle ein Straftatbestand geschaffen werden, der Rettungskräfte umfasst. Innenausschuss-Vorsitzender Ansgar Heveling unterstützte die Einführung eines neuen Straftatbestandes: Der öffentliche Dienst brauche Schutz, schließlich hielten die Mitarbeiter für den Staat den Kopf hin. Barbara Woltmann betonte, dass die öffentlichen Arbeitgeber sichere Arbeitsplätze und Präventionstraining für Beschäftigte anbieten müssten, idealerweise bereits während der Ausbildung. Kerstin Griese forderte insgesamt mehr Respekt von Bürgern ebenso wie Arbeitgebern für die öffentlich Beschäftigten und begrüßte eine Gefährdungsbeurteilung für Arbeitsplätze nach dem „Aachener Modell“. Susanne Mittag zeigte sich fassungslos angesichts von Angriffen auf Rettungsdienste und bestätigte die zunehmende Respektlosigkeit quer durch alle Altersklassen und sozialen Schichten aus eigener Erfahrung im Polizeidienst. Die Vertreter der dbb jugend machten in den Gesprächen vor allem deutlich, dass die Beschäftigten gerade bei Anzeigen von Attacken besser von ihren Vorgesetzen unterstützt werden müssten – viel zu häufig würden Angriffe als Bagatellen heruntergespielt oder bewusst unter der Decke gehalten. iba dbb Chef Klaus Dauderstädt, der sich ebenfalls mit seinen Stellvertretern Astrid Hollmann, Hans-Ulrich Benra, Ulrich Silberbach und Claus Weselsky eingefunden hatte, unterstützte Kothe: Der dbb habe das Thema mit dem Bundesinnenministerium auf der Agenda und man werde auch weiterhin an einer besseren Rückendeckung für die Beschäftigten arbeiten. JU-Chef Paul Ziemiak machte sich in der Diskussion für Bodycams stark und sprach sich bei Straftaten für mehr Mindest- < < Redefreiheit – so weit das Auge reicht. > dbb magazin | Dezember 2016 29 jugend dergeschossen und seinen schweren Verletzungen wenig später erlegen war. „Es geht uns aber nicht nur um solche extremen Gewaltfälle, sondern auch um die mittlerweile ganz alltägliche Gewalt, die unsere Kolleginnen und Kollegen ertragen müssen. Dabei geht es nicht nur um physische Attacken, sondern auch um Missachtung, Beleidigung, Erniedrigung, Nötigung, Bedrohung. Auch das ist Gewalt und muss frühzeitig angegangen werden. Dafür brauchen unsere Kolleginnen und Kollegen die Unterstützung von Dienstherrn und Vorgesetzten“, betonte Sandra Kothe. dbb Drei Fragen an … … die Bundeswahlbeauftragte für die Sozialwahlen, Rita Pawelski: Wir vermissen die Unterstützung der großen bundesweiten Medien Im Rahmen der Sozialwahlen werden die Verwaltungsräte der gesetzlichen Krankenkassen und die Vertreterversammlun- benswirklichkeit der Versicherten und der Arbeitgeber sind. © BWB ? Alle sechs Jahre finden die Sozialwahlen in Deutschland statt. Können Sie kurz erklären, um was es bei diesen Wahlen geht? Selbstverwaltung ist wichtig! Darum meine Bitte: Nehmen Sie an den Wahlen teil! Es ist ganz einfach: Sie informieren sich auf der Homepage Ihrer Versicherung über die Listen, < < Rita Pawelski ist seit Oktober 2015 Bundeswahlbeauftragte für die Sozialversicherungs wahlen. Von 2002 bis 2013 gehörte die freie Journalistin dem Deutschen Bundestag an und engagierte sich unter anderem als Vorsitzende der AG Frauen der CDU/ CSU-Bundestagsfrak tion. Von 1990 bis 2002 war sie Mitglied des Landtages in Niedersachsen. nachgefragt 30 gen der gesetzlichen Rentenund Unfallversicherungsträger bestimmt. Diese Gremien sind die wichtigsten Elemente der Selbstverwaltung. Und diese Selbstverwaltung ist das Kernstück des deutschen Systems der Sozialversicherung. Selbstverwaltung bedeutet, dass sich die Mitglieder mittels ihrer gewählten Selbstverwalter selbst um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern. Das ist Mitbestimmung pur, das ist Demokratie in Reinform! Könnte man auf die Selbstverwaltung verzichten? Theoretisch wäre das denkbar! Aber was wäre die Alternative? Eine Staatsverwaltung? Die Privatisierung? Mit der Abschaffung der Selbstverwaltung würde ein bedeutender Teil unserer Mitbestimmung verloren gehen. Dann würden an entscheidender Stelle diejenigen fehlen, die als Betroffene nah an den Problemen und der Le- > dbb magazin | Dezember 2016 kreuzten auf dem Stimmzettel Ihren Favoriten an, stecken den Wahlzettel in den roten Umschlag und überlassen alles andere der Post. ? Für die kommenden Sozialwahlen 2017 wurden Sie als Bundeswahlbeauftragte ernannt. Was sind Ihre Aufgaben als Bundeswahlbeauftragte? Im engeren Sinn bin ich für die Setzung der nicht gesetzlichen Rahmenbedingungen und die Überwachung der Einhaltung der Regeln für die Sozialwahlen zuständig. Dazu gehört die Veröffentlichung von Bekanntmachungen im Bundesanzeiger, mit denen die Abläufe der Sozialwahlen gesteuert werden. So habe ich den Wahltag festgesetzt und veröffentliche die Wahlausschreibung mit der Bekanntgabe der wichtigsten Termine. Unverzichtbar für alle, die mit der Vorbereitung und Durchführung der Sozialwahlen betraut sind, ist der von mir veröffentlichte Wahlkalender. ? Die Sozialwahlen werden trotz ihrer enormen Bedeutung für die Versicherten und Rentner von vielen Menschen nicht wahrgenommen. Woran könnte dies Ihrer Ansicht nach liegen und wie könnte dies geändert werden? Ich gebe zu, die Sozialwahlen könnten bekannter sein, zumal sie die drittgrößten Wahlen in Deutschland sind. Wir werben und sprechen mit lokalen Zeitungen und Radiostationen, auf den Homepages der Ver sicherungsträger wird auf die Wahlen hingewiesen. Allerdings vermissen wir die Unterstützung der großen, bundesweiten Medien. Diese greifen dieses Thema leider nur sehr selten auf, was bei etwa 50 Millionen Wahlberechtigten gar nicht zu verstehen ist. Aber zur Pressefreiheit gehört leider auch, Themen zu ignorieren, die 90 Prozent der Bevölkerung angehen. Wir alle können die Bekanntheit der Sozialwahlen erhöhen, indem wir darüber reden ... mit Journalisten, Politikern, Meinungsträgern. Jeder kann ein Botschafter dieser Wahlen sein. Und darum bitte ich jetzt schon um Unterstützung, wenn wir die Redaktionen der Zeitungen besuchen. Mein Stellvertreter Klaus Wiesehügel und ich wollen Menschen aus der Selbstverwaltung mitnehmen, damit sie über ihre Erfahrungen berichten können. Und ich freue mich, dass das dbb magazin seinen Beitrag dazu leistet, über die Sozialwahlen zu informieren. Die Fragen stellte Wencke Riemer dbb Nachwuchskampagne für den öffentlichen Dienst: Verstärkung für „Die Unverzichtbaren“ „Die Unverzichtbaren“ sind weiter in aller Munde. Seit 2013 werben in der vom dbb initiierten Nachwuchskampagne für den öffentlichen Dienst junge Beamte und Arbeitnehmer an Tausenden Schulen der Sekundarstufe 1 auf Plakaten und Postkarten sowie im Internet für den größten, vielfältigsten und abwechslungsreichsten Arbeitgeber Deutschlands. Seit Ende November sind zwei weitere Berufsbilder am Start. Die von Politik, Arbeitgebern und Verbänden hochgelobte Kampagne hat mittlerweile mehr als zehn Millionen Kontakte erreicht und ist nach wie vor die einzige bundesweite Aktion, die aktiv um Nachwuchs für den gesamten öffentlichen Dienst wirbt – und das auf Augenhöhe: Junge „Unverzichtbare“, Beschäftigte aus unterschiedlichen Bereichen des öffentlichen Dienstes, zeigen „Gesicht“ für ihren Job und erläutern in Videoclips und Interviews, wie spannend der Dienst bei „Vater Staat“ ist – jetzt gibt es Verstärkung für „Die Unverzichtbaren“. Seit Ende November machen zwei weitere Gesichter Werbung für eine Karriere im öffentlichen Dienst – Plakate und Postkarten mit Lebensmittelkontrolleurin Dana Rostin und Stadtsekretär Seyhan Dursun weisen an rund 9 000 Schulen in Deutschland auf das Internetportal www.die-unverzichtbaren.de hin, wo die zwei jungen Beschäftigten und die anderen „Unverzichtbaren“ ihre spannenden Berufe vorstellen und es außerdem Informationen zu mehr als 100 Berufsprofilen und einen interaktiven Berufsfinder für den öffentlichen Dienst gibt. „Unsere Lebensmittel müssen sicher dafür stehe ich.“ richtseinheit zum öffentlichen Sektor und seinen Berufen für Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe 1, die den Pädagogen an den entsprechenden Schulen jährlich bundesweit zur freien Nutzung angeboten wird. sein – Dana Rostin Lebensmittelkontrolleurin entlichen Dienst und Dana im Weitere 150 Berufsprofile im Öff -unverzichtbaren.de Video-Interview auf: www.die In Blogs berichten zudem weitere junge Beschäftigte und Auszubildende über ihre Arbeit und ihre Motive. Auch im sozialen Netzwerk „Facebook“ haben die Unverzichtbaren natürlich einen Account. << Die Lehrermappe „Öffentlicher Dienst“ Ein weiteres Element der Kampagne ist die Lehrermappe „Öffentlicher Dienst“ mit einer komplett aufbereiteten Unter- << dbb Chef: Öffentlicher Dienst „unverzichtbar“ „Deutschlands öffentlicher Dienst ist weiterhin unverzichtbar“, betont dbb Chef Klaus Dauderstädt, „die Leistungen der deutschen Verwaltung finden weltweit Beachtung und Wertschätzung. Damit das auch so bleibt, brauchen wir mehr Unverzichtbare, wir brauchen die besten Köpfe im öffentlichen Dienst, damit Deutschland funktioniert.“ << Mehr Informationen online unter: www.die-unverzichtbaren.de und www.facebook.com/die-unverzichtbaren > dbb magazin | Dezember 2016 © Greg Brave / Fotolia dbb Lohngerechtigkeit: Über Geld spricht man bundesfrauenvertretung 32 Zufrieden, zu wenig, genug – konkreter antwortet in Deutschland kaum einer auf die Frage: Wie viel verdienen Sie? Mit dem Gesetz für mehr Lohngerechtigkeit soll sich das ändern. Beschäftigte sollen das Recht erhalten, sich künftig über in ihrem Betrieb gezahlte Löhne zu erkundigen. Vor allem Frauen sollen transparente Löhne helfen, in Gehaltsgesprächen besser zu verhandeln. Aus Sicht der dbb bundesfrauenvertretung bleibt das sogenannte „Lohngerechtigkeitsgesetz“ aber hinter allen Erwartungen zurück. Der vorliegende Gesetzentwurf vom 27. Oktober 2016 räumt Beschäftigten in Betrieben mit mehr als 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einen individuellen Auskunftsanspruch ein. Damit werden mehr als 14 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer das Recht haben zu erfahren, wie sie im Vergleich zu anderen bezahlt werden. << Prüfverfahren für große Unternehmen In tarifgebundenen Unternehmen oder Betrieben, die verbindlich einen Tarifvertrag anwenden, sollen die Beschäftigten ihren individuellen Auskunftsanspruch künftig über die Betriebsräte wahr-nehmen. In Betrieben ohne Betriebsrat und ohne Tarifvertrag sollen Arbeitnehmende ihren Auskunftsanspruch direkt gegenüber dem Arbeitgeber geltend machen. Wo es keinen Be- > dbb magazin | Dezember 2016 triebsrat, aber einen Tarifvertrag gibt, sollen dem Gesetzestext zufolge Vertreter von den regionalen Tarifparteien benannt werden, die dann anstelle des Betriebsrates Fragen zum Gehalt beantworten. Auch im öffentlichen Dienst sollen Beschäftigte einen Auskunftsanspruch erhalten. Ergibt eine solche Nachfrage, dass tatsächlich ungerechtfertigt zu wenig Lohn gezahlt wurde, können sich Betroffene auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) berufen und ihren Anspruch auf Nachzahlung geltend machen. Zudem fordert der Gesetzgeber Unternehmen ab 500 Mitarbeitern dazu auf, alle fünf Jahre Prüfverfahren durchzuführen. Unternehmen gleicher Größe, die lageberichtpflichtig sind (Kapitalgesellschaften), müssen zudem regelmäßig über ihre Lohnstrukturen, Ent- geltgleichheit und ihren Maßnahmen zur Gleichstellung berichten. Das betrifft rund 4 000 Unternehmen in Deutschland mit insgesamt 6,6 Millionen Beschäftigten. << Erwartungen nur teilweise erfüllt Die dbb bundesfrauenvertretung bezweifelt, dass durch das im Entwurf vorliegende Gesetz das Ziel einer tatsäch lichen substanziellen Verbes serung des Gender Pay Gap erreicht werden kann. Im laufenden Verfahren habe das Gesetz gegenüber der ursprüng lichen Entwurfsfassung vom 9. Dezember 2015 deutlich an Schlagkraft eingebüßt. Zu deutlich sei die Handschrift der Gesetzesgegner darin zu erkennen, lautet die Kritik. „Auch nach dem neuen Gesetzentwurf werden nach wie vor erhebliche Bereiche, in denen Lohndiskriminierung stattfindet, ausgespart: Zwar wurde die Grenze für den individuellen Auskunftsanspruch von 500 auf 200 Beschäftigte her- abgesetzt. Viele Frauen arbeiten aber gerade in Betrieben und Unternehmen, in denen diese Grenze nicht erreicht wird. Dort wird Lohndiskriminierung ungehindert weiter stattfinden können“, kritisiert Helene Wildfeuer, Vorsitzende der dbb bundesfrauenvertretung. Nicht nachvollziehbar sei zudem, dass es keine Verpflichtung für geeignete Prüfverfahren geben solle. „Das wirksamste Instrument aus dem ursprünglichen Gesetzentwurf ist verschwunden. Geblieben ist lediglich eine bloße Aufforderung, Entgeltregelungen und Entgeltbestandteile alle fünf Jahre zu prüfen“, so die Vorsitzende. Erschwerend komme hinzu, dass Unternehmen frei wählen könnten, nach welcher Methode sie die freiwillige Prüfung durchführen möchten. „Eine statistische Vergleichbarkeit ist damit nicht mehr gegeben“, so Wildfeuer. Um die Position der Betriebsund Personalräte im Zuge des Gesetzesverfahrens zu stärken, kommt aus Sicht der dbb bundesfrauenvertretung nur eine ausdrückliche Verankerung im Kernbereich der Aufgaben der Beschäftigtenvertretungen in Betracht. „Die dazu ursprünglich vorgesehenen ausdrücklichen Änderungen im Betriebsverfassungsgesetz und im Bundespersonalvertretungsgesetz sieht der vorliegende Gesetzentwurf nicht mehr vor. Wir hätten uns hier eine eindeutige Regelung gewünscht, die die Durchsetzungskraft von << Info Wer sich wie gut bezahlt fühlt Reden übers Einkommen ist in Deutschland noch immer ein Tabu: 66 Prozent reden nicht über ihr Gehalt, 41 Prozent wissen noch nicht einmal, wie viel ihr eigener Partner verdient. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Infratest dimap im Auftrag des Saarländischen Rundfunks fühlen sich 55 Prozent der Deutschen angemessen und nur drei Prozent zu gut bezahlt. 41 Prozent hingegen finden, sie werden zu schlecht für ihre Arbeit entlohnt. dbb Tradierte Rollenvorstellungen aufbrechen Positiv wertet die dbb bundesfrauenvertretung die durchge- „Der öffentliche Dienst lehrt uns eines: Transparente Entgeltstrukturen allein sorgen nicht für Lohngleichheit. Trotz Tarif- und Besoldungstabellen finden wir auch hier Verdienstunterschiede von durchschnittlich acht Prozent.“ bas @ © Frank Nürnberger/BPW Die Begrenzung des Geltungsbereiches des individuellen Auskunftsanspruchs erst ab 200 Beschäftigte für den Bereich der Dienststellen des öffentlichen Dienstes spiele nicht dieselbe tragende Rolle wie in der freien Wirtschaft. Schließlich würden Entgelte im öffentlichen Dienst durch Tarifverträge und Besoldungstabellen geregelt. Dass das vorliegende Gesetz maßgeblich zu mehr Lohntransparenz beitragen wird, stellt Helene Wildfeuer jedoch infrage. Equal Pay Day Fachtagung am 19. Oktober 2016 im BMFSFJ in Berlin < < Seit zehn Jahren macht die Initiative Equal Pay Day auf die geschlechterbedingten Lohnunterschiede in Deutschland aufmerksam. Im Oktober 2016 startete die Kampagne zum zehnten Equal Pay Day im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) in Berlin: Helene Wildfeuer (Zweite von rechts) war für die dbb bundesfrauenvertretung vor Ort. Sie erneuerte ihre Forderung nach gendergerechten Beurteilungsverfahren im öffentlichen Dienst. Hier im Gespräch mit Jutta Allmendinger, der Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB), Christine Morgenstern, Abteilungsleiterin Gleichstellung im BMFSFJ (Dritte und Vierte von rechts) und der Familienrechtlerin Lore Maria Peschel-Gutzeit (ganz rechts). Gefahren der Digitalisierung: Belastung weiblicher Beschäftigter im Blick behalten © foxyburrow / Fotolia Die dbb bundesfrauenvertretung hat es sich zur Aufgabe gemacht, den digitalen Wandel im öffentlichen Dienst für Frauen aktiv mitzugestalten. „Der digitale Wandel ist ein Prozess, dessen Ende bisher noch keiner vorhersagen kann. Deshalb raten wir allen weiblichen Beschäftigten im öffentlichen Dienst, sich aufmerksam mit den angesteuerten Veränderungen auseinanderzusetzen“, sagte Helene Wildfeuer, Vorsitzende der dbb bundesfrauenvertretung, im Interview mit „Perspektive Wiedereinstieg“, dem Lotsenportal für Wiedereinsteigerinnen und Berufsrückkehrerinnen. Wildfeuer machte deutlich, dass es keine Lösung sei, sich dem Druck der ständigen Erreichbarkeit zu unterwerfen. „Das führt langfristig zu hohen psychischen und gesundheitlichen Belastungen, die bis zum Burn-out gehen können. Davon hat keiner was. Hier sind die Dienstherren und Arbeitgeber gefragt, sich mit den Beschäftigtenvertretungen an einen Tisch zu setzen, um die gesundheitsschutzrechtlichen Rahmenbedingungen festzulegen“, hob die Vorsitzende heraus. Gemeinsam mit dem dbb habe die bundesfrauenver tretung aus diesem Grund die Initiative „diskriminierungsfreies Fortkommen“ im öffentlichen Dienst ins Leben gerufen. „Es geht uns darum, die Beurteilungsmaßstäbe und Beförderungspraktiken im öffentlichen Dienst gender gerecht zu modernisieren und ins digitale Zeitalter zu überführen“, führte Wildfeuer aus. Auf Bundes- und Landesebene würden derzeit Gespräche geführt, um das Bewusstsein der Dienstherren zu schärfen. > dbb magazin | Dezember 2016 33 bundesfrauenvertretung << hende Einbeziehung des öffentlichen Dienstes. EQUAL PAY DAY Betriebs- und Personalräten stärkt, etwa durch die Ver größerung der Gremien oder verbesserte Unterrichtungs ansprüche und Freistellungs regelungen. Zwar ist die geschlechterbedingte Lohnlücke in Betrieben mit Betriebsräten und geltenden Tarifverträgen geringer als im Durchschnitt. Aber sie besteht dennoch“, erläutert Wildfeuer und verweist auf die geltende Rechtslage. „Bereits heute haben Betriebsräte das Recht, Einblick in die Lohn- und Gehaltslisten der Beschäftigten zu nehmen. Das sieht das Betriebsverfassungsgesetz für Betriebe mit mehr als 200 Beschäftigten vor. Eine konsequentere Durchsetzung dieser Regelung kann auch das neue Gesetz nicht herbeiführen“, so Wildfeuer. dbb Drei Fragen an ... ... Dr. Christina Boll, Forschungsdirektorin am Hamburgischen WeltWirtschaftsInstitut (HWWI): Lohngerechtigkeit: Abbau echter Diskriminierung ist das Ziel ist, um den Talentpool Deutschlands besser auszuschöpfen und damit fitter im Wettstreit mit anderen Volkswirtschaften dazustehen. Hier ist schon vor Verabschiedung des Gesetzes viel ins Rollen gekommen, und das ist gut so, denn es geht hier nicht um eine Verteilungsfrage, sondern um Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit u nseres Landes. Warum tut sich Deutschland so schwer, die Lohnlücke zu schließen, und was wäre nötig, um hierzulande Lohngerechtigkeit herzustellen? bundesfrauenvertretung Der zweite Prüfauftrag betrifft die Arbeitsbewertung: Werden gleich anspruchsvolle Tätigkeiten auch im Gehalt gleich eingruppiert, unabhängig vom Frauenanteil in diesen Tätigkei- > dbb magazin | Dezember 2016 Wo sehen Sie Nachbesserungsbedarf für den Bereich öffentlicher Dienst? Wie können hier Entgeltunterschiede behoben werden? © HWWi 34 Christina Boll: Die Lohnlücke zu schließen, wäre an sich nicht das richtige Ziel. Echte Diskriminierung abzubauen, ist das Ziel. Solange Menschen – seien es Frauen oder Männer – andere Jobat tribute wie beispielsweise sinnstiftendes oder selbstbestimmtes Arbeiten höher gewichten als ein maximales Gehalt, ist hieran nichts zu kritisieren. Gehaltsunterschiede können also auch Spiegelbild unterschiedlicher Arbeitnehmendenwünsche sein. Aber es kommt in der Tat auf die Wahlmöglichkeiten an. Wenn ein Geschlecht systematisch benachteiligt wird, ist das Diskriminierung, die abzubauen ist. Im Einzelfall lässt sich dies aber nur auf einzelbetrieblicher Ebene klären. Daher lautet der erste Prüfauftrag an die betriebliche Ebene, genau hin zuschauen, ob bei allen lohn relevanten Merkmalen beide Geschlechter dieselben Zugangschancen haben. Der Staat ist hier im Zusammenhang mit den flankierenden institutionellen Rahmenbedingungen und Sozialpolitiken gefragt: Welche Anreize werden für eine Erwerbsaufnahme und hohe Verdienste von Frauen im Steuer- und Sozialsystem gesetzt? Ist eine umfängliche Erwerbstätigkeit seitens der vorgehaltenen Infrastruktur überhaupt realisierbar? < < Dr. Christina Boll ist Forschungsdirektorin am Hamburgischen WeltWirtschaftsInstitut (HWWI) und leitet dort den Bereich „Arbeit, Bildung und Demografie“. Sie beschäftigt sich seit vielen Jahren mit den Zusammenhängen von Arbeitsmarktsegregation und Einkommensstrukturen. In einer aktuellen Studie analysiert sie den Einfluss von unterschiedlichen Faktoren, unter anderem von Arbeitszeit auf den Gender Pay Gap in den europäischen Ländern. ten? Hier haben die Tarifvertragsparteien eine zentrale Funktion. Der dritte und letzte Prüfauftrag betrifft uns alle, Gesellschaft, Politik und Wirtschaft: Warum werden Männer und Frauen für gleiche Merkmale teils unterschiedlich bezahlt? Warum zum Beispiel wird Teilzeit im Lohn bei Männern stärker abgestraft als bei Frauen? Auch hier sind voreilige Schlüsse auf Diskriminierung verfehlt, Messfehler in den Daten könnten die Ursache sein. Jedoch wirft der Sachverhalt auch ein Licht auch auf die Bedeutung von Geschlechterrollen und gesellschaftlich akzeptiertem und nicht akzeptiertem Verhalten. Auch Männer können Opfer von Diskriminierung sein. Wie muss ein Lohngerechtigkeitsgesetz ausgestaltet sein, um in Deutschland den gewünschten Effekt zu erzielen? Christina Boll: Ein Gesetz ist nicht in der Lage, Ergebnisgerechtigkeit in den Löhnen herzustellen, wie auch immer man Letztere definiert. Dies ist auch gar nicht erstrebenswert. Erstrebenswert ist vielmehr, Prozesse transparenter zu gestalten. Dies will das Gesetz, und dies wird es auch erreichen. Mehr Transparenz kann sowohl für Arbeitnehmende als auch für Arbeitgebende nützlich sein: für Arbeitgebende, die darlegen können, wo Differenzierung nach den Gesetzen des Marktes angebracht sein kann. Und aufseiten der Arbeitnehmenden, die mögliche strukturelle Ungerechtigkeiten thematisieren können. Durch Transparenz kommt ein gesellschaftlicher Diskurs in Gang, der überfällig Christina Boll: Der Staat sollte als Arbeitgeber beim Thema Lohngerechtigkeit mit großem Vorbild vorangehen. Studien zeigen, dass die Lohnlücke im öffentlichen Dienst zwar regelmäßig ge ringer ist als in der Privatwirtschaft. Doch auch hier bleibt zu fragen: Haben Frauen bei gleicher Eignung wirklich dieselben Chancen auf höherwertige Jobs und Spitzenämter wie Männer? Dies ist das Thema der Zugangschancen, siehe oben. Und ein zweiter Prüfauftrag ergeht an die Tarifvertragsparteien: Folgt die Besoldung wirklich stringent den Ergebnissen der Arbeitsbewertungsverfahren? Zwar werden nach Besoldungsrecht gleiche Tätigkeiten gleich bezahlt, aber wie steht es um die Eingruppierung der Stellen, die überwiegend von Frauen ausgeübt werden? Die Fragen stellte Birgit Strahlendorff Das ausführliche Interview mit Dr. Christina Boll in der November-Ausgabe von frauen im dbb im Internet: www.frauen.dbb.de. © Gebi / Fotolia dbb Populistische Tendenzen in Europa: Positive Anreize gegen Hetzer setzen Bereits bei den Wahlen zum Europäischen Parlament im Jahre 2014 machten neben der britischen UK Independence Party (UKIP) auch andere europa populistische Parteien wie die Alternative für Deutschland (AfD), der französische Front National (FN) oder die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) durch größere Wahlerfolge auf sich aufmerksam. Dieser Trend ist auch auf mitgliedstaatlicher Ebene zu beobachten; in manchen EU-Staaten sind Populisten bereits fest in den jeweiligen Parteiensystemen etabliert. So erhielt die Dänische Volkspartei bei der Parlamentswahl im Juni 2015 über 21 Prozent der Stimmen und sorgte für eine Niederlage der zuvor regierenden sozialdemokratischen Partei. In Ungarn regiert der Ungarische Bürgerbund (Fidesz) mit absoluter Mehrheit und blockiert vertiefende Integrationsschritte in der Flüchtlings- und Asylpolitik auch europäische Lösungen. Stärkste Kraft bei den Wahlen zum polnischen Sejm im Oktober 2015 wurde die rechtspopulistische Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS). Als eine ihrer ersten Handlungen verbannte die neu gewählte Ministerpräsidentin Beata Szydło symbolträchtig alle EUFlaggen aus dem Pressesaal ihres Amtssitzes. Bei der öster- reichischen Bundespräsidentenwahl im April 2016 erhielt der FPÖ-Kandidat Norbert Hofer die meisten Stimmen und verfehlte im Mai 2016 bei der Wiederholung der Stichwahl nur knapp den Wahlsieg gegen den unabhängigen Kandidaten Alexander Van der Bellen. In Finnland und Lettland sind die europapopulistischen Parteien Wahre Finnen (PS) und Nationale Vereinigung „Alles für Lettland!“ (VL!) Teil der jewei ligen Regierungskoalition. Sogar in Deutschland, das jahrzehntelang als besonders europaphiler „Musterknabe“ galt, legte die AfD gerade durch ihre Ablehnung der Flüchtlingspolitik der Bundesregierung bei Landtagswahlen im Jahre 2016 und auch in bundesweiten Umfragen in der Wählergunst zu. Aber nicht nur Rechtspopulisten fordern die etablierten (Regierungs-)Parteien in nationalen und europäischen Wahlen heraus. In den von der Eurokrise besonders betroffenen südeuropäischen Mitgliedstaaten erzielten linkspopulistische Parteien wie Syriza in Griechenland oder die spanische Podemos aufsehenerregende Wahlerfolge. All diesen Parteien und Bewegungen ist eine populistisch-europaskeptische Rhetorik gemeinsam, die im Falle von harten Europapho bikern wie Marine Le Pen, Nigel Farage oder Geert Wilders zu einem regelrechten EU-Bashing ausarten kann. Dieses schürt vor allem Vorurteile und Feindbilder über die Europäische Union. Gefährlich werden derartige Vorurteile und Feindbilder, wenn sie von größeren Gruppen der Bevölkerung ungeprüft übernommen werden und eine rationale Auseinandersetzung mit politischen Problemen und Konflikten unmöglich gemacht wird. Das bisher stärkste Beispiel einer populistisch geprägten Debatte, die die Zukunft der Europäischen Union nachhaltig beeinflussen wird, ist der negative Ausgang des britischen EU-Referendums, der ganz Europa und selbst Brexit-Befürworter kurzzeitig in Schockstarre versetzte. << Was tun gegen den europaweiten Populismus? Die Strategien im Umgang mit europapopulistischen Parteien beziehungsweise Argumentationen in den Mitgliedstaaten sind vielfältig. Sie reichen von Banalisierung, Tabuisierung oder Ausschluss aus dem politischen Betrieb und Diskurs bis hin zu deren Einbindung oder Nachahmung. Die weiterhin abnehmenden Zustimmungswerte und Wahlergebnisse etablierter Parteien sowie die generell stagnierenden Parteibindungen sollten jedoch pessimistisch stimmen, was den Erfolg solcher Strategien in der Politik betrifft. Europaskeptizismus muss nicht per se destruktiv wirken. Doch der pauschale Vorwurf von Populismus und gleichzeitig die Tabuisierung von EU-Kritik impliziert meist auch eine Abwertung der Anhänger populistischer Parteien und die Mar- ginalisierung ihrer Sorgen und Ängste. Dies hat wie die Nachahmung populistischer Strategien eine gegensätzliche Wirkung und führt eher zu einer stärkeren Hinwendung zu populistischen Parteien und Bewegungen. Dabei muss auch einem Transfer der populistischen Schlagworte in den politischen Mainstream ent gegengewirkt werden, um zu verhindern, dass diese von anderen Parteien als salonfähig übernommen werden. Doch allein Fakten und eine Versachlichung europapopulistischer Diskurse werden nicht ausreichen, den Ängsten sowie der Unzufriedenheit und dem Misstrauen gegenüber der Politik auf mitgliedstaatlicher Ebene zu begegnen: Auch der in Medien und von Politikern auf mitgliedstaatlicher und EU-Ebene schon beinahe inflationär wiederholte Satz, man müsse die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger ernst nehmen, läuft ins Leere, wenn die politischen Akteure es nicht schaffen, zusätzlich positive Anreize gegen Hetzer zu setzen und das Vertrauen in die Demokratie, ihre repräsentativen Institutionen und die Europäische Union zu stärken. Julia Klein << Info Julia Klein ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Koordinatorin des Projekts „TruLies – The Truth about Lies on Europe“ des Instituts für Europäische Politik (IEP). Das Projekt hat sich die Versachlichung der Debatte zu Europa in Deutschland zur Aufgabe gemacht. Weitere Informationen auf der Projekthomepage: www.trulies-europe.de > dbb magazin | Dezember 2016 35 europa Eine Zunahme EU-skeptischer oder sogar europafeindlicher Parteien und sozialer Bewegungen, die sich populistischer Methoden bedienen, ist schon länger zu beobachten. Europas Multikrisen – seien es die um Staatsverschuldung und Wirtschaft oder zuletzt die Flüchtlingsproblematik – sowie die schon länger vorhandenen „Baustellen“ des institutionellen Konstrukts der Europäischen Union bieten den Kontext für eine verstärkte Ablehnung der europäischen Integration. dbb Vorgestellt: Uwe Beckmann © privat aus Herten, Jahrgang 1960, ist seit 2011 Ver sichertenvertreter in der Vertreterversammlung der Verwaltungsberufs genossenschaft (VBG) „ Als Versichtertenvertreter in der Vertreterversamm lung der VBG habe ich die Möglichkeit, auch auf den Unfallschutz der Beschäftigten Einfluss zu nehmen und diesen verantwortlich zu gestalten. Ferner ist es mir ein besonderes Anliegen, auch die Interessen der Mitarbeiter der Berufsgenossenschaft im höchsten Selbstverwaltungsorgan zu vertreten. “ Zahlreiche Versicherte und Rentner fühlen sich in den Fachgewerkschaften und Verbänden unter dem Dach des dbb gut vertreten. Damit ihre Interessen auch in den Selbstverwaltungsorganen der Sozialversicherungsträger mit Nachdruck geltend gemacht werden, tritt der dbb bei der kommenden Sozialwahl im Mai 2017 wieder mit eigenen Kandidaten an. Das dbb magazin wird bis zum Wahl termin in loser Folge Bewerber vorstellen, die mit eigenen Worten über die Beweggründe für ihre Kandidatur Auskunft geben. dbb Geschenktipp für Kinder und Enkel – Kombination aus Sparkonto und Bausparvertrag mit drei Prozent Zinsen: Jetzt noch alle Geldgeschenke sichern! vorsorgewerk 38 Sichern Sie sich bis zum Jahresende alle Förderungen vom Staat – Geschenke, die Sie sich nicht entgehen lassen sollten. Der langjährige Kooperationspartner des dbb vorsorgewerk, die Wüstenrot Bausparkasse, legt attraktive Extras obendrauf. Wer sich mit dem Gedanken trägt, einen Bausparvertrag abzuschließen, sollte das noch schnell vor Jahresende tun und sich somit rückwirkend die vollen Zuschüsse für 2016 sichern. Geldgeschenke vom Staat, die angesichts von Minizinsen und schwankenden Kapitalmärkten umso interessanter werden. Ganz gleich, ob Sie eine Immobilie kaufen oder mit einer Renovierung für den Werterhalt Ihrer Immobilie sorgen, ob Sie für später planen oder sofort loslegen möchten – mit einer Immobilie investieren Sie in die Zukunft und schaffen bleibende Werte. Für all Ihre Vorhaben bietet das dbb vorsorgewerk in Kooperation mit Wüstenrot individuelle Möglichkeiten und exklusive Vorteile. So sparen dbb Mitglieder und ihre Ange- > dbb magazin | Dezember 2016 hörigen bei Abschluss eines Bausparvertrages die halbe Abschlussgebühr. << Große Geschenke für kleine Baumeister Aufbauen macht Spaß! Das verstehen Kinder ganz von selbst. Aber mit den „Bausteinen“, die auf Dauer wichtig werden, brauchen sie die Hilfe der Großen. Mit dem Geschenk zum Fest für die Zukunft der Kinder oder Enkelkinder vorsorgen – das geht bei einem Bausparvertrag schon mit klei- nen Beträgen ab 25 Euro. Der Staat und Wüstenrot steuern ebenfalls etwas bei. Wenn Eltern oder Großeltern dem Nachwuchs etwas Gutes tun und Geld anlegen möchten, fällt die Wahl schwer. Eine sinnvolle Möglichkeit: ein Geschenk-Bausparvertrag mit Jugendbonus und staatlicher Förderung. Von der staatlichen Bausparförderung können Kinder und Jugendliche auch ohne eigenes Einkommen profitieren. Denn die Wohnungsbauprämie gibt es auch für sie. Alle, die noch vor dem 25. Geburtstag einen Bausparvertrag abschließen, gilt: Nach sieben Jahren kann frei über das gesamte Guthaben verfügt werden – inklusive staatlicher Wohnungsbauprämie! Unter 25 Jahren gibt es von Wüstenrot obendrein einen attraktiven Jugendbonus von bis zu 200 Euro. Wichtig für Eltern oder Großeltern, die eine solche Anlageform als Weihnachtsgeschenk ins Auge fassen: In der Besparung bleibt man flexibel, sie kann in der Höhe geändert oder zeitweise ausgesetzt werden. Auch ein- © dbb vorsorgewerk © Style-Photography / Fotolia Die Vorfreude auf Weihnachten steigt, bald dürfen wir wieder hübsch geschmückte Päckchen auspacken. Für Bausparer fällt der Gabentisch noch üppiger aus: Sie können sich nämlich zu sätzlich über Geschenke vom Staat freuen. malige Einlagen sind möglich. Exklusiver Vorteil: Bei Bausparverträgen für Kinder oder Enkelkindern von Einzelmitgliedern eines Landesbundes oder einer Mitgliedsgewerkschaft des dbb kann zusätzlich die halbe Abschlussgebühr gespart werden. Für Sparfüchse interessant ist die Kombination von dbb Vorteil, halber Abschlussgebühr und dem Wüstenrot Jugend bonus: Damit fällt beim Geschenkbausparen über das dbb vorsorgewerk für Jugend liche bis 24 Jahre bis zu einer Bausparsumme von maximal 40 000 Euro effektiv keine Abschlussgebühr an! Ebenfalls eine interessante Wahl: die Kombination mit Wohnsparen und einem Jugendsparkonto von Wüstenrot – das gibt es gebührenfrei und für Angehörige von dbb Mitgliedern zu einem Zinssatz von drei Prozent auf jeden gesparten Euro bis 1 500 Euro. << Jetzt noch alle Vorteile sichern! Sie wollen sich alle Bausparvorteile sichern – als Geschenk oder für sich selbst? Informieren Sie sich unter www.dbbvorteilswelt.de oder telefonisch bei den Kollegen der Kundenbetreuung des dbb vorsorgewerk: Montag bis Freitag von 8 Uhr bis 18 Uhr unter 030. 40816444. Gerne wird Ihnen auch eine fachmännische Beratung vor Ort vermittelt. Fragen Sie den Bauspar- und Finanzierungsexperten von Wüstenrot nach den vom dbb vorsorgewerk empfohlenen Produkten und exklusiven Vorteilen für dbb Mitglieder. sz Ein großzügig bemessener Supermarktparkplatz am Berliner Stadtrand bringt es sage und schreibe auf 21 Verbotsschilder, die sich teils sogar widersprechen. Doch das macht nichts, schließlich geht es um das große Ganze. Und der gute Wille zählt wie überall sonst in deutschen Landen für die Tat. Diese Maxime findet inzwischen nicht nur auf Supermarktparkplätzen Anwendung, sondern gilt längst immer und überall. Unsere Volksvertreter überbieten sich darin, immer neue und bessere Regelungen für Menschen in besonderen Lebenslagen zu ersinnen, was grundsätzlich löblich ist, doch der allgemeine Grundkonsens gerät aus dem Lot. Das gilt für Inklusion und innere Sicherheit ebenso wie für Schul- und Kita- politk, von Alterssicherung und Gesundheitswesen ganz zu schweigen. Aber wen kümmert schon der Grundkonsens, damit ist vielleicht Staat zu machen, aber ansonsten kein Blumentopf und schon gar keine Wahl zu gewinnen. Was gemeint ist, hat der alte Kant vor 300 Jahren formuliert: „Recht ist die Einschränkung der Freiheit eines jeden auf das Zusammenspiel der Freiheit von jedermann, sofern dies nach einem allgemeinen Gesetz möglich ist.“ Davon sind wir inzwischen leider weit entfernt, weil die Ausnahme zur Regel stilisiert worden ist. Und der noch ältere Seneca weiß warum. In einem seiner Briefe an Lucilius stellte er vor 2 000 Jahren fest: „Ich schäme mich, es auszusprechen. Wir pflegen das Gutsein als Freizeitbeschäftigung.“ Jede Wette, dass sich die Parteien und deren Galionsfiguren im Wahljahr 2017 an Letzteres halten werden, an Ersteres nicht. Der kategorische Kant war immer schon (zu) schwer verständlich … sm 39 glosse Deutschland ist ein „El Dorado“, ein wahres Gold- und Wunderland für Senioren, Eltern mit Kindern und Menschen mit Behinderungen. Nirgendwo sonst in Europa oder anderswo werden deren besondere Bedürfnisse liebevoller berücksichtigt als hierzulande. Das zeigt sich seit einiger Zeit besonders eindrucksvoll auf den Parkplätzen diverser Supermärkte. Hier sind die Einkaufswagen mit Leselupen ausgestattet, dort finden Kunden ohne Behindertenausweis oder Kindern im Schlepptau kaum mehr einen Parkplatz. In jeder Reihe warnen Hinweisschilder bei Androhung strafrechtlicher Verfolgung vor dem widerrechtlichen Parken auf zur Sondernutzung ausgewiesenen Plätzen. Und das Abladen von Müll ist selbstredend ebenfalls verboten. © Walter Schmitz dbb > dbb magazin | Dezember 2016 dbb Onlineeinkauf international: Über die Grenzen Deutschlands hinaus erschließt sich eine Warenwelt, in der nichts unmöglich scheint. Ob es darum geht, hierzulande Seltenes überhaupt zu bekommen oder in Deutschland Teures billiger: Praktisch können Kunden über das Internet Waren in der ganzen Welt ordern. Wären da nicht die deutschen Zollbestimmungen, die so mancher Schnäppchenjagd einen Strich durch die Rechnung machen. Vertretung des Anmelders oder Empfängers. << Komplizierte Regeln Bei Waren aus der europäischen Union gilt: Der Warenverkehr innerhalb der EU ist grundsätzlich frei, es fällt weder Zoll noch Einfuhrumsatzsteuer an; das gilt derzeit auch noch für Großbritannien. Einschränkungen gelten für Arzneimittel, militärisch nutzbare Waren, Feuerwerk, Kulturgüter, Waffen und Munition. Alkohol, Tabak oder Kaffee müssen unter Umständen besonders versteuert werden. Komplizierter ist der Bezug von Warensendungen aus dem außereuropäischen Ausland. Eine Postsendung aus einem NichtEU-Staat muss grundsätzlich zollamtlich abgefertigt werden. Ob Zölle oder Steuern anfallen, hängt von der Art und dem Wert der Ware ab: Geschenksendungen sind nur bis zu einem Wert von weniger als 45 Euro abgabenfrei. Voraussetzung ist, dass die Sendungen von Privatpersonen in einem Nicht-EU-Staat an Privatpersonen im deutschen Zollgebiet ohne jegliche Bezahlung versandt werden. > dbb magazin | Dezember 2016 / Foto lia Mit dem Begriff „Warenwert“ ist immer der Preis inklusive Versandkosten gemeint: © M P2 online 40 Der Einzelhandel klagt zunehmend über die Konkurrenz aus dem Internet, und Gewerkschaften prangern die Beschäftigungsbedingungen der Mitarbeiter bei Amazon und Co. an. Trotzdem kann niemand leugnen, dass sich der US-Gigant als größtes Onlinekaufhaus der Welt etabliert hat. Auch Konkurrent E-Bay ist als Marktplatz für Gebrauchtes und Neues beliebt. Allen gesellschaftspolitischen Implikationen zum Trotz machen es die „großen Zwei“ ihren Kunden überaus angenehm, online einzukaufen. Interessenten aus Deutschland bestellen natürlich meist über die deutschen Internetseiten der Anbieter – müssen das aber nicht, denn ihre Accounts sind weltweit gültig und können daher auch in jedem Landesshop benutzt werden: England wird gerade wegen der Schwäche des britischen Pfunds interessant, Italien und Frankreich boten in manchen Sparten schon oft günstige Preise und auch Amerika glänzt mit einem erweiterten Warenangebot und teils guten Preisen – zumindest auf den ersten Blick. In der Realität gibt es Lieferbeschränkungen für bestimmte Waren. Bei Amazon USA können Deutsche nicht in allen übernommen und die Kosten bereits in richtiger Höhe in seinen Preis eingerechnet, bedeutet das, dass statt des ersehnten Pakets aus Übersee lediglich eine Zollbenachrichtigung im Briefkasten landen kann. Sie besagt, dass die Sendung beim zuständigen Zollamt gegen Entrichtung der anfallenden Gebühren abgeholt werden kann. Bei zahlreichen internationalen Postsendungen wird das Paket mit Einfuhrabgabenbescheid direkt an den Empfänger, den sogenannten Zollschuldner, übersandt. Wenn keine Einfuhrabgaben entstehen © euthymia / Fotolia Warengruppen und die Sendung keine bestellen. Bei E-Bay entscheiWaren enthält, die Einfuhrverdet der jeweilige Anbieter über boten und -beschränkungen die Z ustellung nach Deutschunterliegen und keine anderen land, kann sich aber ebenfalls Hinderungsgründe vorliegen, nicht über gültige Handelsbewird die Sendung direkt durch schränkungen hinwegsetzen. die Post AG ausgeliefert. BesteTrotzdem bleibt in diesen und hen dagegen Zweifel, ob diese vielen anderen amerikanischen Voraussetzungen vorliegen, ist Shops ein riesiges Warenangedie direkte Zustellung in der bot, das einen Blick lohnt. Die Regel nicht möglich. Wenn weTurnschuhe aus den USA, Porgen der Überschreitung von zellan direkt aus Japan oder Wertgrenzen Einfuhrabgaben der Wein aus dem Urlaub – entstehen, es aber keine weitetheoretisch kein Problem. ren Hinderungsgründe gibt, kann die Post trotzdem zustelPreistreibend wirken sich dabei len: Sie übernimmt dann die zunächst die Versandkosten zollamtliche Abfertigung in aus, die meist höher sind als innerhalb Deutschlands. Zudem müssen auf den günstigen Preis unter bestimmten Bedingungen Einfuhrumsatzsteuer und Zoll aufgeschlagen werden, für deren Abgabe in aller Regel der Käufer selbst verantwortlich ist. Hat der Verkäufer die Zollformalitäten nicht ausdrücklich © frender / Fotolia Grenzenlose Warenwelten dbb o lia MEV / Fot Höhe der Einfuhrabgaben ergibt sich dann aus den im gemeinsamen Zolltarif der Europäischen Union und den nationalen Steuergesetzen festgelegten Abgabensätzen und berechnet sich aus folgenden Abgabenarten: Zoll für alle eingeführten Waren, eventuell Verbrauchsteuern, dazu zählen Energiesteuer, Tabaksteuer, Branntweinsteuer, Alkopopsteuer, Biersteuer, Schaumwein- und Zwischenerzeugnissteuer und Kaffeesteuer, Verbrauchsteuer für alle verbrauchsteuerpflichtigen Adapter erforderlich macht. DVDs aus Übersee sind in aller Regel mit einem anderen Regionalcode versehen, den heimische Geräten nur abspielen, wenn dieser im Player umgeschaltet wird, was nicht unbegrenzt möglich ist. Bei Bekleidung gilt es, Größentabellen umzurechnen, damit Schuhe und Blusen auch wirklich passen. Auch können die Schnitte der Kleidungsstücke von europäischen Gepflogenheiten abweichen. Ein weiterer Stolperstein ist die Auswahl des passenden Onlineshops jenseits der großen Player. Ist er seriös oder eine Kundenfalle? Auch das sollten internationale Einkäufer vor der Bestellung prüfen, soweit das überhaupt möglich ist. Darüber hinaus müssen Kunden auf Waren aus Übersee oft mehrere Wochen warten und bei möglichen Reklamationen können Umtausch und Erstattung ebenfalls problematisch werden, weil entweder andere Verbraucherschutzrichtlinien gelten oder die Sprachbarriere eine vernünftige Kommunikation erschwert. Abhalten lassen sollten sich Kunden vom Stöbern in ausländischen Warenkörben von all diesen Unwägbarkeiten aber nicht: Für manche Waren kann der Aufwand lohnen und am Ende kann es eben doch sein, dass ein kleiner Traum wahr wird, wenn gefunden wurde, was hierzulande nicht oder nur sehr teuer zu be kommen ist. br > dbb magazin | Dezember 2016 41 online Während sich die Einfuhrumsatzsteuer bis auf ganz wenige Ausnahmen bei 19 Prozent beFür Waren aus vielen Ländern wegt, unterscheiden sich die werden allerdings Zollbegüns Zollsätze für die Wareneinfuhr tigungen, sogenannte Präfe in die EU stark: Während anarenzen, gewährt. Besteht die loge Fotokameras mit 4,2 ProZollbegünstigung in einer zent verzollt werden müssen, Zollbefreiung, so sind für die sind digitale Kameras zollfrei. eingeführte Ware lediglich die Vorsicht auch beim Einfuhrumsatzsteuer und gegeFahrrad benenfalls die Verbrauchsteuer kauf zu zahlen. Meist gelten die Präaus ferenzen allerdings nur bei China: einem Wert von bis zu Hier fallen lia 500 Euro. neben dem Zollo to F / ed satz von 15 Prozent zus ar a ©n sätzlich 48,5 Prozent Antidumpingzoll an. Notebooks Da und Tablets sind zollfrei, DVDalso keiPlayer schlagen dagegen mit ne pauschalen 13 Prozent zu Buche. Angaben möglich sind, muss So mancher Händler bietet an, jeder Online die erstandene Ware als „Gekunde selbst beschenk“ zu deklarieren und rechnen, ob die Beden Warenwert entsprechend stellung am Ende lohnt nach unten zu korrigieren, um oder nicht. Die Internetseite Zoll zu sparen. Käufer sollten www.zoll.de bietet dafür einen sich allerdings nicht darauf einumfangreichen Leitfaden, den lassen, denn kontrollieren kann Kunden vor der Bestellung auf der deutsche Zoll die Sendung jeden Fall berücksichtigen sollnatürlich trotzdem – mit allen ten, um sich vor teuren Über Konsequenzen. raschungen zu schützen. Hat man ein Produkt zu einem << Kuriose Unterschiede günstigen Preis gefunden und ist auch der Zollsatz akzeptaUnter den Einfuhrbeschränbel, gilt es, vor dem Kauf gekungen in die EU finden sich nau zu prüfen, ob die Ware in derweil Kuriositäten und auch Deutschland überhaupt bedie unterschiedlichen Zollsätze nutzt werden kann: Elektrofür verschiedene Warengrupnik aus Japan und den USA ist pen leuchten dem Laien nicht zum Beispiel auf ein 110-Voltunbedingt ein. Für FolterwerkStromnetz ausgerichtet. Elek zeuge zum Beispiel heißt es auf tronik aus Amerika verfügt www.zoll.de: „Für die Einfuhr zudem über andere Netz bestimmter Güter zur Hinrichstecker als Produkte für den tung oder Folter von Menschen Deutschen Markt, was einen << r a il Ab einem Warenwert von mehr als 150 Euro wird es dann interessant, denn jetzt werden die Abgaben nach dem Zolltarif berechnet. Bei der Berechnung der Kosten wird jede anfallende Abgabenart (zum Beispiel Tabaksteuer, Zoll und Einfuhrumsatzsteuer) einzeln berechnet. Die Andere Länder, andere Sitten bestehen Handelsverbote beziehungsweise Genehmigungspflichten.“ Peitschen mit mehreren Riemen fallen zum Beispiel darunter, solche mit nur einem dagegen nicht. Arzneimittel dürfen Privatpersonen gar nicht im außereuropäischen Bereich bestellen. Innerhalb Europas ist derzeit eine Gesetzesänderung auf dem Weg, die das Verbot lockern soll. can Bei einem Wert zwischen 22 und 150 Euro sind die Sendungen zwar zollfrei, die Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von 19 beziehungsweise sieben Prozent und die Verbrauchsteuer (bei verbrauchsteuerpflichtigen Waren) sind aber zu erheben. Abgaben in einer Höhe von weniger als fünf Euro betrachtet der Zoll als geringfügig und erhebt sie nicht. Waren und Einfuhrumsatzsteuer für alle eingeführten Waren. Der zu zahlende Zollbetrag ergibt sich letztlich aus dem Zollwert der Ware und dem entsprechenden Zollsatz. Der Zollwert ist höher als der Warenwert, da er auch ausländische Steuern oder Versandkosten bis an die EU-Grenze beinhaltet. Er wird nach den allgemeinen zollwertrechtlichen Vorschriften ermittelt. ©S arensendungen mit einem W Gesamtwert von nicht mehr als 22 Euro können ohne die Erhebung von Einfuhrabgaben eingeführt werden. Von der Befreiung ausgeschlossen sind alkoholische Erzeugnisse, Parfums und Tabakwaren. dbb << VBB Verteidigungsministerin Ehrengast der 60-Jahr-Feier Im Rahmen eines Parlamen tarischen Abends hat der Verband der Beamten der Bundeswehr (VBB) am 8. November 2016 in Berlin seinen 60. Geburtstag gefeiert. Als Ehrengast des Empfangs, an dem rund 300 Vertreterinnen und Vertreter aus Bundeswehr, Bundeswehrverwaltung, Bundestag und Bundesministerien sowie dem dbb und seinen Mitgliedsgewerkschaften teilnahmen, begrüßte VBBChef Wolfram Kamm Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen, die in ihrer „Geburtstagsrede“ auch um Verständnis für die in der Bundeswehr laufenden Umstrukturierungen warb. Der VBB-Bundesvorsitzende würdigte die „überaus erfolgreiche Verbandspolitik“ der vergangenen sechs Jahrzehnte und die „herausragenden Persönlichkeiten“, deren Engagement es zu verdanken sei, dass die VBB-Vorgängerorganisationen und später der VBB sich zur maßgeblichen Interessenvertretung für die Beamtinnen und Beamten der Bundeswehrverwaltung entwickelt haben. „Der Verband der Beamten der Bundeswehr hat sich über Generationen nicht nur mit den klassischen Verbandsthemen Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen sagte, der VBB sei in den 60 Jahren seines Bestehens „immer ein kritischer, fairer und konstruktiver Partner gewesen, der sich gemeinsam mit dem dbb nachhaltig für die berufspolitischen, sozialen und rechtlichen Belange seiner Mitglieder einsetzt“. Die Streitkräfte stützten sich bei ihrem Auftrag auf eine starke Verwaltung als „Rückgrat“. Mit der Trendwende „Personal“ habe das Bundesverteidigungsministerium die Weichen neu gestellt, hob von der Leyen hervor: „Durch eine konsequente Einstellungsförderung setzen wir ein kraftvolles Signal, um die Bundeswehr als attraktiven Arbeitgeber auch für Beamtinnen und Beamte zu positionieren.“ Der VBB ist Nachfolgeorga nisation des im Januar 1956 in Bonn gegründeten „Verbandes der Beamten der Deutschen Wehrverwaltung (VBDW)“ und des im Juli 1956 ebenfalls in Bonn gegründeten „Bundes © Friedhelm Windmüller mitgliedsgewerkschaften 42 Besoldung, Planstellen, Bewertung von Dienstposten und der Durchlässigkeit zwischen den Laufbahngruppen auseinandergesetzt, sondern stets auch für den Bestand und die Weiterentwicklung der Institution Bundeswehrverwaltung und deren Verankerung im Grundgesetz eingesetzt und wird dies auch in der Zukunft tun“, betonte Wolfram Kamm. < < VBB-Chef Wolfram Kamm und Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen > dbb magazin | Dezember 2016 der Beamten der Deutschen Bundeswehr e.V. (BBBw) im Deutschen Beamtenbund“, die sich im Oktober 1960 zum „Verband der Beamten der Bundeswehr (VBB)“ ver einigten. << BDZ Pläne für Pkw-Maut unausgegoren Für die daraus resultierende erhöhte Arbeitsbelastung bei der Zollverwaltung und dem Kraftfahrtbundesamt stehe nicht genügend Personal zur Verfügung, ist sich Dewes sicher. Der Zoll habe etwa eine personelle Unterdeckung von zehn Prozent. Angesichts des hohen bürokratischen Aufwands und der zu geringen Einnahmen lohne sich der Aufwand nicht. „Es ist ein Nullsummenspiel“, so der BDZ-Chef. << dbb Hessen Lebensarbeitszeitkonto erhalten und flexibilisieren > Dieter Dewes, Bundesvorsitzender des BDZ Der Bundesvorsitzende der Deutschen Zoll- und Finanzgewerkschaft (BDZ), Dieter Dewes, hat vor erheblichem bürokratischen Mehraufwand durch die geplante Pkw-Maut gewarnt. „Das ist ein bürokratisches Monster“, sagte Dewes am 7. November 2016. Die Pläne von Verkehrsminister Alexander Dobrindt seien unausgegoren und die Maut werde letztlich keine zusätzlichen Einnahmen bringen. Dewes warnte vor dem mit zahlreichen Verwaltungsschritten verbundenen Aufwand von der Zahlbarmachung über die Kontrolle und die Ahndung möglicher Verstöße bis zur Vollstreckung. Da Inländer bei Maut-Zahlungen nach den derzeitigen Plänen im Gegenzug bei der Kfz-Steuer entsprechend entlastet werden sollen, entstünde vor allem für die dafür zuständige Zollverwaltung eine erhebliche zusätzliche Arbeitsbelastung. Hinzu komme, dass umweltfreundliche Autos eventuell sogar über künftige Maut-Zahlungen hinaus ent lastet werden sollen. Für die Bezahlung müssten zudem SEPA-Lastschriftmandate erstellt werden. Der dbb Hessen hat sich in Gesprächen mit Landespolitikern für die Beibehaltung und Flexibilisierung der Lebensarbeitszeitkonten (LAK) für Landesbeamte starkgemacht. Damit böte Hessen seinen Beamten einen wesentlichen Attraktivitätsfaktor im Wettbewerb mit der Privatwirtschaft, teilte der dbb Landesbund am 24. Oktober 2016 mit. > Heini Schmitt, Vorsitzender des dbb Hessen Neben der Möglichkeit, den tatsächlichen (nicht rechtlichen) Zeitpunkt des Ruhestandseintritts ein wenig nach vorne zu verschieben, biete ein LAK derzeit vor allem die Gelegenheit, Beruf und Privatleben besser zu vereinbaren. Die angesammelten Guthaben auf dem LAK müssten daher auch künftig jederzeit im Rahmen des dienstlich Vertretbaren und ohne besonderen Verwaltungsaufwand verwendet werden können. Das bisher mitunter noch sehr aufwendige Beantragungs- und Genehmi- dbb gungsverfahren hingegen solle erheblich vereinfacht werden, forderte der dbb Hessen. Überlegungen zum Einfrieren der Guthaben mit der Maßgabe, sie nur in unmittelbarem Zusammenhang mit der Ruhestandsversetzung zu verwenden, erteile man dagegen eine klare Absage. mitgliedsgewerkschaften 44 Ein weiterer wichtiger Aspekt im Zusammenhang mit dem LAK sei für den dbb Hessen die Wochenarbeitszeit. Mit Einführung der 41-Stunden-Woche zum 1. August 2017 (vorher: 42 Stunden, Anmerkung der Redaktion) würde es wegen der bisherigen Gutschrift der 42. Stunde nicht mehr zu einem Anwachsen der Guthaben auf dem LAK kommen. Das würde mittelfristig dazu führen, dass die Guthaben aufgebraucht und das LAK damit ad absurdum geführt werde. Hinsichtlich der „echten“ Wochenarbeitszeit würde sich auch nichts ändern, so der dbb Hessen, da aus der bisherigen rechnerischen eine tatsächliche 41-Stunden-Woche werde. Um einen Vertrauensverlust zu vermeiden, solle die Landesregierung daher die Gutschrift der 41. Stunde ab dem 1. August regeln. << DSTG Dem Staat entgehen Milliardeneinnahmen > Thomas Eigenthaler, Bundesvorsitzender der DSTG Im Interview mit der „Augs burger Allgemeinen“ am 24. Oktober 2016 hat der Bundesvorsitzende der Deutschen Steuer-Gewerkschaft und stellvertretende dbb Bundesvorsitzende Thomas Eigenthaler dar- > dbb magazin | Dezember 2016 auf hingewiesen, dass dem Staat Milliarden Euro an Einnahmen entgehen. Ein Grund dafür seien unter anderem die bestehenden Vollzugsdefizite, die nur mit mehr Personal beseitigt werden könnten. Von 1 000 Kleinunternehmen in Deutschland würden jedes Jahr im Schnitt nur 24 geprüft, machte Eigenthaler deutlich. Seien die Betriebsprüfer einmal im Haus gewesen, dauere es rein rechnerisch 40 Jahre, bis sie wiederkämen. Mit mehr Betriebsprüfern in den Finanzämtern könnten nicht nur diese Prüfungsintervalle reduziert, sondern auch sehr viel gezielter geprüft werden. << VDStra. Aufklärung über „Infrastrukturgesellschaft Verkehr“ > Siegfried Damm, Bundesvorsitzender des VDStra. Die VDStra.-Fachgewerkschaft der Straßen- und Verkehrsbeschäftigten hat vom Bundesverkehrsminister eine zeitnahe Aufklärung über die Pläne für die „Infrastrukturgesellschaft Verkehr“ des Bundes gefordert. „Die Ausgestaltung der Beschäftigungsverhältnisse in den Straßenverwaltungen und Landesbetrieben und die Sicherheit des Arbeitsplatzes haben für uns als die Fachgewerkschaft im Straßenwesen die oberste Priorität in den künftigen Strukturen, wie auch immer diese aussehen werden“, teilte die VDStra. am 21. Oktober 2016 mit. Bund und Länder hatten sich zuvor auf eine Grundgesetzänderung in Bezug auf die Auftragsverwaltung der Bundes- << kurz notiert Der Vorsitzende des DBB NRW, Roland Staude, und weitere führende Vertreter des Landesbundes haben am 11. November 2016 bei einem Gespräch mit Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, Finanzminister Norbert Walter-Borjans und Staatssekretär Bernhard Nebe wichtige Themen des öffentlichen Dienstes erörtert. Dazu gehörten neben grundsätzlichen Themen rund um das Dienstrecht auch die Frauenförderung, die Jubiläumszuwendung sowie die Neueinstufungen in die Erfahrungsstufen. Außerdem auf der Agenda: Lehrerbesoldung, Zulagen im kommunalen Bereich sowie die kommenden Besoldungsgespräche. autobahnen und sonstigen Bundesstraßen des Fernverkehrs geeinigt. Demnach soll es die genannte Infrastrukturgesellschaft des Bundes geben, um die Investitionen ins Fernstraßennetz zu bündeln. Die Einigung war Teil eines Gesamtpaketes zur Neuregelung des Bund-Länder-Finanzausgleichs einschließlich des Solidarpaktes II. Die Zustimmung zu der Infrastrukturgesellschaft erfolgte gegen einen Beschluss der Verkehrsministerkonferenz, wie die VDStra. bemängelte. Den „Bundesländern die Kompetenzen im Rahmen der Auftragsverwaltung zu nehmen, hätte niemals mit einer politischen Mehrheit umgesetzt werden können, wenn sie jetzt nicht Teil des Verhandlungspakets zu den Bund-Länder-Finanzen gewesen wäre“. Ferner sehe die Vereinbarung zwischen Bund und Ländern zwar vor, dass ein Verbot der Privatisierung von Autobahnen und Bundesstraßen verfassungsrechtlich verankert werden solle. Diese Klausel bedeute jedoch nicht, dass eine Privatisierung der Infrastrukturgesellschaft – oder Teile von dieser – ausgeschlossen seien, stellte die VDStra. fest. Positiv sei hingegen, dass die Interessen der Beschäftigten hinsichtlich Status, Arbeitsplatz und Arbeitsort berücksichtigt und die Personalvertretungen bei der Neustrukturierung eingebunden werden sollen. Insgesamt stelle man fest, so die VDStra., dass der Beschluss zur Infrastrukturgesellschaft „sehr unbestimmt ist und viele Interpretationen erlaubt“. Daher wolle man auch vom Bundesverkehrsminister erfahren, mit welchen organisatorischen und personellen Auswirkungen er rechne. << BDR 34. Rechtspflegertag > Mario Blödtner ist der neue Bundesvorsitzende des BDR Der 34. Deutsche Rechtspflegertag, der vom 26. bis 28. Oktober 2016 in Trier tagte, hat Mario Blödtner zum neuen Bundesvorsitzenden des Bundes Deutscher Rechtspfleger (BDR) gewählt. Der bisherige Bundesvorsitzende Wolfgang Lämmer wurde zum Ehrenvorsitzenden ernannt. Wiedergewählt wurden die stellvertretenden Vorsitzenden Achim Müller, Klaus Rellermeyer, Manfred Georg (Schatzmeister), Elke Strauss (Schriftleiterin des Rechtspflegerblattes) und Claudia Kammermeier (Öffentlichkeitsreferentin). Neu gewählt und mit den Aufgaben der Geschäftsführerin betraut wurde Antje Keilhaue. dbb << dbb mecklenburgvorpommern Kritik am Koalitionsvertrag „Aufrechterhaltung einer leistungsstarken und bürgernahen Justiz“ wie ein Hohn vorkommen, nachdem in den letzten Jahren als Konsequenz aus der gegen viele Widerstände durchgesetzten Strukturreform viele Gerichte schließen mussten. << dbb rheinland-pfalz > Dietmar Knecht, Vorsitzender des dbb mecklenburg-vorpommern mitgliedsgewerkschaften 46 Der zwischen SPD und CDU ausgehandelte Koalitionsvertrag für die nächste Landesregierung in Mecklenburg-Vorpommern geht nach Ansicht des dbb Landesvorsitzenden Dietmar Knecht in weiten Teilen an der Realität vorbei. „So gewinnt man kein Vertrauen und schafft kein Gefühl von Wertschätzung“, sagte Knecht am 25. Oktober 2016. Kritik übte der dbb Landesvorsitzende insbesondere an der Fortsetzung des „GießkannenPersonalkonzepts 2010“. Bei den unzureichenden Stellenerhöhungen bei der Polizei könne man in Kombination mit den zu erwartenden Krankenständen davon ausgehen, dass in Notfällen künftig bis zum Eintreffen der Polizisten mehr als 21 Minuten vergehen würden. Auch den Justiz-Beschäftigten müssten Formulierungen im Koalitionsvertrag bezüglich der Gegen Stellenabbau im öffentlichen Dienst > Lilli Lenz, Vorsitzende des dbb rheinland-pfalz Der dbb rheinland-pfalz lehnt den von der Landesregierung geplanten Abbau von 2 000 Stellen im öffentlichen Dienst nachdrücklich ab. „Weniger Schultern können immer mehr Aufgaben und einen stetigen Arbeitszuwachs keinesfalls tragen“, sagte die dbb Landesvorsitzende Lilli Lenz am 15. November 2016. Der öffentliche Landesdienst arbeite schon in zahlreichen Bereichen an der absoluten Belastungsgrenze. Beim Personal herrsche daher große Aufre- << kurz notiert Der NBB Niedersächsische Beamtenbund und Tarifunion hat am 4. November 2016 einen Vorstoß von SPD und Grünen, die in Niedersachsen die Regierungskoalition bilden, zur Reform des Familienzuschlags für Beamte scharf kritisiert. Nach Medienberichten sieht der von den beiden Parteien in den Haushaltsauschuss eingebrachte Entschließungsantrag vor, den Familienzuschlag für Verheiratete abzuschaffen. Bisherige Empfänger sollen allerdings Bestandsschutz bekommen. Stattdessen soll der Familienzuschlag zukünftig nur noch an Beamte mit Kindern – unabhängig vom Familienstatus – gezahlt werden. Einer möglichen Besserstellung von Kindern von Alleinerziehenden oder Unverheirateten erteilte NBB-Chef Friedhelm Schäfer eine klare Absage: Dies wäre „ein Affront, der zudem unstreitig auch verfassungswidrig wäre“. gung und Verunsicherung in Bezug auf die Regierungspläne. Bevor Beschlüsse über die abzubauenden Stellen gefasst werden, müsse zunächst eine gründliche Aufgabenkritik und daraus resultierend eine objektive Analyse des Personalbedarfs erfolgen. Stellenabbau sei insbesondere in Zeiten des demografischen Wandels verantwortungslos, denn für einen angemessenen Altersdurchschnitt des Personals müssten unbedingt Einstellungskorridore offengehalten werden. „Ansonsten sehen wir in Zukunft schwarz für die Qualität öffentlicher Dienstleistungen in Rheinland-Pfalz“, sagte die dbb Landesvorsitzende. << BTB Bundeszuständigkeit für Fernstraßen bedenklich << kurz notiert Der dbb berlin hat am 21. Oktober 2016 darauf hingewiesen, dass durch die Gewährung von zinslosen Darlehen nach den Voraussetzungen der AV Rechtsschutz (Ausführungsvorschriften über Rechtsschutzmaßnahmen in Zivil- und Strafsachen für Bedienstete des Landes Berlin) entstehende Zinsvorteile künftig ebenso wenig versteuert werden müssen wie der Verzicht auf die Rückzahlung des Darlehens selbst. Diese Darlehen werden von öffentlichen Arbeitgebern gewährt, wenn gegen einen Beschäftigten im Zusammenhang mit einer dienstlichen Tätigkeit ein Ermittlungsverfahren eingeleitet oder Klage erhoben worden ist, um die Kosten der Rechtsverteidigung abzudecken. Auf Anregung des dbb berlin habe die Staatssekretärin in der Berliner Senatsverwaltung für Finanzen, Margaretha Sudhoff, dieses Anliegen auf Bund-LänderEbene vorgetragen und einen entsprechenden Beschluss erwirken können. > dbb magazin | Dezember 2016 > Jan-Georg Seidel, Bundesvorsitzender des BTB Bund und Länder haben sich auf eine Grundgesetzänderung in Bezug auf die Auftragsverwaltung der Bundesautobah- nen und sonstigen Bundesstraßen des Fernverkehrs geeinigt. Demnach soll es eine Infrastrukturgesellschaft des Bundes geben, um die Investitionen ins Fernstraßennetz zu bündeln. Die Gewerkschaft Technik und Naturwissenschaft BTB hat diesbezüglich am 1. November 2016 verschiedene Bedenken mitgeteilt. Es sei unklar, welchen Einfluss die Länder zukünftig noch auf ihr Straßennetz haben und wie ein zusammenhängendes Bundes- und Landesstraßennetz gewährleistet werde. Auch sei fraglich, ob der Bund die Bundesfernstraßen damit privatisieren könne oder über einen Umweg die AutobahnMaut einführe. Der BTB sieht daher die Gefahr, dass der Straßenbau zukünftig, insbesondere in der Fläche und jenseits von gewinnorientierten Überlegungen, nicht mehr angemessen koordiniert und vorangetrieben werde. Durch mögliche Privatisierungen könnten zudem die Kosten steigen. „Aus Sicht des BTB ist die Ver lagerung der Zuständigkeit von den Ländern zum Bund fachlich falsch“, stellte die dbb Fachgewerkschaft klar. „Auf lange Sicht werden die Autofahrer zur Kasse gebeten, Berufstätige und Unternehmen werden Einschnitte erleben. Mit dieser Entscheidung ist ein Schritt in Richtung Privatisierung und Maut gemacht worden.“ dbb e r.d / Fo t o lia > dbb magazin | Dezember 2016 47 kulisse © eyeQ / Fotolia Pinguin statt Geißbock – Hauptsache Maskottchen. Was dem 1. FC Köln recht ist, darf der norwegisch-königlichen Leibgarde billig sein. Seit 1972 dient ein Königspinguin aus dem Edinburger Zoo namens Sir Nils Oliver dem Regiment als Wappentier. Der Pinguin nimmt nicht nur die jährliche Ehrenparade ab, sondern wird auch regelmäßig befördert: 2008 wurde er zum Ritter geschlagen, in diesem Jahr avancierte Sir Nils Oliver zum Brigadegeneral. Ob das den Kölner Geißbock wurmt, ist nicht bekannt. Er heißt schlicht „Hennes“. to re eingerichtet. Als Dekoelemente dienen mechanische Schreibmaschinen, Röhrenradios, Bleistiftspitzmaschinen oder schwarze Wählscheibentelefone. Die Gäste nehmen stilecht an Nierentischen Platz und frönen ihrer Lust am Amt, wenn denn geöffnet ist. Das ist allerdings nur stundenweise der Fall und teils sogar wetterabhängig. Wie im richtigen (Behörden-)Leben nennt sich der Gastronom „Amtsleiter“. Wenn der Hahn kräht – auf dem Mist, ändert sich nicht nur das Wetter, sondern die Ruh ist hin und der Seelen frieden so mancher Nachbarn auch. In dem Brandenburger Dörflein Zitz, das 300 Einwohner zählt, tobt seit Jahren ein erbittert geführter (Hahnen-) Kampf um Kräh- und Ruhezeiten der rund 150 ortsansässigen Gockel. Der Nachbar eines Hobbyzüchters ging bereits mehrfach vor Gericht, weil er eine strikt einzuhaltende Krähund Ruhezeit durchsetzen wollte. Eine solche so mir nichts, dir nichts zu verordnen, sahen ©s ho ck sich die Richter f außerstande. Jetzt soll der Züchter nachweisen, dass das Hähnekrähen ortsüblich ist, und der Kläger muss Protokoll darüber führen, wie viele Hähne, wie lange und zu welchen Zeiten seine Ruhe stören. Damit dürfte der Kikeriki-Konflikt neue Nahrung, aber noch längst kein Ende finden. sm ac Sattes Grün – will liebevoll gepflegt sein. So erhielt eine offenbar wild ausgesamte Staude in einem Bielefelder Vorgarten die besondere Zuwendung sämtlicher Haus bewohner. 2,60 Meter hoch wuchs das unbekannte Gewächs, bevor die Polizei der weiteren Pflege Einhalt gebot. Die Mieter hatten eine gigantische Cannabispflanze vor ihrer Haustüre mit voll ausgebildeten Blütenständen herangezüchtet. Beamte des Rauschgiftdezernates ernteten und vernichteten das berauschende Gewächs sehr zum Ärger der Hausbewohner, die sich an dem kräftigen Wachstum der Grünpflanze immer wieder erfreut hatten. Von wegen kalter Kaffee – der mag zwar als Bürolabsal in vielen Amtstuben zum Standard gehören, doch nicht in einem nostalgischen Beamten-Kaffeehaus in Bremen. Dort munden Kaffee und Kuchen den Gästen bestens, was kaum dem Ambiente geschuldet sein kann. Das Etablissement ist im Stil einer Behörde der 60er-Jah- © Iveta Angelova / Fotolia Seid fruchtbar und mehret euch – heißt es schon in der Bibel. Und Italien macht damit – zumindest in einer Werbekampagne – ernst. Ob des drastischen Geburtenrückganges hat die Regierung nicht nur vor Kurzem einen „Fertility Day“ ausgerufen, sondern gleich eine ganze Fortpflanzungskampagne gestartet. Die Kritiker der umstrittenen Aktion können gewichtige Argumente gegen den staatlichen Kinderappell vorbringen. Etwa 40 Prozent der jungen Italiener sind arbeitslos und finanziell gar nicht in der Lage, eine Familie zu gründen. Da nutzt es wenig, wenn der umstrittenste Slogan lautet: „Fruchtbarkeit ist ein Gemeingut“, während von konkreten Familienhilfen nicht die Rede ist. Ehre, wem Ehre gebührt – heißt es zu Recht. Und so avanciert endlich das schlichte Gänseblümchen zur Heilpflanze des Jahres 2017. „Bellis perennis“, die „Ewig Schöne“, so der botanische Name, empfiehlt sich als Zutat in jedem Kindertee und hilft bei Schwäche zuständen, Erkältungen, Durchfall, Hautausschlag und Menstruationsbeschwerden. Literaturnobelpreisträger Bob Dylan sollte allein aus Seelenverwandtschaft dem kleinen weiß-gelben Blümchen eine Ballade widmen.
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