- Schaffler Verlag GmbH

DOC RABE Media - Fotolia
Was Unternehmen leisten
Behandlungsziel
Schönes Leben
Als Ergänzung zu bestehenden Therapien von Suchtkranken wurde vor
einigen Jahren am Wiener Anton-Proksch-Institut das Orpheus-Programm
entwickelt. Es soll Betroffenen Stütze und vor allem Freude auf ihrem Weg
in ein autonomes, selbstbestimmtes, sprich: suchtfreies, Leben bieten. Im
Fokus steht dabei die Erfahrung von Lebensfreude und neuer Kraft.
Durch die Anreicherung des Lebens mit Schönem und Reizvollem kommt es zu einer „Umwertung der Werte“ – vor allem emotional.
Menschen sind nämlich völlig unfähig, etwas,
das für sie eine hohe emotionale Wertigkeit
hat, aus „Vernunftgründen“ nachhaltig zurück
zu reihen. Nicht Ideen, sondern Emotionen
bewegen die Welt. Überlegungen und Entscheidungen, die nicht emotional mitgetragen
werden, haben auf unser tägliches Leben und
Erleben keine wesentlich nachhaltigen Auswirkungen.
Genau das lässt sich bei Suchtkranken be­
obachten: Sie wissen um die Gefährlichkeit
der Suchtmittel und um alle damit verbundenen Nachteile. Trotzdem bleiben diese „Sirenen“ auf ihrer emotionalen Werteskala im
obersten Bereich. Für uns Menschen ist ein
emotionales „Down-grading ganz und gar unmöglich. Die einzige Möglichkeit ist, dass An-
57. Jg. (2016), 12 | www.schaffler-verlag.com
deres an emotionaler Wertigkeit so zunimmt,
das vorher so hoch Bewertete auf diese Weise
an Wertigkeit verliert und quasi von den obers­
ten Plätzen verdrängt wird.
Ziel des Orpheus-Programms
Die WHO definiert Gesundheit als einen Zustand körperlichen, psychischen und sozialen
Wohlbefindens. Aber Wohlbefinden ist ohne
Freiheit nicht möglich – und gerade Freiheit
ist es, die einem Suchtkranken fehlt. Der erste
Schritt zu einem gesunden Leben ist also das
Wiedererlangen der persönlichen Freiheit.
Kommt dazu noch die Fähigkeit, in Lebenssituationen Freude zu empfinden, spricht man von
einem „schönen Leben“.
Suchtkranke auf den Weg zu einem „schönen
Leben“ zu bringen – das ist das erklärte Ziel
des Orpheus-Programms. Was genau „schön“
bedeutet, ist jedoch sehr individuell und somit sind auch die Therapieziele des OrpheusProgramms unterschiedlich. Sie werden von
Therapeut und Patient gemeinsam überlegt
und können sich im Laufe des Prozesses immer
wieder ändern.
Methoden
Um die gemeinsam gesetzten Ziele in der
Praxis zu erreichen, wurden im Anton-ProkschIns­titut verschiedene Module zur Lebensneugestaltung entwickelt. Der Therapeut dient
dabei als Stütze und Begleiter, nicht als Trainer
oder Lehrer.
Basismodul Aufmerksamkeit und Achtsamkeit: In diesen Modulen gilt es, neben
dem Fühlen auch das physische Spüren des
Schönen zu fördern. Dazu dienen ganz einfache Stimulationssituationen wie zum Beispiel das barfüßige Gehen über verschiedene
Unterlagen oder das Riechen von Düften aus
verschiedenen Riechfläschchen etc. Dabei
wird einfach die sinnliche Wahrnehmungsfähigkeit geschärft, denn viele Betroffene verfügen nicht (mehr) über die Möglichkeit, Sinneseindrücke zu erleben.
In den weiterführenden Modulen geht es darum, den eigenen Lebensschwerpunkt im Rahmen eines als schön empfundenen Lebens zu
finden: Körperwahrnehmung, Naturerlebnis,
Kreativität und Kunst, Selbstreflexion und
„Kosmopoesie“ (das Gestalten der eigenen
Welt).
Als letzte Stufe sieht das Orpheus-Programm
„Genussmodule“ vor, in denen jeder individuell seine Art und Weise des Genießens entwickeln und sich so eine (Kraft-)Quelle des
Schönen für sein Leben erschließen kann. ::
Quelle:
Musalek Michael (2015), Behandlungsziel Schönes Leben –
Das Orpheus Programm. In: Existenzanalyse 2/2015
Autor:
Prim. Univ.-Prof. Dr. Michael Musalek,
Ärztlicher Direktor Anton-Proksch-Institut –
eine Gesundheitseinrichtung der VAMED
Das österreichische Gesundheitswesen – ÖKZ 39
Entgeltliche Einschaltung
D
er Name des Programms geht auf
den gleichnamigen Sänger und
Dichter aus der griechischen Mythologie zurück. Es heißt, sein Lied sei so schön
gewesen, dass daneben sogar die Gesänge
der Sirenen ihren Reiz verloren. Diesen Ansatz
verfolgt das Programm in der Behandlung von
Suchtkranken. Die Wirkungen von Suchtmitteln sind gut mit den Gesängen der Sirenen
vergleichbar: betörend schön und reizvoll,
aber in letzter Konsequenz tödlich. Die beste
Möglichkeit, der Verlockung zu entgehen, ist
die Schaffung von etwas noch Schönerem,
Reizvollerem.