Feine Fasern aus Kieselsäure

der Polarisationswiderstand von passivem Eisen in
Salpetersäure durch die Anwesenheit von genügend
viel salpetriger Säure sehr stark herabgesetzt 3 . Salpetrige Säure bildet sich aber an der Oberfläche des
Drahtes, an dem die Aktivitätswelle entlanggelaufen
ist und ist die Ursache für dessen Refraktarität <! . Es
ist daher wahrscheinlich, daß der geschwindigkeitserhöhende Einfluß von refraktären Nachbardrähten
darauf beruht, daß diese wegen ihres geringen Polarisationswiderstandes zur effektiven Leitfähigkeitserhöhung der Umgebung des untersuchten Drahtes
beitragen. Es beruht also die „Bahnung" (facilitation) für die Aktivitätswelle auf einem Draht 1 durch
eine vorangehende Aktivierung eines Nachbardrahtes 2 nicht auf einer Änderung der Oberfläche, die
Draht 1 dadurch erfährt, sondern auf einer Änderung
der Oberfläche von Draht 2. So erklären sich auch die
positiven und negativen Ergebnisse über Bahnung
und Hemmung an Synapsenmodellen, die Yamagiwa
in der an letzter Stelle zitierten Arbeit veröffentlicht hat.
Bei Nerven wird ein solcher Effekt nicht beobachtet
werden können. Zwar mag audi hier die Refraktarität
teilweise auf einer Verringerung der Polarisierbarkeit
(Erhöhung der Kaliumionenpermeabilität) beruhen.
Aber diese Verringerung des Polarisationswiderstandes kann zur effektiven Gesamtleitung nichts beitragen, da der Nachbarnerv für die Leitung der Lokalströme wegen seines hohen inneren Widerstandes
— im Gegensatz zum Metalldraht —unwesentlich ist.
Feine Fasern aus Kieselsäure
V o n T H . NEMETSCHEK u n d
U . HOFMANN
Aus dem Eduard-Zintl-Institut der Technischen Hochschule Darmstadt
(Z. Naturforsdig. 8 b, 410—412 [1953]; eingegangen am 27. Mai 1953)
Herrn Professor Walter
N o ddack
zum 60. Geburtstag
Die bei der Darstellung von SiO in der dem Reaktionsgemisch nahen etwa 1000° heißen
Zone abgeschiedenen hell- bis dunkelbraunen Kondensate enthalten sehr feine und gleichmäßige Fasern, die nach Röntgen- und Elektroneninterferenzen, Dichte und chemischem Verhalten vorwiegend aus amorphem SiO., bestehen.
Ähnliche Fasern fanden sich auch im Staube eines geschlossenen brennenden Ferrosiliciumofens.
Die Fasern bilden gelegentlidi Spiralen, deren Elektronenbilder durch optisdie Effekte besondere Strukturen vortäuschen.
B
ei der Darstellung von Siliciutnmonoxydx
durch
Erhitzen von S i 0 2 mit Si im Hochvakuum bei
1200° erhält man bekanntlich 2 in der dem Reaktionsgemisch nahen Zone, deren Temperatur etwa 1000 ?
beträgt, hellbraune bis dunkelbraune Kondensate,
während sich in der weiter entfernten etwa 700
heißen Zone das SiO als braunschwarzes glasiges Kondensat abscheidet. Die Untersuchung im Elektronenmikroskop zeigte, daß die hellbraunen
bis
dunkelbraunen Kondensate
zu einem großen Teil aus feinen Fasern bestanden (Abb. 1), und zwar sowohl
wenn die Kondensate lockere und weiche, wie wenn
sie spröde und harte Beschaffenheit besaßen.
Vereinzelt ließen sich faserartige Anteile auch noch
in dem braunschwarzen glasigen Kondensat des SiO
nachweisen neben Bruchstücken von meist splitterigem Charakter, die der Menge nach überwogen
(Abb. 2).
Nach G e l d und P o p e l 3 läßt sich SiO in längliche Partikel aufteilen. Die dort gezeigten Elektronenbilder 3 lassen neben verhältnismäßig kurzen und ungleichmäßig dicken Nadeln gleichfalls einige fadenartige Fasern erkennen.
Besonders ausgeprägte Fasern (Abb. 1) fanden sich
in der dem Reaktionsgemisch zunächst liegenden
Zone über dem dort ockerfarbenen bis hellbraunen
lockeren Kondensat. Diese Fasern waren farblos oder
nur schwach gelblich gefärbt. Sie waren von beträcht-
i K. F. B o n h o e f f e r , Z. physik. Chem., Abt. B
131, 363 [1928]; W. B i 11 z u. P. E h r 1 i c h , Naturwiss. 26, 188 [1938]; E. Z i n 11 u. Mitarbeiter, Z. anorg. allg. Chem. 245, 1 [1940],
2 G. G r u b e
u. H. S p e i d e 1, Z. Elektrochem. 53,
339 [1949],
P. W. G e 1 d u. S. J. P o p e 1, J. angew. Chem.
(Russisch) 25, 465 [1952],
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licher Feinheit. Ihr Durchmesser hielt sich meist in
den Grenzen von 150—400 Ä.
Diese besonders ausgeprägten nahezu farblosen
Fasern wurden sorgfältig aus dem Kondensat herauspräpariert und wie im folgenden beschrieben gesondert untersucht.
Z u r D a r s t e l l u n g der Kondensate diente ein Gemisch aus Quarzmehl (99,4% SiO.,) und feingepulvertem
Siliciummetall von zwei Lieferungen (98,4% und 97,3%
Si). Die Fasern entstanden in gleicher Art bei Variation
des Reaktionsgemisches von 1 Si + 1 SiO., bis zu 1 Si
+ 2 SiO,, der Reaktionstemperatur von 1170 bis 1240° C,
des Vakuums von 10~3 bis 10"4 torr.
Die Fasern bildeten ein Netzwerk, das unter dem
Stereomikroskop mit feinen Pinzetten zur Untersuchung
im Elektronenmikroskop auseinandergezogen werden
konnte. Dabei zeigten die Fasern nur geringe Längsfestigkeit.
Die R ö n t g e n u n t e r s u c h u n g und die E l e k t r o n e n b e u g u n g der Fasern zeigten den verwaschenen Interferenzring des amorphen SiO., (d = 4,1 Ä) und
die intensiveren Interferenzen des metallischen Si, (111),
(220), (311), (331) usw.; SiO, dessen verwaschener Interferenzring bei d — 3,6 A liegt, war nicht zu erkennen. Durch
Vergleich mit Röntgenaufnahmen von Gemischen aus Si
und amorphem SiO., ließ sidi die Z u s a m m e n s e t z u n g zu 10% Si und 90% SiO., schätzen.
Die Zuverlässigkeit der bei Gegenwart amorpher Stoffe
fragwürdigen quantitativen Röntgenanalyse wird dadurch
gestützt, daß der Vergleich bei dem ockerfarbenen bis
hellbraunen Kondensat 30% Si und 70% amorphes SiO.,
ergab. Dies entspricht 1 Si auf 1 SiO., und ist in guter
Ubereinstimmung mit den Analysen von G r u b e und
S p e i d e 1 2 , wie auch mit der naheliegenden Auffassung,
daß das hellbraune Kondensat durch Disproportionierung
von SiO entstanden ist.
Die D i c h t e der Fasern ergab sich nach der Schwebemethode im Gemisch aus Bromoform und Xylol zu 2,0.
bei 20° C, in guter Übereinstimmung mit der Dichte des
amorphen SiO., von 1,8—2,2.
Die c h e m i s c h e U n t e r s u c h u n g der Fasern
wurde in Anbetradit ihrer geringen Menge unter Zuhilfenahme des Elektronenmikroskopes
ausgeführt: Das
Netzwerk der Fasern in Abb. 3 a wurde nach K ö n i g
und H e 1 w i g 4 mit einer Kohlehülle überzogen. Die
darauffolgende Einwirkung von 30-proz. kalter NaOH
ergab keine merkliche Veränderung des Materials. Dagegen lösten warme NaOH und noch leichter 20-proz.
Flußsäure die Fasersubstanz auf. Es hinterblieben nur
die leeren Kohlehüllen (Abb. 3 b). Die Elektronenbeugung zeigte keine Interferenzen von Si oder amorphem
SiO., mehr, sondern nur die verwaschenen Ringe (001),
(20) und (02) des feinkristallinen Kohlenstoffs der Kohlehüllen. Dieser Befund ist im Einklang damit, daß die
Fasern zum größten Teil aus Kieselsäure bestehen.
Daß bei der Flußsäurebehandlung auch die Inter4 H. K ö n i g
[1951].
u. G. H e i w i g ,
Z. Physik 129, 491
ferenzen des metallischen Si versdiwanden, ist verständlidi, weil nach von uns ausgeführten Vergleidisuntersudiungen sehr feinteiliges metallisdies Si im Gegensatz
zu gröber kristallinem in Flußsäure löslich ist 5 .
Bei der Untersudiung im Elektronenmikroskop blieben
die Fasern auch nadi sehr starker Bestrahlung unverändert, während z. B. ähnlich feine Fasern von ChrysotilAsbest völlig zerstört wurden. Dies entspricht der guten
Beständigkeit von SiO., bei hohen Temperaturen gegenüber der geringeren Beständigkeit des Asbestes infolge
seines Gehaltes an OH-Gruppen.
Röntgen- und Elektroneninterferenzen, Dichte und
chemisches Verhalten ergaben somit übereinstimmend, daß die Fasern aus amorphem
SiO-2 bestanden, neben geringen Mengen von sehr fein verteiltem
metallischen Si.
Die Abb. 1 * und insbesondere 3 a zeigen dichte Bereiche, in denen die Fasern nicht mehr einzeln sichtbar sind. Hier geben die Kohlehüllen in Abb. 3 b
einen besseren Einblick in die Struktur und lassen
erkennen, daß diese dichten Bereiche wenigstens
weitgehend noch aus zu Knäueln verkrümmten Fasern
bestehen.
In den ockerfarbenen,
hell- bis
dunkelbraunen
Kondensaten
wird diese Knäuelbildung eher noch
ausgeprägter. Zugleich enthalten diese Kondensate,
wie oben erwähnt, wesentlich mehr metallisches
Silicium, so daß die Zusammensetzung nahe bei
1 Si + 1 S i 0 2 liegt. Das metallische Silicium ist wahrscheinlich in körnigen oder splitterigen Teilchen enthalten, die den Fasern beigemengt sind und manchmal schon im Lichtmikroskop sichtbar werden.
Es bleibt offen, ob die Fasern selbst neben
amorpher Kieselsäure auch metallisches Silicium enthalten. Da das sorgfältig präparierte Fasermaterial,
wie es in Abb. 1 wiedergegeben ist, nach den Röntgen- und Elektroneninterferenzen nur noch wenig
metallisches Silicium enthält, liegt die Annahme
nahe, daß die Fasern selbst aus amorpher Kieselsäure bestehen, und daß die geringen Mengen metallischen Siliciums als Fremdkörper beigemengt sind,
aber in weniger auffälliger körniger Gestalt, in den
dichten Teilen des Fasergeflechtes versteckt, nicht
deutlich im Elektronenbild in Erscheinung treten.
Es erscheint uns auffallend, daß diese feinen Fasern — vollständig oder zum überwiegenden Teil —
aus amorphem
Material bestehen. Denn man ist gewohnt, bei anderen ähnlichen feinen Fasern, wie
5 Nach R. S c h w a r z
u. A. K ö s t e r , Z. anorgan.
allg. Chem. 270, 14 [1952], ist auch amorphes Si in heißer
Flußsäure löslich.
* Abb. 1—5 s. Tafel, S. 412 a u. b.
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z . B . den Fasern des Chrysotil-Asbestes 6 oder des
Kollagens 7 die Fasergestalt aus einer der Faser angepaßten periodischen Struktur des Faserinneren zu
erklären, für die bei unseren Fasern die amorphe
Materie der Kieselsäure keinen Anhaltspunkt bietet.
Hier können vielleicht weitere Untersuchungen über
den Bildungsvorgang der Kondensate helfen, über
den wir noch nichts Genaueres aussagen können als
die schon erwähnte Vermutung, daß die Kondensate
durch Disproportionierung des ursprünglich gasförmigen SiO nach
2 SiO -- Si + Si0 2
entstanden sind.
Der Nachweis, daß S i 0 2 solche feinen Fasern bilden kann, gewinnt dadurch an Interesse, daß wir
ähnliche Fasern, wenn auch mit größerer Variation in
der Dicke, im Staub aus den Abgasen eines geschlossenen, brennenden Ferrosiliciumofens
fanden, in dem
ja ähnliche Bedingungen gegeben waren wie bei der
Darstellung unserer Fasern 8 . Die Fasern bewirkten
dort, daß der Staub in schwer aufteilbaren Fetzen
anfiel.
Endlich möchten wir noch über einige Beobachtungen an unseren Kieselsäurefasern berichten, die
vielleicht einen Hinweis auf die kritische Beurteilung
und Deutung der Strukturen geben können, die man
im elektronenmikroskopischen
Bild sieht.
Die Kieselsäurefasern bilden gelegentlich recht
regelmäßige Spiralen mit einer Periode von 400 bis
800 Ä, z. B. im unteren Teil der Abb. 3 a und b.
Manchmal erweckt das Bild der Spiralen den Eindruck einer besonderen, von einer einfachen Spirale
abweichenden Struktur.
So sieht die Spirale der Abb. 4 in ihrem rechten
6 W. N o 11 u. H. K i r c h e r , Neues J. Mineralog.,
Mh. 10, 219 [1951].
7 Vgl.
U. H o f m a n n , T h . N e m e t s c h e k u.
W. G r a s s m a n n , Z. Naturforschg. 7 b, 509 [1952].
Auf diesen Staub machte uns Herr Dr.-Ing. C . R e s c h k e
von den Vereinigten Aluminiumwerken A.-G. aufmerksam, dem wir hierfür unseren besten Dank sagen. Die
Untersuchung dieses Staubes wurde von den Herren
H. P. B o e h m u. A. C 1 a u s s in unserem Institut ausgeführt.
Teil so aus, als wäre ein hell erscheinendes, nur auf
der „Vorderseite" sichtbares „Gewinde" um eine
dunkle „Seele" geschlungen. Die Spirale der Abb. 5
zeigt ein ähnliches Bild. Dabei ist aber die Spirale so
stark zusammengeschoben, daß sie einer dicken
Faser mit periodischer Querstruktur ähnlich wird.
Bei einem so einfachen Objekt, wie es unsere aus
amorphem S i 0 2 bestehenden Fasern sind, handelt es
sich bei beiden Bildern wahrscheinlich nur um eine
einfache Faser, die zu einer Spirale zusammengeschoben ist. Auch zeigt die Abb. 4 auf ihrer linken
Seite die Windungen derselben Spirale mit den normalen Schwärzungen, die nach der Massendicke der
durchstrahlten Windungen zu erwarten sind. Die besonderen Erscheinungen der Bilder dürften wahrscheinlich nur die Folge optischer Effekte sein. Die
hellen und dunklen Partien des „Gewindes" und der
„Seele" können durch Beugung der Elektronen hervorgerufen worden sein. Daß die „Rüdeseiten" der
Windungen nicht sichtbar werden, kann daher kommen, daß die Elektronen beim Durchtritt durch die
dicht zusammengeschobene Spirale diffus gestreut
werden, wodurch die objektivferne „Rückseite" unschärfer abgebildet wird als die objektivnahe „Vorderseite 9 .
Diese Beobachtungen haben nach unserer Vermutung eine über das hier behandelte Material hinausgehende Bedeutung, im Hinblick auf ähnliche Erscheinungen an anderen Fasern, z. B. am Kollagen 10,
auf die wir in einer späteren Veröffentlichung eingehen werden.
Fräulein G e r d a B r ü c k n e r und Herrn cand. chem.
P. J. B a 11 a c h danken wir für ihre Mitarbeit.
Der D e u t s c h e n F o r s c h u n g s g e m e i n s c h a f t
danken wir für die Überlassung des Elektronenmikroskopes mit Zusatzgeräten.
9 Vgl. die Diskussion einer Aufnahme von Bakteriophagen von H. R u s k a (Naturwiss. 29, 367 [1941], Bild 3)
bei B. v. B o r r i e s , Die Übermikroskopie, Berlin 1949,
S 337
10 Vgl. z.B. Abb. 7 bei U. H o f m a n n , Th. N e m e t s c h e k u. W . G r a s s m a n n , Z. Naturforschg. 7 b, 509
[1952],
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Abb. 1. Feine Fasern aus Kieselsäure aus den hellen Kondensaten der SiO-Darstellung. Elektronenbild Nr. 395/53,
Siemens-Mikroskop, Darmstadt; elektronenoptische Vergrößerung: 5850-fach, in der Abb.: 10000-fach.
Abb. 2. Braunschwarzes glasiges SiO, zerkleinert. Elektronenbild Nr. 261/53, Siemens-Mikroskop, Darmstadt;
elektronenoptische Vergrößerung: 12 500-faeh, in der
Abb.: 12 400 - fach.
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Abb. 3. Feine Fasern aus Kieselsäure; a) unbehandelt, b) mit Kohlehüllen überzogen, mit Flußsäure behandelt.
a) Elektronenbild Nr. 1140/52, Siemens-Mikroskop, Darmstadt; elektronenoptische Vergrößerung: 12500-fach, in
der Abb.: 21000 - fach.
b) Elektronenbild Nr. 1150/52, Siemens-Mikroskop, DarmStadt; elektronenoptische Vergrößerung: 12500-fach, in
der Abb.: 22 500 - fach.
Abb. 4. Spirale aus einer Kieselsäurefaser. Elektronenbild Nr. 914/52, Siemens-Mikroskop, Darmstadt; elektronenoptische Vergrößerung: 5S50-fach, in der Abb.: 38 000-fach.
Abb. 5. Spirale aus einer Kieselsäurefaser. Elektronenbild Nr. 953/52, Siemens-Mikroskop, Darmstadt; elektronenopt.
Vergrößerung: 15 500-fach, in der Abb.: 39 000-fach.
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