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Antonin Dvorák
Rusalka
Auf einer Wiese am Waldsee tanzen und singen in einer mondhellen Nacht sechs
Elfen. Von ihrem Gesang angezogen, taucht der Wassermann aus der Tiefe des
Sees auf. Die Elfen necken den Alten, und dieser versucht vergeblich, eine von den
Elfen in die Tiefe zu ziehen, er ärgert sich über das sittenlose Treiben der Jugend.
Begleitet wird der Wassermann von der Nixe Rusalka. Doch sie kann in dem fröhlichen Treiben nichts abgewinnen, sie ist traurig, denn sie liebt einen Prinzen, der
oft zum See kommt, um zu baden. Nixen aber sind für den Menschen unsichtbar,
sie haben keine Seele und eine Verbindung mit der Menschenwelt ist deswegen
nicht möglich. Rusalka möchte aber Mensch sein, als Frau lieben, Menschengestalt
erhalten, keinen Fischschwanz, sondern menschliche Beine haben.
Sie gesteht dem Wassermann ihren Kummer, sie will alles tun, um den Geliebten
für sich zu gewinnen. Der erfahrene Wassermann warnt die Verliebte vor der Menschenwelt, aber vergeblich. Von Mitleid gerührt, rät er ihr schließlich, sich an die
Hexe Ježibaba zu wenden, bevor er wieder zum Grund des Sees abtaucht. Rusalkas
tiefe Sehnsucht nach Liebe kommt im Lied an den Mond zum Ausdruck. Der See
wird kälter, als der Mond verschwindet, und die Hexe erscheint. Rusalka bittet
diese, sie in einen Menschen zu verwandeln. Die Hexe erfüllt Rusalkas verzweifelt
hervorgebrachten Wunsch, macht sie für die Menschen sichtbar und teilt ihren
Fischschwanz zu zwei Beinen; sie knüpft aber eine schwere Bedingung an die Verwandlung: Rusalka muss stumm bleiben, sie wird mit den Menschen nicht reden
können. Rusalka achtet diese Bedingung gering, wer liebt, braucht keine Worte.
Aber noch eine zweite Bedingung ist daran geknüpft: Wenn des Prinzen Liebe zu
Rusalka erkaltet und sie in die Tiefen des Wassers zurückkehren will, so bedeutet
das für den Prinzen den Tod. Sie prophezeit, dass Rusalka zurückkehren werde.
Doch nichts kann die Sehnsucht Rusalkas erschüttern. Sie ist überzeugt, dass ihre
Liebe allen bösen Zauber überwinden wird.
Auf der Jagd nach dem weißen Reh ist der Prinz vom Weg abgekommen und findet
sich schließlich am Ufer des Sees wieder, sieht Rusalka, die sich in ein Mädchen
von wunderbarer Schönheit verwandelt hat, verliebt sich und wirbt um sie und
nimmt sie schließlich als Braut mit auf sein Schloss. Das ist der erste Akt.
Auf dem Schloss haben sich die die Hochzeitsgäste versammelt, aber sie begegnen
der stummen und eigentümlichen Braut mit Misstrauen. Der Förster und der Küchenjunge geben ihrem Befremden über die stumme Braut des Prinzen Ausdruck.
Auch den Hochzeitsgästen ist das schöne, doch fremde stumme Mädchen unheimlich.
Rusalka ist auch als Mensch ein Wasserwesen geblieben und kann die Gefühle des
Prinzen nicht in der gewünschten Weise erwidern. Er kann das schöne, aber stets
stumme Wesen nicht verstehen. So erkaltet denn seine Liebe rasch, und er beginnt
sich – bereits am Hochzeitstage - einer anderen Frau, einer Fürstin, zuzuwenden.
Der Fürstin fällt es leicht, den Prinzen für sich zu gewinnen. Der Prinz stellt die
Fürstin der Gesellschaft als seine Braut vor. Da erkennt Rusalka die Untreue des
Prinzen und es bricht ihr das Herz. Sie versucht vergeblich, den Prinzen wieder für
sich zu gewinnen, doch vergebens. Grob weist er sie ab.
Da erscheint der Wassermann, der das Leiden Rusalkas nicht mehr mit ansehen
kann. Er nimmt Rusalka mit. In diesem Moment erkennt der Prinz, dass Rusalka
kein menschliches Wesen ist, dass er eine Erscheinung aus der Geisterwelt geliebt
hat. Die fremde Fürstin lacht über die ganze Geschichte, ihre Liebe war nur Koketterie und Verführung ohne Hintergrund. Der Prinz bleibt allein zurück.
Antonin Dvorac: Rusalka
Rusalka beklagt im dritten Akt ihr Schicksal, denn sie kann nach ihrer Verzauberung nicht mehr Wasserwesen sein. Aber auch in der Menschenwelt gibt es keinen
Platz für sie. Sie muss fortan als todbringendes Irrlicht umherwandern. Der Prinz
hat Boten ausgeschickt, Rusalka zu finden, denn seine Liebe ist wieder erwacht.
Die Hexe sagt ihr, dass die einzige Möglichkeit, sich zu retten und wieder ein Wasserwesen zu werden, darin bestehe, den Prinzen zu töten. Doch Rusalka weist
dieses Ansinnen empört zurück, da sie den Prinzen immer noch liebt.
Der Prinz selbst erscheint reumütig am Ufer des Sees, von Sehnsucht nach Rusalka
getrieben und bittet sie um Vergebung. Sie kommt als ein Irrlicht und klagt den
Prinzen des Treuebruchs an. Aber sie liebt ihn immer noch und warnt ihn, dass ihr
Kuss ihn töten werde. Doch der Prinz verzehrt sich so sehr nach ihr und ist selig,
seine Geliebte wiederzusehen, küsst sie und stirbt in ihren Armen. Rusalka aber
ist nicht erlöst, sie wird weiter als Irrlicht durch die Welt geistern und es bleibt ihr
nur die vage Hoffnung, dass der liebe Gott sie dereinst erlösen wird.
Es ist eine Märchenoper, sie erzählt ein Märchen. Wir könnten es dabei bewenden
lassen und die Oper einfach als Märchen über Lust und Liebesleid geniessen. Das
wäre auch völlig legitim. Aber für eine Einführung ist es doch zu wenig, hier einfach
aufzuhören.
Es ist interessant, dass dieses Wesen "Rusalka" zum Teil unter anderen Namen,
als Melusina oder Undine die ganze deutsche Literatur durchzieht, auch in der Oper
ist die Wasserfee, unter welchem Namen auch immer, präsent.
Es gibt das Volksbuch von der Melusina, geschrieben um 1450, es gibt die "Undine"
von Joseph de la Motte Fouqué, es gibt Goethes "Fischer", das Märchen der kleinen
Seejungfrau von Andersen, auch Ingeborg Bachmann hat sich mit der Figur auseinandergesetzt. Dies sind nur einige Beispiele aus der deutschen Literatur. Auf
der Opernbühne kennen wir E.T.A. Hoffmanns "Undine", nach dem Buch von Fouqué, auch Albert Lortzing hat die "Undine" in Musik gesetzt, es gibt mehrere Ballette zu diesem Stoff. Der Russe Puschkin hat den Stoff verarbeitet und der Franzose Giraudoux, Gerhart Hauptmann in der "versunkenen Glocke" greift das Thema
auf.
Es muss etwas Besonderes dran sein, an diesen Wasserfeen. Dem möchte ich im
Folgenden ein wenig nachgehen.
Ihren Ausgangspunkt nimmt die Frage nach den Feen bei Paracelsus, dem grossen
Schweizer Arzt, Mediziner und Philosophen aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Von ihm gibt es eine ausserordentlich interessante Reihe von Traktaten unter dem Titel: "Liber de nymphis, sylphis, pygmaies et salamandris et de caeteris
spiritibus". Also das Buch von den Nymphen, Luftgeistern, Erdmännchen und Feuerwesen und von weiteren Geistern".
Es begegnet uns in diesen Traktaten der Naturbeschreibung ein Weltbild, das uns
leider fremd geworden ist, das aber dem Mittelalter selbstverständlich war. Seit
dem Philosophen Descartes sind wir gewohnt, die Welt in zwei Teile zu trennen,
nämlich, um in Descartes Begrifflichkeit zu reden, in die "res cogitans" einerseits
und die "res extensa" andererseits. Aus dem berühmten "cogito ergo sum", "ich
denke also bin ich", entwickelt Descartes eine idealistische Erkenntnistheorie, welche zwischen einem denkenden Subjekt und seiner Umgebung unterscheidet. Es
gibt also ein denkendes Subjekt, also letztlich eben den Menschen oder besser den
menschlichen Geist, die "res cogitans" einerseits, und eine ihn umgebende Objektwelt, die "res extensa" andererseits. Beide haben miteinander wurzelhaft nichts zu
tun, sie sind völlig getrennt. Sie treten erst in Beziehung, wenn das denkende
Subjekt beobachtend und urteilend und auch herrschend mit der "res cogitans"
Kontakt aufnimmt. Dieses trennende Denken führt dann – jetzt verkürze ich na2
Antonin Dvorac: Rusalka
türlich enorm – zum Materialismus und letztlich dann auch zu unserem verantwortungslosen Umgang mit der Natur. Doch das ist heute nicht das Thema. Aber das
trennende Denken führt auch dazu, dass wir heute – auch in der Wissenschaft –
grösste Mühe haben, mittelalterliche Weltbilder zu verstehen, und vor allem in
ihrer Bedeutung wirklich zu begreifen.
Was bedeutet es nun aber, wenn wir diese Trennung von Subjekt und Objekt, von
innen und aussen, nicht machen? Wenn wir einen Baum nicht einfach als ein Objekt, sondern als Lebewesen, mehr noch, als Teil von uns, anschauen könnten,
würden wir anders mit ihm umgehen.
Wir hätten auch zu den Nixen, Zwergen und den „caeteris spiritibus“ eine ganz
andere Haltung. Und vor allem hätten wir eine andere Haltung zu den Märchen.
Märchen rufen in uns eine innere Bilderwelt auf, sie erzählen Geschichten in Bildern, die in ihrer Tiefe kollektiv sind, also nicht mehr individuell. Kein Wunder,
dass die Tiefenpsychologie sich der Märchen angenommen hat. Wenn wir nun, und
das ist der langen Rede kurzer Sinn, uns von der Umwelt nicht trennen, also wenn
das denkende Subjekt sich nicht löst von den Dingen, dann können diese inneren
Bilder eine ganz besondere Art von Wirklichkeit erlangen. Zwischen den Naturerscheinungen und uns gibt es keine Grenze, die inneren Bilder erscheinen auch in
der Natur. Wir wären in der Lage, zum Beispiel die Bäche zu personifizieren und
gleichsam als Nixen, als Wassergeister wahrzunehmen. Wir nähmen, das was in
unserem Unbewussten lebt und wirklich ist, was wir auch im Traum als real erfahren, auch in der Natur wahr.
In diesen Traktaten beschreibt nun Paracelsus die Wassernixen. Sie leben als Elementargeister in einem Zwischenreich, nicht auf der Erde, nicht im Himmel oder
in der Hölle. Sie sind keine Menschen, haben aber Menschengestalt. Sie leben wie
Menschen, essen, trinken und schlafen, sind aber, wie Paracelsus sagt, nicht von
"Adam Fleisch". Das heisst, sie haben keine Seele. Und weil sie keine Seele haben,
können sie nicht erlöst werden. Wenn sie sterben, dann sterben sie endgültig. Sie
sind Teil der Schöpfung, nicht aber Teil der Erlösung. Paracelsus sagt, "Christus
sei nicht für sie gestorben". Was ist ihre Funktion? Warum gibt es sie? Es ist ihre
Aufgabe, uns die Grossartigkeit von Gottes Schöpfung einsichtig zu machen, sie
sind die Mittler zwischen der Natur und uns Menschen, sie machen uns das belebte
Wesen der Natur klar. Und sie fordern uns auf, die Natur als Teil von uns zu erkennen und zu schützen. Nymphen und Nixen stehen über der Zivilisation und
allem, was der Mensch macht und kann. Damit steht Natur über der Vernunft und
allem Menschenwerk.
Nicht von ungefähr ruft Goethes Faust in der Szene "Wald und Höhle", die Elementargeister an, nicht den lieben Gott, als er erkennt, dass die Liebe der Herzschlag
des Universums ist. "Erhab'ner Geist, du gabst mir, gabst mir alles, worum ich
bat". Überhaupt wurde Goethe von Paracelsus in der Faustdichtung stark beeinflusst.
Was bedeutet das nun für unser Märchen? Was haben wir gewonnen, wenn wir all
das wissen?
Märchen sind immer wieder auch Seismographen einer geistigen Wandung, einer
Erschütterung des Denkens und des Weltbildes. Märchen fassen solche Wandlungen in eine Geschichte. Und ich glaube, ein solches Märchen haben wir hier vor
uns. Es erzählt uns die Geschichte jenes Übergangs vom Menschen als einem Wesen, das sich als Teil der Natur fühlt und so lebt, eben zu einem Wesen, das eben
Subjekt und Objekt trennt. Beide, die Nixe Rusalka, wie der Prinz, suchen diese
Subjekt – Objekt Schranke zu überwinden. Beide suchen nach der Erlösung.
Rusalka möchte ein Mensch werden, möchte eine Seele haben, möchte als Frau
lieben können. Sie möchte aus ihrem objekthaften Naturzustand zu einem vollgültigen Subjekt und Mitglied der menschlichen Gesellschaft werden. Es gelingt ihr
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Antonin Dvorac: Rusalka
nicht, sie bleibt das Wasserwesen, das sie ist. Die Hexe verwandelt sie zwar in
einen Menschen, aber sie enthält Rusalka das wesentlichste Mittel zur Kommunikation vor: Rusalka bleibt stumm.
Der Prinz möchte eingehen in die Natur, er sucht die Erlösung dort. Aber auch ihm
gelingt diese Verbindung nicht. Er versteht letztlich Rusalka nicht, erkennt ihr Wesen nicht, nur durch den Tod kann er mit ihr vereint sein. Wir haben hier ein Märchen des Übergangs von der beseelten Natur, zur toten Natur als Objekt. Beachten
Sie, dass bereits bei Paracelsus die Nymphen keine Seele haben. Eine Menschenseele wird Rusalka nicht zuteil, sie bleibt ein Naturwesen oder eben, ihre Seele ist
die beseelte Natur. Keine der beiden Hauptfiguren kann in beiden Welten leben.
Rusalka kann, nachdem sie einmal ein unvollkommener Mensch geworden ist,
nicht mehr zurück in die Wasserwelt. Und dem Prinzen ist die Welt der Elementargeister und der Natur ebenso verwehrt. Der Wassermann und die Hexe sind jene
Figuren, welche diese Trennung vollzogen haben. Beide warnen Rusalka vergeblich
vor der Menschenwelt.
Die Brücken zwischen Natur und Mensch, die im mittelalterlichen Weltbild selbstverständlich waren, sind abgebrochen. Es führt kein Weg mehr in keine Richtung.
Auch die grenzenlose Liebe Rusalkas kann keine Verbindung mehr schaffen, sie
bleibt ein Irrlicht, das vielleicht nie erlöst werden wird.
Kommen wir zu einem zweiten Schritt: Es ist interessant, dass Sigmund Freuds für
die Psychoanalyse bahnbrechendes Werk, die "Traumdeutung" im gleichen Jahr
erscheint, in dem die Rusalka uraufgeführt wird, nämlich 1901. Freud setzt darin
Märchen und Träume in Analogie. Das heisst, ein Märchen ist zu verstehen wie ein
Traum. Wir träumen eine Geschichte, einen Sachverhalt, einen Vorgang oder ein
Drama, der uns, wenn wir erwachen, oft abstrus, unlogisch und irreal erscheint.
Erst eine Deutung des Traumes zeigt dessen Beziehung zu uns und zu unserem
Unbewussten auf. Freud nennt die Geschichte, die wir träumen, den "manifesten
Trauminhalt." Das Resultat der Deutung nennt er den "latenten Trauminhalt".
Deuten wir nun die Handlung der Oper als Traum, dann auch hier: es gibt keine
Ganzheit! Dem Träumer ist es verwehrt, ganz zu werden, seine weibliche und seine
männliche Seite finden nicht zusammen. C.G. Jung spräche von Rusalka als einer
Anima-Figur und vom Prinzen als einer Animus-Figur.
Die Sehnsucht, in der Liebe ganz zu werden, ist wohl das Thema der Oper. Die
Grenzen des Ichs und des geliebten Partners zu überwinden und damit auch sich
selbst zu entgrenzen, ist das Thema dieser Oper, aber auch ein bestimmendes
Thema in der Oper im allgemeinen.. Denken Sie an Wagners Tristan, an den Tannhäuser, nicht zuletzt auch an den Ring des Nibelungen. Die Entgrenzung und Vereinigung in der Liebe zur Ganzheit gelingt hier nicht, wie sie wohl nie wirklich gelingt oder nur für Augenblicke. Sie gelingt allenfalls im Tod, Liebe und Tod gehören
immer zusammen.
Wenden wir uns zum Schluss der Musik zu. Dvorák kennen wir nicht als Opernkomponisten, obwohl er mit vielen Opern hervorgetreten ist. Rusalka ist seine beliebteste Oper geworden, sie hat als einzige die Opernbühnen der Welt und das
Opernrepertoire erobert. Wir kennen Dvorak als den Komponisten vor allem der
Symphonie "Aus der neuen Welt", dann aber auch als Komponist des Cello-Konzerts oder der Streichquartette. Wir kennen ihn auch jenen Komponisten, der in
seinem Werk böhmische, mährische und slawische Volkslieber aufnimmt und verarbeitet. In seinem Opernschaffen war Dvorak stark von Richard Wagner beeinflusst. Das Märchen erscheint musikalisch im schweren Gewand des Musikdramas,
wie im Tannhäuser, im Tristan und im Parsival steht die Erlösungsidee im Mittelpunkt. Auch äusserlich gibt es Parallelen zu Wagner, der Anfang der Oper ist dem
Anfang des Rings nachgebildet, die drei Elfen und der Wassermann ahmen die
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Antonin Dvorac: Rusalka
Rheintöchter und Alberich nach, zu Beginn des Rheingolds. Harmonik und Instrumentation sind ganz Wagner nachempfunden, auch ordnet Dvorák Themen einzelnen Figuren zu, ohne dass man allerdings von einer Leitmotivtechnik reden könnte.
Heute abend hören wir jedoch eine kammermusikalische Fassung der Oper. Das
Theater Biel – Solothurn hat es gewagt, den grossen Orchesterapparat, den Dvorák
verlangt, durch ein Kammerorchester zu ersetzen, welches durch Akkordeon und
Harmonium erweitert wird. Wir können sehr gespannt sein, wie Dvoráks Musik, die
wir in sinfonischer Stärke zu hören gewohnt sind, so wirkt. Die bisher erschienenen
Kritiken der Première zu Beginn des Monats klingen vielversprechend.
Es ist in der Tat durchaus naheliegend eine Märchenoper in einer kammermusikalischen Bearbeitung zu bieten. Enthält die Oper ja etwas für die Opernbühne ganz
Erstaunliches. Rusalka verliert im Moment, in dem sie eine Seele bekommt, ihre
Stimme. Sie verliert damit das, was sie auf der Opernbühne überhaupt möglich
macht. Seele oder Stimme* In der Oper lässt sich kaum eindrücklicher darstellen,
welch enorm hohen Preis der Elementargeist bezahlen muss, um den Menschen zu
lieben. Dvorak komponiert nun gleichsam seine Oper um diesen Stimmverlust. Es
sind drei Arien, welche Rusalkas Weg zu den Menschen und zu einer Seele und
wieder zurück zeichnen. Vor dem Verlust der Stimme, also noch als Nixe und Elementargeist im Sinne von Paracelsus, schenkt er Rusalka die wunderbare Mondarie
"Silberner Mond, du am Himmelszelt,
strahlst auf uns nieder voll Liebe.
Still schwebst Du über Wald und Feld,
Blickst auf der Menschheit Getriebe."
Achten Sie auf den Oktavaufschwung darin, Ausdruck der grenzenlosen Sehnsucht
nach der Liebe der Menschen. Als Rusalka nach dem Treuebruch des Prinzen ihre
Stimme wieder gewinnt, erklingt die höchsten Leidensdruck vermittelnde Arie:
"Vergebens, vergebens, vergeblich der Schmerz"
Als im Schlussakt Rusalka zum wesenlosen Irrlicht geworden ist, erklingt ihre letzte
Arie, nicht mehr melodiös wie die anderen, die Harmonien verlieren und entgrenzen sich und es erklingt das Motiv eines Trauermarsches. Das Märchen ist aus der
Sicht der Rusalka erzählt, ihr, der es nicht gelingt, durch die Liebe zum Menschen
ganz zu werden. Entstanden ist die Rusalka in der Zeit vom April bis November
1900. Uraufgeführt wurde sie 1901 in Prag im Nationaltheater. Die Kammermusikfassung, die wir heute Abend hören, wurde extra für diese Aufführung in Biel
und Solothurn in Auftrag gegeben.
28. November 2014
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